Erbengemeinschaft als selbständiger Rechtsträger im Grunderwerbsteuerrecht
Leitsatz
1. Vereinigen sich mindestens 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft in der Hand einer Erbengemeinschaft, wird diese nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG grunderwerbsteuerrechtlich so behandelt, als habe sie das Grundstück von der Gesellschaft erworben.
2. Reicht der vom Grunderwerbsteuerbescheid erfasste Lebenssachverhalt nicht aus, um den Tatbestand, an den das GrEStG die Steuerpflicht knüpft, zu erfüllen, ist der Bescheid rechtswidrig. Der im Bescheid bezeichnete —nicht steuerbare— Lebenssachverhalt kann nicht durch einen anderen —steuerbaren— ersetzt werden.
3. Sind die Anteile an einer Gesellschaft bereits aufgrund eines vorausgegangenen Rechtsgeschäfts in einer Hand vereinigt, weil das nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erforderliche Quantum von 95 % der Anteile erfüllt ist, unterliegt der Erwerb der restlichen Anteile nicht zusätzlich der Besteuerung.
Gesetze: GrEStG § 1 Abs. 3 Nr. 1
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
I.
1 Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine aus zwei Miterben bestehende ungeteilte Erbengemeinschaft nach dem am verstorbenen K. K war im Zeitpunkt seines Todes mit einem Anteil von 85 % an einer GmbH beteiligt. Die übrigen 15 % der Anteile standen im Eigentum des P. Zum Gesellschaftsvermögen der GmbH gehört umfangreicher Grundbesitz.
2 Am (UR-Nr. 1175/2007) beschloss die Gesellschafterversammlung der GmbH eine Kapitalerhöhung um 400.000 €, an der die Gesellschafter im Verhältnis ihrer bisherigen Anteile zur Übernahme zugelassen waren. Danach sollten auf K 340.000 € und auf P 60.000 € entfallen. Falls ein Gesellschafter die Übernahme seines Anteils an der Kapitalerhöhung innerhalb einer bestimmten Frist nicht erklärt, sollte der andere Gesellschafter zur Übernahme der Anteile berechtigt sein.
3 Am erklärte ein Bevollmächtigter des K, dessen Vollmacht auch nach dem Tod fortbestand, die Übernahme der auf K entfallenden Anteile aus der Kapitalerhöhung. Am erklärte er auch die Übernahme des Anteils des P, nachdem dieser innerhalb der Frist keine Übernahmeerklärung abgegeben hatte. Nach der Kapitalerhöhung entfiel auf K eine Beteiligung in Höhe von 485.000 € (97 %) und auf P eine solche in Höhe von 15.000 € (3 %). Am (UR-Nr. 247/2008) übertrug P seinen Geschäftsanteil von 15.000 € auf die Klägerin.
4 Mit Bescheid vom setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) gegenüber einer Miterbin als Testamentsvollstreckerin für die Klägerin Grunderwerbsteuer in Höhe von 226.500 € unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest. In dem Bescheid ist als besteuerter Sachverhalt die Kapitalerhöhung mit dem Datum und der UR-Nr. 1175/2007 bezeichnet. Als Bemessungsgrundlage wurde zunächst ein geschätzter Bedarfswert für die der GmbH gehörenden Grundstücke in Höhe von 6.471.444 € angesetzt. Dagegen legte die Klägerin Einspruch ein.
5 Mit Bescheid vom stellte das Lagefinanzamt den Grundbesitzwert auf den auf 9.748.500 € fest. Über den hiergegen erhobenen Einspruch hat das Lagefinanzamt noch nicht entschieden. Das Verfahren ruht im Hinblick auf die beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) unter den Aktenzeichen 1 BvL 13/11 und 1 BvL 14/11 anhängigen Verfahren (Vorlagebeschlüsse des Bundesfinanzhofs —BFH— vom II R 23/10, BFHE 232, 358, BStBl II 2011, 932, und vom II R 64/08, BFH/NV 2011, 1009) wegen der möglichen Verfassungswidrigkeit der Ermittlung des Grundbesitzwerts nach § 138 des Bewertungsgesetzes (BewG).
