Transferarbeitsverhältnis - Vergütungspflicht
Gesetze: § 264 Nr 3 ZPO, § 611 Abs 1 BGB, § 305 Abs 1 BGB
Instanzenzug: ArbG Ludwigshafen Az: 7 Ca 447/10 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz Az: 7 Sa 503/10 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Feststellung von Vergütungsansprüchen wegen Annahmeverzugs zur Tabelle.
2Der 1958 geborene Kläger war seit 1974 bei der D (im Folgenden: D) bzw. deren Rechtsvorgängerin am Standort L beschäftigt, zuletzt als Laborleiter. Im Dezember 2008 vereinbarten D und der Gesamtbetriebsrat einen Interessenausgleich, einen Transfersozialplan und eine Gesamtbetriebsvereinbarung zur Durchführung einer Transfermaßnahme. Danach kündigte D das Arbeitsverhältnis betriebsbedingt ordentlich zum .
3Unter dem 2./ schlossen D, der Kläger und die S (im Folgenden: Schuldnerin) einen dreiseitigen Aufhebungs- und Anstellungsvertrag (im Folgenden: Anstellungsvertrag), der auszugsweise lautet:
4Im Juli 2009 leistete D auf der Grundlage eines zwischen ihr und der Schuldnerin gesondert abgeschlossenen Dienstleistungsvertrags dieser einen Vorschuss iHv. 100.000,00 Euro auf die für das erste Vierteljahr zu erwartenden Aufwendungen. Nach Einleitung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der D teilte der vorläufige Insolvenzverwalter der Schuldnerin am mit, dass keine weiteren Zahlungen erfolgen würden. Angesichts dessen schloss diese mit 17 der 20 Beschäftigten Aufhebungsverträge. Der Kläger sowie zwei weitere Kollegen lehnten dies ab.
5Mit Schreiben vom kündigte die Schuldnerin das „bestehende befristete Arbeitsverhältnis“ mit dem Kläger außerordentlich fristlos. Diese Kündigung löste das Arbeitsverhältnis nicht auf ( -).
6Der Kläger hat für die Monate November 2009 bis März 2010 Vergütung wegen Annahmeverzugs verlangt und geltend gemacht, die Schuldnerin habe als Arbeitgeberin für die vertraglich vereinbarte Vergütung einzustehen. Geschuldet sei eine Nettovergütung, weil das Transferkurzarbeitergeld nach dem Anstellungsvertrag „auf 80 % des Nettoentgelts“ aufzustocken sei.
7Der Kläger hat, soweit für die Revision von Interesse, beantragt,
8Die Schuldnerin hat Klageabweisung beantragt und geltend gemacht, sie sei nicht zur Zahlung eines Arbeitsentgelts verpflichtet. Die Vergütung in der Transfergesellschaft bestehe vertragsgemäß lediglich aus dem Transferkurzarbeitergeld und der Aufstockungsleistung von D, die zudem eine Bruttovergütung sei.
9Das Arbeitsgericht hat der Klage teilweise stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat unter Zurückweisung der Berufung des Klägers auf die Berufung der Schuldnerin die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision hat der Kläger zunächst seine Klageanträge weiterverfolgt.
10Das Amtsgericht Ludwigshafen am Rhein hat mit Beschluss vom - 3 f IN 248/12 Lu - über das Vermögen der Schuldnerin, die im Laufe des Revisionsverfahrens in O umfirmierte, das Insolvenzverfahren eröffnet und den Revisionsbeklagten zum Insolvenzverwalter bestellt. Nachdem dieser die zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen bestritt, hat der Kläger den Rechtsstreit gegen den Insolvenzverwalter aufgenommen. Er begehrt nunmehr die Feststellung der Forderungen zur Insolvenztabelle. Der Insolvenzverwalter beantragt die Zurückweisung der Revision.
Gründe
11Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die zur Insolvenztabelle angemeldeten Forderungen bestehen nicht.
12I. Die Klage ist zulässig.
