Berufungsgerichtlicher Ordnungsgeldbeschluss: Auslegung einer sofortigen Beschwerde als Rechtsbeschwerde
Gesetze: § 133 BGB, § 140 BGB, § 157 BGB, § 567 ZPO, §§ 567ff ZPO
Gründe
I.
1Das Landgericht hat gegen den Kläger wegen Fernbleibens in der Berufungsverhandlung ein Ordnungsgeld festgesetzt. Der Beschluss enthält eine Rechtsmittelbelehrung folgenden Inhalts: „Gegen diesen Beschluss ist in analoger Anwendung des § 380 Abs. 3 ZPO die sofortige Beschwerde statthaft. Sie ist schriftlich binnen einer Frist von 2 Wochen ab Zugang bei dem Landgericht ... oder dem Oberlandesgericht ... einzulegen.
2Der Kläger hat sofortige Beschwerde bei dem Landgericht eingelegt. Mit Beschluss vom hat das Landgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und ausgeführt: Gegen den Ordnungsgeldbeschluss sei entgegen der anderslautenden Rechtsbehelfsbelehrung kein Rechtsmittel gegeben, da er von einem Berufungsgericht stamme. Aber auch in der Sache bestehe kein Grund, den Beschluss aufzuheben. Abschließend heißt es, der Vorgang werde nicht dem Oberlandesgericht, sondern dem Bundesgerichtshof als Rechtsbeschwerdegericht vorgelegt, wenn die sofortige Beschwerde nicht binnen zwei Wochen zurückgenommen werde. Nachdem der Kläger erklärt hat, er nehme seine Beschwerde nicht zurück, hat das Landgericht sie dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung vorgelegt.
II.
3Der Bundesgerichthof ist nicht zu einer Entscheidung über die sofortige Beschwerde des Klägers berufen.
41. Der von dem Landgericht vorgenommenen Auslegung der - nach seiner Auffassung unzulässigen, weil gegen eine Entscheidung des Landgerichts im zweiten Rechtszug gerichteten - sofortigen Beschwerde als Rechtsbeschwerde steht allerdings nicht der Grundsatz entgegen, dass im Zweifel dasjenige gewollt ist, was nach den Maßstäben der Rechtsordnung vernünftig ist und der recht verstandenen Interessenlage entspricht (vgl. Senat, Beschluss vom - V ZB 71/02, NJW 2003, 2388, 2389; Urteil vom - VI ZR 325/95, NJW-RR 1996, 1210, 1211).
5a) Zwar wäre die Einlegung einer Rechtsbeschwerde durch den Kläger unvernünftig, weil dieses Rechtsmittel offensichtlich unzulässig ist. Weder ist die Rechtsbeschwerde zugelassen noch ist sie fristgemäß und durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt worden. Aus diesem Grund kommt auch eine Umdeutung der Beschwerde in eine Rechtsbeschwerde in entsprechender Anwendung von § 140 BGB nicht in Betracht. Denn die Umdeutung einer Prozesshandlung in eine andere Prozesshandlung setzt unter anderem voraus, dass die andere Prozesshandlung zulässig wäre (vgl. , NJW-RR 2008, 876 Rn. 8; , NJW 2002, 1958).
6b) Ein anderer Rechtsbehelf, mittels dessen dem Willen des Klägers, der Ordnungsgeldbeschluss möge (erneut) überprüft werden, in prozessual zulässiger und damit vernünftiger Weise Rechnung getragen werden könnte, ist aber nicht gegeben. Insbesondere kommt eine Auslegung der sofortigen Beschwerde als nachträgliche Entschuldigung gemäß § 381 Abs. 1 Satz 3 ZPO nicht in Betracht. Denn das bereits begründet, weshalb sich dem Beschwerdevorbringen keine Entschuldigung für das Fernbleiben in der mündlichen Verhandlung entnehmen lasse; Einwendungen hiergegen oder neue Entschuldigungsgründe hat der Kläger nicht vorgebracht. Demgemäß liegt es ebenfalls fern, die Aufrechterhaltung der Beschwerde als Gegenvorstellung gegen den Beschluss vom anzusehen.
72. Die Auslegung der sofortigen Beschwerde als Rechtsbeschwerde ist dennoch rechtsfehlerhaft.
8Angesichts der Reaktion des Klägers auf den Beschluss vom geht das Landgericht allerdings ohne Rechtsfehler davon aus, dass der Kläger die Überprüfung des Ordnungsgeldbeschlusses durch die höhere Instanz erreichen will. Bei seiner - den Regelungen der Zivilprozessordnung und damit im Allgemeinen dem Interesse eines Beschwerdeführers entsprechenden - Annahme, die höhere Instanz sei der Bundesgerichtshof, hat das Landgericht aber den Besonderheiten des Sachverhalts nicht hinreichend Rechnung getragen. Nicht unberücksichtigt bleiben kann nämlich, dass der Kläger infolge der ihm erteilten Rechtsmittelbelehrung angenommen hat, er habe die Möglichkeit, den Ordnungsgeldbeschluss durch ein Rechtsmittel überprüfen zu lassen, das zum Oberlandesgericht führt und deshalb auch durch seine - nur dort, nicht aber beim Bundesgerichtshof postulationsfähige - Prozessbevollmächtigte eingelegt werden konnte. Wenn er trotz des Hinweises des Landgerichts, dass die Rechtsmittelbelehrung falsch war, an dem eingelegten Rechtsmittel festhält, will er offensichtlich überprüft wissen, ob die geänderte Belehrung richtig ist, ob also nicht doch der Rechtsweg zum Oberlandesgericht gegeben ist. Seinem erkennbaren Willen entspricht es daher, die Beschwerde dem Oberlandesgericht zu nämlicher Prüfung vorzulegen. Hinzukommt, dass der Kläger zwischenzeitlich ausdrücklich erklärt hat, er wünsche keine Entscheidung des Bundesgerichtshofs über die Beschwerde.
Stresemann Schmidt-Räntsch Czub
Weinland Kazele
Fundstelle(n):
NJW 2014 S. 3731 Nr. 51
RAAAE-80085