Instanzenzug: Az: 8 Ca 9793/11 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 23 Sa 2228/11 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten im Revisionsverfahren noch darüber, ob die Beklagte zu einer höheren Anpassung der Betriebsrente des Klägers gemäß § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG zum Anpassungsstichtag verpflichtet ist.
2Der Kläger bezieht seit dem von der Beklagten eine Betriebsrente. Diese betrug bei Rentenbeginn monatlich 1.232,73 Euro brutto. Die Beklagte, die die Anpassungsprüfungen zum 1. Juli eines jeden Kalenderjahres bündelt, hob die Betriebsrente des Klägers zum unter Berufung auf die reallohnbezogene Obergrenze um 1,57 % auf monatlich 1.452,83 Euro brutto an.
3Mit Schreiben vom teilte sie dem Kläger unter dem Betreff „Betriebsrentenanpassung 2011“ mit:
4Mit Schreiben vom informierte die Beklagte den Kläger darüber, dass sich nach dem vom Statistischen Bundesamt nunmehr veröffentlichten Verbraucherpreisindex für Juni 2011 eine Erhöhung seiner Betriebsrente zum um lediglich 3,36 % ergebe.
5Mit der per Telefax am sowie im Original am beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am zugestellten Klage hat der Kläger sowohl die Anpassungsentscheidung der Beklagten zum Anpassungsstichtag als auch deren Anpassungsentscheidung zum Anpassungsstichtag angegriffen und die Zahlung einer höheren Betriebsrente verlangt. Im Hinblick auf die im Revisionsverfahren allein noch streitgegenständliche Anpassung zum Anpassungsstichtag hat er die Ansicht vertreten, die Anpassung sei unzutreffend. Das habe er fristgerecht gerügt. Die Rügefrist sei mit Eingang der Klage beim Arbeitsgericht gewahrt worden. Dies folge aus § 167 ZPO. Diese Bestimmung sei ausnahmslos auch dann anwendbar, wenn durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden solle, die auch durch außergerichtliche Geltendmachung gewahrt werden könne. Jedenfalls verstoße die Beklagte gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB), wenn sie sich auf die Nichteinhaltung der Rügefrist berufe.
6Der Kläger hat zuletzt beantragt,
7Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - geltend gemacht, der Kläger habe die Rüge der fehlerhaften Anpassung zum nicht fristgerecht erhoben. Die Zustellung der Klage am wahre die Rügefrist nicht. § 167 ZPO finde vorliegend keine Anwendung. Zudem habe sie ihre Anpassungspflicht erfüllt.
8Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat dem Klageantrag zu 1. in vollem Umfang und den Klageanträgen zu 2. und 3. teilweise entsprochen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag ausschließlich im Hinblick auf den Klageantrag zu 1. weiter. Der Kläger begehrt die Zurückweisung der Revision.
Gründe
9Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Vorinstanzen haben dem Klageantrag zu 1. zu Unrecht stattgegeben. Der Kläger kann von der Beklagten nicht verlangen, dass diese an ihn für die Zeit vom bis zum eine höhere Betriebsrente zahlt. Der aus § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG folgende Anspruch des Klägers auf Korrektur der von der Beklagten zum Anpassungsstichtag getroffenen Anpassungsentscheidung war zum Zeitpunkt der Zustellung der Klage an die Beklagte am bereits erloschen. Der Beklagten ist es auch nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf den Ablauf der Rügefrist zu berufen.
10A. Der Kläger könnte für die Zeit vom bis zum nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG eine höhere Betriebsrente nur dann beanspruchen, wenn er noch eine Korrektur der von der Beklagten zum Anpassungsstichtag getroffenen Anpassungsentscheidung verlangen könnte. Erst die in der Anpassungsentscheidung enthaltene Leistungsbestimmung kann Ansprüche auf Zahlung einer höheren Betriebsrente auslösen. Mit dem Erlöschen der Verpflichtung zur Änderung der Anpassungsentscheidung entfällt die Grundlage für Nachzahlungsansprüche. Mit dem Erlöschen des Anspruchs auf rückwirkende Anpassungskorrektur wird sämtlichen Streitigkeiten über die Richtigkeit früherer Anpassungen die Grundlage entzogen. Die streitbeendende Wirkung ist umfassend (vgl. etwa - Rn. 24 und 25).
11I. Wenn der Versorgungsempfänger die Anpassungsentscheidung des Arbeitgebers für unrichtig hält, muss er dies grundsätzlich vor dem nächsten Anpassungsstichtag dem Arbeitgeber gegenüber wenigstens außergerichtlich geltend machen. Mit dem nächsten Anpassungsstichtag erlischt der Anspruch auf Korrektur einer früheren Anpassungsentscheidung (st. Rspr. des Senats, vgl. etwa - Rn. 21 mwN). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Versorgungsschuldner keine ausdrückliche (positive oder negative) Anpassungsentscheidung getroffen hat. Das Schweigen des Versorgungsschuldners enthält zwar die Erklärung, nicht anpassen zu wollen. Diese Erklärung gilt jedoch erst nach Ablauf von drei Jahren als abgegeben. Deshalb kann der Arbeitnehmer diese nachträgliche Entscheidung bis zum übernächsten Anpassungsstichtag rügen (vgl. etwa - Rn. 15 mwN, BAGE 118, 51).
