BFH Urteil v. - IX R 6/14

Änderungsmöglichkeit des Einkommensteuerbescheids Voraussetzung für die Feststellung eines verbleibenden Verlustvortrags; § 52 Abs. 25 Satz 5 i.d.F. des JStG 2010 verfassungsgemäß

Leitsatz

1. Voraussetzung für die Feststellung eines verbleibenden Verlustvortrags nach § 10d Abs. 4 und 5 EStG i.d.F. des JStG 2010 ist, dass der Einkommensteuerbescheid des Verlustentstehungsjahrs nach den Vorschriften der AO änderbar ist oder eine Änderung mangels Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Steuer unterbleibt.
2. Die Regelung des § 52 Abs. 25 Satz 5 i.d.F. des JStG 2010, wonach § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG auf alle nach dem abgegebenen Erklärungen zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags anzuwenden ist, ist verfassungsgemäß. Die Regelung überschreitet nicht die Grenzen einer verfassungsrechtlich zulässigen Rückwirkung.

Gesetze: EStG § 10d Abs. 4 Satz 4, EStG § 10d Abs. 4 Satz 5, EStG § 52 Abs. 25 Satz 5, GG Art. 2 Abs. 1, GG Art. 20 Abs. 3

Instanzenzug: ,

Gründe

1 I. Die Beteiligten streiten um die Durchführung einer Verlustfeststellung.

2 Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) schloss im Jahr 2005 eine Berufsausbildung zum Flugzeugmechaniker ab. Im Streitjahr 2008 absolvierte er eine weitere Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer. Am gab der Kläger eine Einkommensteuererklärung für 2008 ab, in der er u.a. im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit Aufwendungen für die Ausbildung zum Verkehrsflugzeugführer als Werbungskosten geltend machte. Das seinerzeit zuständige Finanzamt folgte dieser Einordnung nicht, sondern ließ die Aufwendungen lediglich nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) als Sonderausgaben im Rahmen des Höchstbetrags von 4.000 € zum Abzug zu. Mit Einkommensteuerbescheid vom setzte es die Einkommensteuer auf 0 € fest. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Einspruch ein. Zur Begründung führte er an, die Ausbildungskosten zum Verkehrsflugzeugführer seien als Kosten einer Zweitausbildung als Werbungskosten zu berücksichtigen. Zudem seien noch die von ihm erklärten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nebst der anrechenbaren Lohnsteuern zu berücksichtigen. Nachdem der Kläger eine Lohnsteuerbescheinigung hinsichtlich der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit nachgereicht hatte, nahm er mit Schreiben vom den Einspruch wieder zurück. Am erging ein geänderter Einkommensteuerbescheid 2008, der die bislang nicht erfassten Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit enthielt und im Abrechnungsteil eine Lohnsteuererstattung vorsah. Der geänderte Einkommensteuerbescheid wies wiederum eine Einkommensteuer in Höhe von 0 € aus.

3 Am gab der Kläger eine Erklärung zur gesonderten Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags auf den beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt —FA—) ab. Darin erklärte er bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit vorab entstandene Werbungskosten für die Ausbildung zum Verkehrspiloten in Höhe von insgesamt 25.979 €. Am lehnte das FA den Antrag auf Verlustfeststellung ab. Der dagegen eingelegte Einspruch hatte keinen Erfolg.

4 Das Finanzgericht (FG) wies die Klage mit Gerichtsbescheid vom 13 K 329/13 F, veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2014, 835, ab. Die vom Kläger begehrte Verlustfeststellung auf den werde durch § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 i.d.F. des Jahressteuergesetzes 2010 (JStG 2010 vom , BGBl I 2010, 1768) ausgeschlossen. Die Anwendungsregel des § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG verstoße auch nicht gegen das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot.

