BFH Beschluss v. - II B 68/13

Klage auf Akteneinsicht; keine Einsichtnahme in Akten, die unbeteiligte Dritte betreffen

Gesetze: FGO § 78

Instanzenzug:

Gründe

1 Die Beschwerde der Klägerin und Beschwerdeführerin (Klägerin) ist unbegründet.

2 1. Die Beschwerde der Klägerin ist gemäß § 128 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulässig, insbesondere statthaft. Gegen die Verweigerung des durch § 78 FGO gewährten Akteneinsichtsrechts durch das Finanzgericht (FG) ist die Beschwerde nach § 128 Abs. 1 FGO gegeben (z.B. Beschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom VII B 64/80, BFHE 133, 8, BStBl II 1981, 475; vom IV B 100, 101/07, BFH/NV 2008, 1177).

3 2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet. Der Klägerin steht hinsichtlich der von der Akteneinsicht ausgenommenen Akten bzw. Aktenteile kein Akteneinsichtsrecht i.S. des § 78 FGO zu.

4 a) Das Akteneinsichtsrecht nach § 78 FGO betrifft nur die Akten, die Gegenstand des Verfahrens sind (vgl. auch § 71 Abs. 2 FGO). Gegenstand des von der Klägerin geführten Klageverfahrens ist das Begehren, ihr Einsicht in eine dem Beklagten und Beschwerdegegner (Finanzamt —FA—) vorliegende Anzeige eines Dritten zu gewähren. Bei einer solchen Klage auf Akteneinsicht umfasst das durch § 78 FGO gewährleistete Akteneinsichtsrecht jedoch nur die Akten, die für die Frage eines etwaigen Anspruchs auf Akteneinsicht von Bedeutung sind (so für das verwaltungsgerichtliche Verfahren auf der Grundlage des mit § 78 FGO im Wesentlichen inhaltsgleichen § 100 der Verwaltungsgerichtsordnung: Kopp/Schenke, Verwaltungsgerichtsordnung, 19. Aufl. 2013, § 100 Rz 3). Dazu gehören jedoch nicht die Akten, um deren Kenntnisgabe —wie im Streitfall— gerade gestritten wird (, Neue Juristische Wochenschrift 1983, 2954; Posser/Wolff, Kommentar zur VwGO 2. Aufl. 2014, § 100 Rz 9; Kopp/Schenke, a.a.O.).

5 b) Im Streitfall hatte das FA lediglich diejenigen Akten dem FG vorzulegen, die das Akteneinsichtsgesuch der Klägerin bzw. dessen Ablehnung betreffen. Nur auf der Grundlage dieser Aktenteile hat das FG darüber zu entscheiden, ob das FA seine Ablehnungsentscheidung in Ausübung pflichtgemäßen Ermessens getroffen hat (dazu z.B. Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 30 AO Rz 15, m.w.N.).

6 c) Vorliegend hat das FA dem FG auch den Aktenteil übermittelt, der die von dem Dritten erstattete Anzeige enthält. Vorgänge, die am Verfahren unbeteiligte Dritte betreffen, sind jedoch —soweit möglich— zu entfernen oder durch andere geeignete Maßnahmen von der Einsichtnahme auszuschließen (, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2010, 862; vgl. auch , BFHE 174, 491, BStBl II 1994, 802; Stalbold in Beermann/Gosch, FGO § 78 Rz 28; Brandis in Tipke/Kruse, a.a.O., § 78 FGO Rz 19, jeweils m.w.N.). Demgemäß hat der Senat den Aktenteil, in dem sich die von dem Dritten erstattete Anzeige befindet, unmittelbar an das FA zurückgesandt.

7 3. Das Ablehnungsgesuch der Klägerin steht der hier streitigen Entscheidung des FG über das Akteneinsichtsrecht nach § 78 FGO nicht entgegen. Zwar darf ein wegen Befangenheit abgelehnter Richter vor Erledigung des Ablehnungsgesuchs nur solche Handlungen vornehmen, die keinen Aufschub gestatten (§ 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 47 Abs. 1 der ZivilprozessordnungZPO—). Nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin in ihrer Beschwerdebegründung hat aber der erstinstanzliche Richter über das Ablehnungsgesuch in der mündlichen Verhandlung vom entschieden. Ob der erstinstanzliche Richter selbst entgegen der Regelung in § 51 Abs. 1 FGO i.V.m. § 45 Abs. 1 ZPO als abgelehnter Richter an der Entscheidung über das Ablehnungsgesuch ausnahmsweise wegen Missbräuchlichkeit oder offenbarer Unzulässigkeit des Gesuchs mitwirken durfte (hierzu die ständige Rechtsprechung der obersten Gerichtshöfe des Bundes bei Gräber/Stapperfend, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 51 Rz 71) und ob er das Ablehnungsgesuch zu Recht zurückgewiesen hat, ist nicht Gegenstand des vorliegenden Verfahrens.

Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:



Fundstelle(n):
BFH/NV 2014 S. 1072 Nr. 7
PAAAE-64185