12II. Danach kann der Kläger nicht verlangen, dass die Beklagte an ihn für die Zeit vom bis zum eine höhere Betriebsrente zahlt. Die Beklagte hatte zum Anpassungsstichtag eine ausdrückliche Anpassungsentscheidung getroffen und die monatliche Betriebsrente des Klägers ab diesem Zeitpunkt um 1,57 % auf 1.452,83 Euro brutto angehoben. Damit hätte der Kläger - um ein Erlöschen seines Anspruchs auf Korrektur der zum getroffenen Anpassungsentscheidung zu verhindern - die aus seiner Sicht nicht hinreichende Anpassung bis zum der Beklagten gegenüber rügen müssen. Daran fehlt es. Zwar ist die auf Zahlung einer höheren Betriebsrente für die Zeit vom bis zum gerichtete Klage vor Ablauf der Rügefrist, nämlich per Telefax am und im Original am beim Arbeitsgericht eingegangen. Sie wurde der Beklagten jedoch erst am und damit nach Ablauf der Rügefrist zugestellt. Dass die Zustellung der Klage am „demnächst“ iSv. § 167 ZPO, also ohne dem Kläger zuzurechnende Verzögerungen im Zustellungsverfahren (vgl. - Rn. 31 ff., BAGE 143, 50; - Rn. 20 mwN, BGHZ 177, 319) erfolgte, ändert daran nichts. Es kann dahinstehen, ob § 167 ZPO grundsätzlich nur auf Fristen Anwendung findet, die durch gerichtliche Geltendmachung einzuhalten sind, oder ob die Bestimmung grundsätzlich auch in den Fällen anwendbar ist, in denen die Frist sowohl durch gerichtliche als auch durch außergerichtliche Geltendmachung gewahrt werden kann. Selbst wenn § 167 ZPO grundsätzlich auch in den Fällen zur Anwendung kommen sollte, in denen durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden soll, die auch durch außergerichtliche Geltendmachung gewahrt werden kann, so ist für die Frist zur Rüge einer unrichtigen Anpassungsentscheidung des Arbeitgebers nach § 16 BetrAVG durch den Versorgungsempfänger eine Ausnahme von der Rückwirkung der Zustellung auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klage bei Gericht geboten.
131. Soll durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden oder die Verjährung neu beginnen oder nach § 204 des Bürgerlichen Gesetzbuchs gehemmt werden, tritt nach § 167 ZPO diese Wirkung bereits mit Eingang des Antrags oder der Erklärung ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Unter dieser Voraussetzung wirkt die Zustellung demnach auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klage zurück.
142. In der älteren Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs und in der Literatur wurde die Ansicht vertreten, § 167 ZPO komme grundsätzlich nur in den Fällen zur Anwendung, in denen eine Frist lediglich durch Inanspruchnahme der Gerichte gewahrt werden könne. Begründet wurde dies insbesondere mit dem aus der Entstehungsgeschichte zu erschließenden Sinn und Zweck der Bestimmung. Deshalb wurde § 167 ZPO in Fällen nicht für anwendbar gehalten, in denen durch die Zustellung die auch durch außergerichtliche Geltendmachung zu wahrenden Fristen eingehalten werden sollten. Nur in Ausnahmefällen - wenn die gesetzliche oder vertragliche Regelung, aus der sich die zu wahrende Frist ergab, einer eingeschränkten Anwendung der Rückwirkungsregelung entgegenstand - sollte anderes gelten (im Einzelnen dazu: - Rn. 21 f. mwN, BGHZ 177, 319). Das Bundesarbeitsgericht hat für tarifvertragliche Ausschlussfristen entschieden, dass es dann, wenn der Gläubiger die Möglichkeit hat, die Ausschlussfrist auch in anderer Form - zB durch einfaches Schreiben - einzuhalten, aber dennoch die Form der Klage wählt, zu seinen Lasten geht, wenn die Klageschrift nicht innerhalb der tariflichen Ausschlussfrist dem Schuldner zugestellt wird ( - zu II 3 und II 4 der Gründe mwN).
153. Der - I ZR 109/05 - Rn. 21 ff. mwN, BGHZ 177, 319; fortgeführt im Hinblick auf die Wahrung der in § 545 BGB bestimmten Frist mit Urteil vom - VIII ZR 10/14 - Rn. 28) seine ursprüngliche Rechtsprechung zum Regel-/Ausnahmeverhältnis bei der Anwendung von § 167 ZPO auf eine außergerichtliche fristgebundene Geltendmachung aufgegeben und darauf erkannt, dass § 167 ZPO grundsätzlich auch in den Fällen anwendbar sei, in denen durch die Zustellung eine Frist gewahrt werden solle, die auch durch außergerichtliche Geltendmachung gewahrt werden könne. Er hat dabei vor allem auf Gesichtspunkte der Rechtssicherheit und des Vertrauensschutzes abgestellt. Der Wortlaut des § 167 ZPO biete keine Anhaltspunkte dafür, dass die Zustellung davon abhänge, ob mit ihr eine nur gerichtlich oder auch eine außergerichtlich geltend zu machende Frist gewahrt werden solle und ob die Zustellung durch Vermittlung des Gerichts oder eines Gerichtsvollziehers (§ 132 BGB) erfolge. Wer mit der Klage die stärkste Form der Geltendmachung von Ansprüchen wähle, müsse sich darauf verlassen können, dass die Einreichung der Klageschrift die Frist wahre. Zugleich hat der Bundesgerichtshof aber ausdrücklich betont, dass Sinn und Zweck der Regelung bei einzelnen Fristen einer Rückwirkung der Zustellung ausnahmsweise entgegenstehen könnten, so dass von dem Grundsatz der Anwendung des § 167 ZPO auch auf Fristen, die durch außergerichtliche Geltendmachung gewahrt werden könnten, Ausnahmen zuzulassen seien (vgl. - Rn. 25, aaO). Das Bundesarbeitsgericht hat sich mit Urteil vom (- 8 AZR 662/13 - Rn. 14) für die in § 15 Abs. 4 AGG geregelte Frist zur schriftlichen Geltendmachung von Ansprüchen aus § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG der geänderten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ausdrücklich angeschlossen, allerdings ebenfalls ausgeführt, dass in Sonderfällen die Rückwirkungsregelung ausnahmsweise nicht zur Anwendung komme, wenn der besondere Sinn und Zweck der Fristbestimmung dies erfordere ( - Rn. 22).
164. Vorliegend steht einer Anwendung von § 167 ZPO auf die Rügefrist nach § 16 BetrAVG Sinn und Zweck dieser Fristbestimmung entgegen. Die Auslegung von § 16 BetrAVG ergibt, dass die Frist zur Rüge einer früheren Anpassungsentscheidung zwingend mit Ablauf des Tages abläuft, der dem folgenden maßgeblichen Anpassungsstichtag vorangeht. Bis dahin muss die Rüge einer unzutreffenden Anpassung dem Arbeitgeber zugegangen sein iSv. § 130 BGB.
