BGB-Gesellschaft: Nichtigkeit von Beschlüssen der Gesellschafterversammlung wegen Einberufungsmängeln
Leitsatz
Verstöße gegen Form, Frist und Inhalt der Einberufung einer Gesellschafterversammlung können bei Personengesellschaften zur Nichtigkeit des Beschlusses führen, wenn der mit den gesellschaftsvertraglichen oder gesetzlichen Ladungsbestimmungen verfolgte Zweck, dem einzelnen Gesellschafter die Vorbereitung auf die Tagesordnungspunkte und die Teilnahme an der Versammlung zu ermöglichen, vereitelt wird. Der Einladungsmangel führt aber nicht zur Nichtigkeit des Beschlusses, wenn ausgeschlossen werden kann, dass sein Zustandekommen durch den Fehler beeinflusst ist.
Gesetze: § 709 BGB
Instanzenzug: Az: 2 U 56/09vorgehend Az: 28 O 255/09
Tatbestand
1Die Parteien waren Gesellschafter der Partnerschaftsgesellschaft G. & Partner Steuerberatungsgesellschaft (im Folgenden: Steuerberatungsgesellschaft), der Gesellschaft bürgerlichen Rechts G. S. K. Rechtsanwälte - Steuerberater (im Folgenden: Anwaltssozietät) und der G. S. K. Gesellschaft bürgerlichen Rechts (im Folgenden: Holding-GbR). Die Holding-GbR war Alleinaktionärin der T. Allgemeine Wirtschaftstreuhand und Steuerberatungsgesellschaft AG.
2Am luden die Beklagten zu Gesellschafterversammlungen in der Steuerberatungsgesellschaft, der Anwaltssozietät und der Holding-GbR auf den ein. Die Einladung betreffend die Holding-GbR ging am Freitag, dem , um 19.20 Uhr per Fax im Büro des Klägers ein. In den Gesellschafterversammlungen am wurde mit den Stimmen der Beklagten der Ausschluss des Klägers aus den jeweiligen Gesellschaften beschlossen. Der Kläger rügte in der Gesellschafterversammlung der Holding-GbR, dass die im Gesellschaftsvertrag vorgesehene Ladungsfrist von drei Wochen nicht eingehalten sei.
3Am folgenden Tag fassten die Beklagten einen Auflösungsbeschluss für die Steuerberatungsgesellschaft und die Anwaltssozietät. Für den beriefen sie eine neue Gesellschafterversammlung der Holding-GbR ein. Die Ladung erreichte den Kläger per Fax am um 17.52 Uhr. In der Gesellschafterversammlung wurde u.a. erneut der Ausschluss des Klägers beschlossen.
4Am beschloss der Kläger in einer von ihm einberufenen Gesellschafterversammlung der Steuerberatungsgesellschaft u.a. den Ausschluss der Beklagten aus der Partnerschaftsgesellschaft, die Kündigung der Geschäftsführerdienstverträge der Beklagten und die Genehmigung eines Darlehensvertrags zwischen ihm und der Gesellschaft.
5Der Kläger hat mit der Klage beantragt festzustellen, dass die Beschlüsse vom , die Auflösungsbeschlüsse vom und die Beschlüsse vom nicht wirksam gefasst worden seien. Die Beklagten haben widerklagend beantragt festzustellen, dass die Beschlüsse der Steuerberatungsgesellschaft vom unwirksam seien. Das Landgericht hat festgestellt, dass der Beschluss der Holding-GbR am , den Kläger aus wichtigem Grund aus der Gesellschaft auszuschließen, nicht wirksam gefasst worden sei und - auf die Widerklage - die Beschlüsse der Steuerberatungsgesellschaft vom unwirksam seien. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen.
6Mit der Berufung hat der Kläger beantragt, die Nichtigkeit der Beschlüsse bei der Steuerberatungsgesellschaft und der Anwaltssozietät vom , der Beschlüsse bei der Steuerberatungsgesellschaft und der Anwaltssozietät vom über die Auflösung bzw. die Liquidatorenbestellung sowie des Beschlusses bei der Holding-GbR über seinen Ausschluss am festzustellen. Hinsichtlich der Widerklage hat er nur noch beantragt, den Antrag auf die Feststellung abzuweisen, dass der Beschluss der Steuerberatungsgesellschaft vom über die Genehmigung eines Darlehensvertrags unwirksam sei. Die Beklagten haben mit ihrer Berufung beantragt, die Klage auch insoweit abzuweisen, als die Unwirksamkeit des Beschlusses in der Holding-GbR vom festgestellt worden sei. Das Berufungsgericht hat auch die Nichtigkeit des Ausschlussbeschlusses vom in der Holding-GbR festgestellt und die Berufungen im Übrigen zurückgewiesen.