131. Der Kläger hat den durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Schuldnerin gemäß § 240 ZPO unterbrochenen Rechtsstreit wirksam gegen den Insolvenzverwalter aufgenommen, § 87 iVm. § 179 Abs. 1, § 180 Abs. 2 InsO. Bei der ursprünglich eingeklagten Vergütung wegen Annahmeverzugs handelt es sich um eine Insolvenzforderung iSv. § 38 InsO. Sie resultiert aus der Zeit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens.
142. Der Übergang von den ursprünglichen Leistungsanträgen zum Antrag auf Feststellung der Forderungen zur Insolvenztabelle ist keine in der Revisionsinstanz unzulässige Klageänderung iSv. § 263 ZPO, sondern gemäß § 264 Nr. 3 ZPO statthaft (vgl. - Rn. 22, BGHZ 195, 233).
15II. Die Klage ist unbegründet. Der Kläger hat gegen die Schuldnerin keinen Anspruch auf Vergütung wegen Annahmeverzugs.
161. Zwar bestand zwischen dem Kläger und der Schuldnerin aufgrund des dreiseitigen Vertrags auch im Streitzeitraum ein Arbeitsverhältnis. Davon hat der Senat aufgrund der rechtskräftigen Entscheidung im Kündigungsschutzprozess ( -) auszugehen. Jedoch begründet der Anstellungsvertrag keine eigenständige Vergütungspflicht der Schuldnerin. Das ergibt die Auslegung des Anstellungsvertrags.
172. Bei den Klauseln des Anstellungsvertrags handelt es sich um Allgemeine Geschäftsbedingungen (§ 305 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BGB). Dafür begründet bereits das äußere Erscheinungsbild eine tatsächliche Vermutung (vgl. - Rn. 11 mwN, BAGE 139, 44), der keine der Parteien entgegengetreten ist. Die Bedingungen des Anstellungsvertrags sind auch von der Schuldnerin gestellt. Denn sie hat sich den von D vorformulierten dreiseitigen Vertrag jedenfalls hinsichtlich der Klauseln des Anstellungsvertrags zu Eigen gemacht (vgl. allgemein zur Zurechnung von Vertragsbedingungen: - Rn. 17 mwN).
18Allgemeine Geschäftsbedingungen sind - ausgehend vom Vertragswortlaut - nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind (st. Rspr., vgl. zB - Rn. 38 mwN). Die Auslegung Allgemeiner Geschäftsbedingungen ist durch das Revisionsgericht uneingeschränkt überprüfbar (st. Rspr., vgl. zB - Rn. 19 mwN).
193. Die Auslegung nach diesem Maßstab ergibt, dass der Anstellungsvertrag die Schuldnerin nicht zu einer eigenständigen Entgeltleistung verpflichtet.
20a) Nr. III. 2. Buchst. a Abs. 1 Anstellungsvertrag bestimmt, dass der Kläger für die Teilnahme an der Maßnahme ein monatliches Entgelt erhält, das sich aus Zahlungen der Agentur für Arbeit und aus Zahlungen von D zusammensetzt. Dabei stand das befristete Arbeitsverhältnis mit der Transfergesellschaft unter der aufschiebenden Bedingung der Bewilligung von Transferkurzarbeitergeld (Nr. III. 1. Buchst. e Anstellungsvertrag), das D beantragt (Nr. I. 3. Anstellungsvertrag), und nicht die Transfergesellschaft, sondern wiederum D auf 80 % des Nettoentgelts aufstockt (Nr. III. 2. Buchst. a Abs. 4 Satz 4 Anstellungsvertrag).
21Bei einer solchen Vertragsgestaltung darf ein redlicher und verständiger Arbeitnehmer nicht annehmen, dass neben der vorgesehenen Sozialleistung aus dem Recht der Arbeitsförderung und der betriebsverfassungsrechtlich begründeten, der Abfederung des Personalabbaus dienenden Aufstockungsleistung des bisherigen Arbeitgebers ein eigenständiger Vergütungsanspruch gegen die Transfergesellschaft begründet wird. Diese sollte - wie für das Transferkurzarbeitergeld, das gemäß § 320 Abs. 1 Satz 2 SGB III vom Arbeitgeber an die Arbeitnehmer weitergeleitet wird (vgl. - Rn. 17, BAGE 130, 331) - erkennbar nur die technische Abwicklung der Entgeltzahlung übernehmen.
