Instanzenzug:
Tatbestand
1Die Klägerseite (Versicherungsnehmer/in: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge eine r Kapitallebensversicherung.
2Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Vertragsbeginn zum 1. November 2003 nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der bei Antragstellung gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. Im März 2010 kündigte d. VN den Vertrag und der Versicherer zahlte den Rückkaufswert aus. Mit Schreiben vom 25. Mai 2011 erklärte d. VN den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F.
3Mit der Klage verlangt d. VN Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts (insgesamt 6.185,47 €).
4Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden können.
5Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt d. VN das Klagebegehren weiter.
Entscheidungsgründe
6Die Revision führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
7I. Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. Der Versicherer habe zwar nicht ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrt. Der Vertrag sei aber gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie rückwirkend endgültig wirksam geworden. Hinzu komme, dass d.VN auf sein Widerspruchsrecht verzichtet habe, weil er mit dem Vollzug des Vertrages begonnen und ein Jahr lang weder die Verbraucherinformation noch die Versicherungsbedingungen angefordert und dem Vertragsschluss auch nicht widersprochen habe.
8II. Die Revision ist begründet.
91. Ein Anspruch auf Prämienrückzahlung aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB kann d. VN mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung nicht versagt werden.
10a) Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag schafft keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Er ist infolge des Widerspruchs d. VN nicht wirksam zustande gekommen. Der Widerspruch war - ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. normierten Jahresfrist - rechtzeitig.
11aa) Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts belehrte der Versicherer d. VN - auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Revisionserwiderung - nicht ordnungsgemäß i.S. von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über das Widerspruchsrecht, weil in dem Policenbegleitschreiben vom 24. Oktober 2003 die Widerspruchsfrist mit "14" ohne Angabe der Zeiteinheit "Tage" angegeben war. Eine gegebenenfalls ordnungsgemäße Widerspruchsbelehrung im Antrag kann die Belehrung im Zusammenhang mit der Übersendung der Police nicht ersetzten (Senatsurteil vom 28. Januar 2004 - IV ZR 58/03, VersR 2004, 497 unter 3 b; vgl. auch , NJW 2009, 3020 Rn. 24).
12Für einen solchen Fall bestimmte § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt. Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.
13Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 19. Dezember 2013 (VersR 2014, 225). Der Senat hat mit Urteil vom 7. Mai 2014 (IV ZR 76/11, BGHZ 201, 101 Rn. 17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d. VN - wie hier - nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat (im Einzelnen dazu Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 22-34).
14bb) Die Kündigung des Versicherungsvertrages steht dem späteren Widerspruch nicht entgegen (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 36 m.w.N.). Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt ebenfalls nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 37 m.w.N.).
15cc) Soweit das Berufungsgericht einen Verzicht d. VN auf das Widerspruchsrecht angenommen hat, hält das rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs sind an die Feststellung eines Verzichtwillens strenge Anforde rungen zu stellen (, VersR 2006, 659 Rn. 10 m.w.N.). Das Verhalten d. VN hätte mit ausreichender Deutlichkeit erkennen lassen müssen, dass auf das Widerspruchsrecht verzichtet werden sollte, wobei das Gebot einer interessengerechten Auslegung zu beachten und den der Erklärung zugrundeliegenden Umständen besondere Bedeutung beizumessen ist (vgl. , WM 2012, 2231 Rn. 22 m.w.N). Diese Grundsätze hat das Berufungsgericht angesichts des Fehlens einer ordnungsgem äßen Widerspruchsbelehrung nicht ausreichend beachtet.
16b) Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechtswidrigkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur eine Rückwirkung entspricht dem Effektivitätsgebot (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 42-44).
172. Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich d. VN bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den jedenfalls bis zur Kündigung des Vertrages genossenen Versicherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen (Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 45 m.w.N.).
18Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 2014 aaO Rn. 46).
Fundstelle(n):
JAAAE-90188