Strafverfahren wegen Vergewaltigung: Umfang der Mitteilungspflicht von verständigungsbezogenen Gesprächen
Gesetze: § 243 Abs 4 S 1 StPO, § 243 Abs 4 S 2 StPO
Instanzenzug: LG Nürnberg-Fürth Az: 12 KLs 253 Js 24057/11
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit Beleidigung, vorsätzlicher Körperverletzung und versuchter Nötigung (Einzelfreiheitsstrafe von drei Jahren) sowie wegen Verleumdung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und einem Monat verurteilt. Ferner hat es angeordnet, dass drei Monate der Gesamtstrafe als vollstreckt gelten. Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner Revision, die er auf die Sachrüge und eine verfahrensrechtliche Beanstandung stützt. Das Rechtmittel hat den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg; im Übrigen ist es unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.
21. Auf Antrag des Generalbundesanwalts stellt der Senat das Verfahren nach § 154 Abs. 2 i.V.m. § 154 Abs. 1 StPO ein, soweit der Angeklagte wegen Verleumdung (B.III. der Urteilsgründe: Tatgeschehen vom ) verurteilt worden ist. Dies hat den Wegfall der für den eingestellten Sachverhalt festgesetzten Geldstrafe und der Gesamtfreiheitsstrafe zur Folge.
32. Die weitergehende Revision bleibt erfolglos.
4a) Der Schuld- und Strafausspruch im Übrigen zeigt auf die sachlichrechtliche Überprüfung keinen den Angeklagten belastenden Rechtsfehler auf.
5b) Auch die Verfahrensrüge, mit der der Angeklagte einen Verstoß gegen die Mitteilungs- und Dokumentationspflicht nach § 243 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 273 Abs. 1a Satz 2 StPO geltend macht, hat keinen Erfolg.
6aa) Dem liegt folgendes Verfahrensgeschehen zugrunde:
7Der Angeklagte gab in der Hauptverhandlung zum Vorwurf der Vergewaltigung eine bestreitende Einlassung ab. Nachdem die Hauptbelastungszeugin an mehreren Tagen nicht erschienen war, bat der Vorsitzende der Strafkammer den Verteidiger, die Staatsanwältin und die Nebenklägervertreterin in das Beratungszimmer. Nachdem erörtert worden war, dass die Nebenklägerin bisher nicht vernommen werden konnte, fragte der Vorsitzende, ob die Möglichkeit einer Verständigung bestehe, wobei ein Geständnis des Angeklagten hierfür Voraussetzung sei. Der Verteidiger erklärte, dass dies vor der Vernehmung der Nebenklägerin nicht in Betracht komme. Er kam sodann mit dem Vorsitzenden überein, zunächst die Nebenklägerin zu hören, ein Geständnis „müsse" nicht heute erfolgen.
8Nach Wiedereintritt in die Hauptverhandlung gab der Vorsitzende folgende Erklärung ab, die er auch protokollieren ließ:
"Der Vorsitzende gab bekannt, dass auf Initiative der Kammer ein Rechtsgespräch mit den Mitgliedern der Kammer, dem Verteidiger, der Vertreterin der Staatsanwaltschaft und der Nebenklagevertreterin stattgefunden hat. Seitens des Gerichts wurde die Möglichkeit einer Verständigung angesprochen. Dies wurde vom Verteidiger abgelehnt. Man kam überein, zunächst die Geschädigte zu vernehmen."
9Im weiteren Verlauf der Hauptverhandlung - auch nach Vernehmung der Nebenklägerin - kam keiner der Verfahrensbeteiligten auf das Verständigungsgespräch zurück.
10Die Revision trägt darüber hinaus vor, der Vorsitzende habe bei dem Verständigungsgespräch zudem erklärt, dass „die Sache aus Sicht der Kammer bei Ablegung eines Geständnisses mit einer Bewährungsstrafe ausreichend sanktioniert sein könnte."
