BSG Beschluss v. - B 5 R 308/14 B

Instanzenzug: S 6 R 300/08

Gründe:

1Mit Urteil vom hat das Bayerische LSG einen Anspruch der Klägerin auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung verneint.

2Gegen die Nichtzulassung der Revision in diesem Urteil hat die Klägerin Beschwerde beim BSG eingelegt. Sie beruft sich auf Verfahrensmängel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG.

3Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin ist unzulässig, weil sie nicht formgerecht begründet ist.

4Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

- die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§ 160 Abs 2 Nr 1 SGG),

- das Urteil von einer Entscheidung des BSG, des GmSOGB oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (aaO Nr 2) oder

- ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (aaO Nr 3).

5Derartige Gründe werden in der Beschwerdebegründung nicht nach Maßgabe der Erfordernisse des § 160a Abs 2 S 3 SGG dargetan. Die Beschwerde ist daher gemäß § 160a Abs 4 S 1 iVm § 169 SGG zu verwerfen.

6Wird eine Nichtzulassungsbeschwerde darauf gestützt, dass ein Verfahrensmangel vorliege, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen könne (§ 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 1 SGG), so müssen bei der Bezeichnung des Verfahrensmangels (§ 160a Abs 2 S 3 SGG) zunächst die den Verfahrensmangel (vermeintlich) begründenden Tatsachen substantiiert dargetan werden. Darüber hinaus ist die Darlegung erforderlich, dass und warum die Entscheidung des LSG ausgehend von dessen materieller Rechtsansicht auf dem Mangel beruhen kann, also die Möglichkeit einer Beeinflussung des Urteils besteht.

7Die Klägerin rügt zum einen eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG, Art 103 Abs 1 GG).

8Ein solcher Verstoß liegt ua vor, wenn das Gericht seiner Pflicht, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und in seine Erwägungen einzubeziehen, nicht nachgekommen ist (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 19 S 33 mwN) oder sein Urteil auf Tatsachen und Beweisergebnisse stützt, zu denen sich die Beteiligten nicht haben äußern können (vgl BSG SozR 3-1500 § 62 Nr 12 S 19). Dementsprechend sind insbesondere Überraschungsentscheidungen verboten (vgl dazu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 62 RdNr 8b mwN). Zur Begründung eines entsprechenden Revisionszulassungsgrundes ist nicht nur der Verstoß gegen diesen Grundsatz selbst zu bezeichnen, sondern auch darzutun, welches Vorbringen ggf dadurch verhindert worden ist und inwiefern die angefochtene Entscheidung darauf beruhen kann (BSG SozR 1500 § 160a Nr 36). Ferner ist Voraussetzung für den Erfolg einer Gehörsrüge, dass der Beschwerdeführer darlegt, seinerseits alles getan zu haben, um sich rechtliches Gehör zu verschaffen (BSG SozR 3-1500 § 160 Nr 22 S 35; vgl auch BSGE 68, 205, 210 = SozR 3-2200 § 667 Nr 1 S 6). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht.

9Die Klägerin sieht eine Verletzung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör darin, dass das LSG erstmalig in den Entscheidungsgründen darauf hingewiesen habe, die eingeholten Sachverständigengutachten dahin zu verstehen, dass die bei ihr vorliegende Leistungsminderung erst durch das Zusammenwirken von Wirbelsäulenproblemen und neurogener Blasenentleerungsstörung eingetreten sei. Hierbei habe es sich um eine Überraschungsentscheidung gehandelt. Wäre ihr, der Klägerin, bekannt gewesen, dass beiden Gutachten entnommen werde, nur Wirbelsäulenprobleme und Blasenentleerungsstörung gemeinsam führten zur Verminderung des Leistungsvermögens, wäre es ein Einfaches gewesen, beiden Gutachtern die konkretisierende Frage zu stellen, wie sie das Leistungsvermögen unter Ausschluss der Wirbelsäulenproblematik einschätzten.

10Mit diesem Vorbringen ist eine Gehörsverletzung nicht schlüssig aufgezeigt.

