BGH Urteil v. - II ZR 171/13

Beteiligung an einem geschlossenen Immobilienfonds: Verletzung der gesellschaftsrechtlichen Treuepflicht bei Abwälzung des wirtschaftlichen Risikos des Fonds auf die Kommanditisten

Gesetze: § 171 Abs 1 HGB, § 172 Abs 4 HGB

Instanzenzug: OLG Bamberg Az: 1 U 130/12vorgehend LG Aschaffenburg Az: 13 O 228/11

Tatbestand

1Die Rechtsvorgängerin der Klägerin war Initiatorin und Gründungsgesellschafterin sowie Darlehensgeberin der im Jahr 1992 gegründeten „E.                KG               (GmbH & Co.)" (im Folgenden: KG), einer Publikumsgesellschaft, deren Zweck die Vermietung einer von ihr erworbenen Immobilie ist. Der Beklagte ist an der KG seit 1993 als Kommanditist beteiligt. Nach Gründung des Fonds erhielten die Kommanditisten zunächst Verlustzuweisungen und in den Jahren 1995 bis 2000 gewinnunabhängige Ausschüttungen. Die Klägerin nimmt in einer Vielzahl von Verfahren Kommanditisten in Höhe der jeweils erhaltenen Ausschüttungen wegen Darlehenszinsverbindlichkeiten der KG in Anspruch.

2Der Gesellschaftsvertrag (im Folgenden: GV) enthält in § 3 Nr. 7 folgende Regelung:

„Die Kommanditisten übernehmen weder gegenüber Gesellschaftern noch gegenüber Dritten irgendwelche Zahlungsverpflichtungen, Haftungen oder irgendwelche Nachschussverpflichtungen, die über die Verpflichtung zur Leistung der in der Beitrittserklärung gezeichneten Kommanditbeteiligung zuzüglich Agio hinausgehen. Dies gilt auch für den Fall der Liquidation. Der vertragliche Ausschluss einer Nachschusspflicht lässt die gesetzliche Regelung über die Haftung der Kommanditisten gegenüber Gesellschaftsgläubigern gemäß §§ 171 ff. HGB unberührt."

3Auf Seite 24 des Emissionsprospekts finden sich unter der Rubrik „Rechtsform und Haftung" folgende Hinweise:

„...Soweit die Haftung beschränkt ist, besteht keine Nachschusspflicht, was insbesondere für die Fremdfinanzierung gilt.

Die geplanten Auszahlungen übersteigen die im selben Zeitraum erwirtschafteten Gewinne und führen gemäß § 172 Abs. 4 HGB zu einem Wiederaufleben der beschränkten Kommanditistenhaftung in Höhe der vorgenommenen Auszahlungen."

4Die Rechtsvorgängerin der Klägerin gewährte der KG ursprünglich für den Erwerb der Gewerbeimmobilie ein Darlehen in Höhe von 200 Mio. DM. Da die Immobilie sich ab September 2003 nicht mehr in der gewünschten Weise vermieten ließ, geriet die KG in wirtschaftliche Schwierigkeiten und konnte das Darlehen nicht länger bedienen. Die Klägerin gewährte der KG zur Vermeidung der Insolvenz mit Vertrag vom 22. März/ ein Folgedarlehen in Höhe von 35 Mio. €, mit dem die noch offene Teilforderung aus dem ersten Darlehen abgelöst wurde. Die fälligen Tilgungs- und Zinsraten stundete die Klägerin immer wieder zu großen Teilen. Parallel dazu forderte die KG ihre Kommanditisten auf, die erhaltenen Ausschüttungen zurückzuzahlen, um die wirtschaftliche Situation zu verbessern. Die Klägerin erstattete ihre als Kommanditistin erhaltenen Auszahlungen. Der Beklagte zahlte einen Teilbetrag der erhaltenen Ausschüttungen in Höhe von 10.660,43 €, nämlich 3.451,22 € auf ein Treuhandkonto.

5Nach der Behauptung der Klägerin bestand eine Verbindlichkeit der KG in Höhe von 500.000 €. Hierbei handele es sich um von den Stundungsvereinbarungen ausgenommene Darlehenszinsen für den Zeitraum bis .

6Die auf Zahlung von 10.660,43 € gerichtete Klage ist in beiden Instanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Gründe

7Die Revision der Klägerin hat Erfolg.

