Instanzenzug: S 20 AS 5621/12
Gründe:
I
1Die Klägerin wendet sich mit einer Nichtigkeitsklage gegen das Urteil des SG Dresden vom 9.7.2012 (S 20 AS 1671/10). Das SG hat die Nichtigkeitsklage durch Gerichtsbescheid vom 16.10.2012, der Klägerin zugestellt am 19.10.2012 und bestätigt durch das abgewiesen. Durch Beschluss vom 16.12.2014 hatte das LSG zuvor im Berufungsverfahren die Bewilligung von PKH abgelehnt. Im weiteren Verlauf des Berufungsverfahrens gegen den bezeichneten Gerichtsbescheid hat die Klägerin mit Schreiben vom 3.1.2015 (Samstag), eingegangen beim LSG per Fax am 4.1.2015 (Sonntag), ein Gesuch der Ablehnung des kompletten Senats des LSG wegen der Besorgnis der Befangenheit gestellt, weil der Senat die mündliche Verhandlung auf einen Zeitpunkt anberaumt hatte, bevor die Rechtsmittelfrist für eine Beschwerde zum BVerfG gegen den ablehnenden PKH-Beschluss abgelaufen war. Das LSG hatte am 18.11.2014 Termin zur mündlichen Verhandlung auf den 6.1.2015 bestimmt. Das Ablehnungsgesuch hat das als unzulässig verworfen und den ebenfalls am 4.1.2015 per Fax eingegangenen Antrag auf Verlegung des Verhandlungstermins abgelehnt. Der Versuch des Gerichts, der Klägerin letzteres am 5.1.2015 per Fax mitzuteilen, ist fehlgeschlagen. In der mündlichen Verhandlung hat das LSG die Verfahren zu den Aktenzeichen L 3 AS 1352/12, L 3 AS 1423/12, L 3 AS 139/13, L 3 AS 160/13 und L 3 AS 167/13 zur gemeinsamen Verhandlung verbunden und den weiteren Antrag der Klägerin auf Aussetzung der Verfahren bis zur Entscheidung des BVerfG abgelehnt. Zur Begründung des die Berufung zurückweisenden Urteils hat das LSG im Wesentlichen ausgeführt, der Beschluss über das Ablehnungsgesuch sei dem Beklagten am 5.1.2015 bekanntgegeben worden und damit unabänderlich. Der Termin zur mündlichen Verhandlung habe trotz des Verlegungsantrags der Klägerin durchgeführt werden können, da die Klägerin darauf hingewiesen worden sei, dass auch in ihrer Abwesenheit verhandelt und entschieden werden könne. Zudem sei der Antrag durch Entscheidung des Vorsitzenden vom 5.1.2015 abgelehnt worden. Das als Berufung vom LSG gewertete Rechtsmittel gegen den sei unbegründet. Das SG habe die Nichtigkeitsklage gegen das Urteil vom 9.7.2012 zu Recht als unzulässig abgewiesen. Der Klägerin habe das Rechtsmittel der Berufung zur Verfügung gestanden, dessen sie sich trotz Hinweises des SG nicht bedient habe. Auch seien keine Nichtigkeits-, Restitutions- oder Wiederaufnahmegründe ersichtlich.
2Für die Durchführung des Beschwerdeverfahrens gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG beantragt die Klägerin die Bewilligung von PKH sowie Beiordnung von Rechtsanwalt R (D).
II
3Dem Antrag auf PKH kann nicht stattgegeben werden. Nach § 73a SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet; das ist hier nicht der Fall. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter (§ 73 Abs 4 SGG) in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin erfolgreich zu begründen.
4Gemäß § 160 Abs 2 SGG ist die Revision zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Ein solcher Zulassungsgrund ist weder nach dem Vorbringen der Klägerin noch aufgrund summarischer Prüfung des Streitstoffs und nach Sichtung der Gerichtsakten von SG sowie LSG ersichtlich.
5Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG) ist nicht zu erkennen. Sie ist nur dann anzunehmen, wenn eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die - über den Einzelfall hinaus - aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Derartige Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung stellen sich hier nicht. Soweit die Klägerin auf die beigefügte Verfassungsbeschwerde an das BVerfG Bezug nimmt, betrifft diese Herrn K und vermag daher keine im Rechtsstreit der Klägerin klärungsfähige Frage aufzuwerfen.
