Kindergeld: Wegfall der Arbeitsuchendmeldung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG
Gesetze: FGO § 69 Abs. 2 Satz 2, FGO § 69 Abs. 3 Satz 1, FGO § 69 Abs. 4, EStG § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1, SGB 3 § 38 Abs. 3, SGB 10 § 31
Instanzenzug:
Gründe
1 I. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der am . April 1990 geborene Sohn (S) des Klägers, Revisionsbeklagten und Antragstellers (Antragsteller) im Zeitraum Februar 2010 bis Oktober 2010 (Streitzeitraum) als arbeitsuchendes Kind zu berücksichtigen ist.
2 S war seit April 2009 bei der Agentur für Arbeit (AA) arbeitsuchend gemeldet. Arbeitslosengeld bezog er nicht. Sein letzter Kontakt mit der AA fand im August 2009 statt. Am nahm er einen Termin bei der AA ohne Angaben von Gründen nicht wahr. Die von der AA versandte Mitteilung, dass sie beabsichtige, die Arbeitsvermittlung einzustellen, blieb unbeantwortet. Die AA fertigte mit Datum vom ein Schreiben, in dem sie ausführte, dass sie die Arbeitsvermittlung einstelle. Daraufhin meldete sie den S mit Wirkung zum aus der Arbeitsvermittlung ab.
3 Die Familienkasse . (Familienkasse A) hob die Kindergeldfestsetzung mit Bescheid vom ab Februar 2010 auf, weil S bei der AA nicht mehr als arbeitsuchendes Kind gemeldet sei. Zugleich forderte sie den Antragsteller auf, das für den Streitzeitraum gewährte Kindergeld in Höhe von 1.656 € zu erstatten. Der hiergegen eingelegte Einspruch blieb erfolglos (Einspruchsentscheidung vom . März 2011).
4 Das Finanzgericht (FG) gab der Klage, mit welcher der Antragsteller die Aufhebung des Aufhebungsbescheids für den Streitzeitraum begehrte, mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2012, 1476 veröffentlichten Urteil vom 14 K 1209/11 Kg statt. Es entschied, S sei gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes in der für den Streitzeitraum maßgeblichen Fassung (EStG) als Kind zu berücksichtigen. S habe sich im April 2009 bei der AA arbeitsuchend gemeldet. Dieser Status sei nicht entfallen, weil die AA keine wirksame Einstellungsverfügung nach § 38 Abs. 3 Satz 2 des Dritten Buchs Sozialgesetzbuch in der ab geltenden Fassung (SGB III n.F.) erlassen habe. Die Einstellungsverfügung sei ein Verwaltungsakt i.S. des § 31 des Zehnten Buchs Sozialgesetzbuch(SGB X). Der Antragsteller habe bestritten, dass S die Einstellungsverfügung erhalten habe. Den Nachweis dafür, dass dem S die Einstellungsverfügung gleichwohl zugegangen sei, habe die Familienkasse A nicht geführt (§ 37 Abs. 2 Satz 3 SGB X). Die Berücksichtigung des S scheitere auch nicht daran, dass dieser sich letztmals im August 2009 bei der AA gemeldet habe. § 38 Abs. 3 SGB III n.F. führe nicht mehr dazu, dass die Meldung automatisch nach drei Monaten entfalle.
5 Die hiergegen von der Familienkasse A eingelegte Revision wird beim beschließenden Senat unter dem Az. III R 19/12 geführt.
6 Der Antragsteller beantragt mit Schreiben vom , in dem die Familienkasse A als Antragsgegnerin bezeichnet ist, die Aussetzung der Vollziehung (AdV) des angefochtenen Bescheids. Zur Begründung trägt er vor: Der Antrag sei zulässig. Aus dem beigefügten Schreiben des Hauptzollamtes . vom . Juni 2013 ergebe sich, dass aus dem angegriffenen Bescheid bereits vollstreckt werde. Der Antrag sei auch begründet, weil das FG der Klage stattgegeben habe. Im Übrigen verweist er sinngemäß auf das in dieser Sache vor dem beschließenden Senat geführte Revisionsverfahren.
7 Der Antragsteller beantragt, die Vollziehung des Bescheids vom . November 2010 ab Fälligkeit bis einen Monat nach Zustellung des Revisionsurteils auszusetzen.
8 Die Familienkasse hat keinen Antrag gestellt.
9 II. Der beim Bundesfinanzhof (BFH) als dem zuständigen Gericht der Hauptsache (§ 69 Abs. 3 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung —FGO—) gestellte Antrag auf AdV ist erfolgreich.
