Betriebliche Altersversorgung - Betriebsrentenanpassung nach der Leistungsordnung des Essener Verbandes - Berücksichtigung eines sog. biometrischen Faktors
Gesetze: § 16 Abs 2 BetrAVG, § 16 Abs 1 BetrAVG, § 313 Abs 1 BGB, § 315 Abs 1 BGB, § 315 Abs 3 BGB, § 317 BGB, § 319 BGB, § 559 Abs 2 ZPO
Instanzenzug: Az: 14 Ca 7164/10 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 6 Sa 480/11 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, das monatliche Ruhegeld des Klägers zum und um jeweils weitere 0,765 % anzuheben.
2Der Kläger war bis zum bei der Rechtsvorgängerin der Beklagten beschäftigt. Diese hatte dem Kläger Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach der Leistungsordnung „A“ des Essener Verbandes für Anmeldungen bis zum zugesagt. In der Leistungsordnung „A“ in der seit dem geltenden Fassung (im Folgenden: LO 2006) heißt es ua.:
3In der seit dem geltenden Fassung der Leistungsordnung „A“ (im Folgenden: LO 2009) wurde die Abkürzung „BetrAVG“ in § 11 Abs. 3 LO 2006 durch den Begriff „Betriebsrentengesetz“ ersetzt. Im Übrigen blieben die zitierten Regelungen der LO 2006 unverändert.
4Die Satzung des Essener Verbandes in der Fassung vom lautet auszugsweise:
5Der Kläger bezieht seit dem ein Ruhegeld von der Beklagten bzw. ihrer Rechtsvorgängerin. Das Ruhegeld betrug bei Rentenbeginn monatlich 5.259,10 DM. Aufgrund von Anpassungsbeschlüssen des Essener Verbandes wurde es jährlich - mit Ausnahme des Jahres 2001 - erhöht. Die Erhöhungen erfolgten zunächst zum 1. Juli eines jeden Kalenderjahres und seit dem Jahr 2002 zum 1. Januar eines jeden Kalenderjahres.
6Mit Schreiben vom teilte der Essener Verband dem Kläger mit:
7Das monatliche Ruhegeld des Klägers wurde zum von 2.991,71 Euro um 1,4 % auf 3.033,59 Euro angehoben.
8Mit Schreiben vom teilte der Essener Verband dem Kläger sodann mit:
9Zum wurde das Ruhegeld des Klägers um 2,5 % auf 3.109,43 Euro angehoben.
10Der Kläger hat mit seiner Klage von der Beklagten die Zahlung der Beträge begehrt, um die sein monatliches Ruhegeld in der Zeit vom bis zum aufgrund der Anpassungsbeschlüsse des Essener Verbandes wegen Berücksichtigung des biometrischen Faktors von 0,765 % nicht angehoben wurde. Er hat die Ansicht vertreten, die Anpassungsbeschlüsse des Essener Verbandes zum und zum entsprächen nicht billigem Ermessen. Der Essener Verband habe den ermittelten Anpassungsbedarf nicht um einen biometrischen Faktor mindern dürfen. Die Beklagte sei daher verpflichtet, sein Ruhegeld zum um 2,165 % und zum um 3,265 % zu erhöhen. Dementsprechend schulde sie ihm rückständiges Ruhegeld für den Zeitraum vom bis zum iHv. monatlich 22,89 Euro und für den Zeitraum vom bis zum iHv. monatlich 46,84 Euro.
11Der Kläger hat zuletzt beantragt,
12Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Anpassungsbeschlüsse des Essener Verbandes zum und seien nicht zu beanstanden. Der vom Essener Verband ermittelte biometrische Faktor habe im Rahmen der Ermessensausübung neben den Belangen der Versorgungsempfänger und der wirtschaftlichen Lage der Mitgliedsunternehmen des Verbandes berücksichtigt werden dürfen. Durch den biometrischen Faktor würden die höheren Belastungen der Mitgliedsunternehmen ausgeglichen, die dadurch entstünden, dass die Betriebsrentner des Essener Verbandes länger lebten als die Bezieher von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung. Jedenfalls habe der Kläger keinen Anspruch auf eine weitere Erhöhung seines Ruhegeldes zu den beiden Anpassungsstichtagen, da die Anpassungsbeschlüsse des Essener Verbandes bei einer Gesamtbetrachtung zu einem Werterhalt des Ruhegeldes des Klägers führten. Der Kläger habe seit Beginn des Ruhegeldbezugs insgesamt mehr an Ruhegeld erhalten, als er bezogen hätte, wenn die Anpassungen auf der Grundlage von § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG vorgenommen worden wären.
13Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat das erstinstanzliche Urteil auf die Berufung des Klägers teilweise abgeändert und die Beklagte verurteilt, an den Kläger mit Rechtskraft der Entscheidung eine rückständige Betriebsrente iHv. 778,80 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem Folgetag des Tages zu zahlen, an dem das Urteil rechtskräftig wird. Im Übrigen hat es die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision und im Wege der Anschlussrevision die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung weiterer 57,96 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem Folgetag des Tages, an dem das Urteil rechtskräftig wird. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Anschlussrevision.
Gründe
14Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die Anschlussrevision des Klägers ist begründet. Sie führt zur teilweisen Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers in Höhe eines 778,80 Euro brutto übersteigenden Betrags zurückgewiesen hat. Entgegen der Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Klage - soweit sie in die Revisionsinstanz gelangt ist - in vollem Umfang begründet. Dem Kläger steht gegen die Beklagte ein Anspruch auf Zahlung rückständigen Ruhegeldes für den Zeitraum vom bis zum iHv. insgesamt 836,76 Euro brutto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem Folgetag des Tages zu, an dem das Urteil rechtskräftig wird, mithin ab dem .
15I. Die Beklagte ist verpflichtet, das Ruhegeld des Klägers zum nach § 9 Abs. 2 LO 2006 iVm. § 315 Abs. 3 BGB um 2,165 % und zum nach § 9 Abs. 2 LO 2009 iVm. § 315 Abs. 3 BGB um 3,265 % zu erhöhen. Daher schuldet sie dem Kläger ab dem ein monatliches Ruhegeld iHv. 3.056,48 Euro brutto sowie ab dem ein Ruhegeld iHv. monatlich 3.156,27 Euro brutto.
161. Für die Anpassung des Ruhegeldes des Klägers ist § 9 Abs. 2 der Leistungsordnung „A“ des Essener Verbandes in der zum jeweiligen Anpassungsstichtag geltenden Fassung maßgeblich. Dies ist zum Anpassungsstichtag § 9 Abs. 2 LO 2006 und zum Anpassungsstichtag § 9 Abs. 2 LO 2009.
17Nach den für den Senat gemäß § 559 Abs. 2 ZPO bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat die Rechtsvorgängerin der Beklagten dem Kläger eine Versorgung zwar nur „nach der Leistungsordnung ,A‘ “ des Essener Verbandes und nicht nach der Leistungsordnung „A“ des Essener Verbandes in ihrer jeweils geltenden Fassung zugesagt; wird jedoch - wie hier - in einer Ruhegeldzusage die Leistungsordnung eines Verbandes in Bezug genommen, der als sog. Konditionenkartell einheitliche Versorgungsbedingungen für einen ganzen Wirtschaftszweig schaffen soll, ist davon auszugehen, dass auf die jeweils geltende Fassung verwiesen wird. Zweck des Essener Verbandes ist ua., für die Unternehmen der eisen- und stahlerzeugenden oder verarbeitenden Industrie Richtlinien aufzustellen, nach denen die angeschlossenen Unternehmen ihren Angestellten Leistungen der betrieblichen Altersversorgung gewähren. Überlässt ein Arbeitgeber die Regelung seiner Altersversorgung einem solchen Verband, macht er damit deutlich, dass für ihn die Einheitlichkeit der Versorgungsleistungen im Vordergrund steht. Da die Leistungsordnung „A“ des Essener Verbandes zudem aktive Arbeitnehmer und Ruheständler erfassen soll, soll sich der betriebliche Versorgungsanspruch auch insoweit einheitlich nach der jeweils geltenden Fassung der Leistungsordnung „A“ richten (vgl. etwa - Rn. 17; - 3 AZR 553/08 - Rn. 25 mwN für die Leistungsordnung des Bochumer Verbandes; - 3 AZR 113/98 - zu B II 1 a der Gründe).
182. Der Kläger kann nach § 9 Abs. 2 LO 2006 und § 9 Abs. 2 LO 2009 iVm. § 315 Abs. 3 BGB verlangen, dass die Beklagte sein Ruhegeld zum um 2,165 % und zum um 3,265 % anhebt.
