Klage auf Abgabe einer Willenserklärung - Klagestattgabe ohne Antrag
Gesetze: § 308 Abs 1 S 1 ZPO
Instanzenzug: Az: 33 Ca 11228/11 Urteilvorgehend LArbG Berlin-Brandenburg Az: 24 Sa 538/12 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die Begründung eines Arbeitsverhältnisses.
2Zwischen den Parteien bestand bis zum ein Arbeitsverhältnis. Die Klägerin erbrachte im Rahmen einer Personalgestellung ihre Arbeitsleistung bei der Betriebskrankenkasse des beklagten Landes, einer Körperschaft des öffentlichen Rechts (im Folgenden: BKK Berlin). Im August 1995 lehnte das beklagte Land gegenüber dem Vorstand der BKK Berlin die weitere Übernahme der Personalkosten für die Führung der Krankenkasse ab.
3Die Klägerin erhielt ein schriftliches Arbeitsvertragsangebot von der BKK Berlin. Mit Schreiben vom gab das beklagte Land, vertreten durch den damaligen Senator für Inneres, gegenüber der Klägerin und den anderen ca. 200 betroffenen Arbeitnehmern folgende Erklärung ab:
„…
die BKK Berlin hat Ihnen aufgrund des Arbeitgeberwechsels zum einen neuen Arbeitsvertrag ausgehändigt.
Vorausgesetzt, dass Sie dem Übergang Ihres Arbeitsverhältnisses auf die BKK Berlin zugestimmt haben, freue ich mich, Ihnen mitteilen zu können, dass der Senat von Berlin Ihnen ein unbefristetes Rückkehrrecht zum Land Berlin für den Fall der Schließung/Auflösung der BKK Berlin einräumt.
…“
4Die Klägerin unterzeichnete den Arbeitsvertrag mit der BKK Berlin.
5Das beklagte Land schloss mit der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) und der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG) am eine Vereinbarung zur Beschäftigungssicherung (im Folgenden: VBSV BKK). Diese enthielt ua. folgende Regelungen:
6Die Klägerin erhielt vom beklagten Land eine schriftliche Mitteilung vom , in der es heißt:
„…
wie wir Ihnen bereits in unserem Schreiben vom mitgeteilt haben, wird Ihnen als Beschäftigte/r der BKK unter bestimmten Voraussetzungen ein unbefristetes Rückkehrrecht zum Land Berlin gewährt. Dieses Rückkehrrecht ist zwischenzeitlich in einer Vereinbarung, die zwischen den Gewerkschaften ÖTV und DAG und dem Land Berlin, vertreten durch die Senatsverwaltung für Inneres, abgeschlossen wurde, zusätzlich abgesichert und konkretisiert worden. ...“
7Zum erfolgte eine freiwillige Vereinigung der BKK Berlin mit der BKK Hamburg zur City BKK. Das beklagte Land teilte der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) mit Schreiben vom mit, dass nach der Fusion der Fortbestand der VBSV BKK nicht erforderlich erscheine, und bat um Mitteilung, ob eine einvernehmliche Aufhebung möglich sei. Darauf antwortete ver.di dem beklagten Land im Juni 2004 ua. Folgendes:
„… Aufgrund dieser Fusion zum und der sie ergänzenden tariflichen Verständigung mit der City BKK sehen wir die Grundlage der VBSV BKK als nicht mehr gegeben an, so dass sie mit Wirkung der Fusion der beiden BKKen in Berlin und Hamburg zur City BKK entbehrlich geworden ist.
Hinsichtlich der in § 3 Absatz 1 der VBSV BKK getroffenen Regelung bezüglich der Berücksichtigung von in der BKK Berlin erbrachten Beschäftigungs- und Dienstzeiten würde es uns der Einfachheit halber genügen, wenn Sie uns schriftlich bestätigen, dass Sie diese Regelung inhaltlich ggf. zur Anwendung brächten. Mithin würde die VBSV BKK vom mit Wirkung des keine Anwendung mehr finden.
