BGH Beschluss v. - 4 StR 36/14

Besonders schwerer Raub: Ausschluss eines fehlgeschlagenen Versuchs bei zuvorigem Rücktritt

Gesetze: § 22 StGB, § 23 StGB, § 24 StGB, § 249 StGB, § 250 StGB

Instanzenzug: LG Halle (Saale) Az: 3 KLs 271 Js 5475/12 - 18/13

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen versuchten besonders schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Zudem hat es seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. Gegen das Urteil richtet sich die auf Beanstandungen des Verfahrens und die Sachrüge gestützte Revision des Angeklagten. Sie hat weitgehend Erfolg.

21. Der Schuldspruch hält einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

3a) Nach den vom Landgericht getroffenen Feststellungen überfiel der Angeklagte ein Gardinenstudio, wobei er dessen Inhaberin ein Messer vorhielt. Diese schlug ihm mit einem Kleiderbügel aus Metall auf die Hand und rannte in Richtung Ladentür, um zu flüchten. "Der Angeklagte lief hinter ihr her, entweder um sie an der Flucht zu hindern oder, um selbst zu flüchten." Vor Erreichen der Tür schlug die Ladeninhaberin nochmals mit dem Kleiderbügel gegen die Hand des Angeklagten, der daraufhin das Messer fallen ließ. Sodann lief die Zeugin aus dem Laden und rief um Hilfe. "Spätestens zu diesem Zeitpunkt erkannte der Angeklagte, dass er mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln nicht mehr an das in der geschlossenen Kasse befindliche Geld gelangen konnte, ... weshalb er ebenfalls das Gardinenstudio verließ und flüchtete."

4Einen strafbefreienden Rücktritt hat die Strafkammer abgelehnt, weil der Versuch spätestens in dem Moment fehlgeschlagen gewesen sei, als die Inhaberin des Gardinenstudios durch die Eingangstür auf die Straße gelaufen sei und um Hilfe gerufen habe.

5b) Diese Wertung begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

6Fehlgeschlagen ist ein Versuch, wenn die Tat nach Misslingen des zunächst vorgestellten Tatablaufs mit den bereits eingesetzten oder anderen nahe liegenden Mitteln objektiv nicht mehr vollendet werden kann und der Täter dies erkennt oder wenn er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hält (Senat, Urteil vom - 4 StR 346/12, NStZ 2013, 156, 157 mwN). Jedoch liegt ein fehlgeschlagener Versuch nicht vor, wenn der Angeklagte bereits zuvor von dem - in diesem Zeitpunkt noch nicht fehlgeschlagenen - Versuch zurückgetreten war (vgl. , NStZ 2012, 263). Dies ist gegebenenfalls unter Anwendung des Zweifelssatzes festzustellen (vgl. Senat, Beschlüsse vom - 4 StR 25/03 [juris Rn. 4], und vom - 4 StR 67/06, NStZ 2006, 685).

7Auf dieser Grundlage belegen die Feststellungen die Annahme eines den Rücktritt ausschließenden fehlgeschlagenen Versuchs nicht hinreichend. Denn danach ist möglich, dass der Angeklagte seinen Tatentschluss bereits aufgegeben hatte, als er hinter der in Richtung Eingangstür flüchtenden Ladeninhaberin herlief. Dass er - worauf die Strafkammer ebenfalls abstellt (UA S. 8) - dabei erkennen "musste", dass er die Tat mit den ihm zu Gebote stehenden Mitteln nicht mehr vollenden konnte, und er nicht davon ausgehen "konnte", ohne die Mithilfe der Zeugin an das Geld gelangen zu können, belegt nicht, dass die Voraussetzungen eines Fehlschlags tatsächlich gegeben waren, er also erkannt hat, dass die Tat objektiv nicht mehr vollendet werden kann, oder er subjektiv die Vollendung nicht mehr für möglich hielt.

82. Der Rechtsfehler führt zur Aufhebung des Urteils, jedoch können die zum äußeren Tathergang rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen bestehen bleiben (vgl. Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., § 353 Rn. 15).

9Für die neue Verhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:

- Die beim Angeklagten festgestellte, die Prüfung von Schwachsinn nahe legende "mittelschwere Intelligenzminderung" - er verfügt über einen Intelligenzquotienten von 48 - kann für Rückschlüsse aus dem äußeren Tathergang auf die Vorstellungen des lediglich seine Anwesenheit am Tatort einräumenden Angeklagten insbesondere zur Aufgabe der Tatvollendung Bedeutung erlangen, selbst wenn die Strafkammer erneut zu einem uneingeschränkt erhalten gebliebenen Ein-sichts- und Steuerungsvermögen gelangen sollte.

- Die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt kommt - unabhängig von den vom Generalbundesanwalt in der Antragsschrift vom aufgeworfenen Fragen - nur in Betracht, wenn die Therapie voraussichtlich innerhalb der Höchstfrist des § 67d Abs. 1 Satz 1 StGB, mithin innerhalb von zwei Jahren, erfolgreich abgeschlossen werden kann (vgl. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 65/12, NJW 2012, 2292; vom - 4 StR 223/12, StraFo 2012, 413 mwN). Die Feststellung des Landgerichts zur erwarteten Therapiedauer von "mindestens" zwei Jahren belegt dies nicht.

Mutzbauer                       Roggenbuck                          Cierniak

                    Bender                               Quentin

Fundstelle(n):
QAAAE-61720