Verwerfung der Berufung - Nichtzulassungsbeschwerde
Leitsatz
Lässt das Landesarbeitsgericht in dem Beschluss, der die Berufung als unzulässig verwirft, die Revisionsbeschwerde nicht zu, ist hiergegen nach § 77 Satz 1 ArbGG die Nichtzulassungsbeschwerde nicht statthaft.
Gesetze: Art 3 Abs 1 GG, Art 19 Abs 4 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 2 Abs 2 GG, Art 101 Abs 1 S 2 GG, § 77 ArbGG, § 72 Abs 2 ArbGG, § 72a ArbGG, § 66 Abs 2 S 2 Halbs 2 ArbGG
Instanzenzug: ArbG Heilbronn Az: 3 Ca 384/13 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg Az: 4 Sa 23/14 Beschluss
Gründe
1A. Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung des beklagten Insolvenzverwalters sowie über einen Anspruch des Klägers auf Weiterbeschäftigung. Das Arbeitsgericht hat der Kündigungsschutzklage stattgegeben und den Beklagten zur Weiterbeschäftigung des Klägers verurteilt. Die dagegen gerichtete Berufung des Beklagten hat das Landesarbeitsgericht wegen unzureichender Begründung ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss des Vorsitzenden als unzulässig verworfen. Es hat die Rechtsbeschwerde nicht zugelassen. Dagegen richtet sich die vorliegende Nichtzulassungsbeschwerde.
2B. Die Beschwerde ist unzulässig. Eine Nichtzulassungsbeschwerde gegen den Beschluss, durch den das Landesarbeitsgericht eine Berufung als unzulässig verwirft, ist gemäß § 77 Satz 1 ArbGG nicht statthaft. Zudem entspricht die Beschwerde nicht den Anforderungen des § 72a Abs. 3 ArbGG.
3I. Der Rechtsbehelf der Nichtzulassungsbeschwerde ist nicht gegeben.
41. Gemäß § 77 Satz 1 ArbGG findet die Rechtsbeschwerde als Revisionsbeschwerde gegen den Beschluss des Landesarbeitsgerichts, der die Berufung als unzulässig verwirft, nur statt, wenn das Landesarbeitsgericht sie in dem Beschluss zugelassen hat. Für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gilt § 72 Abs. 2 ArbGG nach § 77 Satz 2 ArbGG entsprechend. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist aufgrund dieses eindeutigen Wortlauts der gesetzlichen Vorgabe die Revisionsbeschwerde nicht eröffnet, wenn das Landesarbeitsgericht - wie im vorliegenden Fall - sie nicht zugelassen hat. § 77 Satz 2 ArbGG verweist nur auf § 72 Abs. 2 ArbGG und nicht auf die in § 72a ArbGG ausdrücklich geregelte Nichtzulassungsbeschwerde. § 72a ArbGG ist auch nicht entsprechend anwendbar. Die in § 77 Satz 4 ArbGG in Bezug genommenen Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Rechtsbeschwerde (§§ 574 f. ZPO) sehen gegen die Nichtzulassung der Beschwerde eine Nichtzulassungsbeschwerde ebenfalls nicht vor ( - Rn. 1; - 3 AZB 41/06 - Rn. 7; vgl. bereits -; -; - 2 AZB 32/77 -; - 5 AZB 43/79 -; - 3 AZB 40/79 -; - 9 AZB 21/00 -; zu § 78 ArbGG - 5 AZB 54/02 - zu II der Gründe, BAGE 104, 239). Die Spezialregelung des § 77 ArbGG geht § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO vor. Im arbeitsgerichtlichen Verfahren ist die Nichtzulassung der Revisionsbeschwerde daher unanfechtbar.
52. Dieses Verständnis des § 77 ArbGG wird von der weit überwiegenden Mehrheit der Literatur geteilt (vgl. GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 77 Rn. 9; GK-ArbGG/Mikosch Stand November 2014 § 77 Rn. 2, 7, 17; ErfK/Koch 15. Aufl. § 77 ArbGG Rn. 2; AR/Spelge 7. Aufl. § 77 ArbGG Rn. 4; HWK/Bepler 6. Aufl. § 77 ArbGG Rn. 5; Düwell/Lipke/Düwell ArbGG 3. Aufl. § 77 Rn. 2; BeckOK ArbR/Klose Stand ArbGG § 77 Rn. 1; Schwab/Weth/Schwab ArbGG 4. Aufl. § 77 Rn. 13; Gross in Natter/Gross ArbGG 2. Aufl. § 77 Rn. 1; GWBG/Benecke ArbGG 8. Aufl. § 77 Rn. 2). Die dagegen von Ulrici geäußerten Bedenken (NZA 2014, 1245) geben keinen Anlass zu einer Änderung der Rechtsprechung.