6 Am erließ das FA einen auf § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung (AO) gestützten Änderungsbescheid und setzte unter Berücksichtigung des festgestellten Grundbesitzwerts die Steuer auf 341.197 € fest. In dem Bescheid ist als besteuerter Sachverhalt die Vereinigung aller Anteile bei der GmbH mit dem Datum und den UR-Nrn. 1175/2007 und 247/2008 bezeichnet. Gegen diesen Bescheid legte die Klägerin ebenfalls Einspruch ein.
7 Mit Einspruchsentscheidung vom erklärte das FA die Festsetzung der Grunderwerbsteuer wegen der Frage, ob die Heranziehung der Grundbesitzwerte i.S. des § 138 BewG als Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer verfassungsgemäß ist, nach § 165 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AO für vorläufig und wies den Einspruch als unbegründet zurück. Die Einspruchsentscheidung erging zu „Grunderwerbsteuer 2008; Vereinigung aller Anteile zum ”.
8 Die dagegen erhobene Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) vertrat die Auffassung, die Klage sei unzulässig, soweit sie sich gegen die Ermittlung des Grundbesitzwerts wende. Die insoweit erhobenen verfassungsrechtlichen Bedenken seien im Verfahren gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des Grundbesitzwerts geltend zu machen. Zudem sei der Bescheid nach § 165 AO vorläufig, so dass der Klage insoweit auch das Rechtsschutzinteresse fehle. Im Übrigen sei die Klage unbegründet. Eine Erbengemeinschaft könne in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit Erwerberin i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) sein. Der Tatbestand dieser Vorschrift sei dadurch erfüllt, dass die Klägerin insgesamt 97 % der Anteile an der GmbH durch die auf K entfallende Kapitalerhöhung erlangt habe.
9 Dagegen richtet sich die Revision der Klägerin. In verfahrensrechtlicher Hinsicht rügt sie, dass die Klage als unzulässig abgewiesen worden sei, soweit ihre Einwendungen sich gegen die Zugrundelegung des Grundbesitzwerts richteten. Das FG hätte trotz des Vorläufigkeitsvermerks das Verfahren bis zur Entscheidung des BVerfG in den dort anhängigen Verfahren ruhen lassen oder durch Teilurteil entscheiden müssen. In materieller Hinsicht rügt die Klägerin die Verletzung des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. Für die Frage, wer Erwerber im Sinne dieser Vorschrift sei, müsse darauf abgestellt werden, wer in bürgerlich-rechtlichem Sinne Rechtsträger der Anteile sei. Nach dem Tod des K habe nicht die Klägerin als Erbengemeinschaft die Anteile geerbt, sondern die einzelnen Erben. Eine Erbengemeinschaft sei keine durch einen gemeinsamen Zweck verbundene, sondern eine auf Auflösung gerichtete Gemeinschaft.
10 Die Klägerin beantragt, die Vorentscheidung, den Grunderwerbsteuerbescheid vom , den Änderungsbescheid vom und die Einspruchsentscheidung vom aufzuheben.
11 Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
II.
12 Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung, der Einspruchsentscheidung und beider Grunderwerbsteuerbescheide (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat zwar zutreffend angenommen, dass die Klägerin als Erbengemeinschaft in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit Erwerberin i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG sein kann. Es hat jedoch nicht erkannt, dass weder durch die Kapitalerhöhung vom noch durch den Erwerb des Geschäftsanteils des P durch die Klägerin am ein der Grunderwerbsteuer unterliegender Erwerbsvorgang verwirklicht wurde.
13 1. Eine Erbengemeinschaft kann in ihrer gesamthänderischen Verbundenheit Erwerberin i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG sein.
14 a) Nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG unterliegt ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung eines oder mehrerer Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft begründet, der Grunderwerbsteuer, wenn durch die Übertragung unmittelbar oder mittelbar mindestens 95 % der Anteile der Gesellschaft in der Hand des Erwerbers vereinigt werden würden. Mit dem Anteilserwerb wird grunderwerbsteuerrechtlich derjenige, in dessen Hand sich die Anteile vereinigen, so behandelt, als habe er die Grundstücke von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen (ständige Rechtsprechung, vgl. , BFHE 220, 550, BStBl II 2009, 544; vom II R 21/10, BFHE 237, 466, BStBl II 2012, 793, Rz 12, und vom II R 52/12, BFHE 241, 419, BStBl II 2013, 752, Rz 10). Die Vorschrift trägt dem Umstand Rechnung, dass demjenigen, der mindestens 95 % der Anteile an einer grundbesitzenden Gesellschaft in seiner Hand vereinigt, eine dem zivilrechtlichen Eigentum an einem Grundstück vergleichbare Rechtszuständigkeit an dem Gesellschaftsgrundstück zuwächst (, BFH/NV 2007, 500; Fischer in Boruttau, Grunderwerbsteuergesetz, 17. Aufl., § 1 Rz 906).