…
Sollten Sie wie wir mit dem Eintreten der Fusion zum die Wirkung der VBSV BKK vom als beendet ansehen und mit der unbürokratischen Verfahrensweise bezüglich einer möglichen Anwendung der sinngemäßen Regelungen hinsichtlich der in der BKK Berlin erbrachten Beschäftigungs- und Dienstzeiten einverstanden sein, bitten wir Sie lediglich um eine kurze schriftliche Bestätigung.“
8Das beklagte Land erwiderte hierauf mit Schreiben vom :
9Zum fusionierte die City BKK mit der BKK Bauknecht und der BeneVita BKK. Die dadurch entstandene Betriebskrankenkasse führte ebenfalls den Namen City BKK. Mit Bescheid vom ordnete das Bundesversicherungsamt die Schließung der City BKK mit Ablauf des an. Diese teilte der Klägerin Anfang Mai 2011 mit, dass ihr Arbeitsverhältnis nach § 164 Abs. 4 SGB V mit Ablauf des ende. Vorsorglich kündigte sie das Arbeitsverhältnis zum sowie hilfsweise zum . Die Klägerin verfolgt in einem gesonderten Verfahren die Feststellung des Fortbestands ihres Arbeitsverhältnisses zur City BKK.
10Im Mai 2011 machte die Klägerin unter Hinweis auf die VBSV BKK schriftlich ihr Rückkehrrecht gegenüber dem beklagten Land geltend. Dieses lehnte mit Schreiben vom die von der Klägerin beantragte Wiedereinstellung ab.
11Die Klägerin ist der Auffassung, die Voraussetzungen der Rückkehrzusage des beklagten Landes vom seien erfüllt. Sie behauptet, sie habe dem Wechsel zur BKK Berlin nur wegen dieser Zusage zugestimmt. Nach dieser sei sie so zu stellen, als wäre sie über den hinaus beim Land Berlin weiterbeschäftigt worden.
12Die Klägerin hat zuletzt beantragt,
das beklagte Land zu verurteilen, ihr Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrags als Verwaltungsangestellte ab dem in Vollzeittätigkeit mit einem Entgelt nach der Entgeltgruppe 11 unter Anwendung des Tarifvertrags zur Angleichung des Tarifrechts des Landes Berlin an das Tarifrecht der Tarifgemeinschaft deutscher Länder vom unter Anrechnung der beim Land Berlin bis zum sowie unter Anrechnung der bei der BKK Berlin KöR vom bis zum sowie unter Anrechnung der bei der City BKK KöR vom bis zum zurückgelegten Betriebszugehörigkeit anzunehmen,
hilfsweise das beklagte Land zu verurteilen, ihr Angebot auf Abschluss eines Arbeitsvertrags als Verwaltungsangestellte ab dem in Vollzeittätigkeit mit einem Entgelt nach der Entgeltgruppe 10 unter Anwendung des Tarifvertrags zur Angleichung des Tarifrechts des Landes Berlin an das Tarifrecht der Tarifgemeinschaft deutscher Länder vom unter Anrechnung der beim Land Berlin bis zum sowie unter Anrechnung der bei der BKK Berlin KöR vom bis zum sowie unter Anrechnung der bei der City BKK KöR vom bis zum zurückgelegten Betriebszugehörigkeit anzunehmen.
13Das beklagte Land hat zu seinem Klageabweisungsantrag die Ansicht vertreten, der Fall der Schließung der City BKK sei von seiner Rückkehrzusage nicht umfasst. Diese habe sich ausschließlich auf die Schließung/Auflösung der BKK Berlin bezogen. Dementsprechend sei auch die VBSV BKK im Einvernehmen mit ver.di aufgehoben worden. Soweit die Klägerin die Berücksichtigung von Zeiten verlange, in denen sie in einem Arbeitsverhältnis zu den Betriebskrankenkassen gestanden habe, sei dies zu pauschal. Jedenfalls sei für dieses Begehren keine Anspruchsgrundlage ersichtlich. Die im Schreiben vom an ver.di erfolgte Zusage der Anerkennung von Beschäftigungs- und Dienstzeiten habe sich nur auf die durch die Vereinigung mit der BKK Hamburg entstandene City BKK, nicht aber auf die Betriebskrankenkasse gleichen Namens bezogen, die durch die spätere Vereinigung mit den weiteren zwei Kassen entstanden sei.
14Das Arbeitsgericht hat den Hauptantrag abgewiesen und dem Hilfsantrag stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des beklagten Landes das Urteil des Arbeitsgerichts teilweise abgeändert und die Klage abgewiesen, soweit die Klägerin ein Entgelt nach Entgeltgruppe 10 statt Entgeltgruppe 9 begehrt und soweit auch die bei der City BKK zurückgelegte Betriebszugehörigkeit angerechnet werden sollte. Das beklagte Land verfolgt mit seiner Revision den Klageabweisungsantrag weiter.
