BFH Urteil v. - IX R 46/12

Optionseinräumung kein Termingeschäft; Verlustausgleichsbeschränkung des § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG verfassungsgemäß

Leitsatz

1. Einkünfte aus der Glattstellung erworbener Optionsrechte können nicht dem Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG zugeordnet werden. Denn § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG verdrängt als speziellere Norm die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG über Termingeschäfte.
2. Wer einem Anderen eine Option einräumt, erwirbt kein Recht auf einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder Vorteil i.S. des § 23 Abs. 1 Nr. 4 EStG. Der Stillhalter muss die als Entschädigung für die Bindung und Risiken, die er durch das Begeben des Optionsrechts eingeht, erhaltene Optionsprämie nach § 22 Nr. 3 EStG versteuern. Das gilt auch bei Abschluss von Kombinationsgeschäften.
3. Besteht ein Kombinationsgeschäft aus rechtlich selbständigen Grundgeschäften, die unterschiedliche Besteuerungstatbestände erfüllen, ist es entsprechend den für die darin enthaltenen Grundgeschäfte geltenden steuerlichen Regelungen in Einkünfte aus Leistungen und Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften aufzuteilen.
4. Die Verlustausgleichsbeschränkung des § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG ist verfassungsgemäß.
5. Die Erhebung einer durch das Zusammenwirken verschiedener Regelungen entstandenen Einkommensteuerschuld, der in Wirklichkeit keinerlei Zuwachs an Leistungskraft zugrunde liegt, verstößt gegen das für das gesamte Steuerrecht geltende Übermaßverbot und gegen das besonders das Einkommensteuerrecht beherrschende Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit. Es besteht insoweit eine Verfassungspflicht zum Billigkeitserlass.

Gesetze: EStG § 22 Nr. 2, EStG § 22 Nr. 3, EStG § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, EStG § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, EStG § 20 Abs. 1 Nr. 11, EStG § 20 Abs. 2 Nr. 3, EStG § 22 Nr. 3, EStG § 52a Abs. 10a, GG Art. 3, GG Art. 20 Abs. 3, AO § 227, KredWG § 1, WpHG § 2

Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),

Gründe

1 I. Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurden im Streitjahr 2002 als Ehegatten zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Kläger unterhielt ein Wertpapierdepot bei der E-Bank (E), die als Vermögensverwalterin für ihn Optionsgeschäfte an der Terminbörse EUREX abwickelte.

2 Nachdem der Kläger aus diesen Optionsgeschäften Verluste erzielt hatte, vereinbarte er im Jahr 2001 mit der E, zur Verminderung des Risikos künftig neue Positionen als Optionsgeber (Stillhalter) nur noch in Verbindung mit gegenläufigen Positionen als Optionskäufer zu eröffnen. Die für den Kläger handelnde E verknüpfte daraufhin ab September 2001 den Verkauf von Verkaufsoptionen (short-Positionen) auf den Deutschen Aktien-Index (DAX) jeweils mit dem Kauf der gleichen Anzahl von Verkaufsoptionen (long-Positionen) mit derselben Laufzeit, aber niedrigerem Basiskurs. Durch diese Kombinationsgeschäfte (sog. spreads) sollte das Verlustrisiko auf den Differenzbetrag zwischen den unterschiedlichen Basispreisen begrenzt werden. Die Schließung (sog. closing) dieser Optionen erfolgte jeweils durch ein betrags- und laufzeitkongruentes Gegengeschäft (Glattstellung).

3 Der Kläger ermittelte im Rahmen dieser Kombinationsgeschäfte für das Streitjahr 2002 aus dem Verkauf von Put-Optionen (Verkaufsoptionen) einen Verlust in Höhe von 18.640.441 €, der sich wie folgt berechnet:

4


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short-Positionen:
 
Erlöste Stillhalterprämien  
23.656.250Euro
Gezahlte Prämien
./. 42.124.550Euro
Nebenkosten
./. 75.254Euro
Gebühren
./. 96.887Euro
Verlust
18.640.441Euro

5 Aus dem Erwerb von Put-Optionen ermittelte der Kläger im Rahmen der Kombinationsgeschäfte einen Gewinn in Höhe von 5.237.850 €, der sich wie folgt berechnet:

6


Tabelle in neuem Fenster öffnen
long-Positionen:
 
Vereinnahmte Prämien  
17.934.830 Euro
Gezahlte Prämien
./. 12.654.250 Euro
Nebenkosten
./. 42.730 Euro
Gewinn
5.237.850 Euro

7 Außerhalb dieser Kombinationsgeschäfte veräußerte der Kläger im Streitjahr als Optionsgeber vier Kaufoptionen (Call-Optionen). Er erzielte daraus einen Überschuss nach Glattstellung bzw. Verfall in Höhe von 934.711 €.

