Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags
Verfahrensfragen
I. Antragstellung
1 Antragstellung vor dem
1 Eine formlose Antragstellung auf Durchführung der Verlustfeststellung ist nicht möglich. Vielmehr ist die Verlustfeststellungserklärung auf amtlichem Vordruck abzugeben (§ 181 Abs. 1 AO i. V. m. § 150 Abs. 1 AO und § 51 Abs. 4 Nr. 1 Buchstabe c EStG).
2 Wird der Antrag ohne gleichzeitige Abgabe einer Einkommensteuererklärung gestellt, ist ihm eine Aufstellung über die Zusammensetzung des geltend gemachten Verlustes beizufügen, die einzelnen Positionen sind nachzuweisen oder glaubhaft zu machen. Wie das im Einzelnen zu geschehen hat, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab.
2 Antragstellung nach dem
3 Auch hier ist der amtliche Erklärungsvordruck zu verwenden. Wegen der Bezugnahme auf die Einkommensteuerfestsetzung sind dabei die beiden Kästchen „Einkommensteuererklärung” und „Erklärung zur Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags” anzukreuzen.
4 Fehlt das Kreuz bei „Einkommensteuererklärung”, bitte ich aus Praktikabilitätsgründen davon auszugehen, dass die Einkommensteuererklärung ebenfalls gemeint war, wenn die Umstände des Einzelfalls diesen Schluss zulassen, z. B., aufgrund vorangegangenen Schriftverkehrs, wenn der Steuerpflichtige nicht beraten ist, die Erklärung bis zum Ende ausgefüllt wurde.
5 Wurde dagegen die Erklärung durch einen Angehörige der steuerberatenden Berufe erstellt, dem die Verfahrensvorschriften bekannt sind, oder fehlen Angaben zu Sonderausgaben, außergewöhnlichen Belastungen etc., macht dies Rückfragen erforderlich. Nur wenn ausnahmsweise keine Klärung herbeigeführt werden kann, ist die Verlustfeststellung wegen fehlender Einkommensteuererklärung abzulehnen.
II. Verlustkompensation durch bereits festsetzungsverjährte Einkommensteuerveranlagungen
6 Ein verbleibender Verlustvortrag kann lt. BStBl 2011 II S. 963) nach Ablauf der Feststellungsfrist nicht mehr nach § 181 Abs. 5 Satz 1 AO gesondert festgestellt werden, wenn der Steuerpflichtige in den bereits festsetzungsverjährten Veranlagungszeiträumen, in die der Verlust nach § 10d Abs. 2 EStG hätte vorgetragen werden müssen, über zur Verlustkompensation ausreichende Gesamtbeträge der Einkünfte verfügt.
7 Sofern die Gesamtbeträge der Einkünfte nur zur teilweisen Verlustkompensation ausreichen, tritt für die bereits verjährten Vortragsjahre ein Verlustverbrauch ein, ohne dass es zur Änderung der Einkommensteuerbescheide kommt. Zum jeweiligen Jahresende ist dann ein Verlustfeststellungsbescheid zu erlassen, der den Verlustverbrauch dokumentiert und den verbleibenden vortragsfähigen Verlust ausweist. Erst ab dem nächsten, noch nicht festsetzungsverjährten Veranlagungszeitraum, ist der dann noch verbliebende vortragsfähige Verlust ggf. abzugsfähig.
III. Verhältnis zwischen Einkommensteuerbescheid und Verlustfeststellungsbescheid
1 Antragstellung vor dem
8 Es besteht keine Bindungswirkung zwischen dem Einkommensteuerbescheid für das Verlustentstehungsjahr und dem Verlustfeststellungsbescheid.
9 Mit Urteil vom (BStBl 2009 II S. 897) hat der BFH entschieden, dass ein verbleibender Verlustvortrag auch dann erstmals gemäß § 10d Abs. 4 Satz 1 EStG gesondert festzustellen ist, wenn der Einkommensteuerbescheid für das Verlustentstehungsjahr bestandskräftig ist, darin aber keine nicht ausgeglichenen negativen Einkünfte berücksichtigt worden sind.
