BFH Beschluss v. - X B 230/12

Kein Verschulden des Verfahrensbeteiligten bei überlanger Dauer der Telefaxübermittlung

Gesetze: FGO § 56 Abs. 1, FGO § 96 Abs. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, GG Art. 103 Abs. 1

Instanzenzug:

Gründe

1 I. Der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger) hat vor dem Finanzgericht (FG) einen Rechtsstreit wegen des gegen ihn ergangenen Einkommensteuerbescheids 2001 geführt. Im Verlauf dieses Verfahrens hat ihn der Berichterstatter des zuständigen Senats des FG gemäß § 65 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung(FGO) aufgefordert, bis zum den Gegenstand des Klagebegehrens zu bezeichnen. Zugleich hat er ihm eine Ausschlussfrist gemäß § 79b Abs. 1 FGO gesetzt. Mit Faxschreiben vom , das nach den Feststellungen des FG am , 00:00:54 Uhr (Stunden:Minuten:Sekunden) beim FG eingegangen ist, hat der Kläger beantragt, die Ausschlussfrist nach § 79b Abs. 1 FGO bis zum zu verlängern. Der Vorsitzende des zuständigen Senats des FG hat den Fristverlängerungsantrag mit der Begründung abgelehnt, er sei erst am und damit nach Ablauf der gesetzten Ausschlussfrist eingegangen. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat der Kläger nicht beantragt.

2 Mit Urteil vom , dem Kläger zugestellt am , hat das FG die Klage abgewiesen. Sie sei unzulässig, weil der Kläger nicht innerhalb der ihm gesetzten Ausschlussfrist den Gegenstand des Klagebegehrens bezeichnet habe.

3 Dem Kläger war zur Begründung seiner Beschwerde wegen Nichtzulassung der Revision im Urteil des FG Fristverlängerung bis zum gewährt worden. Die mit Telefax übermittelte Beschwerdebegründung, der keine Anlagen beigefügt waren, ist beim Bundesfinanzhof (BFH) am um 00:28 Uhr (Stunden:Minuten) eingegangen, lt. Aufdruck des Faxgeräts des Prozessbevollmächtigten des Klägers um 00:27 Uhr gesendet worden. Das Telefax-Empfangsgerät des BFH ist technisch nicht in der Lage, die Empfangszeit für einzelne Seiten einer aus mehreren Seiten bestehenden Telefax-Sendung anzugeben oder einzelne Seiten einer solchen Sendung noch während des laufenden Empfangs auszudrucken.

4 Im Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand vom macht der Kläger geltend, die Fristversäumung sei unverschuldet. Sein Prozessbevollmächtigter habe mit der Telefaxübertragung am um 23:50 Uhr begonnen und dieser habe sich angesichts seiner bisherigen Erfahrungen mit Telefaxübertragungen an den BFH auf eine durchschnittliche Übertragungszeit je Seite von 21 bis 26 Sekunden verlassen können. Bei einer angenommenen maximalen Übertragungsdauer von 26 Sekunden wäre die Übertragung der gesamten Beschwerdebegründung am um 23:56:30 Uhr beendet gewesen.

5 Seine Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision begründet der Kläger mit der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache, der Notwendigkeit einer Entscheidung des BFH zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung und mit Verfahrensfehlern, auf denen die Entscheidung des FG beruht.

6 II. 1. Die Beschwerde ist zulässig. Sie ist zwar nicht innerhalb der verlängerten Frist des § 116 Abs. 3 Satz 4 FGO begründet worden. Jedoch liegen die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung in die versäumte Frist nach § 56 Abs. 1 FGO vor. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers war ohne Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten.

7 a) Die Frist zur Begründung der (rechtzeitig erhobenen) Nichtzulassungsbeschwerde lief am ab. Die Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ist per Telefax erst am um 00:28 Uhr beim BFH eingegangen. Das ergibt sich aus dem maschinellen Empfangsbericht des Telefax-Geräts beim BFH. Die Frist ist damit versäumt. Die Frist ist nur gewahrt, wenn der fristgebundene Schriftsatz vor Fristablauf vollständig eingegangen ist (, BFH/NV 2011, 1895).

8 b) Dem Kläger ist jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren.