19a) Nach § 9 Abs. 2 LO 2006 und nach § 9 Abs. 2 LO 2009 ist der Essener Verband verpflichtet, die von seinen Mitgliedsunternehmen gezahlten Ruhegelder in regelmäßigen Abständen zu überprüfen und gegebenenfalls den veränderten Verhältnissen anzupassen. § 9 Abs. 2 LO 2006 und § 9 Abs. 2 LO 2009 enthalten für die bis zum Eintritt eines Leistungsfalls betriebstreuen Arbeitnehmer eine eigenständige Regelung der Anpassungsprüfungs- und -entscheidungspflicht, die an die Stelle der den einzelnen Mitgliedsunternehmen obliegenden Pflicht zur Anpassungsprüfung und -entscheidung nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG tritt. Dies folgt aus dem Zweck des Essener Verbandes: Als Konditionenkartell soll er die Bedingungen der betrieblichen Altersversorgung für die angeschlossenen Unternehmen koordinieren und ihre Versorgungsleistungen vereinheitlichen. Zudem verweisen sowohl § 11 Abs. 3 LO 2006 als auch § 11 Abs. 3 LO 2009 lediglich für die Anpassungsprüfung und -entscheidung bei den vorzeitig ausgeschiedenen Arbeitnehmern und deren Hinterbliebenen auf § 16 BetrAVG. Bei den bis zum Eintritt eines Leistungsfalls betriebstreuen Arbeitnehmern wird die Anpassungsentscheidung nach § 9 Abs. 2 LO 2006 und § 9 Abs. 2 LO 2009 dagegen nicht von den einzelnen Arbeitgebern, sondern einheitlich vom Verband für seine Mitglieder getroffen. Die einzelnen Arbeitgeber sind nach § 5 Abs. 1 Satz 1 der Satzung des Essener Verbandes grundsätzlich verpflichtet, die vom Verband getroffenen Anpassungsbeschlüsse einzuhalten und die Ruhegelder entsprechend zu erhöhen. Die Regelungen in § 9 Abs. 2 LO 2006 und § 9 Abs. 2 LO 2009 begründen ein vertragliches Leistungsbestimmungsrecht. Der Essener Verband handelt bei seiner Entscheidung über die Anpassung der Versorgungsleistungen allerdings nicht als Dritter iSd. §§ 317, 319 BGB; er nimmt die Pflicht zur Anpassungsprüfung und -entscheidung vielmehr für die Mitgliedsunternehmen wahr, die damit gebündelt durch den Essener Verband handeln (vgl. für den Bochumer Verband - BAGE 84, 38; - 3 AZR 115/86 - zu II 2 a der Gründe). Der Essener Verband hat seine Entscheidung über eine Anpassung der Zahlbeträge deshalb gemäß § 315 Abs. 1 BGB nach billigem Ermessen zu treffen. Die Anpassungsbeschlüsse des Essener Verbandes unterliegen einer uneingeschränkten Billigkeitskontrolle nach § 315 Abs. 3 BGB (vgl. für den Bochumer Verband - Rn. 29; - 3 AZR 466/95 - zu I 4 b der Gründe, aaO).
20b) § 9 Abs. 2 LO 2006 und § 9 Abs. 2 LO 2009 zielen zwar - ebenso wie § 16 BetrAVG - darauf ab, die laufenden Ruhegelder in ihrem Wert zu erhalten. Allerdings legt der Essener Verband im Rahmen der Anpassungsprüfung nach § 9 Abs. 2 LO 2006 und § 9 Abs. 2 LO 2009 nicht nur den Versorgungsbedarf und damit auch die reallohnbezogene Obergrenze unternehmensübergreifend fest; er differenziert auch nicht nach der wirtschaftlichen Lage des einzelnen Mitgliedsunternehmens und stellt deshalb bei der Prüfung der Leistungsfähigkeit - anders als dies in § 16 Abs. 1 BetrAVG vorgesehen ist - nicht auf die wirtschaftliche Lage des einzelnen Mitgliedsunternehmens ab (vgl. - Rn. 36). Die in § 9 Abs. 2 LO vorgesehene Anpassung der Ruhegelder nach den Regularien des Essener Verbandes gewährleistet damit zwar eine größere Anpassungskontinuität. Wird im Rahmen der Anpassungsprüfung und -entscheidung die reallohnbezogene Obergrenze unternehmensübergreifend festgelegt und nicht auf die wirtschaftliche Lage des einzelnen Mitgliedsunternehmens abgestellt, bleiben den einzelnen Versorgungsberechtigten die mit einer unternehmensbezogenen Betrachtung verbundenen Risiken erspart. Die Anpassung nach den Regularien des Konditionenkartells birgt aber auch das Risiko, dass den Versorgungsempfängern günstige Abweichungen von branchentypischen Entwicklungen bei ihrem früheren Arbeitgeber nicht zugutekommen. Das bedeutet im Ergebnis, dass nicht nur die Risiken, sondern auch die Chancen sinken (vgl. - Rn. 40; - 3 AZR 432/98 - zu B II 2 b bb der Gründe, BAGE 92, 358). Die Anpassung der Ruhegelder nach den Regularien des Essener Verbandes ist daher zwar nicht in jedem Fall, aber doch zumindest tendenziell günstiger als diejenige nach § 16 BetrAVG ( - Rn. 40).