10 1. Der Antrag ist zulässig.
11 a) Die in der Antragsschrift erfolgte unzutreffende Bezeichnung der Antragsgegnerin ist unschädlich.
12 Nach § 63 Abs. 1 Nr. 1 FGO, der im Rahmen eines gerichtlichen AdV-Verfahrens (§ 69 Abs. 3 FGO) entsprechende Anwendung findet (, BFH/NV 2008, 1874), ist der Antrag gegen die Behörde zu richten, die den ursprünglichen Verwaltungsakt erlassen hat. Vorliegend ist die Familienkasse A aufgrund der Neuorganisation der Familienkassen mit Wirkung ab in der Familienkasse . (Familienkasse XY) aufgegangen (vgl. Beschluss des Vorstands der Bundesagentur für Arbeit Nr. 21/2013 vom gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 11 des Finanzverwaltungsgesetzes, Amtliche Nachrichten der Bundesagentur für Arbeit, Ausgabe Mai 2013, S. 6 ff.). Der Antrag hätte daher gegen die Familienkasse XY als (neue) Beklagte, Revisionsklägerin und Antragsgegnerin (Antragsgegnerin) gerichtet werden müssen. Da jedoch im Streitfall die richtige Antragsgegnerin ohne weiteres erkennbar ist, war es nach dem Grundsatz der rechtsschutzgewährenden Auslegung geboten, die Bezeichnung der Antragsgegnerin entsprechend zu korrigieren (vgl. auch , BFH/NV 2010, 1851).
13 b) Ebenso ist die Zugangsvoraussetzung des § 69 Abs. 4 FGO erfüllt, da dem Antragsteller die Vollstreckung droht (§ 69 Abs. 4 Satz 2 Nr. 2 FGO). Der vom Antragsteller vorgelegten Aufforderung und Mitteilung des Vollstreckungsbeamten vom . Juni 2013 (vgl. dazu § 290 der Abgabenordnung) lässt sich entnehmen, dass die Vollstreckung begonnen hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom XI S 32/01, BFH/NV 2002, 940; vom X S 28/12, BFH/NV 2013, 959).
14 c) Schließlich ist unerheblich, dass der Antragsteller nach seinem Vortrag auch bei der Finanzbehörde einen AdV-Antrag gestellt hat. Geschieht dies, kann gleichwohl beim Gericht der Hauptsache die AdV beantragt werden (Gräber/Koch, Finanzgerichtsordnung, 7. Aufl., § 69 Rz 77; Gosch in Beermann/Gosch, FGO § 69 Rz 284; a.A. , EFG 1981, 190).
15 2. Der Antrag ist auch begründet. Nach § 69 Abs. 3 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 FGO soll auf Antrag die AdV erfolgen, wenn u.a. ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts bestehen. So verhält es sich im Streitfall.
16 a) Der Senat legt den Antrag dahingehend aus, dass der Antragsteller die AdV des Aufhebungsbescheids vom . November 2010 und der hierzu ergangenen Einspruchsentscheidung vom . März 2011 für den Zeitraum Februar 2010 bis Oktober 2010 begehrt. Mit der Beseitigung deren Vollzugsfolgen ist die hierauf gestützte Rückforderung des Kindergeldes nicht mehr möglich (vgl. , BFH/NV 2004, 759, unter II.2.a).
17 b) Ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit eines angefochtenen Verwaltungsakts bestehen, wenn bei summarischer Prüfung neben für die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts sprechenden Umständen gewichtige gegen die Rechtmäßigkeit sprechende Gründe zutage treten, die (abgesehen von unklaren Tatfragen) Unsicherheit in der Beurteilung der entscheidungserheblichen Rechtsfrage bewirken (z.B. , BFHE 218, 558, BStBl II 2007, 799). Ist der Verwaltungsakt —wie im Streitfall— bereits Gegenstand eines anhängigen Revisionsverfahrens, bestehen ernstliche Zweifel, wenn unter Berücksichtigung der eingeschränkten Prüfungsmöglichkeiten des Revisionsgerichts ernstlich mit der Aufhebung oder Änderung des angefochtenen Verwaltungsakts zu rechnen ist. Das bedeutet, dass bei vermutlichem Durcherkennen des BFH auf die Erfolgsaussichten des Revisionsverfahrens, bei voraussichtlicher Zurückverweisung auf die Erfolgsaussichten des dann fortgesetzten Klageverfahrens abzustellen ist. Im Falle einer Zurückverweisung bestehen ernstliche Zweifel allerdings auch dann, wenn sich aufgrund der bisherigen Feststellungen des FG nicht absehen lässt, ob die Klage letztlich Erfolg haben wird (, BFH/NV 2001, 314).
