BGH Beschluss v. - V ZB 57/14

Freiheitsentziehungssache: Rechtswidrigkeit der Anordnung des Transitaufenthalts für einen unerlaubt auf dem Luftweg eingereisten Ausländer

Leitsatz

Das Fehlen von Vollzugsvorschriften führt nicht zur Rechtswidrigkeit der Anordnung des Transitaufenthalts nach § 15 Abs. 6 Satz 2 AufenthG.

Gesetze: § 15 Abs 6 S 2 AufenthG

Instanzenzug: LG Frankfurt Az: 2-29 T 47/14vorgehend AG Frankfurt Az: 934 XIV 107/14 B

Gründe

I.

1Der Betroffene traf am aus Casablanca kommend ohne gültigen Pass oder Passersatz auf dem Flughafen in Frankfurt am Main ein und äußerte bei seiner am selben Tag vorgenommenen Befragung durch die beteiligte Behörde, bei der er angab, kamerunischer Staatsangehöriger zu sein, ein Schutzersuchen. Mit Bescheid vom lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge seinen Asylantrag vom als offensichtlich unbegründet ab. Die beteiligte Behörde verweigerte dem Betroffenen daraufhin die Einreise und beabsichtigt dessen Zurückweisung nach Kamerun. Seit dem ist er vollziehbar ausreisepflichtig.

2Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das zur Sicherung der Abreise den weiteren Aufenthalt des Betroffenen in der Asylbewerberunterkunft auf dem Flughafen bis zum angeordnet. Die gegen diese - nach Fristablauf durch einen weiteren Beschluss des Amtsgerichts verlängerte - Anordnung gerichtete Beschwerde mit dem Ziel der Feststellung der Rechtswidrigkeit hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.

II.

3Nach Ansicht des Beschwerdegerichts ist die Aufenthaltsanordnung zur Sicherung der Abreise rechtmäßig.

III.

4Die Rechtsbeschwerde ist statthaft (vgl. nur Senat, Beschluss vom - V ZB 29/10, InfAuslR 2011, 27 Rn. 4; Beschluss vom - V ZB 12/12, InfAuslR 2012, 37) und auch im Übrigen (§ 71 FamFG) zulässig. Sie ist jedoch unbegründet.

51. Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde führt das Fehlen von Vollzugsvorschriften nicht zur Rechtswidrigkeit der Anordnung des Transitaufenthalts nach § 15 Abs. 6 Satz 2 AufenthG.

6Der Hinweis der Rechtsbeschwerde, dass nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfGE 33, 1) auch die Grundrechte von Strafgefangenen nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes eingeschränkt werden können und es daher eines Strafvollzugsgesetzes mit fest umrissenen Eingriffstatbeständen bedarf, ist zwar zutreffend. Daraus lässt sich aber nicht ableiten, dass eine Anordnung des Transitaufenthalts nach § 15 Abs. 6 Satz 2 AufenthG mangels Bestehens eines Vollzugsgesetzes rechtswidrig ist. Vielmehr folgt aus der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts nur, dass auch die Grundrechte von Abschiebungsgefangenen nicht beliebig oder nach Ermessen eingeschränkt werden können, sondern eine Einschränkung nur dann in Betracht kommt, wenn sie zur Erreichung eines von der Wertordnung des Grundgesetzes gedeckten gemeinschaftsbezogenen Zweckes unerlässlich ist und in den dafür verfassungsrechtlich vorgesehenen Formen, also nur durch Gesetz oder aufgrund eines Gesetzes, geschieht (vgl. BVerfGE 33, 1, 11).

7Anders als die Verbüßung einer Freiheitsstrafe ist der gemäß § 15 Abs. 6 Satz 2 AufenthG angeordnete Aufenthalt eines Ausländers im Transitbereich eines Flughafens oder einer Unterkunft nicht zwangsläufig mit Eingriffen auch in andere Grundrechte als in das Freiheitsgrundrecht - etwa durch Briefkontrolle, eingeschränkte Möglichkeit zum Telefonieren, Anstaltskleidung - verbunden. Das ergibt sich schon aus der unterschiedlichen Zweckbestimmung von Strafhaft einerseits und der Freiheitsentziehung nach dem Aufenthaltsgesetz andererseits. Die Anordnung des Transitaufenthalts eines Ausländers ergeht ausschließlich zur Sicherung seiner Abreise (§ 15 Abs. 6 Satz 3 AufenthG); sie dient nicht als zusätzliche Sanktion für die illegale Einreise (Rittstieg, NJW1996, 545, 551). Daher folgt aus dem Fehlen von Vollzugsvorschriften für den richterlich angeordneten Transitaufenthalt nur, dass über die Freiheitsentziehung und die mit ihr zwangsläufig verbundenen Einschränkungen in der allgemeinen Lebensführung hinausgehende Grundrechtseingriffe unzulässig sind (vgl. MünchKomm-FamFG/Wendtland, 2. Aufl., § 422 Rn. 7, 9).

8Kommt es im Einzelfall während des Vollzugs der Anordnung des Transitaufenthalts zu einem rechtswidrigen Grundrechtseingriff, berührt dies die Rechtmäßigkeit der richterlichen Aufenthaltsanordnung nicht. Vielmehr muss sich der Betroffene gegen die konkrete Einzelmaßnahme wenden. Hierfür steht ihm der Rechtsweg zu den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit offen (MünchKomm-FamFG/Wendtland, 2. Aufl., § 422 Rn. 7, 9; Keidel/Budde,FamFG, 18. Aufl., § 422 Rn. 10).

92. Von einer weiteren Begründung wird abgesehen (§ 74 Abs. 7 FamFG).

Stresemann                       Roth                     Brückner

                    Weinland                  Kazele

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:


Fundstelle(n):
WAAAE-80536