21c) Die Anpassungsbeschlüsse, die der Essener Verband zum und zum auf der Grundlage des um einen biometrischen Faktor von jeweils 0,765 % reduzierten Anpassungsbedarfs der Versorgungsempfänger getroffen hat, entsprechen nicht billigem Ermessen iSd. § 315 Abs. 1 BGB. Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
22aa) Zwar darf der Essener Verband bei der gemäß § 9 Abs. 2 LO 2006 und § 9 Abs. 2 LO 2009 nach billigem Ermessen iSv. § 315 Abs. 1 BGB zu treffenden Anpassungsentscheidung neben den Belangen der Ruhegeldempfänger und der wirtschaftlichen Lage der Mitgliedsunternehmen grundsätzlich auch weitere Kriterien in seine Prüfung und Entscheidung einbeziehen (zu den abwägungserheblichen Belangen im Rahmen der Anpassungsprüfung und -entscheidung nach § 16 BetrAVG vgl. - Rn. 50, BAGE 139, 252). Die Berücksichtigung eines biometrischen Faktors zur Begrenzung des Anpassungsbedarfs entspricht jedoch nicht billigem Ermessen iSv. § 9 Abs. 2 LO 2006 und § 9 Abs. 2 LO 2009.
23Die Regelungen in § 9 Abs. 2 LO 2006 und § 9 Abs. 2 LO 2009 knüpfen mit dem Begriff „Zahlbeträge“ an das vom Arbeitgeber geschuldete laufende Ruhegeld an. Dieses soll vor einer Auszehrung durch den Kaufkraftverlust geschützt werden. Es geht daher mit den in § 9 Abs. 2 LO 2006 und § 9 Abs. 2 LO 2009 getroffenen Bestimmungen - ebenso wie mit der Anpassungsprüfungs- und -entscheidungspflicht nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG - darum, das ursprünglich vorausgesetzte Verhältnis von Leistung und Gegenleistung wieder herzustellen (zu den Belangen des Versorgungsempfängers nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG vgl. etwa - Rn. 36). Dieses Ziel wird verfehlt, wenn der biometrische Faktor, mit dem die Mehrbelastungen für die Mitgliedsunternehmen ausgeglichen werden sollen, die dadurch entstehen, dass die Betriebsrentner des Essener Verbandes durchschnittlich länger leben als die Bezieher von Renten aus der gesetzlichen Rentenversicherung, vom Essener Verband im Rahmen der Entscheidung über die Anpassung der Ruhegelder den Anpassungsbedarf mindernd berücksichtigt wird. Mit der Zusage laufender Versorgungsleistungen nach § 1 der Leistungsordnung „A“ des Essener Verbandes bringt der Arbeitgeber zum Ausdruck, dass er das Langlebigkeitsrisiko mit allen für die Arbeitnehmer und ihn damit verbundenen Vor- und Nachteilen tragen will (vgl. - Rn. 79, BAGE 141, 259). Diese Risikoübernahme ist der Versorgungszusage immanent. Deshalb kann der Arbeitgeber das Langlebigkeitsrisiko nicht einseitig, auch nicht im Rahmen einer nach billigem Ermessen zu treffenden Entscheidung über die Anpassung der laufenden Leistungen der betrieblichen Altersversorgung, auf die Betriebsrentner verlagern. Zwar bleibt es der Beklagten unbenommen, unter den Voraussetzungen des § 313 BGB wegen einer seit Erteilung der Versorgungszusagen erheblich gestiegenen Lebenserwartung der Versorgungsempfänger und einer damit einhergehenden beträchtlichen Ausweitung des ursprünglich zugrunde gelegten Dotierungsrahmens eine Anpassung der Versorgungszusagen nach den Regeln über die Störung der Geschäftsgrundlage zu verlangen; im Rahmen der dem Werterhalt der zugesagten Versorgung dienenden Entscheidung über die Anpassung der Versorgungsleistungen kann eine längere Lebensdauer der Versorgungsempfänger hingegen nicht als Belang berücksichtigt werden, der eine Reduzierung des Anpassungsbedarfs rechtfertigt.