5 Mit seiner Revision bringt der Kläger vor, die geltend gemachten Ausbildungskosten seien in der Folge der Entscheidung des (BFH/NV 2009, 363) anzuerkennen. Eine Verbindung zwischen Einkommensteuerfestsetzung und Verlustfeststellung habe es im Streitjahr nicht gegeben. Die Möglichkeit der Verlustfeststellung sei ihm durch das JStG 2010 und die Neufassung von § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG genommen worden, indem eine inhaltliche Bindung des Verlustfeststellungsbescheids an den Einkommensteuerbescheid festgeschrieben worden sei. Diese Bindungswirkung beinhalte jedoch einen Wertungswiderspruch. Denn bei einer Einkommensteuerfestsetzung auf 0 € unterbleibe eine Steuerfestsetzung. Daher gebe es auch keine Besteuerungsgrundlagen, die für das Verlustfeststellungsverfahren bindend seien. Die Bindungswirkung greife zudem nicht ein, wenn bei von Beginn an zutreffender Behandlung die streitigen Verluste im Einkommensteuerbescheid berücksichtigt worden wären. Die Regelung gelte zudem erstmals für Verluste, für die nach dem eine Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags abgegeben worden sei. Das FG verkenne, dass er bereits am die Einkommensteuererklärung 2008 abgegeben habe, die die geltend gemachten Werbungskosten und damit den Verlust enthalten habe. Damit habe er zu diesem Zeitpunkt einen Antrag auf Verlustfeststellung gestellt. Die Neuregelung im JStG 2010 sei zudem verfassungswidrig. Die Neuregelung entfalte echte Rückwirkung und greife verfassungswidrig in abgeschlossene Veranlagungszeiträume ein. Er habe im Hinblick auf die Rechtsprechung des , BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403) schutzwürdiges Vertrauen in die Abzugsfähigkeit der Aufwendungen bilden können. Dieses Vertrauen sei der Grund für das von ihm angestrengte Rechtbehelfsverfahren gewesen. In Gestalt der Ausbildungskosten habe er aufgrund dieses Vertrauens Dispositionen getätigt.

6 Der Kläger beantragt,

den Gerichtsbescheid vom 13 K 329/13 F sowie den Ablehnungsbescheid vom und die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben und das FA zu verpflichten, einen verbleibenden Verlustvortrag zur Einkommensteuer auf den in Höhe von 23.746 € festzustellen.

7 Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

8 II. Die Revision ist unbegründet und daher nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.

9 Zutreffend hat das FG die vom Kläger begehrte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer auf den auf der Grundlage von § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG i.d.F. durch das JStG 2010 abgelehnt (1.). Die Anwendung des § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG i.d.F. des JStG 2010 auf den Feststellungszeitpunkt ist

10 auch von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (2.).

11 1. Auf der Grundlage von § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 und § 52 Abs. 25 Satz 5 EStG i.d.F. des JStG 2010 scheidet eine Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs auf den aus.

12 a) Nach § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG ist der am Schluss eines Veranlagungszeitraums verbleibende Verlustvortrag gesondert festzustellen. Verbleibender Verlustvortrag sind die bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte, vermindert um die nach Abs. 1 abgezogenen und die nach Abs. 2 abziehbaren Beträge und vermehrt um den auf den Schluss des vorangegangenen Veranlagungszeitraums festgestellten verbleibenden Verlustvortrag (§ 10d Abs. 4 Satz 2 EStG). Bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags sind die Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen, wie sie den Steuerfestsetzungen des Veranlagungszeitraums, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag festgestellt wird, und des Veranlagungszeitraums, in dem ein Verlustrücktrag vorgenommen werden kann, zu Grunde gelegt worden sind; § 171 Abs. 10, § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und § 351 Abs. 2 AO sowie § 42 FGO gelten entsprechend (§ 10d Abs. 4 Satz 4 EStG i.d.F. des JStG 2010). Nach § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG i.d.F. des JStG 2010 dürfen die Besteuerungsgrundlagen bei der Feststellung des gesonderten Verlustvortrags nur insoweit abweichend berücksichtigt werden, wie die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerbescheide ausschließlich mangels Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Steuer unterbleibt.