11bb) Die Rüge erweist sich ungeachtet der Frage ihrer Zulässigkeit schon deswegen als unbegründet, weil der behauptete Verfahrensverstoß - die Nichtmitteilung einer im Rahmen von Verständigungsgesprächen außerhalb der Hauptverhandlung konkret geäußerten Strafvorstellung des Gerichts - nicht erwiesen ist. So belegen die dienstlichen Stellungnahmen der Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft, des Vorsitzenden und des Beisitzers, dass von Seiten des Gerichts ein für den Fall des Geständnisses für angemessen erachteter konkreter Strafrahmen, gar in Form einer noch die Aussetzung zur Bewährung eröffnenden Strafhöhe, nicht genannt worden ist. Zwar sei durch den Vorsitzenden zu Beginn erklärt worden, dass ein Geständnis Auswirkungen auf das Strafmaß habe und man sich abhängig vom Strafmaß gegebenenfalls Gedanken über eine Strafaussetzung machen könne. Übereinstimmend ergibt sich aus den dienstlichen Stellungnahmen jedoch, dass zur Abgabe von konkreten Strafrahmenvorstellungen nach „kategorischer" Ablehnung eines Geständnisses durch den Verteidiger kein Raum mehr gesehen wurde.
12Dem Inhalt der dienstlichen Erklärungen ist die Revision nicht entgegengetreten, vielmehr hat sie sich diese zu eigen gemacht, soweit sie nunmehr allein noch behauptet, dass von „einer möglichen Bewährungsstrafe gesprochen wurde". Da daher der Sachverhalt aufgeklärt ist (vgl. zu einer anderen Konstellation , NJW 2012, 1136), sieht der Senat kein Erfordernis zur Einholung von dienstlichen Erklärungen der ebenfalls an dem Gespräch teilnehmenden Schöffen.
13cc) Der danach der revisionsgerichtlichen Prüfung zugrunde zu legende Verfahrensablauf deckt keinen Rechtsfehler auf. Zwar verlangt die nach § 243 Abs. 4 Satz 2 StPO bestehende Informationspflicht, dass der Vorsitzende über Erörterungen mit Verfahrensbeteiligten (§§ 202a, 212 StPO), die nach Beginn der Hauptverhandlung, aber außerhalb von dieser stattgefunden haben und deren Gegenstand die Möglichkeit einer Verständigung gewesen ist, in der Hauptverhandlung Mitteilung zu machen. Das Transparenzgebot soll sicherstellen, dass derartige Erörterungen stets in der öffentlichen Hauptverhandlung zur Sprache kommen und durch die Möglichkeit, Gespräche außerhalb der Hauptverhandlung zu führen, kein informelles und unkontrolliertes Verfahren betrieben wird (vgl. u.a., NJW 2013, 1058, 1065; , NStZ 2014, 418, 419). Mitzuteilen ist dabei nicht nur der Umstand, dass es solche Erörterungen gegeben hat, sondern auch deren wesentlicher Inhalt. Hierzu gehört auch dann, wenn keine Verständigung zustande gekommen ist, jedenfalls der Verständigungsvorschlag und die zu diesem abgegebenen Erklärungen der übrigen Verfahrensbeteiligten (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 5 StR 411/13, NStZ 2013, 722 und vom - 1 StR 612/13, NStZ 2014, 416).
14Die hier vom Vorsitzenden erfolgte Unterrichtung genügte diesen Anforderungen. Denn sie umfasste sowohl den Aspekt, auf wessen Initiative es zu dem Verständigungsgespräch gekommen war, als auch dass der Verteidiger eine Verständigung abgelehnt hatte und man zunächst die Nebenklägerin vernehmen wolle, mithin den wesentlichen Inhalt. Da ein konkreter Verständigungsvorschlag nach dem bewiesenen Verfahrensablauf von keinem geäußert wurde, bestand auch nicht das Erfordernis einer darauf gerichteten Mitteilung. Allein der Hinweis des Vorsitzenden, dass ein Geständnis Auswirkungen auf das Strafmaß habe und es vom Strafmaß abhängig sei, ob man sich Gedanken über eine Strafaussetzung machen könne, stellt noch keinen Verständigungsvorschlag dar. Hierin liegt weder die Zusage, dass das Gericht sich für den Fall des Zustandekommens der Verständigung daran gebunden sehen wollte, eine bewährungsfähige Strafe zu verhängen, noch beinhaltet es die Information, dass das Gericht eine bewährungsfähige Strafe im konkreten Fall für angemessen erachten würde. Gerade diese Frage ist offen gelassen worden, so dass bei dem Angeklagten kein Informationsdefizit bestand.
15Der Senat weist vorsorglich darauf hin, dass die Änderung des Strafausspruchs durch das Revisionsgericht grundsätzlich nicht die Entscheidung über die Kompensation einer bis zur revisionsgerichtlichen Entscheidung eingetretenen rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung erfasst (vgl. , BGHSt 54, 135; , wistra 2013, 35).
Raum Graf Jäger
Cirener Mosbacher
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Fundstelle(n):
HAAAE-83292