24bb) Entgegen der Ansicht der Revision kommt es für die Frage, ob die vom Essener Verband zum und zum getroffenen Anpassungsbeschlüsse billigem Ermessen entsprechen, nicht darauf an, ob der Kläger - wie von der Beklagten behauptet - in der Zeit vom Beginn des Ruhegeldbezugs bis zum bzw. bis zum mehr an Versorgungsleistungen erhalten hat, als wenn sein Ruhegeld von der Beklagten alle drei Jahre nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG angepasst worden wäre. Zwar ist eine Leistungsbestimmung nach § 315 Abs. 1 BGB nur dann ermessensfehlerhaft und unverbindlich, wenn sie im Ergebnis nicht billigem Ermessen entspricht (vgl. - zu B II 3 b cc (4) der Gründe, BAGE 92, 358). § 9 Abs. 2 LO 2006 und § 9 Abs. 2 LO 2009 enthalten für die bis zum Eintritt eines Leistungsfalls betriebstreuen Arbeitnehmer jedoch eine eigenständige Regelung der Anpassungsprüfungs- und -entscheidungspflicht. Die vom Essener Verband auf der Grundlage dieser Bestimmungen getroffenen Anpassungsbeschlüsse treten an die Stelle der Anpassungsbeschlüsse der einzelnen Mitgliedsunternehmen nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG. Deshalb ist es unerheblich, ob die in der Vergangenheit vom Essener Verband auf der Grundlage der jeweiligen Leistungsordnung für alle Mitgliedsunternehmen einheitlich vorgenommenen Anpassungen insgesamt günstiger waren als etwaige Anpassungen durch die Beklagte nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 BetrAVG.
25d) Da die Anpassungsbeschlüsse des Essener Verbandes zum und nicht billigem Ermessen entsprechen, ist nach § 315 Abs. 3 BGB die Leistungsbestimmung durch Urteil zu treffen. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist danach das Ruhegeld des Klägers zum nach § 9 Abs. 2 LO 2006 iVm. § 315 Abs. 3 BGB um 2,165 % und zum nach § 9 Abs. 2 LO 2009 iVm. § 315 Abs. 3 BGB um 3,265 % zu erhöhen.
26aa) Nach § 9 Abs. 2 LO 2006 und § 9 Abs. 2 LO 2009 muss der Essener Verband die Zahlbeträge „regelmäßig“ überprüfen und gegebenenfalls den veränderten Verhältnissen anpassen. Dem kommt der Essener Verband nach, indem er die Anpassungsprüfungen seit dem Jahr 2002 regelmäßig zum 1. Januar eines jeden Jahres durchführt. Ob hierdurch - wie vom Landesarbeitsgericht angenommen - eine betriebliche Übung begründet wurde, ist unerheblich. Entscheidend ist, dass der Essener Verband die Anpassungsprüfungen vorliegend zum und vorgenommen hat.
27bb) Das Ruhegeld des Klägers ist entgegen der Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts zum nach § 9 Abs. 2 LO 2006 iVm. § 315 Abs. 3 BGB um 2,165 % und zum nach § 9 Abs. 2 LO 2009 iVm. § 315 Abs. 3 BGB um 3,265 % zu erhöhen.