13 Mit der Regelung des § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG i.d.F. des JStG 2010 wird eine inhaltliche Bindung des Verlustfeststellungsbescheids an den Einkommensteuerbescheid erreicht, obwohl der Einkommensteuerbescheid kein Grundlagenbescheid ist. Die Besteuerungsgrundlagen sind im Feststellungsverfahren so zu berücksichtigen, wie sie der letzten bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzung zugrunde liegen. Die Verlustfeststellung entfällt, wenn der Einkommensteuerbescheid des betroffenen Veranlagungszeitraums nicht mehr änderbar ist. Ist der Steuerbescheid dieses Veranlagungszeitraums bestandskräftig und berücksichtigt er keinen Verlust, kommt eine Verlustfeststellung daher nur noch in Betracht, wenn der Steuerbescheid des Verlustentstehungsjahres nach den Vorschriften der Abgabenordnung änderbar ist (vgl. Blümich/Schlenker, § 10d EStG Rz 224; Butler, Neue Wirtschafts-Briefe —NWB— 2013, 1636, 1636 f.; Hallerbach in Herrmann/Heuer/Raupach —HHR—, § 10d EStG Rz 127; Heuermann, in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG § 10d Rz D 90; Lambrecht in Kirchhof, EStG, 13. Aufl., § 10d Rz 23; Meyer/Ball, Deutsches Steuerrecht —DStR— 2011, 345, 346; Schmidt/Heinicke, EStG, 33. Aufl., § 10d Rz 47; Schmieszek in Bordewin/Brandt, § 10d EStG Rz 347; Sikorski, NWB 2011, 2191, 2197 f.). Nach der Regelung des § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG i.d.F. des JStG 2010 dürfen die Besteuerungsgrundlagen bei der Feststellung des gesonderten Verlustvortrags nur insoweit abweichend von der Einkommensteuerfestsetzung des Verlustentstehungsjahrs berücksichtigt werden, wie die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerbescheide ausschließlich mangels Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Steuer unterbleibt. Ist eine Änderung des Einkommensteuerbescheids unabhängig von der fehlenden betragsmäßigen Auswirkung auch verfahrensrechtlich nicht möglich, bleibt es bei der in § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG i.d.F. des JStG 2010 angeordneten Bindungswirkung.

14 b) Daran gemessen schließt die fehlende Berücksichtigung der streitigen Aufwendungen als Werbungskosten bei der Einkommensteuerfestsetzung 2008 den Erlass eines Verlustfeststellungsbescheids auf den aus. In der letzten bestandskräftigen Einkommensteuerfestsetzung 2008, im Bescheid vom , sind die streitigen Ausbildungsaufwendungen nicht im Rahmen des Gesamtbetrags der Einkünfte (§ 2 Abs. 3 EStG) als (vorab entstandene) Werbungskosten berücksichtigt, sondern lediglich nach § 10 Abs. 1 Nr. 7 EStG als beschränkt abziehbare Sonderausgaben im Rahmen der Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 4 EStG) abgezogen worden. Da eine Berücksichtigung der Aufwendungen als (vorab entstandene) Werbungskosten versagt worden ist, scheidet nach § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG i.d.F. des JStG 2010 eine Berücksichtigung auch im Rahmen der erstmaligen Verlustfeststellung aus.

15 Eine von der Einkommensteuerfestsetzung abweichende Berücksichtigung der Besteuerungsgrundlagen (allein) im Bescheid über den verbleibenden Verlustabzug nach § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG i.d.F. des JStG 2010 ist nicht möglich. Denn die Änderung des Einkommensteuerbescheids 2008 ist nicht allein deshalb unterblieben, weil eine Aufhebung, Änderung oder Berichtigung mangels Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Steuer nicht möglich war. Vielmehr konnte eine Änderung des Einkommensteuerbescheids 2008 deswegen nicht erfolgen, weil dieser wegen der Rücknahme des eingelegten Einspruchs zwischenzeitlich bestandskräftig geworden war und eine Änderungsvorschrift nach der Abgabenordnung nicht eingreift.

