BSG Urteil v. - B 11 AL 10/13 R

Arbeitslosengeld - Bemessung - freiwillig weiterversicherter Selbstständiger - Leistungsentgelt - Lohnsteuerklasseneintrag

Leitsatz

Für die Berechnung des Arbeitslosengelds der in der Arbeitslosenversicherung auf Antrag pflichtversicherten Selbstständigen ist auch dann auf die in der Lohnsteuerkarte eingetragene Lohnsteuerklasse abzustellen, wenn wegen selbstständiger Tätigkeit im Bemessungszeitraum ein Lohnsteuerabzugsverfahren nicht stattgefunden hat.

Gesetze: § 28a SGB 3, § 133 Abs 1 S 1 SGB 3 vom , § 133 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB 3 vom , § 133 Abs 2 S 1 SGB 3 vom , § 39 Abs 4 EStG

Instanzenzug: SG Magdeburg Az: S 14 AL 356/08 Urteilvorgehend Landessozialgericht Sachsen-Anhalt Az: L 2 AL 21/11 Urteil

Tatbestand

1Streitig ist, ob der Kläger in der Zeit vom 1. bis Anspruch auf höheres Arbeitslosengeld hat.

2Der Kläger war vom bis als Rechtsanwalt abhängig beschäftigt. Für das Jahr 2006 war in seiner Lohnsteuerkarte die Lohnsteuerklasse III und in der Lohnsteuerkarte der Ehefrau die Lohnsteuerklasse V eingetragen. Zum schloss er einen Partnervertrag mit den Rechtsanwälten R., G. und Kollegen aus H., mit denen er nun selbstständig in M. tätig war. Der Kläger wurde aus der Sozialversicherung abgemeldet. Er beantragte die Begründung eines Versicherungspflichtverhältnisses in der Arbeitslosenversicherung, das die beklagte Bundesagentur für Arbeit (BA) bis zur Beendigung des Partnervertrags am durchführte.

3Am beantragte der Kläger für eine beabsichtigte selbstständige Tätigkeit als Rechtsanwalt einen Gründungszuschuss. Die Beklagte bewilligte diesen für die Zeit vom bis (nur) in Höhe von 1563,60 Euro monatlich. Das auf höheren Gründungszuschuss gerichtete Klageverfahren ruht mit Rücksicht auf den vorliegenden - insoweit präjudiziellen - Rechtsstreit über höheres Arbeitslosengeld (Alg).

4Am meldete sich der Kläger mit Wirkung zum bei der Beklagten arbeitslos, beantragte Alg und meldete sich zum sogleich wieder aus dem Leistungsbezug ab, weil er eine selbstständige Tätigkeit als Rechtsanwalt aufnehme. In seinem Antrag gab er auf die Frage nach der am Jahresbeginn eingetragenen Lohnsteuerklasse an: "Einkommensteuer". Die Beklagte bewilligte ihm für die fraglichen drei Tage Alg bemessen nach Lohnsteuerklasse VI bei einem Leistungssatz von 25,61 Euro täglich und erhöhte dieses auf den Widerspruch des Klägers unter Berücksichtigung der Beitragsbemessungsgrenze Ost auf 41,37 Euro täglich (Änderungsbescheid vom ).

5Auch hiergegen erhob der Kläger Widerspruch; weder seien das Bemessungsentgelt von täglich 151,67 Euro nachvollziehbar noch die zugrunde gelegte Lohnsteuerklasse VI. Vielmehr sei das Alg nach Lohnsteuerklasse III zu berechnen, weil seine Ehefrau deutlich weniger verdiene als er. Die Beklagte holte beim Einwohnermeldeamt der Stadt W. eine Auskunft ein. Danach war dem Kläger für 2007 eine Lohnsteuerkarte mit Lohnsteuerklasse V, seiner Ehefrau eine solche mit Lohnsteuerklasse III ausgestellt worden. Mit Bescheid vom bewilligte die Beklagte nunmehr Alg, berechnet nach einem Entgelt in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze Ost und Lohnsteuerklasse V; es ergab sich ein Leistungssatz von täglich 42,12 Euro. Mit zugleich ergangenem Widerspruchsbescheid vom wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom als unzulässig und den Widerspruch gegen die Bescheide vom und als unbegründet zurück. Das Bemessungsentgelt sei unter Berücksichtigung der für die neuen Bundesländer geltenden Beitragsbemessungsgrenze festgesetzt worden. Der Berechnung des Alg sei zutreffend die Lohnsteuerklasse V zugrunde gelegt worden.

