BGH Beschluss v. - XII ZB 134/13

(Ehe- und Familienstreitsachen: Notwendiger Inhalt einer Beschwerdebegründung)

Leitsatz

Zum notwendigen Inhalt einer Beschwerdebegründung in Ehe- und Familienstreitsachen.

Gesetze: § 117 Abs 1 S 1 FamFG, § 117 Abs 1 S 4 FamFG, § 520 Abs 3 S 2 ZPO

Instanzenzug: Az: 7 UF 855/12vorgehend AG Montabaur Az: 16 F 280/03

Gründe

I.

1Die Antragstellerin wendet sich mit der Rechtsbeschwerde gegen die Verwerfung ihrer Beschwerde.

2Das Amtsgericht hat die Ehe der Antragstellerin und des Antragsgegners geschieden und den Versorgungsausgleich durchgeführt. Zudem hat es im Wege der Säumnisentscheidung die zum Verhandlungstermin nicht erschienene Antragstellerin zur Zahlung von Ehegattenunterhalt verpflichtet und deren Antrag auf güterrechtlichen Ausgleich zurückgewiesen. Die Entscheidung ist dem früheren Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin am zugestellt worden. Dieser hatte bereits mit Schreiben vom gegenüber dem Amtsgericht angezeigt, dass er die Antragstellerin nicht mehr vertritt.

3Mit einem am beim Amtsgericht eingegangenen Schriftsatz hat der neue Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin Beschwerde und Einspruch gegen die Entscheidung vom eingelegt.

4Nachdem die Antragstellerin auf die Verfristung ihres Einspruchs gegen den Teilversäumnisbeschluss hingewiesen worden ist, hat ihr Verfahrensbevollmächtigter am die mit dem Verfahren befasste Amtsrichterin wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt und vorsorglich Wiedereinsetzung in die versäumte Einspruchsfrist beantragt. Mit Beschluss vom ist dem Ablehnungsgesuch der Antragstellerin stattgegeben worden. Das den Antrag der Antragstellerin auf Wiedereinsetzung in die Einspruchsfrist zurückgewiesen und den Einspruch gegen den Teilversäumnisbeschluss als unzulässig verworfen. Gegen diesen Beschluss hat die Antragstellerin Beschwerde eingelegt und diese hinsichtlich der Folgesachen nachehelicher Unterhalt und Zugewinnausgleich begründet.

5Das Oberlandesgericht hat die gegen die Entscheidung zum Scheidungsausspruch und zum Versorgungsausgleich gerichtete Beschwerde verworfen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Antragstellerin.

II.

6Die Rechtsbeschwerde hat keinen Erfolg.

71. Die Rechtsbeschwerde ist gemäß §§ 111 Nr. 1, 121 Nr. 1, 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i.V.m. § 522 Abs. 1 Satz 4, 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nicht zulässig, weil es an den Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO fehlt. Eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts ist entgegen der Auffassung der Antragstellerin nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erforderlich.

82. Das Oberlandesgericht hat die Beschwerde der Antragstellerin zu Recht als unzulässig verworfen, weil das Rechtsmittel nicht innerhalb der Frist des § 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG begründet worden ist.

9a) Der Antragstellerin ist die angegriffene Entscheidung am wirksam zugestellt worden. Unschädlich ist dabei, dass die Zustellung an den ehemaligen Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin erfolgt ist, obwohl dieser bereits am gegenüber dem Amtsgericht angezeigt hatte, dass er die Antragstellerin nicht mehr vertritt. Gemäß § 113 Abs. 1 Satz 2 ZPO i.V.m. § 87 Abs. 1 ZPO konnte die Entscheidung an ihn wirksam zugestellt werden, weil sich erst mit der am bei Gericht eingegangenen Einspruchsschrift ein neuer Rechtsanwalt für die Antragstellerin gemeldet hat.

10Die zweimonatige Beschwerdebegründungsfrist des § 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG lief damit am Montag, dem ab (§ 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 222 Abs. 2 ZPO). Eine Beschwerdebegründung ist jedoch erst auf den Hinweis des Oberlandesgerichts am dort eingegangen.

11b) Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist kommt nicht in Betracht. Die Antragstellerin hat dies weder nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 236 Abs. 1 ZPO beantragt, noch kann die Wiedereinsetzung nach § 113 Abs. 1 Satz 2 FamFG i.V.m. § 236 Abs. 2 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO von Amts wegen erfolgen. Die Antragstellerin hat die Beschwerdebegründungsfrist nicht unverschuldet versäumt.