16 c) § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG i.d.F. des JStG 2010 sind auch zeitlich auf die Verlustfeststellung auf den anwendbar. Die Vorschriften sind erstmals anzuwenden für Verluste, für die nach dem eine Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags abgegeben wird (§ 52 Abs. 25 Satz 5 EStG). Nach den insoweit bindenden Feststellungen des FG (vgl. § 118 Abs. 2 FGO) hat der Kläger seinen Antrag auf Verlustfeststellung am und damit erst nach dem und nicht zu einem früheren Zeitpunkt abgegeben.

17 2. Die Regelung des § 52 Abs. 25 Satz 5 i.d.F. des JStG 2010, wonach § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG auf alle nach dem abgegebenen Erklärungen zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags anzuwenden ist, ist auch von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden. Entgegen der Ansicht des Klägers überschreitet die Regelung des § 52 Abs. 25 Satz 5 i.d.F. des JStG 2010 nicht die Grenzen einer verfassungsrechtlich zulässigen Rückwirkung. Die Voraussetzungen für eine Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) gemäß Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes liegen daher nicht vor.

18 a) Nimmt man eine Rückwirkung durch das Inkraftsetzen von § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG durch § 52 Abs. 25 Satz 5 i.d.F. des JStG 2010 an, weil der zur Verlustfeststellung führende Verlust fast zwei Jahre vor der Gesetzesänderung entstanden ist und dem Kläger für den streitigen Feststellungszeitraum bis zum Inkrafttreten der Neuregelung im Dezember 2010 die Möglichkeit der Verlustfeststellung offen gestanden hat (vgl. u.a. , BFHE 223, 50, BStBl II 2009, 897), ist die Rückwirkung im Rahmen der Abwägung zwischen den vom Gesetzgeber verfolgten Zielen (vgl. dazu BTDrucks 17/2249, S. 51 f.) und dem Vertrauen des Klägers auf den Fortbestand der bisherigen Rechtslage von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden.

19 Die Möglichkeit einer Verlustfeststellung trotz bereits bestandskräftiger und verfahrensrechtlich nicht mehr änderbarer Einkommensteuerveranlagung ist dem Kläger erst durch die BFH-Urteile in BFHE 223, 50, BStBl II 2009, 897, vom IX R 69/06 (BFH/NV 2009, 555), vom IX R 65/06 (BFH/NV 2009, 385), vom IX R 81/07 (BFH/NV 2009, 386), vom IX R 92/07 (nicht veröffentlicht) und vom IX R 52/08 (BFHE 225, 453, BStBl II 2011, 26; vgl. dazu Ettlich, Der Betrieb 2009, 18, 21) eingeräumt worden. Im Hinblick auf den Wortlaut des § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG a.F. war dem Steuerpflichtigen damit auch bei einer zuvor bestandkräftig auf 0 € festgesetzten Einkommensteuer und sogar bei einem dieser zugrundeliegenden positiven Gesamtbetrag der Einkünfte noch eine anschließende erstmalige gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustabzuges eröffnet. Mit dieser Rechtsprechungsänderung ist es dem Steuerpflichtigen ermöglicht worden, in größerem zeitlichen Abstand nach Bestandskraft der Einkommensteuerfestsetzung noch erstmalig den Erlass von Verlustfeststellungsbescheiden zu beantragen (vgl. dazu u.a. Ettlich, a.a.O., S. 21; Sikorski, a.a.O., S. 2196 f.).