10 Die Möglichkeit des Erlasses eines Verlustfeststellungsbescheides ist damit nicht von der verfahrensrechtlichen Änderungsmöglichkeit der Steuerfestsetzung im Verlustentstehungsjahr abhängig.
2 Antragstellung nach dem
11 Nach der Neufassung des § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG sind bei der Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags die Besteuerungsgrundlagen so zu berücksichtigen, wie sie den Steuerfestsetzungen des Veranlagungszeitraums, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag festgestellt wird, und des Veranlagungszeitraums, in dem ein Verlustrücktrag vorgenommen werden kann, zu Grunde gelegt worden sind. Eine entsprechende Anwendung der Regelungen in § 171 Abs. 10 AO (Ablaufhemmung), § 175 Abs. 1 Nr. 1 AO (Änderung von Folgebescheiden) sowie § 351 Abs. 2 AO und § 42 FGO (Anfechtung von Folgebescheiden) lässt der jeweiligen Steuerfestsetzung eine inhaltliche Bindungswirkung für die Verlustfeststellung zukommen ohne jedoch verfahrensrechtlich ein Grundlagenbescheid im Sinne des § 182 AO zu sein.
12 § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG lässt eine Ausnahme von der Bindungswirkung der Steuerfestsetzung für die Verlustfeststellung nur für den Fall zu, dass die Aufhebung, Änderung oder Berichtigung der Steuerfestsetzung ausschließlich mangels Auswirkung auf die Höhe der festzusetzenden Steuer unterbleibt.
IV. Anfechtbarkeit von Verlustfeststellungsbescheiden
1 Antragstellung vor dem
13 Da die Einkommensteuerbescheide für das Verlustentstehungsjahr und ein evtl. Rücktragsjahr keine Bindungswirkung für den Verlustfeststellungsbescheid entfalten, ist der Verlustfeststellungsbescheid auch hinsichtlich der Höhe des festgestellten Verlustes selbständig anfechtbar.
14 Beläuft sich die festgesetzte Einkommensteuer auf 0,–€, ist ein Einspruch dagegen mangels Beschwer nach § 350 AO unzulässig.
2 Antragstellung nach dem
15 Einsprüche gegen Verlustfeststellungsbescheide, mit denen eine geänderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortags der Höhe nach beantragt wird, sind nach § 351 Abs. 2 AO i. V. m. § 10d Abs. 4 Satz 4 EStG unbegründet (s. AEAO zu § 351, Nr. 4). Hier muss die zugrunde liegende Einkommensteuerfestsetzung angefochten werden.
16 Dies gilt trotz fehlender Beschwer nach § 350 AO auch dann, wenn die Steuerfestsetzung auf 0,–€ lautet, da der Einspruch gegen die Steuerfestsetzung die Änderungsmöglichkeit nach § 10d Abs. 4 Satz 5 EStG für die Verlustfeststellung eröffnet.
17 Unterbleibt eine Verlustfeststellung, obwohl die Besteuerungsgrundlagen in zutreffender Höhe im Steuerbescheid erfasst wurden, ist zunächst ein Antrag auf Erlass eines Verlustfeststellungsbescheides zu stellen und ggf. gegen dessen Ablehnung im Einspruchswege vorzugehen.
18 Begehrt der Steuerpflichtige den erstmaligen oder geänderten Verlustrücktrag, ist ein Einspruch gegen den Verlustfeststellungsbescheid zulässig.