18 c) Hiervon ausgehend bestehen ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Aufhebungsbescheids.
19 aa) Es ist streitig, ob der von S im Monat April 2009 begründete Status als Arbeitsuchender durchgehend im Streitzeitraum bestanden hat. Da keine ausdrückliche steuerliche Regelung besteht, wann der durch die Meldung begründete Status entfällt, sind für das Kindergeld diesbezüglich die Vorschriften des Sozialrechtes, hier insbesondere § 38 SGB III , heranzuziehen (Senatsurteil vom III R 68/05, BFHE 222, 349, BStBl II 2009, 1008, unter II.2.b).
20 § 38 SGB III wurde mit Wirkung ab dem durch das Gesetz zur Neuausrichtung der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom (BGBl I 2008, 2917) geändert. Während noch nach § 38 Abs. 4 Satz 2 SGB III in der bis zum geltenden Fassung (SGB III a.F.) die Meldung eines arbeitsuchenden Kindes bei der AA, das nicht unter § 38 Abs. 4 Satz 1 SGB III a.F. fiel (u.a. Nichtleistungsbezieher), nur drei Monate fortwirkte (Senatsurteil in BFHE 222, 349, BStBl II 2009, 1008, unter II.2.b), beschränkt § 38 SGB III n.F. die Pflicht zur Vermittlung des Arbeitsuchenden nicht mehr auf drei Monate; sie besteht vielmehr grundsätzlich unbefristet fort (Gagel/Winkler, SGB III, § 38 Rz 58). Allerdings kann die AA gegenüber dem Arbeitsuchenden, der nicht unter § 38 Abs. 3 Satz 1 SGB III n.F. fällt (u.a. Nichtleistungsbezieher), die Vermittlung einstellen, wenn dieser die ihm nach § 38 Abs. 2 SGB III n.F., der Eingliederungsvereinbarung oder dem Verwaltungsakt nach § 37 Abs. 3 Satz 4 SGB III n.F. obliegenden Pflichten nicht erfüllt, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben. Für diesen Fall sieht § 38 Abs. 3 Satz 3 SGB III n.F. als neue „Sanktion” den Ausschluss von der Vermittlung für zwölf Wochen vor (sog. Vermittlungssperre; Gagel/Winkler, a.a.O., § 38 Rz 60).
21 bb) Danach sind im Streitfall die —höchstrichterlich noch nicht geklärten— Rechtsfragen zu entscheiden, ob bei Fehlen einer wirksam bekanntgegebenen Einstellungsverfügung nach § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III n.F. die Arbeitsuchendmeldung zeitlich unbefristet fortbesteht, und zwar unabhängig davon, ob das arbeitsuchende Kind im Vermittlungsprozess eine beachtliche Pflichtverletzung begangen hat oder nicht. In rechtlicher Hinsicht werden bei Entscheidung der Hauptsache folgende Gesichtspunkte zu berücksichtigen sein:
22 Das FG hat zwar zutreffend darauf hingewiesen, dass die Konzipierung zeitlich ausgerichteter Meldepflichten in § 38 Abs. 3 SGB III n.F. keine ausdrückliche gesetzliche Grundlage mehr hat. Aber selbst wenn man mit dem FG und in Übereinstimmung mit der im sozialrechtlichen Schrifttum vertretenen Auffassung weiter davon ausgeht, dass die Einstellungsverfügung ein Verwaltungsakt i.S. des § 31 SGB X ist (vgl. dazu z.B. Gagel/ Winkler, a.a.O., § 38 Rz 61; Jüttner in Mutschler/Schmidt-DeCaluwe/Coseriu, Sozialgesetzbuch III, 5. Aufl., § 38 Rz 71), bleibt fraglich, ob sich allein aus deren Fehlen folgern lässt, dass das Kind weiterhin als Arbeitsuchender i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG gemeldet ist. Das FG hat zwar insoweit für den Senat bindend festgestellt, dass es —sollte die Einstellungsverfügung ein Verwaltungsakt sein— an deren wirksamer Bekanntgabe fehlt. Hieraus lässt sich wohl folgern, dass in einem solchen Fall keine Vermittlungssperre nach § 38 Abs. 3 Satz 3 SGB III n.F. wirksam wird. Allerdings nennt § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG als Anspruchsvoraussetzung die Arbeitsuchendmeldung bei der AA, nicht das Fehlen einer Einstellungsverfügung nach erfolgter Arbeitsuchendmeldung. Es würde nicht ohne weiteres einleuchten, dass (nicht entschuldbare) Pflichtverletzungen des arbeitsuchenden Kindes im Vermittlungsprozess allein wegen fehlender Bekanntgabe der Einstellungsverfügung nicht kindergeldschädlich sein sollen. Eine solche Beurteilung ließe sich auch kaum mit der Gesetzesbegründung zu § 38 Abs. 3 SGB III n.F. in Einklang bringen (BTDrucks 16/10810, S. 30). Danach bemängelte die Bundesagentur für Arbeit, dass sich ein Teil der Nichtleistungsbezieher nur wegen des Bezugs von Kindergeld meldete. Mit der Neuregelung sollte daher die AA im Zusammenspiel mit der Aufnahme des § 309 in die Mitwirkungspflichten des Arbeitsuchenden (vgl. § 38 Abs. 1 Satz 6 SGB III n.F.) die Möglichkeit erhalten, Arbeitsuchende einzuladen und von Beginn der Arbeitsuche an wirksam in den Vermittlungsprozess einzubeziehen (BTDrucks 16/10810, S. 30).