6a) Der Gesetzgeber hat die Entscheidung über die Eröffnung des Revisionsbeschwerdeverfahrens bewusst allein dem Landesarbeitsgericht überlassen. Er hat in Kenntnis der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei der Reform des Zivilprozesses mit Gesetz vom (BGBl. I S. 1887) keine Änderung des § 77 ArbGG vorgenommen, obwohl er sich dabei mit dem Rechtsbeschwerdeverfahren befasst hat (BT-Drs. 14/4722 S. 69). Der Gesetzgeber hat auch anlässlich der Änderungen des Arbeitsgerichtsgesetzes durch das Anhörungsrügengesetz vom (BGBl. I S. 3220) und das Gesetz zur Änderung des Sozialgerichtsgesetzes und des Arbeitsgerichtsgesetzes vom (BGBl. I S. 444) keine Verweisung in § 77 Satz 2 ArbGG auf § 72a ArbGG vorgenommen. Es ist daher davon auszugehen, dass der Ausschluss des Zugangs zum Rechtsbeschwerdegericht bei Nichtzulassung der Revisionsbeschwerde bewusst und gewollt erfolgt ist. Durch das Änderungsgesetz vom wurde § 66 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ArbGG dahin gehend abgeändert, dass die Verwerfung der Berufung nicht mehr durch Beschluss der Kammer, sondern durch den Vorsitzenden erfolgt. Da § 77 Satz 1 ArbGG an eben diese Entscheidung anknüpft, ist ersichtlich, dass der Gesetzgeber sich mit dem Verfahren bei Unzulässigkeit der Berufung im Rahmen der Überarbeitung des Arbeitsgerichtsgesetzes auseinandergesetzt hat. Zur Begründung der Alleinentscheidungsbefugnis des Vorsitzenden wurde dabei angeführt, dass bei der Verwerfung einer unzulässigen Berufung nicht materielle Rechtsfragen, sondern formale Kriterien im Vordergrund der Prüfung stünden (BT-Drs. 16/7716 S. 25). Durch die Nichtbeteiligung der ehrenamtlichen Richter werde eine Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens erreicht (BT-Drs. 16/7716 S. 14; vgl. hierzu - Rn. 6, BAGE 135, 372). Die fehlende Verweisung auf § 72a ArbGG in § 77 ArbGG entspricht diesen Zielsetzungen. Der von Ulrici erhobene Einwand, dass der durch das Anhörungsrügengesetz zum eingeführte Zulassungsgrund der Verletzung rechtlichen Gehörs nach § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG damit leerliefe (NZA 2014, 1245, 1248), trägt nicht. Verletzungen des rechtlichen Gehörs können nach § 78a ArbGG korrigiert werden.
7b) Der Ausschluss des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens in § 77 ArbGG verstößt nicht gegen verfassungsrechtliche Vorgaben.