12Soweit die Rechtsbeschwerde hierzu die Auffassung vertritt, die Antragstellerin habe die Beschwerdebegründungsfrist nicht schuldhaft versäumt, weil das Amtsgericht den Schriftsatz vom als Beschwerdebegründung hätte ansehen müssen und deshalb die Begründungsfrist eingehalten worden wäre, wenn das Amtsgericht seiner Verpflichtung, diesen Schriftsatz im Rahmen des ordentlichen Geschäftsgangs an das Beschwerdegericht weiterzuleiten, nachgekommen wäre, kann dem nicht gefolgt werden.

13aa) Zwar geht die Rechtsbeschwerde im Ansatz zutreffend davon aus, dass das erstinstanzliche Gericht grundsätzlich verpflichtet ist, eine entgegen § 117 Abs. 1 Satz 2 FamFG bei ihm eingegangene fristgebundene Beschwerdebegründung in einer Familienstreitsache im ordentlichen Geschäftsgang an das Rechtsmittelgericht weiterzuleiten (Senatsbeschluss vom - XII ZB 468/10 - FamRZ 2011, 1389 Rn. 12). Dies folgt aus dem verfassungsrechtlichen Anspruch des Rechtsuchenden auf ein faires Verfahren (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. dem Rechtsstaatsprinzip). Geht der Schriftsatz so zeitig ein, dass die fristgerechte Weiterleitung an das Rechtsmittelgericht im ordentlichen Geschäftsgang ohne weiteres erwartet werden kann, darf die Partei darauf vertrauen, dass der Schriftsatz noch rechtzeitig beim Rechtsmittelgericht eingeht. Geschieht dies tatsächlich nicht, wirkt sich das Verschulden der Partei oder ihrer Verfahrensbevollmächtigten nicht mehr aus, so dass ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren ist (Senatsbeschluss vom - XII ZB 375/11 - FamRZ 2012, 1205 Rn. 26 mwN).

14bb) Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde konnte der Schriftsatz vom jedoch nicht als Beschwerdebegründung i.S.v. § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG verstanden werden.

15(1) Nach § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG hat der Beschwerdeführer in Ehesachen und Familienstreitsachen zur Begründung der Beschwerde einen bestimmten Sachantrag zu stellen und diesen zu begründen. Der Beschwerdeführer muss demnach in der Beschwerdebegründung darlegen, in welchem Umfang er die erstinstanzliche Entscheidung angreifen will und wie er den Angriff begründet. Da § 117 FamFG keine speziellen Regelungen zum Inhalt der Beschwerdebegründung beinhaltet, beurteilt es sich nach den allgemeinen Grundsätzen, ob ein Beschwerdeantrag hinreichend bestimmt und ausreichend begründet ist. Deshalb können für den notwendigen Inhalt der Beschwerdebegründung im Wesentlichen die Anforderungen herangezogen werden, die für eine Berufungsbegründung nach § 520 Abs. 3 Satz 2 ZPO gelten, auch wenn § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG nicht auf § 520 Abs. 3 ZPO verweist (Senatsbeschluss vom - XII ZB 375/11 - FamRZ 2012, 1205 Rn. 13 mwN).

16Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO muss die Berufungsbegründung die Erklärung beinhalten, inwieweit das Urteil angefochten wird und welche Abänderungen des Urteils beantragt werden. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfordert der Zweck des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 ZPO zwar nicht zwingend einen förmlichen Sachantrag. Durch die Vorschrift soll der Berufungskläger aber im Interesse der Beschleunigung des Berufungsverfahrens dazu angehalten werden, sich eindeutig über Umfang und Ziel seines Rechtsmittels zu erklären und das Berufungsgericht sowie den Prozessgegner über Umfang und Inhalt seiner Angriffe möglichst schnell und zuverlässig ins Bild zu setzen. Daher reicht es aus, wenn die innerhalb der Begründungsfrist eingereichten Schriftsätze des Berufungsklägers ihrem gesamten Inhalt nach eindeutig ergeben, in welchem Umfang und mit welchem Ziel das Urteil angefochten werden soll (vgl. - NJW 2006, 2705 Rn. 8 mwN; vgl. auch Senatsbeschluss vom - XII ZB 103/02 - FamRZ 2004, 179, 180 zu § 519 Abs. 3 Nr. 1 ZPO aF).