6Der Kläger hat vor dem Sozialgericht (SG) Klage erhoben. Es sei unzutreffend, auf die aktuelle Steuerkarte abzustellen, weil er als Selbstständiger keine Lohnsteuer zu entrichten habe. Deshalb könne die ausgestellte Lohnsteuerklasse nicht maßgeblich sein. Vielmehr müsse das Alg nach Lohnsteuerklasse III berechnet und bewilligt werden. Das SG hat die Klage abgewiesen und die Berufung zugelassen (Urteil vom ). Der Kläger habe keinen Anspruch auf Zahlung von höherem Alg. Die Beklagte habe der Berechnung der Leistung zutreffend Lohnsteuerklasse V zugrunde gelegt.

7Der Kläger hat Berufung zum Landessozialgericht (LSG) eingelegt. Er ist dabei geblieben, dass bei einem Selbstständigen nicht auf die Eintragung in der Lohnsteuerkarte abgestellt werden könne. Zwar habe er einen Lohnsteuerklassenwechsel veranlassen können. Ein solcher Wechsel wäre aber nachteilig gewesen. Er sei an eine unzweckmäßige Lohnsteuerklassenwahl nicht gebunden.

8Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen (Urteil vom ). Grundsätzlich sei die Eintragung auf der Lohnsteuerkarte 2007 zu Beginn des Jahres maßgeblich, hier also Lohnsteuerklasse V. Allerdings habe der selbstständige Kläger keine Lohnsteuerkarte bekommen müssen. Deshalb spreche viel dafür, der Eintragung keine Bedeutung beizumessen. Letztlich könne dies aber dahinstehen; denn wenn dem Kläger keine Lohnsteuerkarte ausgestellt worden wäre, hätte sein Alg dennoch nach der Lohnsteuerklasse V bemessen werden müssen. Mangels Ausstellung einer Lohnsteuerkarte sei maßgeblich, welche Lohnsteuerklasse eingetragen worden wäre, wenn eine Lohnsteuerkarte ausgestellt worden wäre (unter Hinweis auf - RdNr 18). Da die Lohnsteuerklasse des Klägers mit der Lohnsteuerklasse seiner Ehefrau korrespondieren müsse und bei dieser Lohnsteuerklasse III eingetragen gewesen sei, habe der Kläger nur die Lohnsteuerklasse V erhalten können.

9Der Kläger hat die vom LSG zugelassene Revision eingelegt. Er rügt, das Urteil des LSG verletze § 133 Abs 1 S 2 Nr 2 SGB III idF bis . Für die Berechnung des Alg sei in seinem Fall die Eintragung auf der Lohnsteuerkarte 2007 nicht maßgeblich, weil sie für ihn keine Bedeutung habe. Auch habe das LSG nicht fiktiv prüfen dürfen, welche Lohnsteuerklasse ausgehend von derjenigen der Ehefrau einzutragen wäre. Vielmehr sei die Steuerklasse zugrunde zu legen, die den tatsächlichen Lebensverhältnissen entspreche. Bei Selbstständigen könne nur auf die Einkünfte des jeweiligen Kalenderjahres abgestellt werden. Nach dem Gewicht der erzielten Einkünfte wäre für den Kläger die Lohnsteuerklasse III, für die Ehefrau die Lohnsteuerklasse V die sachgerechte Steuerklasse gewesen. Die Erwägung des LSG, er habe die Möglichkeit zum Steuerklassenwechsel gehabt, sei theoretisch zwar nicht völlig abzulehnen, es sei aber schon zweifelhaft, ob das Finanzamt einem entsprechenden Antrag des Klägers gefolgt wäre.

10Der Kläger beantragt,die Urteile des Landessozialgerichts Sachsen-Anhalt vom und des Sozialgerichts Magdeburg vom aufzuheben sowie die Bescheide der Beklagten vom , , in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom abzuändern und die Beklagte zu verurteilen, ihm vom 1. bis Arbeitslosengeld berechnet nach Lohnsteuerklasse III zu zahlen.

11Die Beklagte beantragt,die Revision zurückzuweisen.

12Die Revision sei jedenfalls unbegründet. Zutreffend sei das LSG davon ausgegangen, dass das Alg eines freiwillig versicherten Selbstständigen unter Berücksichtigung derjenigen Lohnsteuerklasse zu bemessen sei, die mit der Lohnsteuerklasse der Ehegattin korrespondiere.

