Teilzeitarbeit - Verteilung der reduzierten Arbeitszeit
Gesetze: § 311a BGB, § 106 GewO, § 8 Abs 4 TzBfG, § 11 Abs 1 TVöD-B
Instanzenzug: ArbG Oberhausen Az: 2 Ca 1344/12 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 14 Sa 5/13 Urteil
Tatbestand
1Die Klägerin verlangt von der Beklagten, ihre regelmäßige Arbeitszeit zu verringern und die reduzierte Arbeitszeit so zu verteilen, dass sie außerhalb von Samstagen, Sonntagen und Feiertagen ausschließlich in der Zeit von 8:00 Uhr bis 15:00 Uhr zu arbeiten hat.
2Die Beklagte beschäftigt die Klägerin, eine alleinerziehende Mutter eines am geborenen Kindes, in ihrem Altenheim „Haus B“ als examinierte Altenpflegerin in Vollzeit. Auf das seit dem bestehende Arbeitsverhältnis finden kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme die Bestimmungen des Tarifvertrags für den öffentlichen Dienst für den Dienstleistungsbereich Pflege- und Betreuungseinrichtungen im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (TVöD-B) Anwendung. Der TVöD-B regelt ua. Folgendes:
3Die Beklagte setzt die in dem Altenheim tätigen Mitarbeiter in drei Schichten ein. Die Frühschicht beginnt um 6:00 Uhr und endet um 14:12 Uhr, die Spätschicht dauert von 13:48 Uhr bis 22:00 Uhr und die der Nachtschicht zugeordneten Mitarbeiter beginnen ihren Dienst um 21:45 Uhr und beenden diesen um 6:15 Uhr. Die Übergabe zwischen Nacht- und Frühdienst erfolgt durch eine examinierte Altenpflegerin in der Zeit zwischen 6:00 Uhr und 6:15 Uhr.
4Bereits im Jahr 2010 verlangte die Klägerin vergeblich von der Beklagten, ihre wöchentliche Arbeitszeit vom bis zum auf 30 Stunden zu reduzieren und diese auf die Zeit außerhalb von Samstagen, Sonntagen und Feiertagen von 8:00 Uhr bis 15:00 Uhr zu verteilen. Ihrer Klage auf Erteilung der Zustimmung zu ihrem Antrag auf entsprechende Änderung des Arbeitsvertrags wurde in einem Vorprozess mit rechtskräftigem Urteil vom stattgegeben.
5Mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom begehrte die Klägerin von der Beklagten, ihre regelmäßige Arbeitszeit vom bis zum auf 30 Stunden zu reduzieren und die verbleibende Arbeitszeit auf die Zeit außerhalb von Samstagen, Sonntagen und Feiertagen von 8:00 Uhr bis 15:00 Uhr zu verteilen. Die Beklagte stimmte mit Schreiben vom der Reduzierung der wöchentlichen Arbeitszeit, nicht jedoch der beantragten Arbeitszeitverteilung zu.
6Die Klägerin ist der Ansicht gewesen, die Beklagte sei verpflichtet, den Arbeitsvertrag, wie von ihr begehrt, zu ändern. Sie hat behauptet, an Werktagen vor 7:00 Uhr, abends sowie an Wochenenden sei eine Betreuung ihres Kindes durch eine andere Person nicht gewährleistet.
7Die Klägerin hat beantragt,
8Die Beklagte, die die Abweisung der Klage beantragt hat, hat die Auffassung vertreten, der von der Klägerin gewünschten Verteilung der Arbeitszeit stünden dringende betriebliche Gründe entgegen. Ein Wechsel der Betreuungsperson innerhalb einer Schicht sei mit dem von ihr praktizierten Bezugspflegemodell, das die feste Zuordnung bestimmter Pflegekräfte zu bestimmten Bewohnern vorsehe, nicht zu vereinbaren. Es sei unerlässlich, dass die Klägerin bei der Übergabe im Zusammenhang mit dem Schichtwechsel um 6:00 Uhr zugegen sei. Der Betriebsfrieden werde gestört, wenn die Klägerin aus dem arbeitsintensiven Teil der Schicht zwischen 6:00 Uhr und 8:00 Uhr herausgenommen werde. Die Einstellung einer Ersatzkraft für die Zeit von 6:00 Uhr bis 8:00 Uhr, die allenfalls über ein Zeitarbeitsunternehmen zu realisieren sei, stehe im Widerspruch zum Bezugspflegemodell.
9Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Die Beklagte verfolgt ihr Ziel, die Abweisung der Klage, mit ihrer vom Senat auf ihre Beschwerde hin zugelassenen Revision weiter.
Gründe
10Die zulässige Revision der Beklagten ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten gegen das klagestattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Unrecht zurückgewiesen. Die Klage ist zwar zulässig, jedoch unbegründet.
11I. Die Klage ist in der gebotenen Auslegung zulässig.
121. Die Klägerin hat eine auf die Änderung des Arbeitsvertrags gerichtete Leistungsklage erhoben. Dies ergibt die Auslegung des Klageantrags. Die Klage bezweckt, dass die Beklagte zur Annahme des von ihr abgelehnten Änderungsangebots der Klägerin mit Schreiben ihres Prozessbevollmächtigten vom (§ 145 BGB) verurteilt wird und damit die Zustimmung der Beklagten als abgegeben gilt, sobald das der Klage stattgebende Urteil Rechtskraft erlangt (§ 894 Satz 1 ZPO). Bei einem Erfolg der Klage wäre die Beklagte nicht nur gehindert, kraft ihres Direktionsrechts die Klägerin an Samstagen, Sonntagen und Feiertagen in ihrem Altenheim zur Arbeitsleistung heranzuziehen, sondern auch an den Arbeitstagen vor 8:00 Uhr und nach 15:00 Uhr. Diese weitreichende Beschränkung des Direktionsrechts der Beklagten vom bis zum kann nur durch eine entsprechende Regelung im Arbeitsvertrag erfolgen (§ 106 Satz 1 GewO).
132. Der Klageantrag ist hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Es ist unschädlich, dass die Klägerin hinsichtlich der Arbeitszeitverteilung lediglich einen bestimmten Rahmen festgelegt wissen will (vgl. - Rn. 24).
143. Obwohl der gesamte Zeitraum, für den die Klägerin die Vertragsänderung erstrebt, in der Vergangenheit liegt, besteht das Rechtsschutzbedürfnis fort. Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Zulässigkeit einer vergangenheitsbezogenen Feststellungsklage (vgl. - zu 1 der Gründe) ist auf eine Leistungsklage nicht übertragbar. Das Rechtsschutzbedürfnis für eine Leistungsklage folgt grundsätzlich aus der Nichterfüllung des materiell-rechtlichen Anspruchs. Hierfür genügt regelmäßig die Behauptung der klagenden Partei, der von ihr verfolgte Anspruch bestehe. Ob ein solcher Anspruch gegeben ist, ist eine Frage seiner materiell-rechtlichen Begründetheit ( - Rn. 17).
15II. Die Klage ist unbegründet. Die Beklagte war nicht verpflichtet, der von der Klägerin begehrten Vertragsänderung zuzustimmen.
161. Die Klage ist nicht schon deswegen unbegründet, weil die Klägerin die rückwirkende Verringerung und Neuverteilung ihrer Arbeitszeit verlangt. Seit Inkrafttreten des § 311a BGB in der Fassung des Gesetzes zur Modernisierung des Schuldrechts vom (BGBl. I S. 3138) kommt auch die Verurteilung zur Abgabe einer Willenserklärung in Betracht, mit der ein Vertragsangebot angenommen werden soll, das rückwirkend auf eine Vertragsänderung zu einem in der Vergangenheit liegenden Zeitpunkt gerichtet ist. Die erstrebte Fiktion der Abgabe der Annahmeerklärung nach § 894 Satz 1 ZPO soll zum Abschluss eines Vertrags führen, der rückwirkend Rechte und Pflichten begründet (vgl. - Rn. 27).
172. § 11 Abs. 1 TVöD-B wird nicht durch § 8 Abs. 4 TzBfG verdrängt. Der in § 8 Abs. 4 TzBfG geregelte Anspruch des Arbeitnehmers auf Verringerung der Arbeitszeit und ihre Verteilung ist zwingend und bindet auch die Tarifvertragsparteien (§ 22 Abs. 1 TzBfG). Tarifliche Regelungen, die dem gesetzlichen Verringerungsanspruch widersprechen, sind daher unwirksam. Günstigere Vereinbarungen sind aber nicht ausgeschlossen. Hierzu gehört § 11 Abs. 1 TVöD-B. Abweichend von § 8 Abs. 4 TzBfG ermöglicht die Tarifvorschrift dem Arbeitnehmer, die Arbeitszeit befristet herabzusetzen (vgl. zur im Wesentlichen inhaltsgleichen Regelung in § 15b Abs. 1 BAT - Rn. 30, BAGE 105, 248).
183. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Vertragsänderung. § 11 Abs. 1 TVöD-B gewährt Beschäftigten unter den dort genannten Voraussetzungen nur einen Anspruch auf Verringerung der vertraglich festgelegten Arbeitszeit. Die Vorschrift begründet jedoch keine Verpflichtung des Arbeitgebers, den Arbeitsvertrag hinsichtlich der Verteilung der Arbeitszeit zu ändern.
19a) Der Arbeitgeber kann gemäß § 106 Satz 1 GewO ua. die Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingung nicht durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrags oder gesetzliche Vorschriften festgelegt ist. § 106 GewO verpflichtet die Beklagte damit nicht, die Verteilung der Arbeitszeit vertraglich festzulegen. Die Vorschrift regelt das einseitige Leistungsbestimmungsrecht des Arbeitgebers (HK-ArbR/Becker 3. Aufl. § 106 GewO Rn. 2). Selbst wenn der Arbeitnehmer aufgrund der Umstände des Einzelfalls zum Zeitpunkt, zu dem der Arbeitgeber das Weisungsrecht ausübt, einen Anspruch auf eine bestimmte Entscheidung hat („Ermessensreduzierung auf Null“), führt dies nicht zu einer Änderung des Arbeitsvertrags.
20b) Allerdings haben die Tarifvertragsparteien in § 11 Abs. 1 Satz 4 TVöD-B bestimmt, dass der Arbeitgeber bei der Gestaltung der Arbeitszeit im Rahmen der dienstlichen bzw. betrieblichen Möglichkeiten der besonderen persönlichen Situation der/des Beschäftigten Rechnung zu tragen hat. Damit haben sie dem Beschäftigten bezüglich der Lage der Arbeitszeit keinen Anspruch auf eine Änderung des Arbeitsvertrags eingeräumt (vgl. Nollert-Borasio in Burger TVöD/TV-L 2. Aufl. § 11 Rn. 18; Laber in Groeger Arbeitsrecht im öffentlichen Dienst 2. Aufl. Teil 5 A Rn. 99; Breier/Dassau/Kiefer/Lang/Langenbrinck TVöD Stand November 2014 § 11 Rn. 32; Bremecker/Hock TVöD Lexikon Verwaltung Bd. 3 Stichwort Teilzeit S. 23; Görg/Guth/Hamer/Pieper TVöD § 11 Rn. 13; BeckOK TVöD/Buschmann/Guth Stand § 11 Rn. 16; wohl auch Bredemeier/Neffke/Weizenegger TVöD/TV-L 4. Aufl. § 11 Rn. 21; aA HaKo-TzBfG/Boecken 3. Aufl. § 11 TVöD Rn. 15). Das zeigt die Formulierung „Bei der Gestaltung der Arbeitszeit hat der Arbeitgeber …“, die den Arbeitgeber als Subjekt nennt. Hierin kommt klar zum Ausdruck, dass die Ausgestaltung der verringerten Arbeitszeit weiterhin Teil des Direktionsrechts des Arbeitgebers ist. § 11 Abs. 1 Satz 4 TVöD-B nimmt zudem die Abwägung der gegenläufigen Interessen, die für die Ausübung des Direktionsrechts nach billigem Ermessen charakteristisch ist, in seinen Wortlaut auf. Die billigem Ermessen entsprechende Leistungsbestimmung durch den Arbeitgeber verlangt nach ständiger Rechtsprechung eine Abwägung der wechselseitigen Interessen nach verfassungsrechtlichen und gesetzlichen Wertentscheidungen, den allgemeinen Wertungsgrundsätzen der Verhältnismäßigkeit und Angemessenheit sowie der Verkehrssitte und Zumutbarkeit. In die Abwägung sind alle Umstände des Einzelfalls einzubeziehen (vgl. - Rn. 30; - 10 AZR 915/12 - Rn. 28, BAGE 145, 341). Diese allgemeinen Grundsätze ergänzt § 11 Abs. 1 Satz 4 TVöD-B hinsichtlich der Verteilung der Arbeitszeit, indem die Vorschrift von dem Arbeitgeber verlangt, die persönliche Betreuungs- bzw. Pflegesituation des Beschäftigten im Rahmen der betrieblichen Möglichkeiten als einen besonderen Gesichtspunkt zu berücksichtigen.
21III. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen (§ 91 Abs. 1 ZPO).
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2015 S. 1524 Nr. 25
NJW 2015 S. 8 Nr. 27
SAAAE-88611