8aa) Das Grundgesetz sichert im Bereich des Art. 19 Abs. 4 GG wie auch in dem des allgemeinen Justizgewährungsanspruchs (Art. 20 Abs. 3 iVm. Art. 2 Abs. 1 GG) die Eröffnung des Rechtswegs. Die Garantie einer gerichtlichen Rechtsschutzmöglichkeit gegen behauptete Rechtsverletzungen gewährleistet jedoch keinen Rechtsweg über mehrere Instanzen hinweg. Das Rechtsstaatsprinzip fordert, dass jeder Rechtsstreit um der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens willen irgendwann ein Ende findet. Wann dies der Fall ist, entscheidet das Gesetz. Insofern reicht es grundsätzlich aus, dass die Rechtsordnung eine einmalige Möglichkeit zur Einholung einer gerichtlichen Entscheidung eröffnet. Es ist Aufgabe des Gesetzgebers, unter Abwägung und Ausgleich der verschiedenen betroffenen Interessen zu entscheiden, ob es bei einer Instanz bleiben soll oder mehrere Instanzen bereitgestellt werden und unter welchen Voraussetzungen sie angerufen werden können (st. Rspr., vgl. - Rn. 32; - 1 PBvU 1/02 - BVerfGE 107, 395). Hat der Gesetzgeber sich jedoch für die Eröffnung einer weiteren Instanz entschieden und sieht die betreffende Prozessordung dementsprechend ein Rechtsmittel vor, so darf der Zugang dazu nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden. Das Rechtsmittelgericht darf ein von der jeweiligen Prozessordnung eröffnetes Rechtsmittel daher nicht ineffektiv machen und für den Beschwerdeführer leerlaufen lassen (vgl. - Rn. 19). Gegebenenfalls ist im Wege der Verfassungsbeschwerde zu überprüfen, ob das Fachgericht ein grundsätzlich eröffnetes Rechtsmittel unter Verletzung des Justizgewährungsanspruchs ineffektiv gemacht hat (vgl. zur Zurückweisung der Berufung nach § 522 Abs. 2 Satz 1 ZPO - Rn. 26; - 1 BvR 2587/06 - Rn. 17). Wird in einem Urteil von der gesetzlich vorgesehenen Möglichkeit der Zulassung der Revision kein Gebrauch gemacht, so verstößt dies auch gegen die Gewährleistung des gesetzlichen Richters in Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG, wenn sich die Entscheidung insoweit als objektiv willkürlich erweist und den Zugang zur nächsten Instanz unzumutbar erschwert ( - Rn. 22). In Betracht kommt auch ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG in seiner Ausprägung als Willkürverbot (vgl. - Rn. 12 f.). Das Grundgesetz gibt dem Berufungskläger, dessen Berufung als unzulässig verworfen wurde, daher keinen Anspruch auf die Möglichkeit des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens. Etwaige Verfassungsverstöße des Berufungsgerichts sind im Rahmen einer Verfassungsbeschwerde geltend zu machen.
9bb) Die Ausgestaltung des arbeitsgerichtlichen Verfahrens in § 77 iVm. § 66 Abs. 2 ArbGG verstößt nicht gegen Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG.
10(1) Dieses prozessuale Grundrecht schützt den Anspruch des Bürgers auf eine Entscheidung seiner Rechtssache durch den hierfür von Gesetzes wegen vorgesehenen Richter, indem es eine sachfremde Einflussnahme auf die rechtsprechenden Organe verbietet. Adressaten des Verbots sind neben der Exekutive auch die Judikative und die Legislative. Für den Gesetzgeber folgt aus Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG die Pflicht, Normen, die gerichtliche Zuständigkeiten bestimmen, so zu fassen, dass aus ihnen der im Einzelfall zuständige Richter möglichst eindeutig erkennbar wird. Dabei darf ein Gesetz, mit dem das zuständige Gericht bezeichnet wird, durchaus auslegungsbedürftige Rechtsbegriffe verwenden, sofern es unzulässigen Einflüssen generell vorbeugen kann (, 2 BvR 136/05 - Rn. 106, BVerfGE 118, 212; - 1 PBvU 1/95 - zu C I 4 der Gründe, BVerfGE 95, 322). Der Gesetzgeber kann dem Richter daher im gesetzlich vorgegebenen Rahmen einen Ermessenspielraum einräumen (vgl. Pieroth in Jarass/Pieroth GG 13. Aufl. Art. 101 Rn. 9 mwN; kritisch zum Ermessen der Übertragung auf einen Einzelrichter Classen in v. Mangoldt/Klein/Starck GG III 6. Aufl. Art. 101 Abs. 1 Rn. 43; Leuze in Friauf/Höfling Berliner Kommentar zum GG Stand November 2009 C Art. 101 Rn. 13). Hinsichtlich der Ausgestaltung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens in § 160a Abs. 4 iVm. § 169 SGG hat das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass es mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG grundsätzlich vereinbar sei, dass die ehrenamtlichen Richter an Entscheidungen über Nichtzulassungsbeschwerden nur dann mitwirken, wenn über deren Begründetheit zu befinden ist. Dies setze allerdings voraus, dass die Abgrenzung zwischen Zulässigkeitsvoraussetzungen und Begründetheitsfragen nach eindeutigen und sachgerechten Kriterien erfolge ( - zu C III der Gründe, BVerfGE 91, 93; zustimmend Müller-Terpitz in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke GG 13. Aufl. Art. 101 Rn. 17).
