Instanzenzug:
Tatbestand
1Die Klägerseite (Versicherungsnehmer/in: im Folgenden d. VN) begehrt von dem beklagten Versicherer (im Folgenden Versicherer) Rückzahlung geleisteter Versicherungsbeiträge einer Rentenversicherung.
2Diese wurde aufgrund eines Antrags d. VN mit Vertragsbeginn zum nach dem so genannten Policenmodell des § 5a VVG in der bei Antragstellung gültigen Fassung (im Folgenden § 5a VVG a.F.) abgeschlossen. Im Juli 2009 erklärte d. VN unter anderem den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 Satz 1 VVG a.F., hilfsweise die Kündigung des Vertrages. Die Beklagte wickelte den Vertrag als gekündigt en ab und zahlte den Rückkaufswert aus.
3Mit der Klage verlangt d. VN insbesondere Rückzahlung aller auf den Vertrag geleisteten Beiträge nebst Zinsen abzüglich des bereits gezahlten Rückkaufswerts.
4Nach Auffassung d. VN ist der Versicherungsvertrag nicht wirksam zustande gekommen. Auch nach Ablauf der Frist des - gegen Gemeinschaftsrecht verstoßenden - § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. habe der Widerspruch noch erklärt werden können. Außerdem sei der Versicherer wegen unzureichender Aufklärung über die Abschlusskosten zum Schadensersatz verpflichtet.
5Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht die hiergegen gerichtete Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt d. VN seinen auf Zahlung gerichteten Hauptantrag weiter (insgesamt 5.094,86 €).
Entscheidungsgründe
6Die Revision ist bezüglich eines Schadensersatzanspruchs als unzulässig zu verwerfen. Im Übrigen führt sie zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
7A.
Dieses hat einen Prämienrückerstattungsanspruch aus ungerechtfertigter Bereicherung verneint. Der Versicherer habe zwar nicht ordnungsgemäß über das Widerspruchsrecht belehrt. Der Vertrag sei aber gemäß § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie rückwirkend endgültig wirksam geworden. Auch ein Anspruch auf Schadensersatz bestehe nicht.
8B.
Die Revision ist mangels Zulassung hinsichtlich des geltend gemachten Schadensersatzanspruchs nicht zulässig.
9Sie ist nur statthaft, soweit das Berufungsgericht den Widerspruch nach § 5a Abs. 1 VVG a.F. für unwirksam erachtet hat.
10Es hat die Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung beschränkt auf die Frage zugelassen, ob § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. den Regelungen der Europäischen Union entspricht. Diese Beschränkung der Revisionszulassung ist den Entscheidungsgründen des Berufungsurteils deutlich zu entnehmen und sie ist wirksam (vgl. Senatsurteil vom - IV ZR 76/11, VersR 2014, 817, 818 Rn. 11; für BGHZ vorgesehen). Der dem Bereicherungsanspruch zugrunde liegende Sachverhalt kann in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht unabhängig von dem für einen Schadensersatzanspruch wegen Verschuldens bei Vertragsschluss maßgeblichen Prozessstoff beurteilt werden. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Berufungsgericht den Schadensersatzanspruch im Übrigen auch zu Recht nicht zuerkannt. Der XI. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs hat bereits entschieden, dass die Rechtsprechung zu den Aufklärungspflichten einer anlageberatend tätigen Bank über Innenprovisionen und von ihr vereinnahmter Rückvergütungen nur in Fällen einer Kapitalanlageberatung durch die Bank gilt (, NJW-RR 2012, 416, 420 Rn. 39 und vom - XI ZR 247/12, WM 2014, 1621, 1623 Rn. 19 ff.).
11C.
Die Revision ist, soweit sie zulässig ist, begründet.
12I. Der Anspruch auf Prämienrückzahlung folgt dem Grunde nach aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB.
131. Der zwischen den Parteien geschlossene Versicherungsvertrag schafft keinen Rechtsgrund für die Prämienzahlung. Er ist infolge des Widerspruchs d. VN nicht wirksam zustande gekommen. Der Widerspruch war - ungeachtet des Ablaufs der in § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. normierten Jahresfrist - rechtzeitig.
14a) Nach den revisionsrechtlich nicht zu beanstandenden Feststellungen des Berufungsgerichts belehrte der Versicherer d. VN - entgegen der Auffassung der Revisionserwiderung - nicht ordnungsgemäß i.S. von § 5a Abs. 2 Satz 1 VVG a.F. über das Widerspruchsrecht. Für einen solchen Fall bestimmte § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. zwar, dass das Widerspruchsrecht ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie erlischt.
15Das Widerspruchsrecht bestand hier aber nach Ablauf der Jahresfrist und noch im Zeitpunkt der Widerspruchserklärung fort.
16Das ergibt die richtlinienkonforme Auslegung des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. auf der Grundlage der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union vom (VersR 2014, 225). Der Senat hat mit Urteil vom (IV ZR 76/11, VersR 2014, 817 Rn. 17-34) entschieden und im Einzelnen begründet, die Regelung müsse richtlinienkonform teleologisch dergestalt reduziert werden, dass sie im Anwendungsbereich der Zweiten und der Dritten Richtlinie Lebensversicherung keine Anwendung findet und für davon erfasste Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen zur Lebensversicherung grundsätzlich ein Widerspruchsrecht fortbesteht, wenn d. VN - wie hier - nicht ordnungsgemäß über das Recht zum Widerspruch belehrt worden ist und/oder die Verbraucherinformation oder die Versicherungsbedingungen nicht erhalten hat.
17b) Ein Erlöschen des Widerspruchsrechts nach beiderseits vollständiger Leistungserbringung kommt nicht in Betracht (vgl. Senatsurteil vom aaO Rn. 37 m.w.N.).
182. Die bereicherungsrechtlichen Rechtsfolgen der Europarechtswidrigkeit des § 5a Abs. 2 Satz 4 VVG a.F. sind nicht auf eine Wirkung ab Zugang des Widerspruchs (ex nunc) zu beschränken, sondern nur eine Rückwirkung entspricht dem Effektivitätsgebot (dazu im Einzelnen Senatsurteil vom aaO Rn. 42-44).
19II. Der Höhe nach umfasst der Rückgewähranspruch nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB nicht uneingeschränkt alle gezahlten Prämien. Vielmehr muss sich d. VN bei der bereicherungsrechtlichen Rückabwicklung den genossenen Versicherungsschutz anrechnen lassen. Der Wert des Versicherungsschutzes kann unter Berücksichtigung der Prämienkalkulation bemessen werden; bei Lebensversicherungen kann etwa dem Risikoanteil Bedeutung zukommen (Senatsurteil vom aaO Rn. 45 m.w.N.).
20Da es hierzu an Feststellungen fehlt, ist der Rechtsstreit zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Es wird den Parteien Gelegenheit zu ergänzendem Vortrag zu geben haben (vgl. Senatsurteil vom aaO Rn. 46).
Mayen
Harsdorf-Gebhardt
Dr. Karczewski
Lehmann
Dr. Brockmöller
Fundstelle(n):
AAAAE-83306