Schwerer Bandendiebstahl: Bandenmitgliedschaft eines Gehilfen
Gesetze: § 27 Abs 1 StGB, § 28 Abs 2 StGB, § 242 StGB, § 243 Abs 1 S 2 Nr 1 StGB, § 243 Abs 1 S 2 Nr 2 StGB, § 244 StGB, § 267 StPO
Instanzenzug: LG Frankfurt Az: 5/27 KLs 32/13
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Ferner hat es ausgesprochen, dass wegen einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung von der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe sechs Monate als vollstreckt gelten. Schließlich hat das Landgericht in Lettland verbüßte Auslieferungshaft im Verhältnis 1:1 auf die verhängte Gesamtfreiheitsstrafe angerechnet.
2Gegen dieses Urteil richtet sich die zu Ungunsten des Angeklagten, auf die Kompensationsentscheidung beschränkte Revision der Staatsanwaltschaft, mit der sie die Verletzung sachlichen Rechts rügt. Das Rechtsmittel führt - auch zugunsten des Angeklagten - zur umfassenden Aufhebung des Urteils.
I.
31. Nach den Feststellungen arbeitete der in Lettland lebende Angeklagte ab 2001 für eine lettische Spedition als Fahrdienstleiter. Vor dem schlossen sich der damalige Chef des Angeklagten und drei weitere - konkret benannte - Personen „zusammen, um in der Bundesrepublik Deutschland wiederholt hochwertige Kraftfahrzeuge ... zu entwenden". Die Fahrzeuge sollten nach Lettland verschoben, mit neuen Papieren versehen und sodann gewinnbringend verkauft werden. Zwischen dem und dem entwendeten zwei der Bandenmitglieder vor Ort mit weiteren unbekannt gebliebenen Personen entsprechend ihrer gemeinsamen Abrede in vier Fällen jeweils ein Fahrzeug des Typs X5 der Marke BMW im Wert zwischen 44.000 € und 61.000 €. Drei Fahrzeuge konnten noch vor der Verbringung ins Ausland sichergestellt werden.
4„Im Zusammenhang mit diesen Taten hielt der Angeklagte den Kontakt zwischen seinem Chef ... und den Tätern der Gruppierung vor Ort in Deutschland." Aufgabe des Angeklagten war es dabei insbesondere, telefonisch „Sprechzeiten" zwischen seinem Chef und dem Kontaktmann in Deutschland zu vermitteln, um ungefährdet - insbesondere ohne abgehört zu werden - telefonieren zu können. Der Angeklagte „half so, was ihm auch bewusst war, die Diebstähle zahlreicher Fahrzeuge zu koordinieren". Außerdem überwies er seinem Kontaktmann in Deutschland im Auftrag seines Chefs Geld. Dem Angeklagten war es „bewusst, dass er einer in Deutschland agierenden festen Tätergruppierung, die von seinem Chef ... geleitet wurde, ... bei der Entwendung hochwertiger Fahrzeuge ... behilflich war".
52. Das Landgericht hat die Taten jeweils als Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl gemäß §§ 242, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 2, § 244a Abs. 1, § 27 Abs. 1 StGB gewertet. Der Angeklagte „wusste um die bandenmäßige Begehungsweise der ausführenden Täter"; er „wusste", dass auf lettischer Seite sein Chef und ein weiteres Bandenmitglied, auf deutscher Seite neben seinem Kontaktmann, der ebenfalls Mitglied der Bande war, weitere Täter „in die Diebstahlstaten eingebunden waren. Die Voraussetzung einer Verbindung von zumindest drei Personen ist gegeben".
II.
61. Die Staatsanwaltschaft wendet sich in ihrer Revisionsbegründung und mit ihrem Revisionsantrag allein gegen die Kompensationsentscheidung des Landgerichts, die grundsätzlich isoliert auf Rechtsfehler überprüfbar ist (vgl. Senat, Beschluss vom - 2 StR 392/13, NStZ-RR 2014, 21 mwN).
7Die Beschränkung der Revision allein auf die Kompensationsentscheidung ist hier unwirksam. Unbeschadet dessen, dass die - für sich genommen schon nicht nachvollziehbaren - Feststellungen zur Verfahrensverzögerung sowohl für die Bemessung der Einzelstrafen und der Gesamtstrafe als auch im Hinblick auf die Kompensationsentscheidung relevant waren und damit eine untrennbare Verknüpfung zwischen den Strafaussprüchen und der Kompensationsentscheidung besteht (vgl. auch , BGHR StPO § 344 Abs. 1 Beschränkung 19), führt das Rechtsmittel hier auch - weitergehend - zur Überprüfung des Schuldspruchs. Die in der Regel gegebene Trennbarkeit zwischen Schuld- und Strafausspruch ist - ausnahmsweise - zu verneinen, wenn die Schuldfeststellungen eine Überprüfung des Strafausspruchs nicht ermöglichen. Dies ist der Fall, wenn unklar bleibt, ob sich der Angeklagte überhaupt strafbar gemacht hat (vgl. Senat, Beschluss vom - 2 StR 14/14; , wistra 2013, 463, 469 und vom - 1 StR 492/11, wistra 2012, 477, 481 f.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 57. Aufl., § 344 Rdn. 7 iVm § 318 Rdn. 16, jeweils mwN).