6Die Entscheidung des LSG weicht auch nicht von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG ab, weshalb eine Divergenzrüge keine Aussicht auf Erfolg verspricht (§ 160 Abs 2 Nr 2 SGG). Divergenz kommt ausschließlich in Betracht, wenn das LSG einen Rechtssatz in Abweichung von einem solchen des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG aufgestellt hat. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage sein könnte, derartige abweichende Rechtssätze, auf denen die Entscheidung beruht, zu benennen.
7Schließlich ist nicht erkennbar, dass ein beim BSG zugelassener Prozessbevollmächtigter einen Verfahrensmangel geltend machen könnte, auf dem die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG).
8Auf eine nicht vorschriftsmäßige Besetzung des erkennenden Senats des LSG iS des § 202 SGG iVm § 547 Nr 3 ZPO wegen der Besorgnis der Befangenheit der an der Entscheidung beteiligten Berufsrichter des Senats könnte ein Prozessbevollmächtigter der Klägerin seine Beschwerde nicht stützen. Als absoluter Revisionsgrund kommt dies nur dann zum Tragen, wenn die mitwirkenden Richter erfolgreich wegen der Besorgnis der Befangenheit abgelehnt worden sind (vgl - juris RdNr 13 unter Hinweis auf § 579 Abs 1 Nr 1 und 3 ZPO). Insoweit ist die Entscheidung des Gerichts konstitutiv; erst die Entscheidung hierüber führt zum Ausschluss der Richter von der Mitwirkung bei einer Entscheidung. Ob eine Besorgnis der Befangenheit zu bejahen ist, hängt von vielfältigen Wertungen und damit von subjektiven Elementen ab. Daher bedarf die Entscheidung über die Befangenheit eines Richters eines Anstoßes desjenigen, der sich durch die eine Besorgnis begründenden Vorgänge unmittelbar betroffen fühlt (vgl - juris RdNr 8). Die Entscheidung über dieses Gesuch ist im Falle der Annahme von Missbräuchlichkeit von dem Senat des LSG, dem die vom Gesuch betroffenen Richter angehören bzw ansonsten von einem anderen Senat desselben Gerichts und nicht vom BSG zu treffen ( - RdNr 9). Insoweit wäre das BSG auch gehindert, in einem Revisionsverfahren über die Besorgnis der Befangenheit eines Richters der Vorinstanz zu befinden. Das Revisionsgericht ist im Hinblick auf § 557 Abs 2 ZPO (iVm § 202 SGG) an Entscheidungen, die dem Endurteil des LSG vorausgegangen sind, gebunden, sofern sie unanfechtbar sind. Dies gilt grundsätzlich auch für Entscheidungen der Vorinstanz, die ein Ablehnungsgesuch unter fehlerhafter Anwendung einfachen Rechts zurückgewiesen haben (§§ 60, 177 SGG; vgl hierzu entsprechend , BVerfGE 31, 145, 164, juris RdNr 66 ff).
9Nur in eng begrenzten Ausnahmefällen kann bei einer rechtsfehlerhaften Entscheidung des LSG über das Befangenheitsgesuch ein absoluter Revisionsgrund iS des § 202 SGG iVm § 547 Nr 1 ZPO angenommen werden. Insoweit kann auch die Mitwirkung eines von einem Befangenheitsgesuch erfolglos betroffenen Richters an einem Urteil zu einer nicht vorschriftsmäßigen Besetzung des Spruchkörpers führen. Es ist hier allerdings nicht erkennbar, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter in der Lage sein könnte, einen derartigen Verfahrensfehler mit Erfolg zu begründen. Denn ein solcher könnte nur dann angenommen werden, wenn der betreffende, die Besorgnis der Befangenheit verneinende Beschluss der Vorinstanz Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art 101 Abs 1 S 2 GG grundlegend verkannt haben sollte (vgl - SozR 4-1100 Art 101 Nr 3, SozR 4-1500 § 60 Nr 5, SozR 4-1500 § 160a Nr 20 RdNr 4). Dies ist der Fall, wenn die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs auf willkürlichen manipulativen Erwägungen beruht, die für die Fehlerhaftigkeit des als Mangel gerügten Vorgangs bestimmend gewesen sind (vgl - SozR 4-1500 § 160a Nr 1 = SozR 4-1100 Art 101 Nr 1 = SozR 4-1500 § 60 Nr 1, RdNr 9 mwN), oder wenn die Zurückweisung des Ablehnungsgesuchs darauf hindeutet, dass das Gericht Bedeutung und Tragweite der Verfassungsgarantie des Art 101 Abs 1 S 2 GG grundlegend verkannt hat (vgl , 1 BvR 985/87, BVerfGE 82, 286, 299). Das ist hier nicht der Fall, denn das LSG hat zutreffend darauf hingewiesen, dass unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin zur Begründung des Ablehnungsgesuchs dieses offensichtlich dazu diene, das Verfahren zu verschleppen, insbesondere die Durchführung des anberaumten Termins vom 6.1.2015 zu verhindern und dass die Ablehnung sämtlicher Richter des 3. Senats substanzlos sei, weil sie einer konkreten Begründung entbehre.