15 b) Anteile an einer Gesellschaft können sich i.S. des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG in der Hand einer Erbengemeinschaft vereinigen.
16 Die Erbengemeinschaft ist selbständiger Rechtsträger im Sinne des Grunderwerbsteuerrechts (vgl. , BFHE 65, 14, BStBl III 1957, 238, und vom II R 26/74, BFHE 114, 288, BStBl II 1975, 249, jeweils m.w.N.; Fischer in Boruttau, a.a.O., § 1 Rz 73; Pahlke/Franz, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 4. Aufl., § 1 Rz 51). Sie kann ein Grundstück aus dem Nachlass veräußern oder für den Nachlass erwerben. Dem steht nicht entgegen, dass die Erbengemeinschaft nicht auf Dauer angelegt, sondern auf Auseinandersetzung gerichtet ist (, BFHE 228, 172, BStBl II 2010, 489). Unschädlich ist auch, dass sie über keine eigenen Organe verfügt, durch die sie im Rechtsverkehr handeln könnte, und kein eigenständiges, handlungsfähiges Rechtssubjekt ist (vgl. , Neue Juristische Wochenschrift 2006, 3715, m.w.N.). Die grunderwerbsteuerrechtliche Selbständigkeit der Erbengemeinschaft nach außen folgt aus deren bürgerlich-rechtlicher Selbständigkeit als Zurechnungssubjekt des gesamthänderisch gebundenen Sondervermögens (Pahlke/Franz, a.a.O., § 1 Rz 51). Auch wenn jeder Miterbe jederzeit die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft verlangen kann (§ 2042 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches —BGB—), sind die Miterben während des Bestehens der Erbengemeinschaft zum gemeinsamen Handeln verpflichtet (§ 2038 Abs. 1 Satz 1 BGB; Palandt/Weidlich, Bürgerliches Gesetzbuch, 73. Aufl., Einf v § 2032 Rz 2).
17 Nichts anderes gilt im Anwendungsbereich des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. Diese Vorschrift stellt Rechtshandlungen, die auf die Vereinigung von Anteilen in einer Hand gerichtet sind und zu einem Wechsel der Rechtsträgerschaft an diesen Anteilen führen, dem zivilrechtlichen Grundstückserwerb gleich (vgl. Fischer in Boruttau, a.a.O., § 1 Rz 906). Es handelt sich um einen Ergänzungstatbestand, der Vorgänge auf gesellschaftsrechtlicher Ebene erfasst, die ihrer wirtschaftlichen Bedeutung nach dem Erwerb eines Grundstücks gleichstehen. Mit dem Erwerb von mindestens 95 % der Anteile an der Gesellschaft wird deren Inhaber so behandelt, als habe er die zum Aktivvermögen der Gesellschaft gehörenden Grundstücke von der Gesellschaft erworben, deren Anteile sich in seiner Hand vereinigen (vgl. oben II.1.a). Erlangt eine Erbengemeinschaft mindestens 95 % der Anteile an der grundbesitzenden Gesellschaft, wird sie gemäß § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG grunderwerbsteuerrechtlich so behandelt, als habe sie das Grundstück von der Gesellschaft erworben. Den Miterben steht nur gemeinschaftlich und nicht etwa jedem einzelnen Miterben entsprechend seinem Erbanteil der Anteil an der grundbesitzenden Gesellschaft zu. Beträgt dieser mindestens 95 %, hat die Erbengemeinschaft insgesamt eine dem zivilrechtlichen Eigentum an einem Grundstück vergleichbare Rechtszuständigkeit an dem Grundstück. Alle Entscheidungen, die den Anteil und damit auch das Grundstück betreffen, können die Miterben bis zu deren Auseinandersetzung nur gemeinsam als Erbengemeinschaft treffen.