17a) § 16 BetrAVG enthält ein in sich geschlossenes System aufeinander abgestimmter Stichtage und Fristen, mit denen der Gesetzgeber selbst die Interessen des Versorgungsberechtigten am Werterhalt seiner Betriebsrente und des Arbeitgebers an Planungs- und Rechtssicherheit gegeneinander abgewogen hat. § 16 BetrAVG will nach seinem Schutzzweck nicht nur eine Entwertung der Betriebsrente durch Kaufkraftverluste möglichst verhindern. Die Bestimmung will auch die Gesamtbelastung aus bereits bestehenden Versorgungsverpflichtungen berechenbar gestalten und eine zuverlässige Beurteilung der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers zum Anpassungsstichtag ermöglichen (vgl. etwa - zu II 1 b aa der Gründe, BAGE 83, 1). Das setzt voraus, dass der Arbeitgeber am jeweils aktuellen Anpassungsstichtag weiß, ob und in welchen Fällen eine vorangegangene Anpassungsentscheidung gerügt wurde.
18aa) Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG ist der Arbeitgeber verpflichtet, alle drei Jahre eine Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung zu prüfen und hierüber nach billigem Ermessen zu entscheiden. Das bedeutet, dass er in zeitlichen Abständen von jeweils drei Jahren nach dem individuellen Leistungsbeginn die Anpassungsprüfung vorzunehmen hat. Dies führt dazu, dass mit jedem neuen Anpassungsstichtag ein neuer Anspruch auf Anpassungsprüfung und -entscheidung entsteht (vgl. etwa - Rn. 25; - 3 AZR 367/03 - zu II 1 der Gründe).
19bb) Nach § 16 Abs. 1 BetrAVG hat der Arbeitgeber bei der Anpassungsprüfung insbesondere die Belange des Versorgungsempfängers und seine wirtschaftliche Lage zu berücksichtigen.
20(1) Die Belange des Versorgungsempfängers werden durch den Anpassungsbedarf und die sog. reallohnbezogene Obergrenze bestimmt. Ausgangspunkt der Anpassungsentscheidung ist der Anpassungsbedarf des Versorgungsempfängers. Er richtet sich nach dem zwischenzeitlich eingetretenen Kaufkraftverlust. Dies hat der Gesetzgeber in § 16 Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG nunmehr ausdrücklich klargestellt. Nach dieser Bestimmung gilt die Verpflichtung nach Abs. 1 als erfüllt, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg des Verbraucherpreisindexes für Deutschland im Prüfungszeitraum. Dabei kommt es auf den am Anpassungsstichtag vom Statistischen Bundesamt veröffentlichten Verbraucherpreisindex an (vgl. etwa - Rn. 84). Der so ermittelte Anpassungsbedarf der Versorgungsempfänger wird durch die Nettoverdienstentwicklung bei den aktiven Arbeitnehmern begrenzt. Dies wird durch die in § 16 Abs. 2 Nr. 2 BetrAVG getroffene Regelung bestätigt, wonach die Verpflichtung nach Abs. 1 auch dann als erfüllt gilt, wenn die Anpassung nicht geringer ist als der Anstieg der Nettolöhne vergleichbarer Arbeitnehmergruppen des Unternehmens im Prüfungszeitraum (vgl. etwa - Rn. 17 mwN).
21Da die reallohnbezogene Obergrenze den auf der Grundlage des zwischenzeitlich eingetretenen Kaufkraftverlustes ermittelten Anpassungsbedarf begrenzt und damit die Belange der Versorgungsempfänger ebenso betrifft wie der Kaufkraftverlust, gilt nach ständiger Rechtsprechung des Senats derselbe Prüfungszeitraum. Dieser reicht vom individuellen Rentenbeginn bis zum jeweiligen Anpassungsstichtag (vgl. ausführlich dazu - Rn. 22 ff. mwN, BAGE 142, 116) und verlängert sich deshalb mit jedem neuen Anpassungsstichtag. Dies hat zur Folge, dass der Arbeitgeber grundsätzlich verpflichtet ist, unzureichende Anpassungen mit Wirkung für die Zukunft auszugleichen, sofern seine wirtschaftliche Lage zum aktuellen Anpassungsstichtag nicht entgegensteht (vgl. - Rn. 15).
22(2) Diese Verpflichtung wird durch § 16 Abs. 4 BetrAVG, mit dem der Gesetzgeber die Planungs- und Rechtssicherheit für den versorgungspflichtigen Arbeitgeber erhöht hat (BT-Drs. 13/8011 S. 73 f.), beschränkt. Nach § 16 Abs. 4 Satz 1 BetrAVG ist der Arbeitgeber nicht verpflichtet, die Anpassung zu einem späteren Zeitpunkt nachzuholen, wenn laufende Leistungen nach § 16 Abs. 1 BetrAVG nicht oder nicht in vollem Umfang anzupassen waren. Nach § 16 Abs. 4 Satz 2 BetrAVG gilt eine Anpassung als zu Recht unterblieben, wenn der Arbeitgeber dem Versorgungsempfänger die wirtschaftliche Lage des Unternehmens schriftlich dargelegt, der Versorgungsempfänger nicht binnen drei Kalendermonaten nach Zugang der Mitteilung schriftlich widersprochen hat und er auf die Rechtsfolgen eines nicht fristgemäßen Widerspruchs hingewiesen wurde. Soweit eine Anpassung wegen der wirtschaftlichen Lage des Arbeitgebers zu vorangegangenen Anpassungsstichtagen zu Recht unterblieben ist und deshalb nach § 16 Abs. 4 BetrAVG bei späteren Anpassungen nicht mehr nachgeholt werden muss, dürfen sowohl der damals zu verzeichnende Anstieg des Verbraucherpreisindexes als auch die damals zu verzeichnenden Reallohnerhöhungen bei den späteren Anpassungsentscheidungen unberücksichtigt bleiben (vgl. etwa - Rn. 20 mwN).