8 Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) erfasste im Streitjahr die Überschüsse aus long-Positionen als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) —unter Übernahme eines nicht angegriffenen und zu Gunsten der Kläger wirkenden Additionsfehlers (./. 22.500 €)— in Höhe von 5.215.350 €. Die Differenz aus den Stillhaltergeschäften in Höhe von ./. 17.705.730 € (Summe aus ./. 18.640.441 € und 934.711 €) ordnete das FA den Einkünften aus Leistungen gemäß § 22 Nr. 3 EStG zu. Eine Verrechnung der Verluste aus den Stillhaltergeschäften mit den Gewinnen aus den Veräußerungsgeschäften lehnte es aufgrund des Verlustausgleichsverbotes in § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG ab.

9 Der Einspruch, mit dem die Kläger die Verrechnung der Gewinne aus den Veräußerungsgeschäften mit den Verlusten aus den Stillhaltergeschäften im Rahmen eines Differenzausgleichs i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG begehrten, und die Klage blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) beurteilte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2013, 628 veröffentlichten Urteil die Einkünfte aus der Glattstellung der von dem Kläger erworbenen Optionsrechte als steuerbare private Veräußerungsgeschäfte i.S. des § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Eröffnungs- und Glattstellungsgeschäft bildeten keine Einheit, die sich lediglich auf einen Differenzausgleich richte. Die Prämien, die der Kläger aus der Einräumung von Optionen als Stillhalter vereinnahmt habe, seien abzüglich der Aufwendungen für die Glattstellung dieser Stillhaltergeschäfte als Einkünfte aus Leistungen gemäß § 22 Nr. 3 EStG zu erfassen. An dieser rechtlichen Zuordnung der Einkünfte aus Stillhaltergeschäften ändere sich nichts dadurch, dass er den Verkauf und den Kauf von Optionen auf denselben Basiswert in Gestalt sog. Kombinationsgeschäfte zur Verminderung des Risikos der Stillhaltergeschäfte miteinander verknüpft habe, da es sich um rechtlich selbständige Grundgeschäfte handele. Die Stillhaltergeschäfte könnten damit nicht zusammen mit der Veräußerung der zur Risikobegrenzung erworbenen Optionen als einheitliches Termingeschäft unter den Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG erfasst werden. Dass die Verluste aus den Stillhaltergeschäften und die Gewinne aus den Veräußerungsgeschäften bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht verrechnet werden könnten, beruhe auf der verfassungsgemäßen gesetzlichen Verlustausgleichsbeschränkung des § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG.

10 Mit ihrer auf die Verletzung materiellen Rechts gestützten Revision tragen die Kläger vor, die getätigten Optionsgeschäfte seien so eng miteinander verknüpft gewesen, dass ein Kauf von Put-Optionen nicht ohne den Verkauf von Put-Optionen zustande kommen sollte und damit den Geschäften eine einheitliche wirtschaftliche Veranlassung zugrunde gelegen habe. Durch den zeitgleichen Kauf und Verkauf von Put-Optionen seien „geschlossene Positionen” eröffnet worden, die nur durch zeitgleich erfolgende positionsausgleichende Gegengeschäfte wieder geschlossen werden konnten und daher die Geschäfte auf einer einheitlichen Handlungs- und Erwerbsgrundlage beruht hätten. Der zeitliche, wirtschaftliche und sachliche Zusammenhang zwischen den Geschäften stehe der willkürlichen Aufspaltung des „einheitlich” veranlassten Optionsgeschäfts entgegen; die getätigten Geschäfte seien somit auf die Erzielung eines Differenzgewinns i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG ausgerichtet gewesen. Eine Gesetzesauslegung, die das Ergebnis aus den verkauften Optionen den sonstigen Leistungen i.S. des § 22 Nr. 3 EStG zuweise, führe zur Verfassungswidrigkeit des § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG, da ein von dem Kläger tatsächlich nicht erzielter Zuwachs an Leistungsfähigkeit der Besteuerung unterworfen werden würde.