Gründe
15A. Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat das beklagte Land zu Unrecht verurteilt, das Angebot der Klägerin auf Abschluss eines Arbeitsvertrags als Verwaltungsangestellte ab dem in Vollzeittätigkeit mit einem Entgelt nach Entgeltgruppe 9 unter Anwendung des Tarifvertrags zur Angleichung des Tarifrechts des Landes Berlin an das Tarifrecht der Tarifgemeinschaft deutscher Länder vom (Angleichungs-TV Land Berlin) unter Anrechnung der beim beklagten Land bis zum sowie unter Anrechnung der bei der BKK Berlin vom bis zum zurückgelegten Betriebszugehörigkeit anzunehmen. Es hat damit gegen § 308 Abs. 1 ZPO verstoßen.
16I. Die Klägerin begehrt vom beklagten Land die Abgabe einer Willenserklärung mit einem bestimmten Inhalt. Der Inhalt der abzugebenden Willenserklärung ist in dem vor dem Arbeitsgericht gestellten Haupt- und Hilfsantrag konkretisiert. Das Landesarbeitsgericht hat das beklagte Land zur Abgabe einer Willenserklärung verurteilt, die weder mit dem Haupt- noch mit dem Hilfsantrag beantragt worden ist.
171. Nach § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO ist ein Gericht nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Umgekehrt darf die beklagte Partei nicht zu etwas anderem verurteilt werden als zu dem, worauf sie ihre Verteidigung einrichten musste (vgl. - zu II 2 a der Gründe mwN). Das Gericht darf und muss aber ein Weniger zuerkennen, wenn ein solches Begehren im jeweiligen Sachantrag enthalten ist (vgl. - Rn. 15). Etwas anderes gilt, wenn es sich nicht um ein Weniger, sondern um etwas anderes (aliud) handelt. Ob dies der Fall ist, hängt von den konkreten Umständen und Ansprüchen sowie dem erkennbaren Begehren des Klägers ab. Entscheidend sind nicht allein die wörtlichen Formulierungen in Antrag und Urteilsausspruch, sondern deren - ggf. durch Auslegung zu ermittelnden - streitgegenständlichen Inhalte (vgl. - Rn. 22 mwN).
182. Indem das Landesarbeitsgericht das beklagte Land zur Annahme des Angebots der Klägerin zur Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit einem Entgelt nach Entgeltgruppe 9 verurteilt hat, hat es etwas anderes zugesprochen als beantragt. Durch die Kombination von Haupt- und Hilfsantrag hat die Klägerin zum Ausdruck gebracht, dass sie entweder mit der Entgeltgruppe 11 oder der Entgeltgruppe 10 wieder eingestellt werden will. Ob sie bereit wäre, auch für ein Entgelt nach Entgeltgruppe 9 zu arbeiten, lässt sich ihrem Vortrag nicht entnehmen. Dies durfte das Landesarbeitsgericht nicht einfach unterstellen, ohne dass die Klägerin dies im Wege eines weiteren Hilfsantrags beantragt. Die Festlegung der Entgeltgruppe ist von wesentlicher Bedeutung sowohl für die Höhe des Entgelts als auch für den Umfang des Direktionsrechts (vgl. - zu B I 3 a bb der Gründe, BAGE 112, 361). Ein auf die Entgeltgruppe 9 gerichteter Antrag wurde ausweislich des Tatbestands des Berufungsurteils und des Protokolls der mündlichen Verhandlung nicht gestellt. Die Klägerin hat einen solchen Antrag auch nicht im Wege der Anschlussrevision zum Gegenstand des Verfahrens gemacht.
19II. Der Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO wurde mit der Revision zwar nicht gerügt. Er ist jedoch vom Revisionsgericht ohne Rüge von Amts wegen zu beachten. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die Begründung eines Arbeitsverhältnisses mit einem Entgelt nach Entgeltgruppe 9 ist deshalb gegenstandslos. Nur das kann durch das Revisionsgericht festgestellt werden ( - Rn. 8 mwN).
20B. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Fundstelle(n):
RAAAE-62868