7Dagegen richten sich die vom erkennenden Senat zugelassenen Revisionen der Beklagten, mit denen sie die Abweisung der Klage auf Feststellung der Nichtigkeit der Ausschlussbeschlüsse in der Holding-GbR vom und vom weiterverfolgen, und - nach Zurückweisung seiner Nichtzulassungsbeschwerde - die Anschlussrevision des Klägers, mit der er seine Berufungsanträge weiter verfolgt, soweit das Berufungsgericht zu seinem Nachteil entschieden hat.
Gründe
8Die Revisionen der Beklagten führen zur Aufhebung des Berufungsurteils, soweit zu ihrem Nachteil entschieden ist, und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht. Die Anschlussrevision des Klägers ist als unzulässig zu verwerfen.
9I. Die Revisionen der Beklagten haben Erfolg.
101. Das Berufungsgericht hat - soweit für die Revisionen der Beklagten von Bedeutung - ausgeführt, die Ausschlussbeschlüsse aus der Holding-GbR vom und seien jeweils wegen Nichteinhaltung der Ladungsfrist nichtig. Ein Zugang der Einladung zur Gesellschafterversammlung vom könne nicht vor dem festgestellt werden, so dass die gesellschaftsvertraglich vereinbarte dreiwöchige Einberufungsfrist nicht eingehalten worden sei. Für die beim Kläger per Fax am um 17.52 Uhr eingegangene Einladung für die Gesellschafterversammlung vom gelte Entsprechendes; die außerhalb der gewöhnlichen Geschäftszeiten eingegangene Einladung sei erst am zugegangen, so dass die Drei-Wochen-Frist bis zur Versammlung am nicht eingehalten sei.
11Da durch die Nichteinhaltung der Ladungsfrist der Dispositionsschutz des einzelnen Gesellschafters verletzt werde, liege ein zur Unwirksamkeit der in der Versammlung gefassten Beschlüsse führender schwerwiegender Mangel vor. Eine Heilung des Mangels aufgrund der Anwesenheit und Teilnahme des Klägers in der Versammlung vom komme schon deshalb nicht in Betracht, weil er den Ladungsverstoß ausweislich des Protokolls ausdrücklich gerügt habe.
122. Das Urteil hält insoweit der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand. Rechtsfehlerhaft hat das Berufungsgericht die Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse allein aufgrund der Nichteinhaltung der Einladungsfrist festgestellt.
13Verstöße gegen Form, Frist und Inhalt der Einberufung einer Gesellschafterversammlung können bei Personengesellschaften zur Nichtigkeit des Beschlusses führen, wenn der mit den gesellschaftsvertraglichen oder gesetzlichen Ladungsbestimmungen verfolgte Zweck, dem einzelnen Gesellschafter die Vorbereitung auf die Tagesordnungspunkte und die Teilnahme an der Versammlung zu ermöglichen, vereitelt wird. Wird dieser "Dispositionsschutz" verletzt, liegt ein zur Nichtigkeit der in der Versammlung gefassten Beschlüsse führender schwerwiegender Mangel vor (, ZIP 1995, 738, 743). Der Verfahrensmangel führt aber nur zur Nichtigkeit des Beschlusses, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass sein Zustandekommen durch den Fehler beeinflusst ist (vgl. , ZIP 2013, 68 Rn. 47; MünchKommBGB/Ulmer/Schäfer, 5. Aufl., § 709 Rn. 106).
14Das Berufungsgericht hat sich darauf beschränkt, bereits aus der Nichteinhaltung der Einladungsfrist auf eine Verletzung des Dispositionsschutzes zu schließen. Dass die Nichteinhaltung der Ladungsfrist geeignet ist, den Dispositionsschutz zu verletzen, genügt für die Annahme der Kausalität des Verfahrensmangels für das Zustandekommen des Beschlusses aber noch nicht. Damit, ob nicht auszuschließen ist, dass die Beschlüsse bei ordnungsgemäßer Einberufung der Versammlung gleichfalls zustande gekommen wären, hat sich das Berufungsgericht nicht befasst. Hier ist aber auszuschließen, dass die Beschlüsse bei früherer Einberufung der Versammlung unterblieben oder anders gefasst worden wären und ihr Zustandekommen durch die geringfügige Verkürzung der Einladungsfrist beeinflusst ist. Eine Einschränkung der Teilnahmemöglichkeit aufgrund der geringfügigen vom Berufungsgericht zugrunde gelegten Verkürzung der Einladungsfrist um jeweils einen Arbeitstag ist nicht ersichtlich und nicht vorgetragen. Die Teilnahmemöglichkeit ist vor allem nicht schon deshalb eingeschränkt, weil der Kläger die Nichteinhaltung der Ladungsfrist gerügt und an den Gesellschafterversammlungen nur unter Protest teilgenommen hat. Auch eine Beeinträchtigung der Vorbereitungsmöglichkeiten des Klägers liegt hier fern. Die mit drei Wochen großzügig bemessene Einladungsfrist war jeweils nur um einen Arbeitstag verkürzt. Dass die zur Vorbereitung zur Verfügung stehende Zeit zu knapp war, um die notwendigen Erkundigungen einzuziehen, sich zu beraten oder eine gütliche Einigung zu treffen (vgl. dazu , ZIP 1987, 1117, 1119 f.), und es infolgedessen nicht zu den Ausschlussbeschlüssen gekommen wäre, ist nicht ersichtlich und nicht vorgetragen.