11 Die Kläger beantragen,

das angefochtene Urteil aufzuheben und den Einkommensteuerbescheid für 2002 vom in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom dahingehend zu ändern, dass der bei den Einkünften aus Leistungen i.S. des § 22 Nr. 3 EStG erfasste Verlust in Höhe von 18.640.441 € aus dem Verkauf der Put-Optionen im Rahmen der sog. Kombinationsgeschäfte einheitlich den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 EStG zugewiesen wird,

hilfsweise,

dass die Einkünfte aus den streitigen Kombinationsgeschäften einheitlich den Einkünften aus Leistungen gemäß § 22 Nr. 3 EStG zugeordnet werden.

12 Das FA beantragt,

die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

13 II. Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—).

14 Zutreffend hat das FG den Gewinn in Höhe der Differenz zwischen den bei Abschluss des Eröffnungsgeschäfts gezahlten (Anschaffungskosten) und den bei Abschluss des Gegengeschäfts im Streitjahr vereinnahmten Optionsprämien (Veräußerungspreis) als Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften gemäß § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG erfasst (1.). Es hat ferner zu Recht die Prämien, welche der Kläger aus der Einräumung von Optionen als Stillhalter vereinnahmte, als Einkünfte aus Leistungen gemäß § 22 Nr. 3 EStG erfasst (2.), den Verlust aus Stillhaltergeschäften mit Put-Optionen in Höhe von 18.640.441 € nicht den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG zugewiesen (3.) und eine Verrechnung des insgesamt aus Stillhaltergeschäften i.S. des § 22 Nr. 3 EStG erzielten Verlusts in Höhe von 17.705.730 € mit den positiven Einkünften aus der Veräußerung erworbener Optionen (§ 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) wegen der Verlustausgleichsbeschränkung des § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG abgelehnt (4.). Der gestellte Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet (5.). Über einen etwaigen Erlass aus Gründen der Billigkeit hat der Senat nicht zu entscheiden (6.).

15 1. Private Veräußerungsgeschäfte (§ 22 Nr. 2 EStG) sind gemäß § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG Veräußerungsgeschäfte von Wirtschaftsgütern, insbesondere bei Wertpapieren, bei denen der Zeitraum zwischen Anschaffung und Veräußerung nicht mehr als ein Jahr beträgt.

16 a) Zu den Wirtschaftsgütern, die Gegenstand eines Spekulationsgeschäfts sein können, zählen auch an der EUREX gehandelte Optionen (, BFH/NV 1997, 105; vom  IX R 2/02, BFHE 202, 351, BStBl II 2003, 752). Werden —wie im Streitfall— die vom Kläger erworbenen Optionsrechte durch Gegengeschäfte innerhalb der Veräußerungsfrist glattgestellt, verwirklicht er —wie der BFH bereits im Urteil in BFHE 202, 351, BStBl II 2003, 752, m.w.N.entschieden hat— in Höhe der Differenz zwischen der bei Abschluss des Eröffnungsgeschäfts gezahlten und der bei Abschluss des Gegengeschäfts vereinnahmten Optionsprämien den Steuertatbestand des § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG. Denn das Gegengeschäft, mit dem der Optionsberechtigte seine Position glattstellt, führt zu einer Veräußerung der Option.

17 b) Entgegen der Auffassung der Kläger können die Einkünfte aus der Glattstellung der erworbenen Optionsrechte nicht dem Tatbestand des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG zugeordnet werden. Denn § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG verdrängt als speziellere Norm die Vorschrift des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG über Termingeschäfte (gl. A. Heuermann, Der Betrieb —DB— 2003, 1919, 1922; Heuermann, DB 2004, 1848, 1852; Musil in Herrmann/ Heuer/Raupach —HHR—, § 23 EStG Rz 187 (Lfg. 228 August 2007); Carlé in Korn, § 23 EStG Rz 54.1; Wernsmann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 23 Rz B 170 f.; a.A. Glenk in Blümich, § 23 EStG Rz 71 f.).