28(1) Der Senat hat bei der hier vorliegenden unbilligen Leistungsbestimmung durch den Essener Verband nach § 315 Abs. 3 BGB eine eigene, der Billigkeit entsprechende Sachentscheidung zu treffen (vgl. - zu A II 2 a dd (1) der Gründe, BAGE 104, 55; MüKoBGB/Würdinger 6. Aufl. § 315 Rn. 51). Dabei sind jedoch nicht nur die Besonderheiten und der Zweck der LO 2006 sowie der LO 2009 - vor allem das Ziel einer branchenbezogenen Vereinheitlichung - zu beachten. Den Anpassungsbeschlüssen des Essener Verbandes ist auch insoweit Rechnung zu tragen, als sie nicht unbillig sind. Die zum Ausdruck gebrachten Vorstellungen des Essener Verbandes sind im Rahmen des rechtlich Zulässigen zu beachten (zum Bochumer Verband vgl. - BAGE 92, 358). Dies führt, da die Parteien nur über die Frage streiten, ob der Essener Verband den biometrischen Faktor im Rahmen der Ermessensentscheidung berücksichtigen durfte, dazu, dass die Ermessensausübung auch nur insoweit korrigiert werden darf, als sie sich infolge der Berücksichtigung des biometrischen Faktors im Ergebnis als unbillig erweist. Deshalb ist die Leistungsbestimmung zu treffen, die vom Essener Verband auf der Grundlage von § 9 Abs. 2 LO 2006 und § 9 Abs. 2 LO 2009 getroffen worden wäre, wenn der biometrische Faktor nicht den Anpassungsbedarf mindernd in Ansatz gebracht worden wäre. Dies hat das Landesarbeitsgericht verkannt. Daher ist es unerheblich, ob sich für den Kläger - ausgehend von seinem individuellen Rentenbeginn - nach § 16 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 1 BetrAVG zum ein geringerer Kaufpreisverlust ergeben hätte.
29(2) Danach ist das Ruhegeld des Klägers zum über die bereits erfolgte Anpassung iHv. 1,4 % hinaus um weitere 0,765 Prozentpunkte, insgesamt also um 2,165 % und zum über die bereits erfolgte Anpassung iHv. 2,5 % hinaus um weitere 0,765 Prozentpunkte, insgesamt also um 3,265 % anzuheben.
30Entgegen der Auffassung der Revision ist davon auszugehen, dass der Essener Verband die Zahlbeträge ohne Berücksichtigung des biometrischen Faktors auf der Grundlage von § 9 Abs. 2 LO 2006 zum um 2,165 % und auf der Grundlage von § 9 Abs. 2 LO 2009 zum um 3,265 % angepasst hätte. Die Beklagte selbst hat in den Vorinstanzen vorgetragen, die vom Essener Verband ermittelten prozentualen Anpassungssätze seien ab Januar 2008 um die Prozentpunkte des biometrischen Faktors reduziert worden. Dies bestätigt auch das Schreiben des Essener Verbandes vom . Danach hatte sich der Vorstand des Essener Verbandes bei der Anpassung zum entschlossen „den Anpassungsrahmen der Betriebsrenten bzw. die Erhöhung der Zahlbeträge um diesen Zusatzaufwand auf Grund der Langlebigkeit zu vermindern“. Gleiches gilt für die Anpassungsentscheidung zum . Ausweislich des Schreibens des Essener Verbandes vom war bei der Anpassung zum „einerseits die erhöhte Inflation berücksichtigt, aber auch der gleiche biometrische Faktor wie im Vorjahr angewandt“ worden. Beide Schreiben belegen mithin, dass der Essener Verband sowohl zum Anpassungsstichtag als auch zum Anpassungsstichtag einen nicht um den biometrischen Faktor geminderten Anpassungsbedarf zugrunde gelegt hat. Dass der Essener Verband den Anpassungsbedarf unzutreffend ermittelt hat, hat der Kläger nicht geltend gemacht.
313. Damit steht dem Kläger ab dem ein Ruhegeld iHv. monatlich 3.056,48 Euro brutto sowie ab dem ein monatliches Ruhegeld iHv. 3.156,27 Euro brutto zu. Die Beklagte schuldet dem Kläger somit die Zahlung rückständigen Ruhegeldes für den Zeitraum vom bis zum iHv. monatlich 22,89 Euro brutto sowie für den Zeitraum vom bis zum iHv. monatlich 46,84 Euro brutto, mithin für die Zeit vom bis zum iHv. insgesamt 836,76 Euro brutto.
32II. Der Zinsanspruch ergibt sich aus § 286 Abs. 1, § 288 Abs. 1 BGB.
33III. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92 Abs. 2 Nr. 1, § 97 Abs. 1 ZPO.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BB 2014 S. 2547 Nr. 42
BB 2015 S. 445 Nr. 8
DB 2014 S. 15 Nr. 41
DB 2015 S. 443 Nr. 8
ZIP 2014 S. 83 Nr. 43
PAAAE-81798