Gründe

13Die zulässige Revision des Klägers ist in der Sache unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 170 Abs 1 S 1 SGG).

14Gegenstand der Revision ist eine Anfechtungsklage gegen die Begrenzung der Höhe des bewilligten Alg im Bescheid vom , den Änderungsbescheiden vom und vom , die gemäß § 86 Abs 1 SGG Gegenstand des Vorverfahrens geworden sind, diese in der Gestalt des Widerspruchsbescheids - ebenfalls - vom sowie - damit verbunden - eine auf höheres, nach Lohnsteuerklasse III berechnetes Alg gerichtete Leistungsklage. Diese kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 1 und 4, § 56 SGG) ist auch ohne exakte Bezifferung der Höhe der begehrten Leistung zulässig ( - DBlR 4756, SGB III/§ 137 und Juris).

15Die angefochtenen Bescheide sind nicht rechtswidrig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger hat für die Zeit vom 1. bis keinen Anspruch auf Zahlung von höherem, nach der Lohnsteuerklasse III bemessenem Alg.

161. Das LSG hat mangels hiergegen gerichteter Verfahrensrügen für den Senat bindend festgestellt (§ 163 SGG), dass der Kläger die Voraussetzungen für den Bezug von Alg nach den §§ 117 f SGB III idF vom (SGB III aF) erfüllte. Er war arbeitslos, meldete sich arbeitslos und erfüllte die Anwartschaftszeit (§ 118 Abs 1 SGB III aF), weil er nach dem Ende seiner letzten abhängigen Beschäftigung ein Versicherungsverhältnis auf Antrag nach § 28a SGB III begründet und innerhalb der Rahmenfrist von zwei Jahren mindestens zwölf Monate in einem Versicherungspflichtverhältnis gestanden hat.

17Der Kläger stand nicht in einer Beschäftigung, war also beschäftigungslos, bemühte sich, die Beschäftigungslosigkeit zu beenden, und war verfügbar (§ 119 Abs 1 SGB III aF), weil er bereit gewesen ist, eine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende zumutbare Beschäftigung auszuüben.

18Zwar erscheint es bei lebensnaher Betrachtungsweise durchaus fraglich, ob ein selbstständig Tätiger, dessen Tätigkeit am endet, für drei Tage eine abhängige Beschäftigung sucht (§ 119 Abs 1 Nr 1 SGB III aF), wenn er - wie vorliegend - schon vor der Arbeitslosmeldung am einen Antrag auf Gründungszuschuss stellt, sich mit der Arbeitslosmeldung ab dem wieder aus dem Alg-Bezug abmeldet und damit deutlich macht, dass er wenige Tage nach dem Ende der letzten selbstständigen Tätigkeit wiederum eine selbstständige Tätigkeit aufnehmen möchte. In solchen Fällen ist auch zweifelhaft, ob ein solcher Arbeitsloser tatsächlich bereit ist, in dem verbleibenden Zeitraum von drei Tagen eine abhängige Beschäftigung aufzunehmen (§ 119 Abs 1 Nr 3 iVm Abs 5 SGB III aF). Denkbar erschiene auch, dass er zwischen den beiden Tätigkeiten nur eine kurze zeitliche Lücke gelassen hat, um den Anspruch auf Alg und diesem nachfolgend den Anspruch auf Gründungszuschuss entstehen zu lassen.

19Diese Fragen müssen aber dahingestellt bleiben, weil das LSG für den Senat bindend festgestellt hat, dass der Kläger beschäftigungssuchend und verfügbar war; insbesondere sei er bereit gewesen, eine mindestens 15 Stunden wöchentlich umfassende abhängige Beschäftigung aufzunehmen.