22b) Zudem nimmt die Klausel mit der Formulierung „Zahlungen von D“ Bezug auf die in der Präambel des dreiseitigen Vertrags aufgeführten Betriebsvereinbarungen, aus denen ein durchschnittlicher Arbeitnehmer erkennen kann, dass D sich verpflichtete, den zu entlassenden Mitarbeitern bei der beruflichen Neuorientierung behilflich zu sein, und die Transfergesellschaft lediglich zur Durchführung der Maßnahme eingeschaltet wird. Dementsprechend stockt nach Nr. IV. Abs. 3 Satz 2 Interessenausgleich D - und nicht die Transfergesellschaft - das Transferkurzarbeitergeld mit einem monatlichen Zuschuss auf. Auch Nr. IV. 1.2 Transfersozialplan, der eine - beim Kläger nicht umgesetzte - Reduzierung der Abfindung in Abhängigkeit von der Verweildauer in der Transfergesellschaft vorsieht, verdeutlicht, dass die Aufstockung eine Leistung von D ist.
23c) Sonstige Vertragsbedingungen verleiten einen verständigen Arbeitnehmer ebenfalls nicht zu der Annahme, es bestehe ein eigenständiger Vergütungsanspruch gegen die Transfergesellschaft. Nach Nr. III. 3. Buchst. a Anstellungsvertrag wird vielmehr „Kurzarbeit Null realisiert“ und der Kläger hat in der Transfergesellschaft keine Arbeitsleistung im üblichen Sinne zu erbringen, sondern lediglich an allein ihm nützlichen Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen teilzunehmen, Nr. III. 9. Buchst. c Anstellungsvertrag. Des Weiteren verdeutlicht die Pflicht, sich vor Beginn der Maßnahme bei der Bundesagentur für Arbeit arbeitssuchend zu melden, an von dieser angebotenen Weiterbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen teilzunehmen und aktiv an der Suche nach einem neuen Arbeitsplatz mitzuwirken (Nr. III. 9. Buchst. b und c Anstellungsvertrag), dass die Teilnahme an der Maßnahme kein reguläres Arbeitsverhältnis begründet und eine eigenständige „Vergütung“ seitens der Transfergesellschaft nicht zu erwarten ist.
244. Dem steht die - formale - Arbeitgeberstellung der Transfergesellschaft nicht entgegen. Zwar darf im Normalfall der Arbeitnehmer annehmen, dass der Arbeitgeber als Gläubiger der vereinbarten Dienste entsprechend § 611 Abs. 1 BGB auch Schuldner der vereinbarten Vergütung ist. Im Streitfall haben die Parteien aber für den Sonderfall des befristeten Transferarbeitsverhältnisses, in dem gerade keine produktive Arbeitsleistung zu erbringen ist ( - Rn. 18), ausdrücklich etwas anderes vereinbart.
255. Der Einwand des Klägers, bei einer solchen Vertragsgestaltung trage der Arbeitnehmer das Risiko der Insolvenz seines bisherigen Arbeitgebers, ist richtig, vermag der Klage aber nicht zum Erfolg zu verhelfen. Dieses Insolvenzrisiko trifft den Kläger auch hinsichtlich der vereinbarten Abfindung, einer weiteren Leistung zur Milderung der Nachteile des Personalabbaus. Außerdem steht der Kläger hinsichtlich des Insolvenzrisikos nicht anders, als er stünde, wenn sein bisheriger Arbeitgeber die Transfermaßnahmen unternehmensintern durchgeführt und nicht - was allerdings Voraussetzung einer Förderung ist (§ 216a SGB III in der bis zum geltenden Fassung bzw. nunmehr § 110 SGB III) - einen Dritten eingeschaltet hätte.
26III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstelle(n):
DB 2014 S. 1494 Nr. 26
ZIP 2014 S. 2102 Nr. 43
BAAAE-67671