BGH Beschluss v. - 1 StR 320/14

Sicherungsverwahrung für Sexualstraftäter: Berücksichtung zulässigen Verteidigungsverhaltens des Angeklagten bei der Gefährlichkeitsprognose

Gesetze: § 46 Abs 2 StGB, § 66 Abs 1 S 1 Nr 4 StGB, § 66 Abs 2 StGB, § 177 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Instanzenzug: LG Augsburg Az: 406 Js 139598/10 - 3 KLs

Gründe

I.

1Die Jugendschutzkammer des Landgerichts Augsburg hatte den Angeklagten u.a. wegen Vergewaltigung in Tateinheit mit schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern sowie weiteren Fällen von schwerem sexuellen Missbrauch von Kindern zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren und sechs Monaten verurteilt. Weiterhin war die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet worden.

2Auf die Revision des Angeklagten hatte der Senat den Maßregelausspruch der Sicherungsverwahrung wegen Verletzung der Hinweispflicht gemäß § 265 StPO aufgehoben, die Revision im Übrigen aber verworfen (Beschluss vom - 1 StR 158/12), so dass Schuld- und Strafausspruch in Rechtskraft erwuchsen.

3Nunmehr hat die zuständige Strafkammer des Landgerichts Augsburg, an welche die Sache zurückverwiesen worden war, erneut die Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung angeordnet.

4Die hiergegen eingelegte Revision des Angeklagten führt mit der Sachrüge erneut zur Aufhebung des Maßregelausspruchs.

II.

5Die Strafkammer hat bei der Prüfung der Voraussetzungen der Anordnung der Sicherungsverwahrung einen Hang des Angeklagten zu strafrechtsrelevanten Rechtsbrüchen im Bereich der Sexualdelikte (§ 66 Abs. 2 i.V.m. Abs. 1 S. 1 Nr. 4 StGB) auch darauf gestützt, dass er schon seit früher Jugend die Neigung aufweise, aus Bestrafungen nichts zu lernen (UA S. 42), und keinerlei Anstrengungen unternommen habe, sich mit den Taten auseinanderzusetzen; ebenso habe er keine Angebote der JVA wahrgenommen, eine Sexualtherapie durchzuführen, da er seine Taten bis zum heutigen Tag abstreite (UA S. 43).

6Im Rahmen der Gefährlichkeitsprognose hat die Strafkammer ausgeführt, dass mehrere Angebote der JVA, den Angeklagten in der sozialtherapeutischen Abteilung für Sexualstraftäter unterzubringen, an der mangelnden Bereitschaft des Angeklagten, die Taten einzuräumen, gescheitert seien. Zwar habe dieses Verhalten dem Angeklagten vor dem rechtskräftigen Strafausspruch im vorliegenden Verfahren nicht vorgeworfen werden können, jedoch habe er auch nach Rechtskraft des Schuldspruches seit seine Haltung nicht geändert; vielmehr habe er bis zuletzt die den beiden Verurteilungen zugrunde liegenden Sexualstraftaten geleugnet.

7Diese Ausführungen lassen besorgen, dass das Tatgericht die Grenzen zulässigen Verteidigungsverhaltens des Angeklagten verkannt hat (vgl. dazu BGHR StGB § 66 Abs. 1 Gefährlichkeit 4). Zulässiges Verteidigungsverhalten darf weder hangbegründend noch als Anknüpfungspunkt für die Gefährlichkeit eines Angeklagten verwertet werden (, NStZ 2001, 595, 596; , NStZ 2010, 270, 271; Beschluss vom - 1 StR 64/12). Wenn der Angeklagte die Taten leugnet, bagatellisiert oder einem anderen die Schuld an der Tat zuschiebt, ist dies grundsätzlich zulässiges Verteidigungsverhalten (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 8, 9, 10). Die Grenze ist erst erreicht, wenn das Leugnen, Verharmlosen oder die Belastung des Opfers sich als Ausdruck besonders verwerflicher Einstellung des Täters darstellt, etwa weil die Falschbelastung mit einer Verleumdung oder Herabwürdigung oder der Verdächtigung einer besonders verwerflichen Handlung einhergeht (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Verteidigungsverhalten 10; , StV 2011, 482).

8Auch wenn mit der Entscheidung des Senats vom der Schuld- und Strafausspruch in Rechtskraft erwachsen ist, durfte dem Angeklagten, solange über die Anordnung der Sicherungsverwahrung noch keine rechtskräftige Entscheidung getroffen war, nicht vorgeworfen werden, die ihm zur Last liegenden Sexualstraftaten nicht eingeräumt zu haben, zumal gerade auf diese bei einer Anordnung der Sicherungsverwahrung abzustellen ist. Zwar hätte das Landgericht berücksichtigen dürfen, dass Umstände, die seiner möglicherweise bestehenden Gefährlichkeit entgegenwirken, nicht vorhanden sind. Hier hat das Landgericht aber schon die Gefährlichkeit mit dem Leugnen der verfahrensgegenständlichen Taten begründet.

9Damit hat es dem Angeklagten unzulässig das Leugnen der Taten, die den Verfahrensgegenstand bilden, negativ angelastet. Das Urteil war deshalb aufzuheben.

Graf                                    Jäger                            Cirener

               Mosbacher                            Fischer

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Fundstelle(n):
FAAAE-80063