BGH Beschluss v. - 1 StR 50/14

Strafverfahren: Ersetzung des Eröffnungsbeschlusses durch den in einer anderen Sache ergangenen Abtrennungsbeschluss für ein hinzuverbundenes Verfahren

Gesetze: § 203 StPO, § 207 StPO, § 76 Abs 1 GVG

Instanzenzug: LG Ravensburg Az: 2 KLs 460 Js 20893/13 Jug

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten Diebstahls in Tateinheit mit Sachbeschädigung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten verurteilt. Im Übrigen hat es ihn freigesprochen. Die Revision des Angeklagten, mit der er - gestützt auf die allgemeine Sachrüge - seine Verurteilung beanstandet, führt insoweit zur Einstellung des Verfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses. Der nicht angefochtene Teilfreispruch ist rechtskräftig.

2Zu den Prozessvoraussetzungen hat der Generalbundesanwalt zutreffend ausgeführt:

„Durch Beschluss vom im Verfahren                 (Akte                 , Band III, Bl. 442) trennte das Landgericht den die Tat des Angeklagten vom betreffenden Teil einer Anklage der Staatsanwaltschaft Ravensburg vom (Akte                   , Band I, Bl. 7 ff.) ab. Dieser Beschluss erging in der Besetzung der Strafkammer außerhalb der Hauptverhandlung mit drei Berufsrichtern.

Im Hauptverhandlungstermin vom selben Tag hat das Landgericht den genannten Tatkomplex durch Beschluss zum Verfahren                      hinzuverbunden (Protokoll S. 5). Anschließend wurde durch einen weiteren Beschluss im selben Termin hinsichtlich des hinzuverbundenen Teils der Anklage vom das Hauptverfahren eröffnet. Beide Beschlüsse fasste das Landgericht in der Besetzung der Hauptverhandlung mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen (Protokoll S. 2, 4; Beschluss des Landgerichts Ravensburg vom , Akte               , Band I, Bl. 426 f.). Der Angeklagte, die Verteidigung und die Staatsanwaltschaft erklärten sich jeweils mit 'dieser Sachbehandlung' einverstanden. Der den hinzuverbundenen Teil der Anklage vom betreffende Anklagesatz wurde verlesen."

(Es) „liegt in dem in der Hauptverhandlung gefassten 'Eröffnungsbeschluss' keine wirksame Eröffnung des Hauptverfahrens im Sinne von § 207 StPO, weil das Landgericht nicht in der dafür gesetzlich vorgesehenen Besetzung entschieden hat. Sie war in der Hauptverhandlung gemäß § 76 Abs. 2 Satz 1 GVG mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen besetzt. Über eine - grundsätzlich mögliche - nachträgliche Eröffnung des Hauptverfahrens in der Hauptverhandlung entscheidet aber beim Landgericht auch dann die Große Strafkammer in ihrer Besetzung außerhalb der Hauptverhandlung mit drei Berufsrichtern ohne Mitwirkung der Schöffen, wenn die Kammer die Hauptverhandlung in reduzierter Besetzung durchführt (vgl. Senat, Beschluss vom - 1 StR 388/11; ; Beschluss vom - 4 StR 596/09; Beschluss vom - 4 StR 216/10). Auch eine Einbeziehung über § 266 StPO, über die in der Besetzung der Hauptverhandlung hätte entschieden werden können, lag nicht vor."

3Der Umstand, dass das Landgericht bei dem mit drei Berufsrichtern gefassten Abtrennungsbeschluss vom das Ziel verfolgte, den abgetrennten Verfahrensteil sogleich zum Verfahren                   Jug. hinzu zu verbinden, macht einen in der gesetzlich vorgeschriebenen Besetzung ergangenen Eröffnungsbeschluss (§§ 203, 207 StPO) nicht entbehrlich. Denn der Abtrennungsbeschluss ist nicht dahin auszulegen, dass er - schlüssig (vgl. dazu , BGHR StPO § 203 Beschluss 5) - die Eröffnung des Verfahrens mit enthalten sollte. Diese blieb vielmehr einem eigenständigen Beschluss vorbehalten, der dann allerdings in der Hauptverhandlung nach Verfahrensverbindung fehlerhaft mit zwei Berufsrichtern und zwei Schöffen getroffen wurde.

4Damit lag hinsichtlich des hinzuverbundenen Verfahrensteils, der zur Verurteilung des Angeklagten geführt hat, mangels wirksamen Eröffnungsbeschlusses ein Verfahrenshindernis vor (vgl. , NStZ 2012, 50). Das Verfahren ist insoweit einzustellen; betroffen ist nur der Tatvorwurf, hinsichtlich dessen das Landgericht den Angeklagten verurteilt hat.

Raum                        Graf                               Jäger

              Cirener                      Mosbacher

Fundstelle(n):
HAAAE-62922