Rechtsanwaltshaftung wegen treuhänderischer Investition von Fremdkapital in ein unzulässiges Einlagengeschäft
Leitsatz
Zur Haftung eines Rechtsanwalts, der als Treuhänder aufgrund eines Geschäftsbesorgungsvertrages Kapital in einem unzulässigen Einlagengeschäft anlegt.
Gesetze: § 675 BGB, § 826 BGB, § 1 Abs 1 S 2 Nr 1 KredWG, § 32 KredWG
Instanzenzug: Az: 21 S 48/12vorgehend Az: 34 C 9852/11
Tatbestand
1Die Klägerin schloss mit dem Beklagten, einem Rechtsanwalt, im Oktober 2009 einen Geschäftsbesorgungsvertrag über die Kündigung eines Rentenversicherungsvertrags und die Verwendung des hieraus resultierenden Abrechnungsbetrags in Höhe von 6.977,73 €. Dieser Betrag wurde von dem Beklagten treuhänderisch vereinnahmt und (nach Abzug der Treuhandkosten) an die Klägerin ausgezahlt. Das restliche Kapital leitete der Beklagte vereinbarungsgemäß an die 4F. C. GmbH (Im Folgenden: F. GmbH) weiter. Nach Ablauf von zehn Jahren sollte der doppelte Betrag an die Klägerin ausgezahlt werden.
2Die F. GmbH verfügte nicht über eine Erlaubnis nach § 32 KWG. Am wurde ihr von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) das Betreiben eines Einlagengeschäfts gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG untersagt. Über ihr Vermögen wurde das Insolvenzverfahren eröffnet.
3Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Schadensersatz in Höhe von 3.530,39 € nebst Zinsen sowie Ersatz vorgerichtlicher Anwaltskosten. Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung der Klägerin hat das Landgericht den Beklagten unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen zur Zahlung der Klageforderung Zug um Zug gegen Abtretung der gegen die F. GmbH titulierten Forderung verurteilt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Beklagte die Wiederherstellung des klageabweisenden amtsgerichtlichen Urteils.
Gründe
I.
4Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Beklagte im Zusammenhang mit dem Abschluss des "Kaufvertrages" mit der F. GmbH, bei dem er als Vertreter der Klägerin tätig geworden sei, sittenwidrig gehandelt und dabei einen Schaden jedenfalls billigend in Kauf genommen habe.
5Der Beklagte habe in hervorgehobener Position für die F. GmbH gehandelt und sei in deren Vertriebssystem eingebunden gewesen. Denn er sei nicht nur als Treuhänder für die Klägerin und andere Kunden aufgetreten, sondern auch im Verhältnis zur F. GmbH treuhänderisch tätig und letztlich in deren Geschäftstätigkeit einbezogen gewesen. Zwar habe diese Tätigkeit nur einige Monate gedauert. Allerdings sei der Beklagte zuvor bereits als Rechtsanwalt für die F. GmbH tätig geworden.
6Dahinstehen könne, ob der Beklagte positive Kenntnis vom Fehlen einer Erlaubnis der F. GmbH gehabt habe. Vorwerfbar sei ihm jedenfalls, dass er nicht in dem gebotenen Maß die rechtlichen Rahmenbedingungen des angebotenen Anlagemodells geprüft habe, obwohl sich ihm als Rechtsanwalt hätte aufdrängen müssen, dass dieses Anlagemodell ein erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft darstelle.
7Der Beklagte habe schließlich auch mit Schädigungsvorsatz gehandelt. Er habe einen Schaden der Klägerin wegen seiner Teilnahme an dem sittenwidrigen Vertriebssystem und der fehlenden Sicherung des Anlagemodells jedenfalls billigend in Kauf genommen.
8Wegen der eingetretenen Insolvenz der F. GmbH werde die Klägerin keine Auszahlung erhalten bzw. nur einen geringen Teil ihrer Einlage zurückbekommen. Soweit der Beklagte vortrage, der Klägerin sei seitens der F. GmbH die Beteiligung an einem Blockheizkraftwerk übertragen worden, aus der sie regelmäßige Zahlungen erhalte, weshalb kein wirtschaftlicher Schaden vorliege, sei sein Vortrag unsubstantiiert.
II.
9Das Berufungsurteil hält revisionsrechtlicher Nachprüfung nicht stand. Die vom Berufungsgericht getroffenen Feststellungen tragen nicht die Annahme sittenwidrigen Handelns des Beklagten.
101. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Unterstützung eines objektiv unzulässigen Vertriebssystems in herausgehobener und für dieses unerlässlicher Funktion sittenwidrig, wenn der Funktionsträger sich für dieses System hat einspannen lassen und es zugleich zumindest leichtfertig unterlassen hat, sich über die rechtlichen Rahmenbedingungen des Vertriebs zu vergewissern (vgl. , NJW 2004, 3706, 3709 f.; OLG Celle, WM 2003, 325, 330 f.).
11a) Eine herausgehobene und für das Vertriebssystem unerlässliche Funktion liegt etwa vor, wenn eine Person als Zeichnungsvertrauen schaffender anwaltlicher Treuhänder auftritt (OLG Celle, aaO; bestätigt durch , aaO, 3710). Nach den Feststellungen des Berufungsgerichts war dies vorliegend der Fall.
12b) Das Berufungsgericht hat allerdings bislang keine Feststellungen dazu getroffen, ob sich der Beklagte von Seiten der F. GmbH in ihr Vertriebssystem hat einspannen lassen. Daran könnte es dann fehlen, wenn er erst auf Veranlassung der Klägerin als Treuhänder aufgetreten ist und nicht schon zuvor im Vertriebskonzept der F. GmbH hierfür vorgesehen war. Schon aus diesem Grund ist die Entscheidung des Berufungsgerichts aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an dieses zurückzuverweisen.
13c) Die berufungsgerichtlichen Feststellungen sind zudem nicht ausreichend, um hieraus eine Unzulässigkeit des Vertriebssystems der F. GmbH zu folgern. Das Berufungsgericht geht zwar davon aus, dass das angebotene Anlagemodell ein nach § 32 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 KWG erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft i.S.d. § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG darstellt. Gesonderte Feststellungen hierzu hat es jedoch nicht getroffen.
14aa) Allerdings tragen die übrigen Feststellungen des Berufungsgerichts die Einordnung des Anlagemodells als Einlagengeschäft nach § 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 KWG. Danach sollten 50 Prozent des aus der Kündigung des Rentenversicherungsvertrags der Klägerin vereinnahmten Kapitals - abzüglich der Treuhandkosten - sofort an diese ausbezahlt werden. Nach Ablauf von zehn Jahren sollte die Klägerin den doppelten Betrag des an die F. GmbH überwiesenen Restguthabens ausbezahlt erhalten.
15Offen bleiben kann, ob ein solches Anlagemodell ein Einlagengeschäft in Form der Annahme fremder Gelder als Einlagen (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Fall 1 KWG) darstellt (vgl. hierzu , BGHZ 197, 1 Rn. 15 ff.; vom - VI ZR 244/09, VersR 2011, 216 Rn. 15; jeweils mwN). Denn jedenfalls stellt es sich als Annahme anderer unbedingt rückzahlbarer Gelder des Publikums (§ 1 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 Fall 2 KWG) dar (ebenso Hessischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom - 6 B 818/10, juris Rn. 23; VG Frankfurt, Beschluss vom - 1 L 271/10.F, juris Rn. 26 ff.). Diese Alternative setzt - ohne dass es auf die subjektive Zweckrichtung ankommt - lediglich voraus, dass Gelder angenommen werden, diese Gelder unbedingt rückzahlbar sind und es sich um Gelder des Publikums handelt (Senatsurteil vom - VI ZR 244/09, aaO Rn. 17 mwN; BT-Drucks. 13/7142, S. 62 f.). Im Streitfall sollte die F. GmbH Gelder in Form von Buchgeld von dem im Namen und für Rechnung der Klägerin handelnden Beklagten annehmen (vgl. hierzu , aaO Rn. 18; vom - VI ZR 339/04, VersR 2006, 1374 Rn. 17; jeweils mwN). Dabei handelte es sich um Gelder des Publikums; die Klägerin ist offensichtlich kein mit der F. GmbH verbundenes Unternehmen (vgl. BVerwG, BKR 2011, 208 Rn. 12; BT-Drucks. 73/7142, S. 63). Darüber hinaus waren die Gelder auch unbedingt - einschließlich eines hundertprozentigen Zuschlags nach zehn Jahren - an die Klägerin zurückzuzahlen, da der Rückzahlungsanspruch unabhängig vom Geschäftserfolg der F. GmbH bestehen sollte (vgl. , VersR 2011, 218 Rn. 11; vom - VI ZR 57/09, VersR 2010, 910 Rn. 17 mwN).