11(2) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe ist § 77 iVm. § 66 Abs. 2 ArbGG mit Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG vereinbar. Dies gilt auch angesichts der Entscheidungsspielräume des Vorsitzenden Richters am Landesarbeitsgericht bzgl. der Verfahrensweise bei einer als unzulässig angesehenen Berufung.
12(a) § 77 Satz 1 ArbGG findet nur Anwendung, wenn das Landesarbeitsgericht die Berufung mit Beschluss als unzulässig verworfen hat. Bei einer Entscheidung durch Urteil gilt dagegen § 72a ArbGG (vgl. - Rn. 8). Nach § 66 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ArbGG kann der Vorsitzende ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss die Berufung verwerfen und dabei über die Zulassung der Rechtsbeschwerde entscheiden. Er kann aber auch eine mündliche Verhandlung anberaumen. Nach deren Durchführung entscheidet die Kammer unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter durch Urteil und eröffnet der unterlegenen Partei damit die Möglichkeit der Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72a ArbGG. Dieses Alleinentscheidungsrecht hat somit weitreichende prozessuale Konsequenzen.
13(b) Der Staatsgerichtshof für das Land Baden-Württemberg hat in seiner Entscheidung vom - 1 VB 8/14 - angenommen, dass für eine Verwerfung der Berufung durch Alleinentscheidung kein Raum sei, wenn materielle Rechtsfragen bei der Prüfung der Zulässigkeit im Vordergrund stehen und nicht nur formale Kriterien (vgl. zu B II 1 a der Gründe). Dem ist zuzustimmen, denn dies entspricht der Intention des Gesetzgebers (BT-Drs. 16/7716 S. 25). Die Prüfung der Zulässigkeit der Berufung beschränkt sich nämlich nur auf die formalen Kriterien der Statthaftigkeit (§ 511 ZPO), der Form (§ 519 ZPO), der Frist (§ 66 Abs. 1 ArbGG) sowie der ordnungsgemäßen Begründung nach § 520 Abs. 3 ZPO. Diese Prüfungspflicht ergibt sich aus § 66 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 ArbGG iVm. § 522 Abs. 1 ZPO. Dementsprechend ist der Anwendungsbereich der Alleinentscheidung nach § 66 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ArbGG hinreichend bestimmt, denn der Vorsitzende darf allein nur die Verwerfung der Berufung als unzulässig vornehmen. Der gesetzliche Richter ist damit hinreichend bestimmt, auch wenn der Vorsitzende in Zweifelsfragen zu der Auffassung gelangen kann, dass eine mündliche Verhandlung unter Hinzuziehung der ehrenamtlichen Richter angebracht ist. Insoweit gilt nichts anderes wie bei der Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs.
14cc) Der von Ulrici angenommene Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG (NZA 2014, 1245, 1249) besteht nicht.
15(1) Der allgemeine Gleichheitssatz gebietet dem Normgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich Ungleiches ungleich zu behandeln. Differenzierungen bedürfen der Rechtfertigung durch Sachgründe, die dem Differenzierungsziel und dem Ausmaß der Ungleichbehandlung angemessen sind (st. Rspr., vgl. , 1 BvR 1145/13 - Rn. 70).
16(2) § 77 Satz 1 iVm. § 66 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 ArbGG eröffnet dem Landesarbeitsgericht zwar - wie dargestellt - eine ungleiche prozessuale Behandlung unzulässiger Berufungen mit Auswirkungen auf die Eröffnung eines Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens nach § 72a ArbGG. Diese Ungleichbehandlung ist allerdings durch die in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommenden Ziele der Verfahrensvereinfachung und -beschleunigung gerechtfertigt (vgl. BT-Drs. 16/7716 S. 14). Diese Ziele sind gerade im arbeitsgerichtlichen Verfahren von erheblicher Bedeutung (vgl. § 61a ArbGG; §§ 56, 67 ArbGG). Unzulässige Berufungen sollen möglichst zeitnah verworfen werden, um Rechtssicherheit zu schaffen. Zudem tritt durch die Verfahrensvereinfachung eine Entlastung der Arbeitsgerichtsbarkeit ein. So muss beim Landesarbeitsgericht kein Kammertermin anberaumt werden, um eine verfristete Berufung zu verwerfen. Einem prozessökonomischen Zweck dient auch die Möglichkeit der Nichteröffnung des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens. Dieses soll nicht die Überprüfung von Formalien der Berufung ermöglichen (vgl. § 72a Abs. 3 iVm. § 72 Abs. 2 ArbGG). Der Gesetzgeber durfte dem Vorsitzenden daher einen Spielraum hinsichtlich der Verfahrensführung einräumen und die betroffenen Parteien bei angenommenen Rechtsanwendungsfehlern auf die Anhörungsrüge sowie auf die Verfassungsbeschwerde verweisen.