18 Termingeschäfte sind private Veräußerungsgeschäfte (§ 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG), „durch die der Steuerpflichtige einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt, sofern der Zeitraum zwischen Erwerb und Beendigung des Rechts auf einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder Vorteil nicht mehr als ein Jahr beträgt”. Abweichend von § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG verzichtet § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG auf die Tatbestandsmerkmale „Wirtschaftsgut” und „Veräußerung” (, BFHE 217, 566, BStBl II 2007, 608). Wenn —wie im Streitfall— die erworbenen Optionen durch Gegengeschäfte veräußert werden, ist § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG vorrangig anwendbar, da die „Veräußerung” eine besondere Beendigungsform ist (vgl. Heuermann, DB 2004, 1848, 1852).

19 2. Einkünfte aus Leistungen sind nach der ständigen Rechtsprechung des BFH Entgelte, die der Stillhalter als Entschädigung für die Bindung und die Risiken, die er durch das Begeben des Optionsrechts eingeht, unabhängig vom Zustandekommen des Basisgeschäfts allein für das Stillhalten erhält (vgl. z.B. , BFHE 206, 418, BStBl II 2004, 995, m.w.N.).

20 a) Der BFH trennt zwischen Eröffnungs-, Basis- und Gegengeschäft (so BFH-Urteile in BFHE 202, 351, BStBl II 2003, 752; vom I R 17/02, BFHE 201, 234, BStBl II 2004, 126, und in BFHE 217, 566, BStBl II 2007, 608). Deshalb bilden das die Prämie auslösende Begeben einer Option und das nachfolgende Geschäft (z.B. Glattstellung oder Basisgeschäft) kein einheitliches Termingeschäft. Der Optionsgeber erhält die Prämie als Gegenleistung für eine wirtschaftlich und rechtlich selbständige Leistung, nämlich für seine vertraglich eingegangene Bindung und das damit verbundene Risiko, in Anspruch genommen zu werden. Er behält sie auch dann, wenn er aus der Option nicht in Anspruch genommen wird und ein Basisgeschäft nicht durchführen muss (siehe auch , BFHE 163, 175, BStBl II 1991, 300; zur Abgrenzung der im Stillhalten liegenden steuerbaren Leistung von Einkünften aus Kapitalvermögen sowie von Einkünften aus Gewerbebetrieb vgl. insbesondere , BFH/NV 2005, 51).

21 b) An dieser Auffassung hält der BFH —wie er bereits im Urteil in BFHE 217, 566, BStBl II 2007, 608, m.w.N. entschieden hat— auch für die Rechtslage nach Einführung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG fest (so auch BStBl I 2001, 986 ff., Rz 24 und 27): Die Stillhalterprämie ist nicht zusammen mit den anderen Optionsgeschäften einheitlich § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG zuzuordnen, da die Tatbestandsmerkmale dieser Vorschrift nicht erfüllt sind. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG betrifft lediglich Optionen, die der Berechtigte erwirbt, nicht aber solche, die er einräumt (vgl. BFH-Urteil in BFHE 217, 566, BStBl II 2007, 608; Heuermann, DB 2004, 1848, 1852).

22 aa) Dies folgt bereits aus dem Wortlaut der Regelung. Denn der Zeitraum „zwischen Erwerb und Beendigung des Rechts auf einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder Vorteil” darf nicht mehr als ein Jahr betragen. Das Gesetz setzt damit den Erwerb (die Anschaffung) des dort umschriebenen Rechts voraus.

23 bb) Dem entspricht auch die Entstehungsgeschichte der Norm. Der Gesetzgeber orientiert sich, indem er den Begriff des Differenzgeschäfts durch den Begriff des Termingeschäfts ersetzt (vgl. BTDrucks 14/443, S. 28 bis 29, beginnend —zu Nummer 31—), an den Regelungen in § 2 des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) i.d.F. der Bekanntmachung vom (BGBl I 1998, 2708; zuletzt geändert durch Art. 8 Nr. 1 Buchst. a des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/61/EU über die Verwalter alternativer Investmentfonds —AIFM-Umsetzungsgesetz— vom , BGBl I 2013, 1981) und an § 1 des Kreditwesengesetzes i.d.F. der Bekanntmachung von —BGBl I 1998, 2776— (grundlegend BFH-Urteil in BFHE 217, 566, BStBl II 2007, 608).