17Danach sind die Anforderungen, die § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG an einen "bestimmten Sachantrag" stellt, erfüllt, wenn die Beschwerdebegründung erkennen lässt, in welchem Umfang der angegriffene Beschluss abgeändert werden soll (Senatsbeschluss vom - XII ZB 375/11 - FamRZ 2012, 1205 Rn. 15).

18(2) Gemessen an diesen Anforderungen genügt der Schriftsatz des Verfahrensbevollmächtigten der Antragsgegnerin vom nicht den formalen Anforderungen des § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG an einen Beschwerdeantrag. Dem Schriftsatz lassen sich weder Umfang noch Ziel der Beschwerde hinreichend bestimmt entnehmen.

19Die am von der Antragstellerin eingelegte Beschwerde ist nur statthaft, soweit die Entscheidung nicht auf der Säumnis beruht. Dies betrifft lediglich den Scheidungsausspruch und die Regelung des Versorgungsausgleichs. Hierzu verhält sich der Schriftsatz der Antragstellerin vom indes nicht.

20Mit diesem an das Amtsgericht adressierten Schriftsatz lehnt die Antragstellerin - wie sich bereits aus dem Einleitungssatz ergibt - nur die erstinstanzlich mit dem Verfahren befasste Amtsrichterin wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Der Inhalt des Schriftsatzes beschränkt sich darauf, das Ablehnungsgesuch zu begründen. Als Umstand, der geeignet ist, Misstrauen gegen die Unparteilichkeit der Richterin zu rechtfertigen, beruft sich die Antragstellerin auf deren Weigerung, den Termin zur mündlichen Verhandlung zu verlegen, obwohl der Richterin bekannt gewesen sei, dass der frühere Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin sein Mandat niedergelegt hatte. Zudem vertritt die Antragstellerin in dem Schriftsatz die Auffassung, sie habe aufgrund der abgelehnten Terminsverlegung den Verhandlungstermin nicht schuldhaft versäumt und der Teilversäumnisbeschluss sei daher aufzuheben.

21Insgesamt wendet sich die Antragstellerin mit diesem Schriftsatz, der erkennbar eine Reaktion auf die gerichtliche Mitteilung vom darstellt, mit dem die Antragstellerin auf die Verfristung ihres Einspruchs hingewiesen worden war, nur gegen den amtsgerichtlichen Beschluss, soweit er aufgrund der Säumnis der Antragstellerin im Verhandlungstermin ergangen ist. Auch ihr Befangenheitsantrag zielt letztlich allein auf eine Korrektur der Säumnisentscheidung ab. Hingegen lassen sich dem Schriftsatz keinerlei Anhaltspunkte dafür entnehmen, inwieweit die Antragstellerin den Scheidungsausspruch oder die Entscheidung über den Versorgungsausgleich für fehlerhaft hält und in welchem Umfang sie insoweit eine Abänderung des Beschlusses erreichen will.

22Daran ändert auch nichts, dass die Antragstellerin in dem Schriftsatz rügt, sie hätte zu den Scheidungsvoraussetzungen persönlich gehört werden müssen. Soweit hierin die Rüge eines Verstoßes gegen Art. 103 Abs. 1 GG zu sehen sein sollte, ist dieser Vortrag ausschließlich in den Zusammenhang mit der Begründung des Ablehnungsgesuchs gestellt. Die Ausführungen lassen nicht erkennen, dass die Antragstellerin hinsichtlich des Scheidungsausspruchs oder der Entscheidung über den Versorgungsausgleich eine entsprechende Verfahrensrüge erheben will.

23Da sich dem Schriftsatz vom somit weder Umfang noch Ziel der Beschwerde entnehmen lassen, sind entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde die Anforderungen, die § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG an den Inhalt der Beschwerdebegründung stellt, nicht erfüllt. Deshalb kann das Ablehnungsgesuch entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde auch nicht in entsprechender Anwendung des § 140 BGB in eine Beschwerdebegrün-dung umgedeutet werden (vgl. dazu Senatsurteil vom - XII ZR 219/98 - NJW 2001, 1217, 1218 mwN). Das Amtsgericht war deshalb nicht gehalten, diesen Schriftsatz als Beschwerdebegründung an das Beschwerdegericht weiterzuleiten. Andere Gründe, die die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist entschuldigen könnten, hat die Antragstellerin nicht vorgetragen.

Dose                               Schilling                      Günter

           Nedden-Boeger                        Botur

Fundstelle(n):
NJW 2014 S. 3098 Nr. 42
GAAAE-70616