8So verhält es sich hier. Die getroffenen Feststellungen tragen den Schuldspruch wegen Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl in vier Fällen nicht und bieten deshalb keine Grundlage für die Prüfung des Rechtsfolgenausspruchs.
9a) Bei der Einordnung der Tatbeiträge des Angeklagten als Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl ist das Landgericht - in Verkennung von § 28 Abs. 2 StGB - von einem unzutreffenden rechtlichen Maßstab ausgegangen. Die Erwägungen, dass der Angeklagte „um die bandenmäßige Begehungsweise der ausführenden Täter" wusste und es ihm „bewusst" war, „einer in Deutschland agierenden festen Tätergruppierung ... behilflich" zu sein, lassen außer Acht, dass der Angeklagte selbst Mitglied der Bande gewesen sein muss, wenn er wegen Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl bestraft werden soll. Da die Bandenmitgliedschaft ein besonderes persönliches Merkmal im Sinne des § 28 Abs. 2 StGB ist, können Tatbeteiligte, die nicht selbst Bandenmitglieder sind, nur wegen Beteiligung am Grunddelikt bestraft werden (vgl. , NStZ 2013, 102, 103; Beschluss vom - 4 StR 499/01, BGHSt 47, 214, 216). Die Strafkammer hat sich - ausgehend von ihrem (fehlerhaften) Maßstab - dementsprechend nicht damit auseinandergesetzt, ob der Angeklagte überhaupt Mitglied der Bande war.
10b) Den Urteilsfeststellungen kann auch im Übrigen nicht zweifelsfrei entnommen werden, dass der Angeklagte als Mitglied einer Bande gehandelt hat. Nach den Feststellungen hatte sich bereits vor dem – ohne Beteiligung des Angeklagten - eine Gruppierung von vier Personen gebildet, um auf Dauer angelegt hochwertige Kraftfahrzeuge zu entwenden und gewinnbringend zu verkaufen. Aus den dargestellten Unterstützungshandlungen des Angeklagten für die Gruppierung versteht sich dessen Zugehörigkeit zu der bandenmäßigen Gruppierung jedenfalls nicht von selbst, zumal zur subjektiven Seite lediglich festgestellt ist, dass ihm bewusst war, einer in Deutschland agierenden festen Tätergruppierung behilflich zu sein.
11Letztlich belegen die Urteilsfeststellungen nicht in der erforderlichen Klarheit, dass der Angeklagte in die bandenmäßige Struktur der Gruppierung eingebunden war.
12c) War der Angeklagte aber nicht Mitglied der Bande, könnte er - auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen - gemäß § 28 Abs. 2 StGB (vgl. , BGHSt 47, 214, 216; Fischer, StGB, 61. Aufl., § 28 Rdn. 9, jeweils mwN) nur nach §§ 242, 243 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, 2, § 27 Abs. 1 StGB bestraft werden (vgl. Fischer, aaO, § 244 Rdn. 44 mwN). Einer solchen Bestrafung stünde möglicherweise das Verfahrenshindernis der Verfolgungsverjährung (§ 78 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 4 StGB) entgegen. Nach den Feststellungen liegt der Tatzeitraum zwischen dem und dem . Nachdem die Staatsanwaltschaft das Ermittlungsverfahren gegen den Angeklagten am gemäß § 170 Abs. 2 StPO eingestellt hatte, sind jedenfalls bis zur Wiederaufnahme der Ermittlungen im Februar 2013 keine verjährungsunterbrechenden oder -hemmenden Ereignisse erkennbar, was zum Ablauf der fünfjährigen Verjährungsfrist (§ 78 Abs. 3 Nr. 4, Abs. 4 StGB i.V.m. § 242 Abs. 1 StGB) geführt haben könnte.
13Weil die derzeitigen Feststellungen folglich nicht Grundlage der Rechtsfolgenentscheidungen sein können, ist die Rechtsmittelbeschränkung insgesamt unwirksam (vgl. auch Gössel in Löwe/Rosenberg, StPO, 26. Aufl., § 318 Rdn. 41 mwN).
142. Da die Verurteilung wegen Beihilfe zum schweren Bandendiebstahl in vier Fällen keinen Bestand hat und der Senat nicht ausschließen kann, dass noch Feststellungen, die eine Bandenmitgliedschaft des Angeklagten belegen, getroffen werden können, weist er die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück.
15Sollte die neu zur Entscheidung berufene Strafkammer erneut zu einer Verurteilung des Angeklagten gelangen, wird sie darzulegen haben, ob und in welchem Ausmaß eine (rechtsstaatswidrige) Verfahrensverzögerung vorliegt. Der Senat verweist insoweit auf die Antragsschrift des Generalbundesanwalts und die Entscheidung des Großen Senats für Strafsachen des (BGHSt 52, 124 ff.; vgl. im Übrigen auch Senat, Urteil vom - 2 StR 308/13; Beschluss vom - 2 StR 392/13, NStZ-RR 2014, 21, 22; , NStZ-RR 2011, 239 und Urteil vom - 4 StR 139/05, NStZ-RR 2006, 50).
Appl Schmitt Eschelbach
Ott Zeng
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
VAAAE-73430