23(3) Da mit jedem neuen Anpassungsstichtag ein neuer Anspruch auf Anpassungsprüfung und -entscheidung entsteht, hat der Arbeitgeber zu jedem neuen Anpassungsstichtag zu prüfen, ob seine aktuelle wirtschaftliche Lage eine Anpassung der Betriebsrenten der Versorgungsempfänger zulässt. Dieser Verpflichtung kann er nur nachkommen, wenn er über eine hinreichend gesicherte Prognosegrundlage verfügt, er also weiß, ob er zur Beurteilung seiner wirtschaftlichen Lage auf seine wirtschaftlichen Daten aus der Zeit vor dem jeweiligen Anpassungsstichtag zurückgreifen kann oder ob und ggf. in welchem Umfang er dieses Zahlenwerk um Anpassungslasten korrigieren muss, die sich aus einer (zusätzlichen) Anpassungspflicht zu einem vorangegangenen Anpassungsstichtag ergeben.
24(a) Zwar ist die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers iSv. § 16 Abs. 1 BetrAVG eine zukunftsbezogene Größe. Sie umschreibt die künftige Belastbarkeit des Arbeitgebers bis zum nächsten Anpassungsstichtag und setzt eine Prognose voraus. Beurteilungsgrundlage für die am Anpassungsstichtag zu erstellende Prognose ist allerdings grundsätzlich die bisherige wirtschaftliche Entwicklung des Unternehmens vor dem Anpassungsstichtag, soweit daraus Schlüsse für dessen weitere Entwicklung gezogen werden können. Für eine zuverlässige Prognose muss die bisherige Entwicklung über einen längeren repräsentativen Zeitraum von in der Regel drei Jahren ausgewertet werden (st. Rspr., vgl. etwa - Rn. 39).
25(b) Die wirtschaftliche Lage des Arbeitgebers rechtfertigt die Ablehnung einer Betriebsrentenanpassung insoweit, als das Unternehmen dadurch übermäßig belastet und seine Wettbewerbsfähigkeit gefährdet würde. Die Wettbewerbsfähigkeit wird beeinträchtigt, wenn keine angemessene Eigenkapitalverzinsung erwirtschaftet wird oder wenn das Unternehmen nicht mehr über genügend Eigenkapital verfügt. Demzufolge kommt es auf die voraussichtliche Entwicklung der Eigenkapitalverzinsung und der Eigenkapitalausstattung des Unternehmens an (vgl. etwa - Rn. 30). Bei der Berechnung der Eigenkapitalverzinsung ist einerseits auf die erzielten Betriebsergebnisse, andererseits auf die Höhe des Eigenkapitals abzustellen. Beide Berechnungsfaktoren sind ausgehend von den nach handelsrechtlichen Rechnungslegungsregeln erstellten Jahresabschlüssen zu bestimmen (vgl. - Rn. 42 mwN).
26cc) Eine gesetzliche Regelung, die den Arbeitgeber zur Anpassungsprüfung und -entscheidung zu bestimmten Anpassungsstichtagen unter Berücksichtigung der Belange der Versorgungsempfänger und seiner wirtschaftlichen Lage verpflichtet, muss auch sicherstellen, dass der Arbeitgeber seiner Verpflichtung nachkommen und eine Entscheidung nach billigem Ermessen treffen kann. Im Hinblick auf seine wirtschaftliche Lage bedeutet dies, dass der Arbeitgeber wissen muss, ob er seine Prognose auf seine wirtschaftlichen Daten aus der Zeit vor dem aktuellen Anpassungsstichtag stützen kann oder ob und ggf. in welchem Umfang er dieses Zahlenwerk um (zusätzliche) Anpassungslasten korrigieren muss, die sich aus einer Anpassungspflicht zu einem vorangegangenen Anpassungsstichtag ergeben. Er muss, um seine wirtschaftliche Lage zuverlässig beurteilen zu können, demnach am jeweils aktuellen Anpassungsstichtag Kenntnis darüber haben, ob und in welchen Fällen eine vorangegangene Anpassungsentscheidung gerügt wurde. Diesem Anliegen trägt nur eine umfassende streitbeendende Wirkung einer früheren, nicht gerügten Anpassungsentscheidung Rechnung, die verhindert, dass sich die Versorgungslasten des Arbeitgebers - vom aktuellen Anpassungsstichtag aus betrachtet - später rückwirkend erhöhen, seine wirtschaftliche Lage rückwirkend verschlechtern und so seiner Anpassungsentscheidung nachträglich die Grundlage entziehen (vgl. etwa - Rn. 28).
27dd) Hierdurch werden die Versorgungsempfänger auch nicht unverhältnismäßig belastet.
28(1) Zum einen werden die Interessen der Versorgungsempfänger, die frühere Anpassungsentscheidungen nicht oder nicht fristgerecht beanstandet haben, durch die Verpflichtung des Versorgungsschuldners zur nachholenden Anpassung ausreichend berücksichtigt (vgl. etwa - zu II 1 b der Gründe, BAGE 83, 1). Da der Prüfungszeitraum vom individuellen Rentenbeginn bis zum jeweiligen aktuellen Anpassungsstichtag reicht (vgl. ausführlich dazu - Rn. 22 ff. mwN, BAGE 142, 116), ist der Arbeitgeber zu jedem neuen Anpassungsstichtag grundsätzlich verpflichtet, unzureichende Anpassungen mit Wirkung für die Zukunft auszugleichen. Hierdurch wird sichergestellt, dass sich fehlerhafte Anpassungsentscheidungen nur zeitlich begrenzt auswirken (vgl. etwa - Rn. 29) und die Betriebsrente grundsätzlich auf Dauer in ihrem Wert erhalten wird.
29(2) Die Rügefrist selbst ist auch nicht unverhältnismäßig. Die Anforderungen an eine Rüge sind sehr gering. Diese kann formlos erfolgen und bedarf keiner näheren Begründung. Hat sich der Versorgungsempfänger rechtzeitig gegen die Anpassungsentscheidung gewandt, so hat das Gericht in einem späteren Prozess nicht nur die geltend gemachten Bedenken zu berücksichtigen, sondern die Anpassungsentscheidung umfassend zu überprüfen (vgl. etwa - Rn. 28).
