Sicherungsverwahrung: Anordnung neben einer lebenslangen Freiheitsstrafe für bis zum begangene Straftaten
Gesetze: § 66 Abs 3 S 1 StGB vom , Art 316f Abs 2 S 1 StGBEG
Instanzenzug: Az: 39 Ks 6/13
Gründe
1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Mordes in Tateinheit mit Raub mit Todesfolge zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt, die besondere Schwere seiner Schuld festgestellt und gemäß § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB seine Unterbringung in der Sicherungsverwahrung angeordnet. Dagegen wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Revision, mit der er die Verletzung formellen und materiellen Rechts rügt.
2Das Rechtsmittel ist aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts zum Schuld- und zum Strafausspruch unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO. Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung kann hingegen keinen Bestand haben.
3Nach Inkrafttreten des Gesetzes zur bundesrechtlichen Umsetzung des Abstandsgebots im Recht der Sicherungsverwahrung (BGBl. I 2012, S. 2425) am sind für Anlasstaten, die vor diesem Stichtag begangen wurden, gemäß Art. 316f Abs. 2 Satz 1 EGStGB die bis zum geltenden Vorschriften über die Sicherungsverwahrung anzuwenden, hier - wovon auch das Landgericht ausgegangen ist - nach Art. 316e Abs. 1 Satz 1 EGStGB mithin § 66 StGB in der Fassung des Gesetzes zur Neuordnung des Rechts der Sicherungsverwahrung und zu begleitenden Gesetzen vom (BGBl. I 2010, S. 2300). Zur Tatzeit war diese Vorschrift indes gemäß der Weitergeltungsanordnung des u.a., BVerfGE 128, 326) nur nach Maßgabe einer "strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung" anwendbar, die Sicherungsverwahrung mithin nur anzuordnen, wenn der damit verbundene Eingriff gegen den Angeklagten unerlässlich war, um die Ordnung des betroffenen Lebensbereichs aufrecht zu erhalten (BVerfG aaO, BVerfGE 128, 326, 406).
4Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gilt dieser Maßstab aus Gründen des Vertrauensschutzes für Taten fort, die vor dem begangen wurden, und zwar nicht nur dann, wenn die Neuregelungen zwischen dem tatgerichtlichen Urteil und der Revisionsentscheidung in Kraft getreten sind (, BGHR StGB § 66 Verhältnismäßigkeit 2 und 5 StR 617/12, juris Rn. 19; Urteil vom - 5 StR 129/13, NStZ 2013, 524, 525; siehe auch Urteil vom - 4 StR 124/13, NJW 2013, 3735), sondern auch dann, wenn bereits das erstinstanzliche Urteil nach Inkrafttreten der Neuregelungen ergangen ist (, NJW 2014, 1316).
5Bei Durchführung der vorgenannten strikten Verhältnismäßigkeitsprüfung erweist sich im Rahmen der nach § 66 Abs. 3 Satz 1 StGB zu treffenden Ermessensentscheidung die Anordnung von Sicherungsverwahrung neben der Verhängung lebenslanger Freiheitsstrafe nicht als unerlässlich, weil die Voraussetzungen für eine Aussetzung der Strafe (vgl. § 57a StGB) und der Maßregel (vgl. § 67c StGB) in der Praxis gleich zu handhaben sind und deshalb ein Fall, in dem die Freiheitsstrafe unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit zur Bewährung ausgesetzt werden könnte, aber gleichwohl die Maßregel wegen fortdauernder Gefährlichkeit des Betroffenen noch vollstreckt werden dürfte, kaum denkbar erscheint (, juris Rn. 6). Dies entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Ermessensentscheidung nach § 66 Abs. 2 StGB (BGH aaO sowie Urteil vom - 2 StR 111/12, BGHR StGB § 66 Abs. 2 Ermessensentscheidung 8); für die Entscheidung nach § 66 Abs. 3 StGB gilt nichts anderes (, NStZ 2013, 524, 525). Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in der Sicherungsverwahrung hat deshalb zu entfallen.
6Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 4 StPO. Angesichts der aufgezeigten gleichen Handhabung der Voraussetzungen für die Aussetzung von Restfreiheitsstrafe und Maßregel führt der Wegfall der Sicherungsverwahrung nicht zu einer spürbaren Besserstellung des Angeklagten, so dass es nicht unbillig erscheint, ihn mit den gesamten Kosten seines Rechtsmittels, mit dem er sich umfänglich auch gegen den Schuld- und Strafausspruch gewandt hat, zu belasten.
Schäfer Hubert Mayer
Gericke Spaniol
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Fundstelle(n):
KAAAE-65886