BGH Beschluss v. - V ZR 149/13

Rückabwicklungsanspruch für einen Eigentumswohnungskaufvertrag: Anforderungen an die Darlegung einer sittenwidrigen Verkehrswertüberhöhung

Gesetze: § 138 Abs 1 BGB, § 242 BGB

Instanzenzug: Az: 24 U 138/12vorgehend Az: 18 O 25/11

Gründe

I.

1Mit notariellem Kaufvertrag vom erwarben der Kläger und seine Ehefrau zum Zwecke der Steuerersparnis von der Beklagten eine Eigentumswohnung für 154.100 €. Der Wohnungserwerb war durch die von der Beklagten mit der Kundenakquisition betrauten S. Wirtschaftsberatungsgesellschaft mbH vermittelt worden, die hierfür der Beklagten vereinbarungsgemäß eine Provision von 48.827,61 € in Rechnung stellte.

2Die auf Rückabwicklung des Kaufvertrages und weiteren Schadensersatz gerichtete Klage aus eigenem und abgetretenem Recht ist vor dem Landgericht erfolgreich gewesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Kammergericht die Klage abgewiesen. Die Beschwerde des Klägers richtet sich gegen die Nichtzulassung der Revision.

II.

3Nach Ansicht des Berufungsgerichts stehen dem Kläger keine Schadensersatzansprüche zu. Sie ergäben sich insbesondere nicht unter dem Gesichtspunkt einer sittenwidrigen Kaufpreiserhöhung. Der Kläger habe durch den Verweis auf den von ihm angenommenen Ertragswert der Wohnung von 67.872 € schon keinen aussagekräftigen Wert dargetan. Denn er habe damit keine konkreten, dem Beweis zugänglichen Angaben zu den wertbildenden Faktoren der Wohnung aufgezeigt. Darüber hinaus habe die Beklagte zwei Gutachten über die Bewertung zweier Wohnungen in derselben Wohnanlage vorgelegt. Übertrage man die dortigen Werte auf die Wohnung des Klägers, ergebe sich ein deutlich höherer Verkehrswert. Angesichts dessen hätte es eines besonders substantiierten Vorbringens des Klägers erfordert.

III.

41. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist begründet. Das angefochtene Urteil ist nach § 544 Abs. 7 ZPO aufzuheben. Mit seiner Auffassung, der Kläger habe eine sittenwidrige Überhöhung des Kaufpreises der Wohnung nicht hinreichend dargelegt, überspannt das Berufungsgericht die Anforderungen an die Substantiierung des Klagevortrags und verletzt damit in entscheidungserheblicher Weise den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG).

5a) Der Kläger hat mit der Behauptung, die zu einem Kaufpreis von 154.100 € erworbene Wohnung sei im Zeitpunkt des Erwerbs nur 67.872 € wert gewesen, die objektiven Voraussetzungen des § 138 Abs. 1 BGB dargetan. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist ein Vortrag schlüssig und ausreichend substantiiert, wenn die vorgetragenen Tatsachen in Verbindung mit einem Rechtssatz geeignet sind, das geltend gemachte Recht zu begründen (vgl. nur Senat, Beschluss vom - V ZR 177/08, NJW-RR 2009, 1236 Rn. 10; Beschluss vom - V ZR 221/07, WM 2008, 2068 Rn. 6 mwN). Das trifft auf die Behauptung des Klägers zu. War die Wohnung tatsächlich nur 67.872 € wert, bestand ein auffälliges Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, welches bei Hinzutreten einer verwerflichen Gesinnung des Begünstigten einen Verstoß gegen die guten Sitten begründet (vgl. Senat, Urteil vom - V ZR 437/99, BGHZ 146, 298, 301 f.).

6b) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts bedurfte es nicht eines „besonders substantiierten" Vorbringens des Klägers. Kommt es auf den Verkehrswert einer Sache an, ist es grundsätzlich ausreichend, wenn die darlegungspflichtige Partei einen bestimmten Wert behauptet und durch Sachverständigengutachten unter Beweis stellt. Unbeachtlich ist eine solche Behauptung nur dann, wenn sie ohne greifbare Anhaltspunkte für das Vorliegen eines bestimmten Sachverhalts willkürlich aufs Geratewohl, gleichsam „ins Blaue hinein" aufgestellt worden ist; bei der Annahme eines solchen rechtmissbräuchlichen Verhaltens ist allerdings Zurückhaltung geboten (Senat, Beschluss vom - V ZR 177/08, NJW-RR 2009, 1236 Rn. 11 mwN). In der Regel wird nur das Fehlen jeglicher tatsächlicher Anhaltspunkte den Vorwurf einer Behauptung „ins Blaue hinein" rechtfertigen können (Senat, Urteil vom - V ZR 359/01, NJW-RR 2003, 491).