202. Die Beklagte hat die Höhe des Anspruchs auf Alg zutreffend berechnet.

21Nach § 129 Nr 1 SGB III aF beträgt das Alg für Arbeitslose, die mindestens ein Kind iS des § 32 Abs 1, 3, 5 Einkommensteuergesetz (EStG) haben, 67 vH des pauschalierten Nettoentgelts (erhöhter Leistungssatz), das sich aus dem Bruttoentgelt ergibt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat. Der Bemessungsrahmen wird gemäß § 130 Abs 3 Nr 1 SGB III aF auf zwei Jahre erweitert, weil der Kläger im einjährigen Bemessungszeitraum (§ 130 Abs 1 SGB III aF) weniger als 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt hat. Im erweiterten Bemessungsrahmen vom bis liegen 273 Tage mit Bezug von Arbeitsentgelt, sodass es keiner fiktiven Bemessung bedarf. Das Bemessungsentgelt ist gemäß § 131 SGB III aF das durchschnittlich auf den Tag entfallende beitragspflichtige Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum erzielt hat. Im Bemessungszeitraum erzielte der Kläger ein Entgelt von 57.100 Euro, woraus sich ein durchschnittliches tägliches Entgelt von 172,53 Euro errechnen würde. Dieses Entgelt wird aber gemäß § 341 SGB III nur bis zum Beitrag von 1/360 der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung Ost (BBG-Ost) für den Kalendertag berücksichtigt, weil der Kläger es in den neuen Bundesländern erzielte und es nur in dieser Höhe beitragspflichtig war (§ 131 Abs 1 S 1 SGB III aF). Die BBG-Ost lag 2007 bei 4550 Euro monatlich oder 151,67 Euro täglich. Dieser Betrag ist der Bemessung des Alg als Bemessungsentgelt zugrunde gelegt worden.

22Gemäß § 133 Abs 1 SGB III idF des 4. Gesetzes zur Änderung des Dritten Buchs Sozialge-setzbuch und anderer Gesetze vom (BGBl I 2902; im Folgenden: § 133 SGB III aF) ist das Leistungsentgelt das um pauschalierte Abzüge verminderte Bemessungsentgelt. Vom Bemessungsentgelt sind abzuziehen1. eine Sozialversicherungspauschale in Höhe von 21 vH des Bemessungsentgelts,2. die Lohnsteuer nach der Lohnsteuertabelle, die sich nach dem vom Bundesministerium der Finanzen aufgrund des § 51 Abs 4 Nr 1a EStG bekannt gegebenen Programmablaufplan bei Berücksichtigung der Vorsorgepauschale nach § 10c Abs 2 EStG in dem Jahr, in dem der Anspruch entstanden ist, ergibt und3. der Solidaritätszuschlag.Bei der Berechnung der Abzüge nach den Nr 2 und 3 sind Freibeträge und Pauschalen, die nicht jedem Arbeitnehmer zustehen, nicht zu berücksichtigen.

23Nach § 133 Abs 2 S 1 SGB III aF richtet sich die Feststellung der Lohnsteuer nach der Lohnsteuerklasse, die zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, auf der Lohnsteuerkarte des Arbeitslosen eingetragen war. Spätere Änderungen der eingetragenen Lohnsteuerklasse werden mit Wirkung von dem Tag an berücksichtigt, an dem erstmals die Voraussetzungen für die Änderung vorlagen.

24Nach Abs 3 der Vorschrift werden die Lohnsteuerklassen, wenn die Ehegatten sie gewechselt haben, von dem Tag an berücksichtigt, an dem sie wirksam werden, wenn darunter1. die neu eingetragene Lohnsteuerklasse dem Verhältnis der monatlichen Arbeitsentgelte beider Ehegatten entsprechen oder2. sich aufgrund der neu eingetragenen Lohnsteuerklassen ein Arbeitsentgelt ergibt, das geringer ist als das Alg, das sich ohne den Wechsel der Lohnsteuerklassen ergäbe.

25Die Berechnung des Alg des Klägers entspricht diesen gesetzlichen Vorgaben.Diese gelten auch für Selbstständige. Im vorliegenden Fall ist nach § 133 Abs 2 S 1 SGB III aF für das Alg des Klägers die Lohnsteuerklasse maßgeblich, die zu Beginn es Jahres, in dem sein Anspruch auf Alg entstand, auf der Lohnsteuerkarte eingetragen war. Da zu Beginn des Jahres 2007 auf der Lohnsteuerkarte des Klägers die Lohnsteuerklasse V eingetragen war, ist diese für die Bemessung des Alg maßgeblich. Zweck der Regelung des § 133 Abs 2 S 1 SGB III aF ist es, den Steuerabzug so vorzunehmen, wie der Arbeitslose ihn in dem von ihm angestrebten Beschäftigungsverhältnis (§ 119 Abs 1 Nr 2 und 3 SGB III aF) hinzunehmen hätte ( - SozSich 1984, 215 = DBlR 2955, AFG/§ 113; Jakob, aaO). Deshalb ist für die Berechnung des Alg der in der Arbeitslosenversicherung auf Antrag pflichtversicherten Selbstständigen auch dann auf die in der Lohnsteuerkarte eingetragene Lohnsteuerklasse abzustellen, wenn wegen selbstständiger Tätigkeit im Bemessungszeitraum ein Lohnsteuerabzugsverfahren nicht stattgefunden hat. Die zu Jahresbeginn eingetragenen Lohnsteuerabzugsmerkmale haben auch für diese Personengruppe Tatbestandswirkung (vgl allgemein zur Tatbestandswirkung: - BSGE 61, 45 = SozR 4100 § 113 Nr 5; Jakob in Mutschler/Bartz/Schmidt-De Caluwe, SGB III, 5. Aufl 2013, § 153 RdNr 16). (Unterjährige) Änderungen der Lohnsteuerklasse sind vorliegend ebenfalls nicht zu berücksichtigen, da solche nicht vorgenommen wurden; insbesondere hat kein Wechsel von Lohnsteuerklassen unter Ehegatten stattgefunden.