24 Termingeschäfte sind nach § 2 Abs. 2 Nr. 1 WpHG Festgeschäfte oder Optionsgeschäfte, die zeitlich verzögert zu erfüllen sind und deren Wert sich unmittelbar oder mittelbar vom Preis oder Maß eines bestimmten Basiswertes ableitet. Zu den Termingeschäften in diesem Sinne zählt mithin auch das Optionsgeschäft. Nach wie vor erforderlich ist jedoch der Erwerb des Rechts.

25 cc) Wer einem Anderen eine Option einräumt, erwirbt kein Recht auf einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder Vorteil i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG. Zwar erhält er eine Optionsprämie. Dieses Entgelt ist aber kein „Geldbetrag” im Sinne der Vorschrift, weil es sich nicht durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmt (siehe dazu auch die Gesetzesbegründung in BTDrucks 14/443, S. 29).

26 dd) Dass der Kläger im Rahmen von Kombinationsgeschäften zeitgleich mit dem Verkauf auf einen bestimmten Basispreis lautender Put-Optionen auf den DAX eine identische Anzahl von Put-Optionen auf den DAX mit einem um 500 Punkte niedrigeren Basispreis erworben hat, rechtfertigt keine abweichende einkommensteuerrechtliche Beurteilung der Einkünfte aus Stillhaltergeschäften. Da ein Kombinationsgeschäft aus rechtlich selbständigen Grundgeschäften besteht, die —wie oben dargelegt— unterschiedliche Besteuerungstatbestände erfüllen, ist es entsprechend den für die darin enthaltenen Grundgeschäfte geltenden steuerlichen Regelungen in Einkünfte aus Leistungen und Einkünfte aus privaten Veräußerungsgeschäften aufzuteilen (vgl. BFH-Urteil in BFHE 163, 175, BStBl II 1991, 300; BMF-Schreiben in BStBl I 2001, 986 ff., Rz 28; Wernsmann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 23 Rz B 181). Steuerrechtlich besteht daher —entgegen der Auffassung des Klägers— keine gesetzliche Grundlage, Kombinationsgeschäfte als „einheitliche Erwerbsgrundlage” oder „einheitliche Optionsgeschäfte” einzuordnen. Die einheitliche wirtschaftliche Zielsetzung einschließlich der Saldierung der insoweit erzielten Erlöse bewirkt zwar eine Begrenzung des Verlustrisikos; eine steuerrechtliche „Saldierung” findet indessen nicht statt.

27 ee) Soweit die Kläger vortragen, die zwischen dem Kläger und der E bestehende Verrechnungsabrede überlagere die rechtliche Selbständigkeit verkaufter und gekaufter Optionen, ist dieser Auffassung nicht zu folgen. Der Grundsatz der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung (Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 3 AO Rz 33 ff., m.w.N.) verlangt für die Anwendung des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG Termingeschäfte, durch die der Steuerpflichtige „einen Differenzausgleich oder einen durch den Wert einer veränderlichen Bezugsgröße bestimmten Geldbetrag oder Vorteil erlangt, sofern der Zeitraum zwischen Erwerb und Beendigung des Rechts auf einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder Vorteil nicht mehr als ein Jahr beträgt”. Nach den bindenden Feststellungen des FG wickelte E lediglich als Vermögensverwalterin für den Kläger Optionsgeschäfte an der Terminbörse EUREX ab; sie trat mithin als Vermittler, nicht aber als Vertragspartner des Klägers im Hinblick auf die Optionsgeschäfte auf. Die unterschiedlichen Vertragspartner für die Stillhaltergeschäfte und für die Veräußerung der zur Risikobegrenzung erworbenen Optionen konnten dem Kläger bereits aufgrund ihrer Personenverschiedenheit kein „einheitliches” Termingeschäft anbieten, durch das er einen Differenzausgleich i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG hätte erlangen können. Ebenso wenig stellt eine rein im Innenverhältnis —zwischen dem Kläger und der Bank— getroffene Abrede über die Verrechnung der Ergebnisse aus gekauften und verkauften Optionen ein Termingeschäft i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG dar. Der Kläger hat mit der E keine Fest- oder Optionsgeschäfte abgeschlossen.