23 cc) Danach erscheint bei summarischer Prüfung die Auffassung vorzugswürdig, dass der Wegfall der Arbeitsuchendmeldung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG —sollte die Einstellungsverfügung ein Verwaltungsakt sein— nicht konstitutiv die wirksame Bekanntgabe der Einstellungsverfügung voraussetzt. Nach dem Sinn und Zweck der Arbeitsuchendmeldung dürfte bei Fehlen einer wirksam bekanntgegebenen Einstellungsverfügung eher darauf abzustellen sein, ob der Arbeitsuchende die ihm obliegenden Pflichten verletzt hat, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben (vgl. § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III n.F.). Diese Auslegung würde im Übrigen auch der bisher vom Senat zu § 38 Abs. 2 SGB III a.F. vertretenen Rechtsauffassung entsprechen, wonach die AA die Vermittlung auch schon vor Ablauf der Drei-Monats-Frist einstellen konnte, wenn das als arbeitsuchend gemeldete Kind seine Mitwirkungspflichten verletzte (Senatsurteil vom III R 60/06, BFH/NV 2009, 908). Danach würde der Kindergeldanspruch bei berechtigter Einstellung der Vermittlung nach Ablauf des Monats entfallen, in dem das arbeitsuchende Kind von der AA aus der Arbeitsvermittlung abgemeldet wurde.
24 dd) Hingegen hält sich bei Beurteilung der Frage, ob die Arbeitsuchendmeldung bei Fehlen einer wirksam bekanntgegebenen Einstellungsverfügung und im Übrigen zu Unrecht erfolgter Einstellung der Vermittlung unbefristet oder nur befristet fortbesteht, das „Für” und „Wider” die Waage. Einerseits ist zu berücksichtigen, dass § 38 SGB III n.F. keinen automatischen Wegfall der Vermittlungspflicht nach drei Monaten mehr vorsieht. Dies ist ein gewichtiges Argument dafür, dass die Meldung bei einer zu Unrecht erfolgten Einstellung der Vermittlung zeitlich unbefristet fortbesteht. Andererseits bleibt zu beachten, dass in einem solchen Fall nach wie vor ein Vermittlungsanspruch des arbeitsuchenden Kindes und damit weiterhin ein Rechtsverhältnis zwischen dem Kind und der AA gegeben ist. Hieraus lässt sich ggf. —unter Berücksichtigung des in § 32 Abs. 4 Satz 1 zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Konzepts, wonach nur Kinder in besonders förderwürdigen Situationen zu berücksichtigen sind— ableiten, dass das arbeitsuchende Kind jedenfalls für Zwecke des Kindergeldbezugs nicht frei von jeglicher Mitwirkung sein kann.
25 3. Nach alledem ist eine AdV geboten, weil der Ausgang des Klageverfahrens im zweiten Rechtsgang auf Grundlage der Feststellungen des FG nicht absehbar ist.
26 a) Das FG-Urteil wird voraussichtlich —ohne Präjudiz für die Hauptsache— (zumindest teilweise) mangels Spruchreife aufzuheben und die Hauptsache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen sein. Die Feststellungen des FG sind zu vage, um abschließend beurteilen zu können, ob S die ihm obliegenden Pflichten verletzt hat, ohne hierfür einen wichtigen Grund zu haben.