26Die Beklagte hat das Alg des Klägers unter Berücksichtigung eines Lohnsteuerabzugs nach Lohnsteuerklasse V zutreffend berechnet.

273. Soweit der Kläger mit der Revision einwendet, die Regelung treffe auf ihn nicht zu, weil er keine Lohnsteuer zu entrichten habe, verkennt er, dass im SGB III eine Ausnahme von der Berechnung des Alg für bestimmte Personengruppen, die nicht dem Lohnsteuerabzug unterliegen, nicht geregelt ist. § 28a SGB III eröffnet dem dort begünstigten Personenkreis lediglich die Möglichkeit, auf Antrag ein Versicherungspflichtverhältnis zur Arbeitslosenversicherung zu begründen, das ua die Anwartschaft auf Alg (§ 123 SGB III aF) erfüllt. Aus der Regelung ergibt sich für die Personen, die als einkommenssteuerpflichtige Selbstständige ein solches Versicherungspflichtverhältnis begründen, keine abweichende Regelung für die Bemessung ihres Anspruchs auf Alg. Auch § 133 SGB III aF (jetzt § 153 SGB III) lässt sich keine von den allgemeinen Grundsätzen abweichende Regelung zur Berechnung des Alg für die nach § 28a SGB III versicherten Personen entnehmen.

28Aus Sinn und Zweck der Arbeitslosenversicherung ergibt sich nichts anderes. Das SGB III ist darauf gerichtet, dem Eintritt von Arbeitslosigkeit entgegenzuwirken, diese zu verkürzen und Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt zu unterstützen (§ 1 SGB III). Die Agenturen für Arbeit erbringen Dienstleistungen für Arbeitgeber, Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer (§ 2 Abs 1 SGB III). Entsprechend sind Arbeitsuchende iS des SGB III Personen, die eine Beschäftigung als Arbeitnehmerin oder Arbeitnehmer suchen (§ 15 S 2 SGB III). Auch die Voraussetzungen der §§ 117 f SGB III aF (jetzt §§ 136 f SGB III) machen deutlich, dass Alg an Personen zu leisten ist, die eine abhängige Beschäftigung suchen. Dementsprechend sind die gesetzlichen Reglungen zur Berechnung des Alg darauf ausgelegt, in einem pauschalisierenden und typisierenden Verfahren (vgl Mutschler in Kreikebohm/Spellbrink/Waltermann, Kommentar zum Sozialrecht, 3. Aufl 2013, § 153 RdNr 6; Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III K § 153 RdNr 14) aus dem Bemessungsentgelt das Leistungsentgelt für den Zahlungsanspruch zu ermitteln. Dass der Gesetzgeber sich dazu eines pauschalierenden und für alle Versicherten gleichmäßigen Verfahrens bedient, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl - SozR 4-4300 § 133 Nr 5).

29Der Kläger kann nicht einwenden, die eingetragene Lohnsteuerklasse entspreche nicht den "tatsächlichen Verhältnissen". Zum einen sieht § 133 SGB III aF (jetzt § 153 SGB III) nicht vor, tatsächlich bestehende steuerrechtliche Merkmale außer Betracht zu lassen. Dies wird nur ausnahmsweise in § 133 Abs 3 S 2 SGB III aF angeordnet, wenn der Arbeitslose vor Eintritt des Versicherungsfalls einen Ausfall des Arbeitsentgelts zu verzeichnen und deshalb Anspruch auf lohnsteuerfreie Entgeltersatzleistung hatte. Dies war hier nicht der Fall. Im Übrigen will die Regelung gerade verhindern, dass hypothetische Verhältnisse für die Berechnung des Alg herangezogen werden.