10Ein Prozessbevollmächtigter der Klägerin könnte auch nicht mit dem Vorbringen durchdringen, dass sie zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung noch keine Kenntnis von der aus ihrer Sicht negativen Bescheidung des Gesuchs über die Besorgnis der Befangenheit gehabt habe, sodass sie in ihrem rechtlichen Gehör iS des Art 103 GG, § 62 SGG verletzt worden sei, weil am 6.1.2015 eine mündliche Verhandlung unter Beteiligung der abgelehnten Richter durchgeführt worden sei. Ausweislich der Gerichtsakte ist dem LSG erst am Tag vor der mündlichen Verhandlung (Montag, den 5.1.2015) das Ablehnungsgesuch zur Kenntnis gelangt. Die Klägerin hat es erst am Sonntag (den 4.1.2015) vor der für Dienstag, den 6.1.2015, anberaumten Verhandlung per Fax an das Gericht übersandt. Das LSG hat sodann am 5.1.2015, also vor der anberaumten mündlichen Verhandlung darüber durch Beschluss der Berufsrichter des 3. Senats befunden. Ausweislich der Gerichtsakte war die per einfachen Brief am selben Tag erfolgte Übersendung vorab per Fax nur an den Beklagten, nicht jedoch an die Klägerin möglich. Die Faxübermittlung an sie ist fehlgeschlagen. Die Klägerin konnte jedoch nicht darauf vertrauen, dass das LSG ihrem Befangenheitsgesuch, verknüpft mit einem Verlegungsantrag, folgen würde. Es hätte hier der Klägerin oblegen, angesichts der Kurzfristigkeit des Gesuchs, zudem an einem Sonntag beim Gericht eingegangen, mit nur einem weiteren Werktag vor der bereits im November 2014 für Dienstag, den 6.1.2015 anberaumten Verhandlung sowie der Ablehnung der beantragten PKH durch Beschluss vom 16.12.2014 sich kundig zu machen, ob ihr Gesuch und damit verbunden der Antrag auf Terminverlegung erfolgreich waren. Im Gegenzug zu den prozessualen Fürsorgepflichten des Gerichts ist es Voraussetzung für den Erfolg einer Gehörsrüge, dass der Beschwerdeführer seinerseits alles ihm Obliegende getan hat, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (vgl - und 1.3.2004 - B 9 V 58/03 B - unveröffentlicht; Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, Kommentar, 10. Aufl 2014, § 62 RdNr 11c).
11Die beanstandete Verhandlung durch das LSG trotz des Verlegungs- bzw Vertagungsantrags bietet ebenfalls keinen Anhalt für eine Gehörsverletzung. Denn erhebliche Gründe für die beantragte Verlegung bzw Vertagung der mündlichen Verhandlung (§ 202 SGG iVm § 227 ZPO) sind nicht ersichtlich. Die Klägerin benennt insoweit die Aussetzung des Rechtsstreits zur Durchführung des Verfahrens der Verfassungsbeschwerde gegen den ablehnenden PKH-Beschluss vom 16.12.2014 vor dem BVerfG. Insoweit gilt jedoch nichts anderes als bereits zuvor zur Verletzung des rechtlichen Gehörs durch die Ablehnung des Befangenheitsgesuchs ausgeführt. Die Klägerin konnte angesichts des von ihr letztlich erst einen Tag vor der anberaumten Verhandlung angebrachten Verlegungsantrags nicht darauf vertrauen, dass das LSG ihrem Verlegungsantrag folgen würde, zumal sie lediglich Rechtsgründe für die Verlegung des Termins angegeben hatte. Es wird auf die vorangegangenen Ausführungen verwiesen.
Fundstelle(n):
JAAAE-89638