17II. Ungeachtet der fehlenden Statthaftigkeit der Nichtzulassungsbeschwerde würde die vorliegende Beschwerde auch nicht den Anforderungen des § 72a ArbGG genügen.
181. Die Rüge der Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 GG wäre unzulässig.
19a) Art. 103 Abs. 1 GG ist verletzt, wenn sich im Einzelfall aus besonderen Umständen klar ergibt, dass tatsächliches Vorbringen eines Beteiligten entweder überhaupt nicht zur Kenntnis genommen oder doch bei der Entscheidung nicht erwogen worden ist ( - Rn. 10). Wird mit der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 Abs. 2 Nr. 3 ArbGG eine entscheidungserhebliche Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör geltend gemacht, muss nach § 72a Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ArbGG die Beschwerdebegründung die Darlegung der Verletzung dieses Anspruchs und deren Entscheidungserheblichkeit enthalten ( - Rn. 9 mwN).
20b) Die Beschwerdebegründung erfüllt diese Voraussetzungen nicht.
21aa) Sie stellt bzgl. der hier maßgeblichen Frage der ordnungsgemäßen Begründung der Berufung nur darauf ab, das Landesarbeitsgericht habe den Vortrag des Beklagten in dem Schriftsatz vom nicht zur Kenntnis genommen. Welche Äußerungen in diesem Schriftsatz das Landesarbeitsgericht zur Annahme einer ordnungsgemäßen Berufungsbegründung hätten bewegen können, lässt die Beschwerde offen.
22bb) Das Landesarbeitsgericht hat zudem zutreffend ausgeführt, dass der Vortrag vom außerhalb der Berufungsbegründungsfrist erfolgte. Die Beschwerde verkennt die Bedeutung der Berufungsbegründungsfrist (§ 66 Abs. 1 ArbGG). Eine nach § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO unzureichend begründete Berufung kann nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist nicht mehr durch ergänzenden Vortrag ausreichend begründet werden. Solcher Vortrag ist nicht mehr berücksichtigungsfähig ( - Rn. 29). Dies gilt auch angesichts des Umstands, dass das Gericht vor Ablauf der Begründungsfrist nicht auf eine unzureichende Begründung hinweisen darf, da es sich anderenfalls zum Berater des Berufungsführers machen würde ( - Rn. 21). Hiervon zu unterscheiden ist die Verpflichtung des Gerichts, dem Beschwerdeführer vor einer beabsichtigten Verwerfung der Berufung einen Hinweis zu erteilen (vgl. - zu II der Gründe). Dementsprechend hat das Landesarbeitsgericht am einen Hinweis mit Stellungnahmefrist bis zum , verlängert bis zum , gegeben. Der Beklagte hat hierauf mit Schriftsatz vom reagiert. Er konnte mit diesen Ausführungen die Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO allerdings nicht mehr erfüllen, da die Berufungsbegründungsfrist nach Verlängerung (§ 66 Abs. 1 Satz 5 ArbGG) bereits am abgelaufen war. Es bestand für das Landesarbeitsgericht nach Eingang des Schriftsatzes vom keine Veranlassung, eine Entscheidung erst nach Fristablauf am zu treffen.
232. Im Übrigen rügt die Beschwerde Rechtsanwendungsfehler des Landesarbeitsgerichts sowohl hinsichtlich der Anforderungen an eine ordnungsgemäße Berufungsbegründung als auch in materieller Hinsicht. Angenommene Rechtsanwendungsfehler würden es dem Senat nach § 72 Abs. 2 ArbGG jedoch nicht erlauben, die Revisionsbeschwerde zuzulassen.
24C. Der Beklagte hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten seiner erfolglosen Beschwerde zu tragen.
25D. Die Wertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
ECLI Nummer:
ECLI:DE:BAG:2015:060115.B.6AZB105.14.0
Fundstelle(n):
NJW 2015 S. 8 Nr. 11
NJW 2015 S. 896 Nr. 12
UAAAE-83240