7Hieran gemessen überspannt das Berufungsgericht die Anforderungen an das Vorbringen des Klägers. Umstände, die den Schluss zuließen, der von diesem genannte Verkehrswert von 67.872 € sei als unbeachtliche Behauptung aufs Geratewohl zu werten (zu einer solchen Konstellation vgl. , NJW 2007, 357 Rn. 20 f., insoweit nicht abgedruckt in BGHZ 169, 109), zeigt das Berufungsgericht nicht auf. Ob sich der Verkehrswert tatsächlich mit der von dem Kläger vorgenommenen überschlägigen Wertberechnung anhand der 14-fachen Jahresnettomiete ermitteln lässt, ist in diesem Zusammenhang unerheblich. Denn seine Berechnung lässt jedenfalls keine Anhaltspunkte für eine jeder tatsächlichen Grundlage entbehrende und damit rechtsmissbräuchliche Behauptung des Klägers erkennen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass er - nicht fernliegend - da- rauf hingewiesen hat, dass die von der Beklagten gezahlte Vertriebsprovision von fast 1/3 des Kaufpreises einen erheblichen Anhaltspunkt dafür biete, dass das Verhältnis von Kaufpreis zum Wert der Wohnung in wesentlicher Weise zu seinen Ungunsten verschoben sei. Soweit das Berufungsgericht Wertberechnungen auf der Grundlage der von der Beklagten vorgelegten Gutachten vornimmt, trägt dies nicht die Annahme, der Kläger habe den von ihm vorgetragenen Wert der Wohnung ersichtlich aus der Luft gegriffen. Er hat sich mit dem Gutachten des Sachverständigen F.      auseinandergesetzt und dargelegt, worin er dessen Fehler sieht. Insbesondere hat er darauf hingewiesen, dass die von dem Sachverständigen vorgenommene Vergleichswertermittlung ausschließlich Wohnungen in derselben Wohnanlage einbeziehe und das Gutachten außerdem solche Verkäufe unberücksichtigt lasse, die - laut Sachverständigem „auf einem deutlich niedrigerem Wertniveau" - an eine Kapitalgesellschaft erfolgten. Dem Kläger kann auch nicht entgegengehalten werden, dass er sich mit dem von der Beklagten nach Schluss der mündlichen Verhandlung erster Instanz eingereichten Gutachten des Sachverständigen V.   im Berufungsverfahren nicht auseinandergesetzt habe. Dies lässt keinen Schluss auf eine rechtsmissbräuchliche Behauptung zum Verkehrswert zu, zumal für den erstinstanzlich erfolgreichen Kläger ersichtlich kein Anlass zu weiterem Vortrag zur strittigen Frage der Sittenwidrigkeit bestand, nachdem auch die Beklagte hierzu im Berufungsverfahren nicht erneut Stellung genommen hatte. Hinzu kommt, dass das Berufungsgericht den Kläger erst in der mündlichen Verhandlung auf den - seiner Ansicht nach - unzureichenden Sachvortrag hingewiesen hat, ohne ihm - wie beantragt - Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

8c) Da das Berufungsgericht verfahrensfehlerhaft die Durchführung einer Beweisaufnahme über die Höhe des von dem Kläger behaupteten Verkehrswertes unterlassen hat, ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache zur Nachholung der erforderlichen Feststellungen an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass ein besonders grobes Missverhältnis zwischen Leistung und Gegenleistung, das ohne Hinzutreten weiterer Umstände den Schluss auf eine verwerfliche Gesinnung des Begünstigten erlaubt, bei Grundstückskaufverträgen allerdings grundsätzlich erst ab einer Verkehrswertüber- oder -unterschreitung von 90% vorliegt (Senat, Urteil vom - V ZR 249/12, juris, zur Veröffentlichung vorgesehen).

92. Die weiteren mit der Nichtzulassungsbeschwerde geltend gemachten Zulassungsgründe greifen nicht durch. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

Lemke                        Roth                      Brückner

              Weinland                   Kazele

Diese Entscheidung steht in Bezug zu

Fundstelle(n):
KAAAE-62117