18 2. Das FG hat jedoch nicht erkannt, dass das FA sowohl dem Ausgangs- als auch dem Änderungsbescheid keine grunderwerbsteuerbaren Sachverhalte zugrunde gelegt hat. Weder der im Grunderwerbsteuerbescheid vom als Rechtsvorgang benannte Kapitalerhöhungsbeschluss vom noch die im Bescheid vom als Rechtsvorgang benannte Vereinigung aller Anteile am erfüllt den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG. Der Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG ist vielmehr durch die Erklärung des Bevollmächtigten des K vom , den Anteil des P an der Kapitalerhöhung zu übernehmen, erfüllt worden.
19 a) Durch den Beschluss über die Kapitalerhöhung vom haben sich die Anteile nicht in der Hand der Klägerin vereinigt.
20 Der Beschluss über die Kapitalerhöhung begründete für sich genommen noch keinen Anspruch auf Übertragung von Gesellschaftsanteilen, aufgrund dessen mindestens 95 % in der Hand der Klägerin vereinigt waren. Die Gesellschafter haben hierin ausdrücklich vereinbart, dass die bisherigen Gesellschafter in demselben Umfang, in dem sie bislang an der Gesellschaft beteiligt waren, an der Kapitalerhöhung teilnehmen durften. Durch den Beschluss hat die Klägerin keinen Anspruch auf eine höhere Beteiligung als die bis dahin gehaltenen 85 % der Anteile erlangt. Erst durch die Erklärung vom , auch den auf den Gesellschafter P entfallenden Anteil an der Kapitalerhöhung zu übernehmen, ist der Anteil der Klägerin auf 97 % angewachsen. Es kann dahinstehen, ob bereits im Zeitpunkt der Beschlussfassung am faktisch feststand, dass der Gesellschafter P sich nicht an der Kapitalerhöhung beteiligen werde, denn rechtlich war ihm dies innerhalb der eingeräumten Frist noch möglich. Bis dahin war der Anspruch auf Übereignung der Anteile sowohl hinsichtlich der Ausübung des Übernahmerechts durch P als auch hinsichtlich der Erklärung der Klägerin, auch den Anteil des P zu übernehmen, aufschiebend bedingt.
21 b) Der Erwerb der restlichen Anteile des Gesellschafters P am unterliegt ebenfalls nicht der Besteuerung nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG.
22 Sind die Anteile an einer Gesellschaft bereits aufgrund eines vorausgegangenen Rechtsgeschäfts in einer Hand vereinigt, weil das nach § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erforderliche Quantum von 95 % erfüllt ist, unterliegt der Erwerb der restlichen Anteile nicht zusätzlich der Besteuerung. Insoweit gilt nichts anderes, als wenn der Anteilseigner das notwendige Quantum bereits zuvor teils unmittelbar und teils mittelbar hält und nachfolgend alle Anteile unmittelbar in der Hand des Anteilseigners vereinigt werden (vgl. , BFHE 172, 538, BStBl II 1994, 121, und vom II R 130/91, BFHE 173, 229, BStBl II 1994, 408; Fischer in Boruttau, a.a.O., § 1 Rz 881, 980).
23 Mit der Erklärung des Bevollmächtigten vom , auch den Anteil des Gesellschafters P an der Kapitalerhöhung zu übernehmen, waren bereits zu diesem Zeitpunkt 97 % der Anteile an der GmbH in der Hand der Klägerin vereinigt. Der nachfolgende Erwerb der restlichen 3 % der Anteile führte lediglich zu einer Verstärkung der Beteiligung und erfüllte nicht (nochmals) den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG.
24 c) Weder der Grunderwerbsteuerbescheid vom noch der als Änderungsbescheid bezeichnete Grunderwerbsteuerbescheid vom , jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom , können dahingehend ausgelegt werden, dass das FA die Steuer für den zutreffenden Rechtsvorgang habe festsetzen wollen.
25 Gemäß § 119 AO muss ein Verwaltungsakt inhaltlich hinreichend bestimmt sein. Steuerbescheide müssen die festgesetzte Steuer nach Art und Betrag bezeichnen und angeben, wer die Steuer schuldet (§ 157 Abs. 1 Satz 2 AO). Bei Grunderwerbsteuerbescheiden ist die Angabe des zu besteuernden Erwerbsvorgangs unerlässlich (, BFHE 178, 468, BStBl II 1995, 903, und vom II R 44/05, BFHE 218, 494, BStBl II 2009, 754). Ob diese Voraussetzungen erfüllt sind, ist im Wege der Auslegung unter Berücksichtigung der Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB zu ermitteln. Entscheidend sind der erklärte Wille der Behörde und der sich daraus ergebende objektive Erklärungsinhalt der Regelung, wie ihn der Betroffene nach den ihm bekannten Umständen unter Berücksichtigung von Treu und Glauben verstehen konnte (, BFH/NV 2011, 1835, m.w.N.).