28 Im Übrigen würde im Streitfall auch die von den Klägern vorgetragene einheitliche und wirtschaftliche Betrachtung der gekauften und verkauften Put-Optionen nicht dazu führen, dass die notwendig zu erfüllenden steuerbegründenden Merkmale des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG erfüllt wären. Diese Regelung erfordert den „Erwerb” (die Anschaffung) des dort umschriebenen Rechts. Daran fehlt es für die eingeräumten Optionen. Ebenso wenig erwarb der Kläger ein Recht auf einen Differenzausgleich, Geldbetrag oder Vorteil i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 EStG, als er einem Anderen eine Option einräumte (vgl. BFH-Urteil in BFHE 217, 566, BStBl II 2007, 608).

29 3. Nach diesen Maßstäben hat die Vorentscheidung zu Recht —entgegen der Ansicht der Kläger— den Verlust aus den Stillhaltergeschäften mit Put-Optionen in Höhe von 18.640.441 € nicht den Einkünften aus privaten Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 Abs. 1 Satz 1 EStG zugewiesen.

30 4. Das FG hat zutreffend eine Verrechnung des insgesamt aus Stillhaltergeschäften i.S. des § 22 Nr. 3 EStG erzielten Verlusts in Höhe von 17.705.730 € mit den positiven Einkünften aus der Veräußerung erworbener Optionen (§ 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) wegen der Verlustausgleichsbeschränkung des § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG abgelehnt.

31 a) Dass die Verluste aus den Stillhaltergeschäften und die Gewinne aus den privaten Veräußerungsgeschäften bei der Ermittlung des Gesamtbetrags der Einkünfte nicht verrechnet werden können, beruht auf der gesetzlichen Verlustausgleichsbeschränkung des § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG, die wie folgt lautet: „Übersteigen die Werbungskosten die Einnahmen, so darf der übersteigende Betrag bei Ermittlung des Einkommens nicht ausgeglichen werden; er darf auch nicht nach § 10d abgezogen werden.”

32 b) Dagegen bestehen —entgegen der Auffassung des Klägers— keine verfassungsrechtlichen Zweifel.

33 aa) Dies hat der BFH für § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG (, BFHE 219, 81, BStBl II 2008, 26) und für § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG (, BFHE 215, 202, BStBl II 2007, 259) explizit entschieden. Der Senat hat in seinem Urteil vom IX R 35/01 (BFHE 206, 273, BStBl II 2005, 26) die systematische und strukturelle Verknüpfung der Verlustausgleichsbeschränkungen in § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG und in § 23 Abs. 3 Satz 8 EStG hervorgehoben. Überdies ist der Gesetzgeber nach dem (BVerfGE 99, 88, unter B.II.4.d) befugt, die Unschärfe des § 22 Nr. 3 EStG typisierend —wie de lege lata geschehen— durch eine Begrenzung der Verlustverrechnung auszugleichen (so auch die BFH-Urteile in BFHE 206, 273, BStBl II 2005, 26, unter II.2.b, und in BFHE 219, 81, BStBl II 2008, 26).

34 bb) Dass das BVerfG mit dem Beschluss vom 2 BvR 1710/10 (BFH/NV 2011, 180) bei der in einem Aussetzungsverfahren gebotenen summarischen Prüfung Zweifel daran, ob eine Besteuerung unter getrennter Erfassung von Options- und Basisgeschäft verfassungsgemäß ist, nicht für völlig ausgeschlossen gehalten hat, ist im Streitfall nicht entscheidungserheblich, da der Kläger abweichend von dem dem Beschluss des BVerfG zugrunde liegenden Sachverhalt die Stillhaltergeschäfte durch Glattstellung geschlossen hat und die hierfür gezahlten Prämien unbeschadet der Trennung in dem angefochtenen Einkommensteuerbescheid für 2002 als Werbungskosten bei den Einkünften aus Leistungen abgezogen worden sind. Der Verlust des Klägers aus Stillhaltergeschäften resultiert gerade aus der Berücksichtigung der gezahlten Prämien für die Gegengeschäfte.

35 cc) Entgegen der Auffassung der Kläger folgt für den Streitfall aus der durch das Jahressteuergesetz 2009 (JStG 2009) vom (BGBl I 2008, 2794) eingefügten Regelung des § 52a Abs. 10a EStG, die in zeitlicher Hinsicht die durch § 22 Nr. 3 Sätze 5 und 6 EStG i.d.F. des JStG 2009 geschaffene Verrechnungsmöglichkeit von durch § 22 Nr. 3 Satz 3 EStG erfassten „Altverlusten” mit Einkünften aus Stillhaltergeschäften i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 11 EStG n.F. auf einen Zeitraum von fünf Jahren (letztmals für den Veranlagungszeitraum 2013) beschränkt, kein verfassungsrechtlich unzulässiger Eingriff in eine Vermögensposition des Klägers (vgl. zu den verfassungsrechtlichen Bedenken an § 22 Nr. 3 Sätze 5 und 6 EStG i.V.m. § 52a Abs. 10a EStG HHR/Killat-Risthaus, § 22 EStG Rz 398; Lüsch in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 22 EStG Rz 386).