8I. Das Berufungsgericht hat im Wesentlichen ausgeführt:

9Es könne dahinstehen, ob der Beklagte einen Teil der erhaltenen Ausschüttungen bereits wieder zurückgezahlt habe, indem er im Januar 2009 einen „Sanierungsbeitrag" in Höhe von 3.451,22 € auf ein Treuhandkonto einbezahlt habe. Einem Anspruch der Klägerin gegenüber dem Beklagten stehe die Regelung in § 3 Nr. 7 des Gesellschaftsvertrags entgegen. Die Klausel enthalte einen umfassenden Haftungsausschluss, der auch Ansprüche von Gesellschaftern, die aus einem Drittgeschäft Forderungen gegen die Gesellschaft hätten, gegen ihre Mitgesellschafter aus § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 HGB umfasse. Der potenzielle Anleger habe durch ein überschaubares Haftungsrisiko zum Beitritt zur KG bewegt werden sollen.

10Ferner verstoße eine Inanspruchnahme des Beklagten gegen § 242 BGB. Die gesellschaftsrechtliche Treuepflicht der Klägerin gegenüber ihren Mitgesellschaftern verbiete es jedenfalls aufgrund der Besonderheiten des vorliegenden Falls, dass die Klägerin ihre drohenden Verluste auf die Anleger abwälze. Die Klägerin schiebe bewusst die Insolvenz der KG durch die Stundungsvereinbarungen hinaus, lasse aber jeweils einen Teilbetrag der Zinsen fällig, um gegen die Mitkommanditisten vorgehen zu können. Das an sich nötige Insolvenzverfahren würde dagegen die berechtigten Interessen aller Beteiligten berücksichtigen.

11II. Das Urteil des Berufungsgerichts hält der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht stand.

121. Der Anspruch der Klägerin aus § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 HGB ist nicht durch die Regelung in § 3 Nr. 7 Satz 1 GV ausgeschlossen. Die Vertragsklausel ist (nur) im Sinne einer Klarstellung auszulegen, dass die Kommanditisten lediglich in Höhe ihrer Einlagen haften und keine von § 161 Abs. 2, § 105 Abs. 3 HGB, § 707 BGB abweichende Vereinbarung einer Nachschusspflicht getroffen wurde. Ansprüche eines Gesellschafter-Gläubigers gegen seine Mitgesellschafter aus § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 HGB sind durch die Regelung dagegen nicht ausgeschlossen, ohne dass insoweit Zweifel im Sinne des § 305c Abs. 2 BGB bestehen würden (vgl. im Übrigen , ZIP 2013, 2305 Rn. 19 ff.).

132. Mit der Inanspruchnahme der Kommanditisten verstößt die Klägerin auch nicht gegen ihre gesellschaftsrechtliche Treuepflicht. Die Klägerin muss entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht deshalb gegenüber den Kommanditisten auf ihre Forderung verzichten, weil anderenfalls das wirtschaftliche Risiko des Fonds auf diese abgewälzt würde. Die Kommanditisten durften nicht darauf vertrauen, ihre Ausschüttungen endgültig behalten zu dürfen. Sie sind im Emissionsprospekt auf ihr Haftungsrisiko nach § 171 Abs. 1, § 172 Abs. 4 HGB hingewiesen worden. Dass die Bank, die einen solchen Fonds auflegt, nicht uneigennützig handelt und ein gewährtes Darlehen zurückfordern wird, ist zudem für den Anleger offensichtlich. Naheliegend ist auch, dass die Bank dabei alle ihr zur Verfügung stehenden Schuldner in Anspruch nehmen wird. Der Prospekt enthält keinen Hinweis darauf, dass die Klägerin anders zu behandeln wäre als andere Drittgläubiger und nicht frei entscheiden dürfte, wen sie in Anspruch nimmt (vgl. im Übrigen , ZIP 2013, 2305 Rn. 36 ff.).

14III. Eine abschließende Sachentscheidung des Senats nach § 563 Abs. 3 ZPO ist nicht möglich, da das Berufungsgericht - von seinem Standpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen dazu getroffen hat, ob und in welcher Höhe eine fällige Forderung der Klägerin gegen die KG besteht, für die der Beklagte in Höhe der erhaltenen Ausschüttungen einstehen muss. Ebenso wenig hat das Berufungsgericht geklärt, ob der Beklagte durch Zahlung eines Teilbetrags auf ein Treuhandkonto seine Einlage teilweise wieder erbracht hat sowie ob ihm Gegenansprüche gegen die Klägerin zustehen. Die Sache ist daher zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Der Senat weist ergänzend auf seine Ausführungen in dem am ergangenen Urteil (II ZR 310/12, ZIP 2013, 2305) hin.

Strohn                       Reichart                           Drescher

                Born                            Sunder

Fundstelle(n):
IAAAE-61740