30Wie das LSG zutreffend ausgeführt hat, ergibt sich kein anderes Ergebnis, wenn man den Kläger so behandeln würde, als sei ihm keine Lohnsteuerkarte ausgestellt worden. Denn wenn einem Arbeitslosen - etwa wegen vorheriger selbstständiger Tätigkeit - zu Beginn des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist, keine Lohnsteuerkarte ausgestellt war, ist der Berechnung der Leistung Alg die Lohnsteuerklasse zugrunde zu legen, die eingetragen worden wäre, wenn eine Lohnsteuerkarte ausgestellt worden wäre ( - SozSich 1984, 215 = DBlR 2955, AFG/§ 113; Behrend in Eicher/Schlegel, Kommentar zum SGB III, Stand August 2007, § 133 RdNr 50; sogar Valgolio in Hauck/Noftz, SGB III, K § 153 RdNr 57). Da auf der Lohnsteuerkarte der Ehefrau des Klägers die Lohnsteuerklasse III eingetragen war, wäre dem Kläger eine Karte mit Lohnsteuerklasse V auszustellen gewesen.

31Vorliegend kommt hinzu, dass eine Berechnung des Alg nach Lohnsteuerklasse III dazu führen müsste, dass der Ehefrau des Klägers, falls in ihrer Person ebenfalls ein Anspruch auf Alg entstanden wäre, dieses gemäß § 133 SGB III aF ebenfalls nach Lohnsteuerklasse III zu zahlen wäre. Die Zahlung von Alg nach Lohnsteuerklasse III an beide Ehegatten ist aber gesetzlich nicht vorgesehen.

32Auch ohne die nur gedachte Arbeitslosigkeit der Ehefrau führte die vom Kläger begehrte Berechnungsweise zu Ungleichheiten. Denn Ehegatten oder Lebenspartner, von denen der eine Teil beschäftigt ist und der andere Teil Leistungen bei Arbeitslosigkeit bezieht, müssen sich entscheiden, ob bei dem beschäftigten Ehegatten der Lohnsteuerabzug nach Lohnsteuerklasse III und bei dem anderen Teil das Alg nach Lohnsteuerklasse V berechnet wird oder ob - umgekehrt - der Lohnsteuerabzug beim beschäftigten Ehepartner nach Lohnsteuerklasse V erfolgt und das Alg des anderen nach Lohnsteuerklasse III bemessen wird. Demgegenüber würde die vom Kläger vorgeschlagene Lösung dazu führen, dass er Alg berechnet nach Lohnsteuerklasse III erhielte, während bei seiner Ehefrau für dieselben Zeiträume Lohnsteuer ebenfalls nach Lohnsteuerklasse III abgezogen wurde.

33Zwar mag es im Verhältnis des selbstständig tätigen Klägers zu seiner abhängig beschäftigten Ehefrau steuerrechtlich sachgerecht gewesen sein, dass er Einkommensteuervorauszahlung leistete und die Ehefrau ihre Abzüge steuerrechtlich dadurch gering hielt, dass sie Lohnsteuerklasse III wählte. Mit Eintritt des Klägers in ein System zur Absicherung von Beschäftigten hätten die Eheleute im Hinblick auf die ab zu erwartenden Entgeltersatzleistungen ihre bisherige Steuerklassenwahl aber ändern können. Dass dies nicht geschehen ist, zeigt, dass den Ehepartnern die bisherige Wahl von Steuermerkmalen im Rahmen der bestehenden Dispositionsfreiheit (vgl § 39 Abs 4 S 1 und 4 EStG; siehe auch § 118 Abs 2, § 133 Abs 3 SGB III aF), weiterhin sachgerecht erschien. Diese Dispositionsfreiheit ist einer der Gründe dafür, dass die BA die steuerliche Richtigkeit und Zweckmäßigkeit der Steuerklassenwahl grundsätzlich nicht überprüfen, sondern als gegeben hinnehmen soll (noch zum AFG: - SozR 4100 § 113 Nr 9 S 55).

34Nach allem ist die Berechnung des Alg des Klägers nach Maßgabe der Lohnsteuerklasse V nicht zu beanstanden. Ein Anspruch auf höheres Alg besteht nicht.

35Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 183, 193 SGG.

ECLI Nummer:
ECLI:DE:BSG:2014:110314UB11AL1013R0

Fundstelle(n):
DB 2014 S. 1500 Nr. 26
DB 2014 S. 7 Nr. 26
UAAAE-63865