36 Denn für das Streitjahr 2002 ist bereits der zeitliche Anwendungsbereich der Regelung des § 52a Abs. 10a EStG nicht eröffnet. Ob der Kläger —wie er vorträgt— durch nach Ablauf des Veranlagungszeitraums 2013 getätigte Stillhaltergeschäfte ein ggf. bestehendes Verlustverrechnungspotenzial nicht mehr nutzen könnte, kann der Senat unerörtert lassen, da sich die Revision alleine gegen den Einkommensteuerbescheid für 2002 richtet.

37 dd) Damit hält der Senat an seiner im Urteil in BFHE 219, 81, BStBl II 2008, 26 zum Ausdruck gekommenen Rechtsprechung fest. Hierfür spricht neben den oben angeführten Argumenten auch der Grundsatz der Rechtskontinuität. Der Kontinuität der Rechtsprechung kommt große Bedeutung zu; sie dient der von Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes umfassten Rechtssicherheit und kann nur aus wichtigem Grund aufgegeben werden (, BFH/NV 2002, 1575; Beschluss des Großen Senats des , BFHE 141, 405, BStBl II 1984, 751; , BFHE 236, 557, BStBl II 2012, 454). Es wäre nicht angemessen, eine jahrelange kontinuierliche Rechtsprechung, die zur Grundlage der ständigen Verwaltungspraxis geworden ist, nach Auslaufen des Rechts wieder in Frage zu stellen. Das würde mit Blick auf viele rechtskräftig abgeschlossene Verfahren zu einer eklatant ungleichen steuerrechtlichen Behandlung führen.

38 5. Der Hilfsantrag ist ebenfalls unbegründet.

39 Die Einkünfte aus den privaten Veräußerungsgeschäften (§ 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) können nicht den Einkünften aus Leistungen gemäß § 22 Nr. 3 EStG zugeordnet werden. § 22 Nr. 3 EStG ist gegenüber § 22 Nr. 2 i.V.m. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG subsidiär; denn Einkünfte aus Leistungen sind nur dann nach § 22 Nr. 3 EStG steuerbar, wenn sie —anders als im Streitfall— nicht zu den Einkünften i.S. von § 22 Nr. 2 EStG (und damit zu § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG) gehören (vgl. BFH-Urteil in BFHE 217, 566, BStBl II 2007, 608).

40 6. Das BVerfG hat eine Verfassungspflicht zum Billigkeitserlass festgestellt, wenn die Anwendung eines nicht zu beanstandenden Gesetzes in Einzelfällen zu einem „ungewollten Überhang” führt (vgl. z.B. BVerfG-Beschlüsse vom 1 BvR 117/73, BVerfGE 48, 102, BStBl II 1978, 441, dort unter C.II.3.; vom 2 BvR 1852/97, 2 BvR 1853/97, BVerfGE 99, 273, BStBl II 1999, 194). Die Erhebung einer durch das Zusammenwirken verschiedener Regelungen entstandenen Einkommensteuerschuld, der in Wirklichkeit keinerlei Zuwachs an Leistungskraft zugrunde liegt, verstößt gegen das für das gesamte Steuerrecht geltende Übermaßverbot und gegen das besonders das Einkommensteuerrecht beherrschende Prinzip der Besteuerung nach der Leistungsfähigkeit (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 1 BvL 10/80, BVerfGE 66, 214, BStBl II 1984, 357, dort unter C.I.2., und vom 2 BvL 5/91, 8/91 und 14/91, BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413; , BFHE 176, 3, BStBl II 1995, 297). Dem kann nur durch einen in diesem Verfahren nicht gegenständlichen und daher nicht zu entscheidenden Billigkeitserlass begegnet werden.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2014 S. 1025 Nr. 7
DStZ 2014 S. 438 Nr. 13
HFR 2014 S. 610 Nr. 7
DAAAE-63499