27 Das FG hat zwar insoweit für den Senat bindend festgestellt (vgl. § 118 Abs. 2 FGO), dass S den Termin am ohne Angabe von Gründen nicht wahrgenommen hat und dass eine von der AA über die beabsichtigte Einstellung der Arbeitsvermittlung versandte Mitteilung unbeantwortet geblieben ist. Allerdings ist bereits fraglich, ob die Vermittlung ab dem allein wegen des Versäumens eines Termins eingestellt werden darf. Der Gesetzgeber hat mit § 38 Abs. 3 Satz 2 SGB III n.F. klargestellt, dass eine Einstellung nicht mehr bei jeglicher Form der nicht ausreichenden Mitwirkung in Betracht kommt, sondern nur dann, wenn das arbeitsuchende Kind seine ihm nach § 38 Abs. 2 SGB III n.F., der Eingliederungsvereinbarung oder dem Verwaltungsakt (§ 37 Abs. 3 Satz 4 SGB III n.F.) obliegenden Pflichten nicht erfüllt, ohne dafür einen wichtigen Grund zu haben (vgl. dazu auch Jüttner in Mutschler/Schmidt-DeCaluwe/Coseriu, a.a.O., § 38 Rz 71). Die Meldepflichten sind aber in § 38 Abs. 1 Satz 6 SGB III n.F., nicht in dessen Abs. 2 geregelt. Danach ist es jedenfalls vertretbar, bei einer Terminversäumnis nur noch dann eine Pflichtverletzung anzunehmen, wenn sich eine entsprechende Pflicht zum Erscheinen aus der Eingliederungsvereinbarung oder aus einem diese ersetzenden Verwaltungsakt ergibt. Hierzu enthält das FG-Urteil jedoch keine Feststellungen. Aber selbst wenn sich die Pflicht, Einladungen der AA Folge zu leisten, unmittelbar aus § 38 Abs. 2 SGB III n.F. ergeben sollte und man das Fernbleiben von einem Termin, der dem arbeitsuchenden Kind bekannt ist, ohne jegliche Rückmeldung bei der AA als beachtliche Pflichtverletzung beurteilte, ist für den Senat anhand der Feststellungen des FG nicht nachprüfbar, ob eine solche Pflichtverletzung gegeben ist.
28 b) Im Übrigen hängt der Ausgang des Revisionsverfahrens von der Beurteilung der —im Ergebnis offenen— Rechtsfrage ab, ob sich ein arbeitsuchendes Kind in jedem Fall, d.h. selbst bei einer zu Unrecht erfolgten Einstellung der Vermittlung, nach Ablauf eines bestimmten Zeitraums wieder melden muss.
29 4. Die Aussetzung ist im Interesse wirksamen Rechtsschutzes auf die Zeit bis sechs Wochen nach Zustellung der Entscheidung über die Revision zu erstrecken (vgl. , BFH/NV 2000, 996).
30 5. Ist ein Aussetzungsantrag auch auf die Beseitigung der Säumnisfolgen gerichtet, kann er insoweit als Antrag auf Aufhebung der Vollziehung nach § 69 Abs. 3 Satz 3 FGO auszulegen sein. Nach dieser Vorschrift kann das Gericht die Vollziehung eines Steuerbescheids mit der Folge aufheben, dass in der Vergangenheit entstandene Säumniszuschläge entfallen (Birkenfeld in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 69 FGO Rz 1028).
31 Im Streitfall hat der Antragsteller die AdV ab Fälligkeit beantragt und damit erkennbar auch eine rückwirkende Beseitigung der Säumniszuschläge begehrt. Inhaltlich ist eine Aufhebung der Vollziehung mit Wirkung zum Fälligkeitszeitpunkt gerechtfertigt, weil aufgrund der Neufassung des § 38 SGB III von Anfang an die genannten Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Aufhebungsbescheids vom . November 2010 bestanden haben (, BFHE 209, 204, BStBl II 2005, 351).
32 6. Sowohl die Aussetzung als auch die Aufhebung der Vollziehung müssen ohne Sicherheitsleistung erfolgen. Im Streitfall ergeben sich für eine Gefährdung des Erstattungsanspruchs wegen einer schlechten wirtschaftlichen Situation des Antragstellers weder aus dem Vorbringen der Beteiligten noch aus dem Inhalt der Akten Anhaltspunkte (, BFH/NV 2008, 1498).
33 7. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BFH/NV 2014 S. 856 Nr. 6
StBW 2014 S. 444 Nr. 12
CAAAE-62150