30ee) Anpassungsprüfungsrhythmus, Prüfungszeitraum, Prognosegrundlage, Grenzen der nachholenden Anpassung und Rügepflicht sind demnach Teile des mit § 16 BetrAVG geschaffenen interessengerechten Gesamtgefüges (vgl. etwa - Rn. 28), das einem Anspruch auf nachträgliche Anpassung zu einem vorangegangenen Anpassungsstichtag im Interesse einer sachgerechten Entscheidung über die nächste zukunftsbezogene Anpassung eine klare Grenze setzt und nicht lediglich dazu dient, für die Vergangenheit Rechtsklarheit zu schaffen. Danach muss die Rüge einer unzureichenden Anpassung dem Arbeitgeber zwingend bis zum Ablauf des Tages zugehen, der dem folgenden maßgeblichen Anpassungsstichtag vorangeht. Dies führt dazu, dass der Anspruch des Versorgungsberechtigten auf Korrektur einer Anpassungsentscheidung von vornherein unter dem Vorbehalt einer fristgerechten Rüge steht. Die § 16 BetrAVG zu entnehmende Rügefrist ist demnach integraler Bestandteil des Anpassungs(prüfungs)anspruchs des Versorgungsberechtigten (vgl. etwa - Rn. 32).
31b) Diese Auslegung von § 16 BetrAVG führt auch nicht zu Wertungswidersprüchen im Hinblick auf die ständige Rechtsprechung des Senats zur Klageobliegenheit und zur Verwirkung des Klagerechts.
32aa) Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats muss der Versorgungsberechtigte, um einen Anspruch auf Korrektur einer Anpassungsentscheidung verfolgen zu können, nicht nur die unterbliebene Anpassung rechtzeitig rügen. Der Arbeitgeber kann vielmehr erwarten, dass der Versorgungsberechtigte seine Ansprüche nach einer ausdrücklichen Anpassungsentscheidung im Anschluss an den Rügezeitraum binnen dreier Jahre gerichtlich geltend macht. Nach einer rechtzeitigen außergerichtlichen Rüge kann das Klagerecht allerdings verwirken, wenn nicht bis zum Ablauf des nächsten auf die Rügefrist folgenden Anpassungszeitraums Klage erhoben wird. Sind nach dem maßgeblichen Anpassungsstichtag sechs Jahre (sofern eine Anpassungsentscheidung - unabhängig davon, ob positiv oder negativ - getroffen wurde) bzw. neun Jahre (falls eine Anpassungsentscheidung überhaupt nicht getroffen wurde) verstrichen, so liegen nach der Rechtsprechung des Senats in der Regel die für eine Verwirkung erforderlichen Zeit-, Umstands- und Zumutbarkeitsmomente vor (vgl. etwa - Rn. 31 mwN). Dem stehen Interessen des Versorgungsberechtigten in der Regel nicht entgegen. Demgegenüber hat der Versorgungsverpflichtete ein erhebliches Interesse an der Klärung seiner Anpassungspflichten, da die weiteren Rentenerhöhungen auf den früheren Anpassungen aufbauen und eine zuverlässige Grundlage für die Kalkulation des Versorgungsaufwands sowie für die Beurteilung der wirtschaftlichen Lage des Unternehmens benötigt wird (vgl. - Rn. 21). Allerdings können die Besonderheiten des Einzelfalles, insbesondere das Verhalten des Arbeitgebers, Anlass zu einer abweichenden Beurteilung geben. Dadurch wird vermieden, dass der Zugang des Versorgungsberechtigten zu den Gerichten unzumutbar beschnitten wird (vgl. etwa - Rn. 31).
33bb) Ob § 167 ZPO auf die Klagefrist nach § 16 BetrAVG anwendbar ist - wofür die besseren Argumente sprechen - oder ob die vom Senat angenommene Möglichkeit der Verwirkung des Klagerechts einer Anwendung von § 167 ZPO auf die Klagefrist entgegensteht, bedarf vorliegend keiner Entscheidung. Jedenfalls führt die Auslegung von § 16 BetrAVG dahin, dass die Rüge einer unzureichenden Anpassung dem Arbeitgeber zwingend bis zum Ablauf des Tages zugehen muss, der dem folgenden maßgeblichen Anpassungsstichtag vorangeht, bereits deshalb nicht zu Wertungswidersprüchen innerhalb der Norm, da es sich bei der Rügefrist um eine Frist handelt, die auch durch außergerichtliche Geltendmachung gewahrt werden kann, während dies bei der Klagefrist von vornherein nicht der Fall ist. Diese kann nur durch gerichtliche Geltendmachung gewahrt werden. Zudem ist der Arbeitgeber durch die notwendig vorangegangene außergerichtliche Rüge, die Voraussetzung für eine erfolgreiche Klage ist, hinreichend gewarnt und muss bei seiner nächsten Anpassungsprüfung mit einer gerichtlichen Geltendmachung weiterer Anpassungen rechnen.
34c) Aus den Formulierungen des Senats in den Urteilen vom (- 3 AZR 627/07 - Rn. 26), vom (- 3 AZR 372/05 - Rn. 15, BAGE 118, 51) und vom (- 3 AZR 367/03 - zu II 1 der Gründe), wonach der Versorgungsempfänger die fehlerhafte Anpassungsentscheidung des Arbeitgebers zu einem früheren Anpassungsstichtag „grundsätzlich“ vor dem nächsten Anpassungsstichtag dem Arbeitgeber gegenüber „wenigstens“ außergerichtlich geltend machen muss, kann der Kläger für eine Anwendung von § 167 ZPO auf die Rügefrist des § 16 BetrAVG nichts zu seinen Gunsten ableiten.