20 b) Mit der Änderung in § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG i.d.F. des JStG 2010 hat der Gesetzgeber die vor Ergehen der geänderten BFH-Rechtsprechung geltende Rechtslage wiederhergestellt (vgl. BTDrucks 17/2249, S. 51 f.; so auch Butler, NWB 2013, 1636, 1637; HHR/Hallerbach, § 10d EStG Rz 127; Lambrecht, a.a.O., § 10d Rz 23; Meyer/Ball, DStR 2011, 345, 346; Schmidt/ Heinicke, a.a.O., § 10d Rz 47). Vor Ergehen der o.g. BFH-Urteile lehnten Rechtsprechung und Finanzverwaltung übereinstimmend die erstmalige Feststellung des verbleibenden Verlustabzugs ab, wenn die Einkommensteuerveranlagung des betroffenen Jahres bestandskräftig und verfahrensrechtlich nicht mehr änderbar war (vgl. u.a. , BFHE 187, 523, BStBl II 2000, 3, und vom XI R 25/99, BFHE 195, 545, BStBl II 2002, 817, jeweils m.w.N.; H 115 Amtliches Einkommensteuer-Handbuch 2001 Stichwort „Feststellungsbescheid” sowie im Schrifttum Lambrecht, in Kirchhof, EStG, 7. Aufl., § 10d Rz 36, 39; Gatzka/Wilhelm, DStR 2005, 1794, 1798; Valentin, EFG 2006, 1576).

21 Diese Auffassung war zwar nicht unumstritten, aber gefestigt (kritisch zur Rechtsprechung vgl. Gebhardt, Der Ertragsteuerberater 2003, 234, 235; Gassen in Littmann/Bitz/ Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 10d Rz 90; Meyer, DStR 1989, 191, 238; Meyer/Ball, Deutsche Steuer-Zeitung 1997, 452, 452 f.; Meyer/Ball, DStR 1999, 1257; Meyer/Ball, Die Information über Steuer und Wirtschaft —INF— 2002, 551, 553; Paus, INF 2003, 295, 300 f.; Schmidt/Heinicke, EStG, 26. Aufl., § 10d Rz 48; Sikorski, Der AO-Steuerberater 2001, 187, 189; Süring, DStR 2006, 345). Dem Gesetzgeber ist es im Rahmen der Abwägung zwischen den Interessen der Allgemeinheit, die mit der Regelung verfolgt werden, und dem Vertrauen des Einzelnen in den Fortbestand der Rechtslage in diesem Fall nicht verwehrt, eine Rechtslage rückwirkend festzuschreiben, die vor einer Rechtsprechungsänderung einer gefestigten Rechtsprechung und einheitlichen Rechtspraxis entsprach (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 2 BvL 14/02, 2 BvL 2/04, 2 BvL 13/05, BVerfGE 127, 1, BStBl II 2011, 76, unter C.II.1.c, und vom 2 BvL 5/10, BVerfGE 131, 20, unter B.I.2.b bb (2).

22 c) Zudem ist hier im Rahmen der Abwägung zu berücksichtigen, dass der Kläger gegen den Einkommensteuerbescheid 2008 vom zunächst Einspruch eingelegt hatte, mithin auch nach Inkrafttreten der Änderung des § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG durch das JStG 2010 am die Einkommensteuerfestsetzung für 2008 noch änderbar war und eine Änderung nur mangels Auswirkung auf die festgesetzte Steuer unterblieben wäre. Hätte der Kläger seinen Einspruch gegen den Einkommensteuerbescheid vom nicht am zurückgenommen, wäre auf der Grundlage von § 9 Abs. 6, § 12 Nr. 5 EStG i.d.F. des Beitreibungsrichtlinie-Umsetzungsgesetzes vom (BGBl I 2011, 2592) sowie der (BFH/NV 2009, 1797) und in BFHE 201, 156, BStBl II 2003, 403, unter II.1.c bb, die den Abzug von Kosten einer Zweitausbildung zulassen, eine Berücksichtigung der Aufwendungen im Wege eines Verlustfeststellungsbescheids möglich gewesen.

23 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2015 S. 812 Nr. 6
QAAAE-88373