V. Verjährung
1 Antragstellung vor dem
19 Nach dem BStBl 2009 II S. 816) ist § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG i. d. F. des JStG 2007 bei Eintritt der Feststellungsverjährung – ohne Berücksichtigung der Wirkung des § 181 Abs. 5 AO – vor dem Inkrafttreten des JStG 2007 nicht anwendbar und eine erstmalige Verlustfeststellung auch dann noch – zeitlich unbegrenzt – möglich, wenn die Einkommensteuerveranlagung für das Verlustentstehungsjahr nicht durchgeführt wurde oder wegen Ablaufs der Festsetzungsfrist (beachte bzw. Ablaufs der Antragsfrist gem. § 46 Abs. 2 Nr. 8 EStG a. F. nicht mehr durchgeführt werden kann. § 181 Abs. 5 AO bleibt weiterhin uneingeschränkt anwendbar.
20 Hinsichtlich der Frage, ob die (reguläre) Feststellungsfrist für den verbleibenden Verlustvortrag bei Inkrafttreten des JStG 2007 bereits abgelaufen war, ist die Anlaufhemmung nach § 170 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 AO sinngemäß zu berücksichtigen (§ 181 Abs. 1 Satz 1 AO). D. h., die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Feststellungserklärung eingereicht worden ist, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahres, das dem Kalenderjahr folgt, auf dessen Schluss der Verlustabzug verbleibt.
21 Sofern § 181 Abs. 5 AO zur Anwendung kommt, bitte ich, den Erläuterungstext 742 („Dieser Feststellungsbescheid ist nach Ablauf der Feststellungsfrist ergangen; er ist nur für solche Steuerfestsetzungen (Folgebescheide) bedeutsam, bei denen die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist (§ 181 Abs. 5 AO”) zu verwenden.
2 Antragstellung nach dem
22 Nach § 10d Abs. 4 Satz 6 EStG endet die Feststellungsfrist nicht, bevor die Festsetzungsfrist für den Veranlagungszeitraum abgelaufen ist, auf dessen Schluss der verbleibende Verlustvortrag gesondert festzustellen ist; § 181 Abs. 5 AO, wonach die Feststellung auch nach Eintritt der Verjährung noch möglich ist, wenn sie für eine Steuerfestsetzung von Bedeutung ist, deren Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist, kommt nur zur Anwendung, wenn das Finanzamt die Feststellung des Verlustvortrags pflichtwidrig unterlassen hat.
23 Sofern erst jetzt entsprechende Verluste nachträglich geltend gemacht werden, liegt kein pflichtwidriges Unterlassen des Finanzamtes vor und § 181 Abs. 5 AO kommt nicht zur Anwendung.
24 Aus diesem Grunde und wegen der Bindungswirkung der zugrunde liegenden Einkommensteuerbescheide können bei Abgabe entsprechender Erklärungen in 2013 noch Veranlagungen und Verlustfeststellungen für Veranlagungszeiträume ab 2009/zum (Antragsveranlagungen) bzw. 2006/ (Pflichtveranlagungen) durchgeführt werden.
25 Das , ) abweichend von dieser Auffassung entschieden, dass eine Bindungswirkung für die Verlustfeststellung dann nicht bestehe, wenn gar keine Einkommensteuerfestsetzung vorliege. Gegen dieses Urteil wurde Revision eingelegt, die unter dem Az. IX R 22/14 geführt wird. Einspruchsverfahren, die sich hierauf stützen, ruhen daher nach § 363 Abs. 2 Satz 2 AO.
VI. Begründung von Ablehnungen
26 Sollten nach den vorstehenden Grundsätzen Anträge auf Verlustfeststellungen abgelehnt werden müssen, bitte ich, diese Ablehnungen vorrangig mit den verfahrensrechtlichen Argumenten zu begründen und erst nachrangig auf materiell-rechtliche Gründe und ggf. Verfahrensruhe (z. B. im Zusammenhang mit § 12 Nr. 5 EStG) einzugehen.
VII. Verlustrücktrag
27 Über die Höhe des zurückzutragenden Verlustes wird nach wie vor im Rücktragsjahr entschieden. Die Neufassung des § 10d Abs. 4 Sätze 4 und 5 EStG hat keine Auswirkungen auf das Verfahren.
OFD Frankfurt/M. v. - S 2225 A - 9 - St 213
Fundstelle(n):
GAAAE-78519