35aa) Der Senat hat in diesen Entscheidungen zum einen lediglich zum Ausdruck gebracht, dass die Rügefrist grundsätzlich mit Ablauf des Tages endet, der vor dem Anpassungsstichtag liegt, der „turnusmäßig“ auf den Anpassungsstichtag folgt, zu dem eine Korrektur der Anpassungsentscheidung begehrt wird. Er hat jedoch zugleich betont, dass dieser Grundsatz nur in den Fällen gilt, in denen der Versorgungsschuldner eine ausdrückliche (positive oder negative) Anpassungsentscheidung getroffen hat. Ist dies nicht der Fall, endet die Rügefrist - abweichend vom Grundsatz - ausnahmsweise zu einem anderen Zeitpunkt. Das Schweigen des Versorgungsschuldners enthält zwar die Erklärung, nicht anpassen zu wollen. Diese Erklärung gilt jedoch erst nach Ablauf von drei Jahren als abgegeben. Deshalb kann der Arbeitnehmer diese nachträgliche Entscheidung bis zum übernächsten Anpassungsprüfungstermin rügen (vgl. etwa - Rn. 15 mwN, BAGE 118, 51). Das vom Senat angenommene Grundsatz-/Ausnahmeverhältnis betrifft damit unterschiedliche Stichtage, bis zu denen die Rüge einer unzutreffenden Anpassung dem Arbeitgeber zugegangen sein muss und bewirkt nicht, dass der Arbeitnehmer von seiner Obliegenheit, die fehlerhafte Anpassung bis zum Ablauf des Tages dem Arbeitgeber gegenüber zu rügen, der dem maßgeblichen folgenden Anpassungsstichtag vorangeht, entbunden wäre.
36bb) Soweit der Senat in den vorgenannten Entscheidungen ausgeführt hat, der Versorgungsempfänger müsse die fehlerhafte Anpassungsentscheidung des Arbeitgebers diesem gegenüber „wenigstens“ außergerichtlich geltend machen, hat er auch damit nicht zum Ausdruck gebracht, dass die Betriebsrentner nicht dem Schutz des § 167 ZPO entzogen werden sollen. Der Senat hat dem Versorgungsempfänger mit dieser Rechtsprechung vielmehr lediglich ein Mittel an die Hand gegeben, seine Ansprüche auf Korrektur einer Anpassungsentscheidung zunächst auf einfachem und kostengünstigem Wege verfolgen zu können; dem Versorgungsempfänger soll das Kostenrisiko eines Prozesses zunächst erspart bleiben. Dies folgt bereits daraus, dass das Urteil des Senats vom (- 3 AZR 372/05 - Rn. 15, BAGE 118, 51), auf das der Senat in seiner Entscheidung vom (- 3 AZR 627/07 - Rn. 26) Bezug nimmt, und auch das Urteil des Senats vom (- 3 AZR 367/03 - zu II 1 der Gründe) aus einer Zeit stammen, in der allgemein davon ausgegangen wurde, dass eine Rückwirkung der Zustellung auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klage nach § 167 ZPO grundsätzlich nur in den Fällen in Betracht kommt, in denen eine Frist lediglich durch Inanspruchnahme der Gerichte gewahrt werden kann. Zudem hat der Senat in seinem Urteil vom (- 3 AZR 627/07 - Rn. 33) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die Anforderungen an die Rüge gering seien, sie könne formlos erfolgen und bedürfe keiner näheren Begründung.
37III. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers ist nicht von Bedeutung, unter welchen Voraussetzungen eine teleologische Reduktion von § 167 ZPO zulässig wäre. Auch dann, wenn man § 167 ZPO auf Fristen anwendet, die auch durch außergerichtliche Geltendmachung gewahrt werden können, folgt die Nichtanwendbarkeit von § 167 ZPO auf die Rügefrist nach § 16 BetrAVG nicht aus einer teleologischen Reduktion der Bestimmung. Vielmehr ergibt die Auslegung von § 167 ZPO, dass diese Vorschrift nur eine allgemeine Regelanordnung trifft, so dass stets zu prüfen ist, ob Sinn und Zweck der - jedenfalls bundesgesetzlichen - Fristbestimmung, um die es im konkreten Fall geht, eine Ausnahme von der Rückwirkung der Zustellung auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klage gebieten.
381. Zwar trifft es zu, dass sich dem Wortlaut von § 167 ZPO eine solches Regel-/Ausnahmeverhältnis nicht entnehmen lässt. Auch ist mit dem Kläger davon auszugehen, dass § 167 ZPO die Parteien vor Nachteilen durch Verzögerungen innerhalb des gerichtlichen Geschäftsbetriebs bewahren will, weil diese Verzögerungen von ihnen nicht beeinflusst werden können (vgl. etwa - Rn. 47 mwN; - Rn. 12 mwN), und dass derjenige, der mit der Klage die stärkste Form der Geltendmachung von Ansprüchen wählt, sich grundsätzlich darauf verlassen können muss, dass die Einreichung der Klageschrift die Frist wahrt (vgl. etwa - Rn. 29 mwN).
392. Dennoch kann § 167 ZPO - auch unter Berücksichtigung des verfassungsmäßig gewährleisteten Rechts auf einen effektiven Rechtsschutz - nicht dahin ausgelegt werden, dass diese Bestimmung ausnahmslos zu einer Rückwirkung der Zustellung auf den Zeitpunkt der Einreichung der Klageschrift bei Gericht führt, sofern die Zustellung der Klage nur „demnächst“ erfolgt. Vielmehr ist § 167 ZPO aus gesetzessystematischen Gründen dahin auszulegen, dass eine Rückwirkung der Zustellung in den Fällen ausscheiden muss, in denen das Gesetz selbst an anderer Stelle - jedenfalls in Form eines Bundesgesetzes - eine entgegenstehende wertende Entscheidung getroffen hat.
