Insolvenzverfahren: Versagung der Restschuldbefreiung bei Verurteilung des Insolvenzschuldners wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung
Gesetze: § 290 Abs 1 Nr 1 InsO, § 295 InsO, § 297 InsO, § 300 InsO
Instanzenzug: LG Tübingen Az: 5 T 101/12vorgehend AG Tübingen Az: II 4 IN 72/05
Gründe
I.
1Das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners wurde am eröffnet. Durch Beschluss vom wurde diesem die Restschuldbefreiung angekündigt und der weitere Beteiligte zu 1 als Treuhänder bestellt; am wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben. Am ordnete das Insolvenzgericht nach Ablauf der Laufzeit der Abtretungserklärung die schriftliche Anhörung der Verfahrensbeteiligten zur beantragten Restschuldbefreiung an und setzte Frist zur Stellungnahme bis zum . Daraufhin beantragten neun Insolvenzgläubiger, die weiteren Beteiligten zu 2 bis 10, innerhalb der ihnen gesetzten Frist, dem Schuldner die Restschuldbefreiung zu versagen.
2Das Amtsgericht hat dem Schuldner am entsprechend der in den Anträgen der Verfahrensbeteiligten zu 2 bis 10 genannten Versagungs-gründe die Restschuldbefreiung versagt. Die Beschwerde des Schuldners hat keinen Erfolg gehabt. Mit seiner vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde möchte der Schuldner die Erteilung der Restschuldbefreiung erreichen.
II.
3Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ZPO, §§ 6, 300 Abs. 3 Satz 2 InsO statthaft, weil sie vom Landgericht zugelassen worden ist (§ 574 Abs. 3 ZPO). Sie ist auch im Übrigen (§ 575 Abs. 1 bis 3 ZPO) zulässig. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das Beschwerdegericht.
41. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, der Schuldner sei durch Strafbefehl vom wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen verurteilt worden. Aus diesem Grund sei der Versagungsantrag unabhängig von den Überlegungen im angefochtenen Beschluss begründet. Diese Verurteilung sei einer solchen nach §§ 283 ff StGB gleichzustellen. Es entspreche gefestigter höchstrichterlicher Rechtsprechung, dass die Versagungsgründe des § 290 InsO einer analogen Anwendung zugängig seien.
52. Diese Ausführungen halten der rechtlichen Nachprüfung in mehrfacher Hinsicht nicht stand.
6a) Nachdem das Insolvenzverfahren aufgehoben worden ist und nach Ablauf der Laufzeit der Abtretungserklärung nach § 300 Abs. 1 InsO über die Restschuldbefreiung zu entscheiden war, ist der einschlägige Versagungstat-bestand nicht § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO, sondern § 300 Abs. 2, § 297 InsO (, NZI 2013, 601 Rn. 8).
7Die Restschuldbefreiung kann zudem nach § 300 Abs. 2, § 296 Abs. 1, § 297 InsO wie auch nach § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO nur versagt werden, wenn ein Insolvenzgläubiger einen entsprechenden Antrag gestellt hat. Das Beschwerdegericht hat nicht festgestellt, dass die Gläubiger ihre Versagungsanträge auf den von ihm angenommenen Versagungsgrund gestützt haben. Es verweist zur Sachverhaltsdarstellung allein auf die Entscheidung des Amtsgerichts; dort ist ausgeführt, dass die Gläubiger ihre Versagungsanträge mit dem Bericht des Treuhänders vom begründet haben, wonach der Schuldner seine Einnahmen verschleiert habe (§ 295 Abs. 1 Nr. 3 InsO). Zum Zeitpunkt des Berichts des Treuhänders war der Schuldner zudem noch nicht verurteilt; der Treuhänder kann diesen Versagungstatbestand deswegen nicht angeführt haben. Auf andere als die von den Antragstellern geltend gemachten Versagungsgründe darf die Versagung der Restschuldbefreiung jedoch nicht gestützt werden (, ZInsO 2007, 322 Rn. 6, 8; vom - IX ZB 67/09, ZInsO 2010, 391 Rn. 11).
8b) Auch in der Sache ist die Entscheidung des Beschwerdegerichts unzutreffend. Zwar ist nach § 297 Abs. 1 InsO die Restschuldbefreiung auf Antrag eines Insolvenzgläubigers zu versagen, wenn der Schuldner in dem Zeitraum zwischen Schlusstermin und Aufhebung des Insolvenzverfahrens oder während der Laufzeit der Abtretungserklärung wegen einer Straftat nach den §§ 283 bis 283c StGB rechtskräftig verurteilt wird. Diese Voraussetzungen hat das Beschwerdegericht jedoch nicht festgestellt. Der Schuldner ist erst nach Ablauf der Laufzeit der Abtretungserklärung rechtskräftig verurteilt worden.
9aa) Der Strafbefehl ist am ergangen und am rechtskräftig geworden, während die Laufzeit der Abtretungserklärung bereits am , nämlich sechs Jahre nach Insolvenzeröffnung (§ 287 Abs. 2 InsO), endete. Strafrechtliche Verurteilungen, die erst nach Ende der Laufzeit der Abtretungserklärung ergangen sind, können einen Versagungsgrund nach § 297 InsO nicht begründen ( aaO).
10bb) Darüber hinaus hat der Senat bereits entschieden, dass § 290 Abs. 1 Nr. 1 InsO - für § 297 InsO kann nichts anderes gelten - nicht auf andere Straftatbestände ausgedehnt werden kann. Die dort aufgeführten Versagungstatbe-stände sind abschließend (, NZI 2011, 149 Rn. 5; vgl. auch , NZI 2010, 349 Rn. 8).
III.
11Der angefochtene Beschluss kann daher keinen Bestand haben. Er ist aufzuheben. Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie an das Beschwerdegericht zurückzuverweisen (§ 577 Abs. 4 Satz 1 ZPO). Das Beschwerdegericht wird sich nun mit den von den Gläubigern geltend gemachten Versagungsgründen beschäftigen müssen.
Vill Gehrlein Lohmann
Pape Möhring
Fundstelle(n):
DStR 2014 S. 12 Nr. 38
BAAAE-71390