11Die Klägerin legt nicht dar, dass die Entscheidung auf dem geltend gemachten Verfahrensfehler beruhen kann.

12So ist der Beschwerdebegründung nicht zu entnehmen, dass die Annahme des Eintritts einer rentenrechtlich relevanten Einschränkung der Erwerbsfähigkeit erst durch das Zusammenwirken von neurogener Blasenentleerungsstörung und Wirbelsäulenproblemen zur Verneinung des Rentenanspruchs geführt habe. Die Klägerin behauptet noch nicht einmal, dass die Gutachter die Frage, wie sie das Leistungsvermögen unter Ausschluss der Wirbelsäulenproblematik einschätzten, in einem für sie günstigen Sinne beantwortet hätten.

13Die Klägerin macht zum anderen einen "Verstoß gegen ihr Recht auf ein faires Verfahren innerhalb angemessener Frist nach dem Grundgesetz und Artikel 6 I EMRK" geltend.

14Der Senat versteht dieses Vorbringen dahin, dass die Klägerin neben einer Verletzung des Gebots auf ein faires Verfahren eine überlange Verfahrensdauer rügen will. Insoweit verkennt sie allerdings, dass die Rüge einer überlangen Verfahrensdauer zumindest seit Inkrafttreten des Gesetzes über den Rechtsschutz bei überlangen Gerichtsverfahren und strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (ÜberlVfRSchG) vom (BGBl I 2302) nicht zur Revisionszulassung führen kann ( - Juris RdNr 6; Beschluss des erkennenden Senats vom - B 5 RE 28/14 B - RdNr 9).

15Den Anspruch auf ein faires Verfahren sieht die Klägerin als verletzt an, weil die Beklagte weder im Jahr der Rentenantragstellung 2007 noch im Jahre 2008 den richtigen Zeitpunkt angegeben habe, zu dem letztmalig die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen erfüllt gewesen seien, und außerdem nicht in urologischer Sicht ermittelt habe. Hätte die Beklagte diese Unterlassungen nicht begangen, hätten entscheidende Tatsachen - aus den Jahren 2002 und 2003 - festgestellt werden können.

16Mit diesem Vorbringen ist kein Verfahrensmangel iS von § 160 Abs 2 Nr 3 SGG dargetan. Verfahrensmangel im Sinne der Norm ist ein Verstoß des Gerichts im Rahmen des prozessualen Vorgehens grundsätzlich nur im unmittelbar vorangehenden Rechtszug (Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 160 RdNr 16a mwN) und nicht ein Verstoß im Verwaltungs- oder Widerspruchsverfahren.

17Soweit die Klägerin in diesem Zusammenhang zusätzlich rügt, das SG habe bei der Aufklärung des Sachverhalts seine Ermittlungen fehlerhaft auf den Zeitraum nach 2007 erstreckt, macht sie keinen Verfahrensfehler, sondern einen materiellen Fehler geltend.

18Schließlich weist die Klägerin darauf hin, sämtliche für sie erreichbaren Unterlagen sowie zwei für sie sprechende Gutachten hätten dem Bayerischen LSG nicht gereicht, um es davon zu überzeugen, dass im Jahr 2004 oder letztmals zum ihr Leistungsvermögen in einem rentenrechtlich relevanten Umfang beeinträchtigt gewesen sei und damit die Voraussetzungen für eine Erwerbsminderungsrente gegeben seien. Soweit die Klägerin mit diesem Vorbringen möglicherweise die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts angreifen will, sei sie darauf hingewiesen, dass eine Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 160 Abs 2 Nr 3 Halbs 2 SGG nicht auf eine Verletzung des § 128 Abs 1 S 1 SGG gestützt werden kann.

19Von einer weiteren Begründung sieht der Senat ab, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung der Voraussetzungen der Revisionszulassung beizutragen (vgl § 160a Abs 4 S 2 Halbs 2 SGG).

20Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 Abs 1 und 4 SGG.

Fundstelle(n):
QAAAE-81108