40a) § 167 ZPO dient vorrangig dem Schutz des Zustellungsveranlassers (vgl. etwa MüKoZPO/Häublein 4. Aufl. § 167 Rn. 1). Die Bestimmung will verhindern, dass der Zustellungsveranlasser Rechtsnachteile aus einer ihm nicht zuzurechnenden kurzfristigen Verspätung der Zustellung erleidet, die er auch bei gewissenhafter Prozessführung nicht verhindern kann (allg. Meinung, vgl. etwa Wieczorek/Schütze/Rohe 4. Aufl. § 167 ZPO Rn. 2). Soweit es um die Wahrung einer Frist durch Klageerhebung geht, hat der Gesetzgeber mit § 167 ZPO demnach erkennbar die Wertung getroffen, das Interesse des Schuldners, eine durch Fristablauf erlangte Rechtsposition nicht wieder zu verlieren, unter den in der Norm genannten Voraussetzungen gegenüber dem Interesse des Gläubigers auf Rechtsdurchsetzung zurückzustellen (vgl. etwa Zöller/Stöber/Greger ZPO 30. Aufl. § 167 Rn. 1). Hieraus folgt allerdings zugleich, dass die durch § 167 ZPO bewirkte Rechtsfolge der Rückwirkung der Zustellung von vornherein unter dem Vorbehalt steht, dass das Gesetz - jedenfalls in einer bundesgesetzlichen Regelung - nicht an anderer Stelle ausnahmsweise eine andere Wertung getroffen hat, indem es - wie zB bei der Rügefrist nach § 16 BetrAVG - dem Interesse des Schuldners an Rechts- und Planungssicherheit gegenüber dem Interesse des Gläubigers an der Durchsetzung seiner Rechte den Vorrang eingeräumt hat. Andernfalls ließen sich Wertungswidersprüche in der Rechtsordnung nicht vermeiden.
41b) Aus § 132 Abs. 1 BGB, wonach eine Willenserklärung auch dann als zugegangen gilt, wenn sie durch Vermittlung eines Gerichtsvollziehers zugestellt worden ist, folgt nichts anderes.
42Zwar können mit einer solchen Zustellung Fristen gewahrt werden, die nicht durch gerichtliche Geltendmachung gewahrt werden müssen. Auch hat der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom (- I ZR 109/05 - Rn. 24, BGHZ 177, 319) angenommen, sofern durch eine solche Zustellung eine Frist gewahrt werden solle, trete diese Wirkung nach § 132 Abs. 1 Satz 2 BGB iVm. §§ 191, 192 Abs. 2 Satz 1, § 167 ZPO bereits mit Übergabe des die Willenserklärung enthaltenden Schriftstücks an den Gerichtsvollzieher ein, wenn die Zustellung demnächst erfolgt. Der Bundesgerichtshof hat aber in seiner Entscheidung ( - I ZR 109/05 - Rn. 25, aaO) ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Sinn und Zweck der Regelung bei einzelnen Fristen einer Rückwirkung der Zustellung ausnahmsweise entgegenstehen könnten, so dass von dem Grundsatz der Anwendung von § 167 ZPO auch auf Fristen, die durch außergerichtliche Geltendmachung gewahrt werden können, Ausnahmen zuzulassen seien. Damit steht auch die Rückwirkung der Zustellung einer Willenserklärung auf den Zeitpunkt der Übergabe des Schriftstücks an den Gerichtsvollzieher nach § 132 Abs. 1 BGB unter dem Vorbehalt, dass das Gesetz nicht an anderer Stelle ausnahmsweise eine andere Wertung getroffen hat, indem es - wie zB bei der Rügefrist nach § 16 BetrAVG - dem Interesse des Schuldners an Rechts- und Planungssicherheit gegenüber dem Interesse des Gläubigers an der Durchsetzung seiner Rechte den Vorrang eingeräumt hat.
43IV. Entgegen der Rechtsauffassung des Klägers ist es der Beklagten nicht nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt, sich auf das Fehlen einer fristgerechten Rüge zu berufen.
441. Der Kläger kann nicht mit Erfolg geltend machen, die Berufung der Beklagten auf das Fehlen einer fristgerechten Rüge stelle sich als unzulässige Rechtsausübung dar, weil diese die Betriebsrentenanpassungen zum Anpassungsstichtag bewusst entgegen der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zum Prüfungszeitraum falsch vorgenommen habe, um hierdurch ihre Aufwendungen zu begrenzen.
45Nach der Konzeption des Bürgerlichen Gesetzbuchs gilt nicht schlechthin der Grundsatz, dass nur der Rechtstreue seinerseits Rechtstreue erwarten könnte (Bamberger/Roth/Sutschet BGB 3. Aufl. § 242 Rn. 71; Jauernig/Mansel BGB 15. Aufl. § 242 Rn. 47; MüKoBGB/Roth/Schubert 6. Aufl. § 242 Rn. 389 mwN; Soergel/Teichmann 12. Aufl. § 242 Rn. 287 mwN; - zu II 5 der Gründe; - zu II der Gründe). Vielmehr löst ein rechtswidriges Verhalten der einen Vertragspartei grundsätzlich nur die dafür vom Gesetz vorgesehenen Gegenansprüche und die sich daraus ergebenden Verteidigungsmittel der anderen Partei aus (vgl. etwa Bamberger/Roth/Sutschet BGB 3. Aufl. § 242 Rn. 71; NK-BGB/Krebs 2. Aufl. § 242 Rn. 79; Soergel/Teichmann 12. Aufl. § 242 Rn. 287 mwN; vgl. etwa - zu II 2 b bb (1) der Gründe). Da der Versorgungsberechtigte die Möglichkeit hat, die aus seiner Sicht unzutreffende Anpassungsentscheidung anzugreifen und eine höhere Betriebsrente zu verlangen, begrenzt die streitbeendende Wirkung einer früheren, nicht gerügten Anpassungsentscheidung nach ständiger Rechtsprechung des Senats die Verpflichtung zur nachträglichen Anpassung unabhängig davon, aus welchen Gründen die begehrte Anpassung versagt worden ist (vgl. - Rn. 25).
462. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, die Beklagte handele - soweit sie ihm die Versäumung der Rügefrist entgegenhalte - rechtsmissbräuchlich, weil sie die endgültige Entscheidung über die Anpassung der Betriebsrente zum Anpassungsstichtag erst im September 2011, mithin zu einem Zeitpunkt getroffen habe, zu dem ihr seine Rüge, mit der er eine unzutreffende Anpassungsentscheidung zum Anpassungsstichtag geltend gemacht habe, seit längerem bekannt gewesen sei. Die Beklagte hatte bereits im Juni 2011 eine Anpassungsentscheidung zum Anpassungsstichtag getroffen. Dass diese unter dem Vorbehalt einer Überprüfung stand, ändert daran nichts. Die Überprüfung bezog sich ausschließlich auf die Ermittlung des Anpassungsbedarfs und nicht auf die Prognose ihrer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit.
473. Der Kläger kann auch nichts zu seinen Gunsten daraus ableiten, dass die Beklagte am Anpassungsstichtag wusste, dass gegen ihre Entscheidung über die Anpassung der Betriebsrenten zum Anpassungsstichtag in einer Vielzahl von Fällen Klage erhoben worden war. Dieser Umstand führt entgegen der Rechtsauffassung des Klägers nicht dazu, dass es der Beklagten nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) verwehrt wäre, sich ihm gegenüber auf die Nichteinhaltung der Rügefrist zu berufen.
48Wenn der Versorgungsempfänger die Anpassungsentscheidung des Arbeitgebers für unrichtig hält, muss er dies grundsätzlich vor dem nächsten Anpassungsstichtag dem Arbeitgeber gegenüber wenigstens außergerichtlich geltend machen. Mit dem nächsten Anpassungsstichtag erlischt der Anspruch auf Korrektur einer früheren Anpassungsentscheidung (st. Rspr. des Senats, vgl. etwa - Rn. 21 mwN). Mit dem Erlöschen des Anspruchs auf rückwirkende Anpassungskorrektur wird sämtlichen Streitigkeiten der Parteien über die Richtigkeit früherer Anpassungen die Grundlage entzogen (vgl. etwa - Rn. 25). Mit dieser Befriedungsfunktion wäre es nicht vereinbar, dem Versorgungsempfänger, der die Anpassungsentscheidung nicht fristgerecht gerügt hat, die fristgerechte Rüge anderer Versorgungsempfänger zugutekommen zu lassen. Dass andere Betriebsrentner vor Ablauf der Rügefrist Klage erhoben haben, befreit den Versorgungsberechtigten demnach grundsätzlich, dh. sofern mit dem Versorgungsschuldner nicht ausnahmsweise anderes vereinbart wurde, nicht von seiner Rügeobliegenheit.
49Dies gilt entgegen der Rechtsauffassung des Klägers selbst dann, wenn die Beklagte auf eine außergerichtliche Rüge hin ihre Anpassungsentscheidung ohnehin nicht korrigieren, sondern stets erst auf eine Klage hin tätig werden und eine Korrektur ihrer Anpassungsentscheidung prüfen sollte.
504. Der Kläger kann schließlich auch nichts zu seinen Gunsten daraus ableiten, dass die Beklagte bereits am und damit vor dem maßgeblichen Anpassungsstichtag eine vorläufige Anpassungsentscheidung getroffen hatte. Die Berufung der Beklagten auf die Versäumung der Rügefrist durch den Kläger stellt sich auch vor diesem Hintergrund nicht unter dem Gesichtspunkt widersprüchlichen Verhaltens als unzulässige Rechtsausübung nach § 242 BGB dar. Die Beklagte hat entgegen der Rechtsauffassung des Klägers mit ihrem Schreiben vom nicht zum Ausdruck gebracht, dass es ihr nicht darauf ankam, ob gegen ihre Entscheidung über die Anpassung der Betriebsrenten zum Anpassungsstichtag noch weitere Rügen erhoben würden.
51a)Die Rechtsordnung lässt widersprüchliches Verhalten grundsätzlich zu. Widersprüchliches Verhalten ist nur dann rechtsmissbräuchlich, wenn für den anderen Teil ein Vertrauenstatbestand geschaffen wurde oder wenn andere besondere Umstände die Rechtsausübung als treuwidrig erscheinen lassen (vgl. - Rn. 36 mwN).
52b) Diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Beklagte hat in ihrem Schreiben vom keine Erklärungen abgegeben, die die Betriebsrentenanpassung zum vorangegangenen Anpassungsstichtag betrafen. Das Schreiben vom erschöpft sich vielmehr zum einen in der schlichten Mitteilung, dass die Betriebsrenten ab dem Anpassungsstichtag um 3,6 % angehoben würden. Zum anderen hat die Beklagte sich ausdrücklich vorbehalten, ihre Anpassungsentscheidung zum Anpassungsstichtag im Hinblick auf den Anpassungsbedarf zu korrigieren, sobald die offiziellen Zahlen zur Entwicklung des Verbraucherpreisindexes vorliegen. Damit hat sie keinen Vertrauenstatbestand dahin geschaffen, dass eine Korrektur ihrer zum Anpassungsstichtag getroffenen Anpassungsentscheidung auch ohne fristgerechte Rüge in Betracht kam.
53B. Vorliegend bedarf es weder der Einleitung eines Vorlageverfahrens an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes nach § 2 Abs. 1 iVm. § 11 RsprEinhG noch eines solchen an den Großen Senat des Bundesarbeitsgerichts nach § 45 ArbGG. Der Senat hat es dahinstehen lassen, ob § 167 ZPO grundsätzlich nur auf Fristen Anwendung findet, die durch gerichtliche Geltendmachung einzuhalten sind, oder ob die Bestimmung grundsätzlich auch in den Fällen anwendbar ist, in denen die Frist sowohl durch gerichtliche als auch durch außergerichtliche Geltendmachung gewahrt werden kann, so dass eine Divergenz zu den Urteilen des - I ZR 109/05 - Rn. 21 ff. mwN, BGHZ 177, 319) und vom (- VIII ZR 10/14 - Rn. 28) sowie zum - 8 AZR 662/13 -) von vornherein ausgeschlossen ist.
54C. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1, § 92 Abs. 1 ZPO.
Fundstelle(n):
BB 2014 S. 2675 Nr. 44
DStR 2014 S. 12 Nr. 44
ZIP 2014 S. 88 Nr. 45
OAAAE-83563