26 Ein Grunderwerbsteuerbescheid ist zwar nicht allein deshalb rechtswidrig, weil der der Besteuerung unterworfene Rechtsvorgang nicht an dem in dem Steuerbescheid genannten, sondern an einem anderen Tage zustande gekommen ist (, BFH/NV 2006, 1341, m.w.N.). Etwas anderes gilt jedoch dann, wenn die Behörde einen anderen als den im Steuerbescheid benannten Erwerbsvorgang besteuern wollte (vgl. Pahlke/Franz, a.a.O., Vorb § 15 Rz 3). Reicht der vom Grunderwerbsteuerbescheid erfasste Lebenssachverhalt nicht aus, um den Tatbestand, an den das GrEStG die Steuerpflicht knüpft, zu erfüllen, ist der Bescheid rechtswidrig, ohne dass die Behörde —etwa im Einspruchsverfahren (vgl. , BFH/NV 1993, 712)— den im Bescheid bezeichneten —unzutreffenden— Erwerbsvorgang durch einen anderen —zutreffenden— ersetzen könnte (vgl. Pahlke/Franz, a.a.O., Vorb § 15 Rz 3). Das gilt insbesondere für Erwerbsvorgänge, bei denen mangels Vereinbarung einer Gegenleistung eine Bewertung des Grundstücks gemäß § 8 Abs. 2 GrEStG vorzunehmen ist, denn die Bewertung hat auf den zutreffenden Zeitpunkt zu erfolgen. Dieser muss im Wege der Auslegung unmissverständlich dem Grunderwerbsteuerbescheid zu entnehmen sein.
27 Im Streitfall bezeichnen die beiden angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheide vom und vom jeweils Rechtsvorgänge, die den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG nicht erfüllen. Die Rechtsvorgänge, die der Besteuerung unterworfen wurden, sind im Einzelnen jeweils unter Angabe von Datum und UR-Nr. genau bezeichnet. Sie können gegen ihren Wortlaut nicht dahingehend ausgelegt werden, dass sie statt der bezeichneten Rechtsvorgänge die durch die Erklärung vom ausgelöste Anteilsvereinigung erfassen sollten. Die Vorentscheidung war aus diesen Gründen aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).
28 3. Die Sache ist spruchreif.
29 Die mit der Klage angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheide vom und vom , jeweils in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom , sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Sie unterwerfen Rechtsvorgänge der Besteuerung, die nicht den Tatbestand des § 1 Abs. 3 Nr. 1 GrEStG erfüllen (s.o. unter II.2.). Es kann daher dahinstehen, ob das FG trotz des Vorläufigkeitsvermerks das Verfahren bis zur Entscheidung des BVerfG in den dort anhängigen Verfahren zur Grundbesitzbewertung hätte ruhen lassen müssen.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
BStBl 2014 II Seite 536
BB 2014 S. 1045 Nr. 18
BFH/NV 2014 S. 979 Nr. 6
BFH/PR 2014 S. 234 Nr. 7
BStBl II 2014 S. 536 Nr. 11
DB 2014 S. 12 Nr. 17
DB 2014 S. 1238 Nr. 22
DB 2014 S. 7 Nr. 17
DStR 2014 S. 850 Nr. 17
DStRE 2014 S. 636 Nr. 10
DStZ 2014 S. 368 Nr. 11
EStB 2014 S. 169 Nr. 5
ErbBstg 2014 S. 121 Nr. 5
ErbStB 2014 S. 148 Nr. 6
GStB 2014 S. 31 Nr. 8
GmbHR 2014 S. 666 Nr. 12
HFR 2014 S. 524 Nr. 6
KÖSDI 2014 S. 18842 Nr. 5
NWB-Eilnachricht Nr. 18/2014 S. 1342
StB 2014 S. 137 Nr. 5
StBW 2014 S. 363 Nr. 10
UVR 2014 S. 170 Nr. 6
Ubg 2014 S. 345 Nr. 5
VAAAE-62161