16bb) Das Betreiben eines Einlagengeschäfts ohne Erlaubnis ist aber nur dann unzulässig, wenn es gewerbsmäßig oder in einem Umfang erfolgt, der einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb erfordert (§ 32 Abs. 1 Satz 1 KWG). Wenngleich dies naheliegend sein mag, so fehlen hierzu doch entsprechende Feststellungen des Berufungsgerichts.
172. Für die Annahme eines Sittenverstoßes in subjektiver Hinsicht ist grundsätzlich die Feststellung erforderlich, dass der Schädiger Kenntnis von den Tatumständen hatte, die sein Verhalten als sittenwidrig erscheinen lassen (Senatsurteil vom - VI ZR 304/07, VersR 2009, 942 Rn. 20 mwN; , BGHZ 8, 83, 87 f.; vom - I ZR 88/52, BGHZ 8, 387, 393; vom - II ZR 301/86, BGHZ 101, 153, 159). Im Hinblick auf die Unzulässigkeit des Vertriebssystems genügt jedoch, dass Funktionsträger es leichtfertig unterlassen haben, sich über die rechtlichen Rahmenbedingungen des Vertriebs zu vergewissern (, aaO mwN).
18Das Berufungsgericht hat ausgeführt, dem Beklagten sei vorzuwerfen, dass er nicht in dem gebotenen Maße die rechtlichen Rahmenbedingungen des angebotenen Anlagemodells geprüft habe. Für ihn als Rechtsanwalt hätte es sich aufdrängen müssen, dass es sich dabei um ein erlaubnispflichtiges Einlagengeschäft handelt. Zur Kenntnis der die Sittenwidrigkeit begründenden Umstände im Übrigen hat das Berufungsgericht darüber hinaus keine Feststellungen getroffen, weshalb auch aus diesem Grund das Urteil keinen Bestand haben kann.
III.
191. Danach ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
202. Dies gibt dem Berufungsgericht insbesondere auch Gelegenheit zur Prüfung, ob nicht bereits wegen des zwischen den Parteien geschlossenen entgeltlichen Treuhandvertrags, der als Geschäftsbesorgungsvertrag i.S.d. § 675 BGB zu qualifizieren ist (, WM 1969, 935), ein (vor-)vertraglicher Schadensersatzanspruch der Klägerin gegen den Beklagten gegeben ist.
21a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs besteht bei einem Geschäftsbesorgungsvertrag - auch wenn der Geschäftsbesorger lediglich mit der Abwicklung eines Geschäfts betraut ist und mit dem Geschäftsherrn nicht in persönlichen Kontakt tritt - eine Pflicht zur Offenlegung von Kenntnissen insbesondere dann, wenn der eine Teil einen erkennbaren Wissensvorsprung über Umstände hat, die den Vertragszweck vereiteln können und daher für den anderen Teil von wesentlicher Bedeutung sind (BGH, Versäumnisurteil vom - III ZR 290/04, WM 2005, 1998, 2000 f.; vgl. auch , NJW 1995, 1025, 1026; , BGHZ 186, 205 Rn. 8; jeweils mwN). Eine Pflichtverletzung käme demnach im Streitfall etwa dann in Betracht, wenn der Beklagte von der fehlenden Absicherung des Einlagengeschäfts gewusst haben sollte.
22b) Ausnahmsweise steht sogar die bloße Erkennbarkeit von aufklärungspflichtigen Tatsachen - wie ggf. der Genehmigungsbedürftigkeit des Anlagemodells oder dessen fehlender Absicherung - der positiven Kenntnis gleich, wenn sich diese dem Vertragspartner nach den Umständen des Einzelfalls aufdrängen mussten und er die Augen davor verschlossen hat (, NJW-RR 2008, 1226 Rn. 20 mwN; vgl. auch , aaO, 1025 f.). Eine derart grobe Pflichtverletzung kommt zumindest in solchen Bereichen in Betracht, für die der Vertragspartner aufgrund seiner beruflichen Tätigkeit eigene Kompetenz beansprucht (vgl. , NJW 1990, 2464).
233. Im Rahmen der erneuten Befassung wird das Berufungsgericht Gelegenheit haben, auch das weitere wechselseitige Vorbringen der Parteien in der Revisionsinstanz zu berücksichtigen.
Galke Pauge Stöhr
Offenloch Oehler
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2015 S. 1234 Nr. 21
DB 2015 S. 7 Nr. 13
DB 2015 S. 860 Nr. 15
DStR 2015 S. 1645 Nr. 29
DStRE 2015 S. 1215 Nr. 19
NJW-RR 2015 S. 675 Nr. 11
WM 2015 S. 610 Nr. 13
ZIP 2015 S. 736 Nr. 15
IAAAE-87048