15II. Die Anschlussrevision des Klägers ist unzulässig. Gemäß § 554 Abs. 1 ZPO kann sich der Revisionsbeklagte grundsätzlich der Revision anschließen. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt die Zulässigkeit der Anschlussrevision aber voraus, dass ihr Gegenstand vom Streitgegenstand der Hauptrevision umfasst ist oder zumindest mit diesem in einem unmittelbaren rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang steht (, BGHZ 174, 244 Rn. 38 ff.; Urteil vom - I ZR 63/06, GRUR 2009, 515 Rn. 20 - Motorradreiniger; Urteil vom - V ZR 75/08, NJW 2009, 3787 Rn. 27; Urteil vom - II ZR 300/08, ZIP 2011, 1657 Rn. 24; Urteil vom - III ZR 91/10, NJW-RR 2011, 1106 Rn. 24; Beschluss vom - II ZR 215/10, juris Rn. 7; Urteil vom - VI ZR 211/12, juris Rn. 75).
16Die mit der Anschlussrevision weiterverfolgten Anträge des Klägers stehen in keinem unmittelbaren rechtlichen oder wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Streitgegenstand der Hauptrevision, den Ausschlussbeschlüssen in der Holding-GbR vom und vom . Sie betreffen Beschlüsse bei anderen Gesellschaften, nämlich vom und vom bei der Steuerberatungsgesellschaft und der Anwaltssozietät und vom bei der Steuerberatungsgesellschaft, und damit einen anderen Streitgegenstand, der nicht in einem unmittelbaren rechtlichen Zusammenhang mit dem Ausschluss aus der Holding-GbR steht. Dass nach den gesellschaftsvertraglichen Regelungen der Ausschluss aus einer dieser beiden Gesellschaften unmittelbar zum Ausschluss aus der Holding-GbR führt, ist weder ersichtlich noch vorgetragen. Ein unmittelbarer rechtlicher Zusammenhang wird nicht dadurch hergestellt, dass einzelne Vorfälle in mehreren Gesellschaften als wichtiger Grund für den Ausschluss des Klägers zugrunde gelegt worden sind. Ob ein bestimmter Sachverhalt die Ausschließung eines Gesellschafters aus wichtigem Grund rechtfertigt, ist für jede Gesellschaft gesondert zu beurteilen und hängt von der konkreten Ausgestaltung des jeweiligen Gesellschaftsverhältnisses ab. Ein wirtschaftlicher Zusammenhang besteht gleichfalls nicht, weil die Beschlüsse keinen unmittelbaren wirtschaftlichen Bezug zueinander haben.
17III. Die Sache ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 1 ZPO). Das Berufungsgericht hat sich mit dem Vorliegen eines wichtigen Grundes zum Ausschluss des Klägers aus der Holding-GbR nicht befasst.
Bergmann Caliebe Drescher
Born Sunder
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BB 2014 S. 1217 Nr. 21
BB 2014 S. 1363 Nr. 23
DB 2014 S. 1187 Nr. 21
DB 2014 S. 6 Nr. 21
DNotZ 2014 S. 537 Nr. 7
GmbH-StB 2014 S. 196 Nr. 7
GmbHR 2014 S. 705 Nr. 13
NJW 2014 S. 6 Nr. 22
NWB-Eilnachricht Nr. 22/2014 S. 1632
StBW 2014 S. 472 Nr. 12
StBW 2014 S. 474 Nr. 12
StuB-Bilanzreport Nr. 13/2014 S. 507
WM 2014 S. 999 Nr. 21
WPg 2014 S. 968 Nr. 18
ZIP 2014 S. 1019 Nr. 21
ZIP 2014 S. 39 Nr. 20
WAAAE-64819