9 Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trifft einen Prozessbevollmächtigten kein Verschulden an dem verspäteten Eingang eines fristgebundenen Schriftsatzes, wenn die Telefaxübermittlung —etwa wegen technischer Störungen am Empfangsgerät oder wegen Leitungsstörungen— einen Zeitraum beansprucht, mit dem er nicht rechnen musste (Beschluss vom VIII ZB 15/12, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2013, 267, m.w.N.).

10 Im Streitfall ist nach dem glaubhaft gemachten Vorbringen des Prozessbevollmächtigten des Klägers von einem solchen Fall auszugehen. Denn sein Vortrag, er habe um 23:50 Uhr mit der Übermittlung seiner Beschwerdebegründung begonnen, deckt sich mit dem Aufdruck seines Faxgeräts auf Seite 1 des klägerischen Schriftsatzes. Um 23:54 Uhr, also vier Minuten später, wurde Seite 7 der Beschwerdebegründung übermittelt. Für die Übermittlung der restlichen acht Seiten der Beschwerdeschrift vor 0 Uhr verblieben somit noch knappe sechs Minuten, die —so der Schriftsatz weiter so zügig übermittelt worden wäre— ausgereicht hätten. Seite 8 der Beschwerdeschrift erreichte den BFH allerdings erst um 23:57 Uhr und Seite 9 wurde um 00:02 Uhr, also bereits am , übermittelt. Mit Übertragungsdauern von mehreren Minuten je Seite (zwischen der Übertragung der Seite 14 und der Seite 15 liegen fünf Minuten, obwohl die Seite 15 nur zur Hälfte beschrieben ist) musste der Prozessbevollmächtigte des Klägers nicht rechnen, sondern durfte darauf vertrauen, dass die Beschwerdebegründung innerhalb der üblichen Übertragungsdauer an den BFH übermittelt wird. An der möglicherweise auf Leitungsstörungen beruhenden längeren Übertragungsdauer bei der Übermittlung des Schriftsatzes vom trifft ihn daher kein ihm zuzurechnendes Verschulden. Dies gilt auch dann, wenn man berücksichtigt, dass das gesamte Dokument beim Faxgerät des BFH um 0:28 Uhr eingegangen ist, das Faxgerät des Prozessbevollmächtigten des Klägers es aber bereits um 0:27 Uhr, also eine Minute früher, gesendet hat. Berücksichtigt man diese Übertragungszeit bei dem Gesamtdokument, ist nicht ausgeschlossen, dass die Beschwerdebegründung bei einer normalen Übertragungsdauer noch vor 24 Uhr beim BFH eingegangen wäre.

11 2. Die Beschwerde ist jedoch unbegründet.

12 a) Wird über eine zulässige Klage nicht zur Sache, sondern durch Prozessurteil entschieden, so stellt dies einen Verfahrensmangel i.S. des § 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO dar; in einem solchen Fall wird zugleich der Anspruch auf rechtliches Gehör nach Art. 103 Abs. 1 des Grundgesetzes, § 96 Abs. 2 FGO verletzt (BFH-Beschlüsse vom XI B 46/02, BFH/NV 2004, 1417; vom VII B 181/03, BFH/NV 2004, 1284; vom VII B 98/04, BFH/NV 2007, 1345).

13 b) Ein solcher Verfahrensmangel liegt im Streitfall allerdings nicht vor. Das FG hat zu Recht erkannt, dass der Kläger den Gegenstand seines Klagebegehrens nicht innerhalb der gesetzten Ausschlussfrist hinreichend bezeichnet sowie substantiiert und in sich schlüssig dargelegt hat, dass der angefochtene Verwaltungsakt rechtswidrig ist und ihn in seinen Rechten verletzt. Die —unterzeichnete— Seite 2 seiner Klagebegründung vom mit den Anträgen wurde vom FG am um 00:00:54 Uhr empfangen und auch der gesamte Schriftsatz ging am um 00:00:54 Uhr beim FG ein. Zutreffend hat das FG in seinem Prozessurteil darauf abgestellt, dass es für die Frage, wann ein Telefax bei Gericht eingeht, darauf ankommt, dass die gesendeten Signale vom Telefaxgerät des Gerichts noch vor Ablauf des letzten Tages der Frist empfangen worden sind. Mit den Einwänden des Klägers gegen den verspäteten Eingang seiner Klagebegründung hat es sich im Urteil umfassend auseinandergesetzt und der Kläger hat diese Ausführungen in seiner Beschwerdebegründung nicht widerlegt. Mit der vorzeitigen Umstellung des Faxgeräts des FG auf die Sommerzeit (tatsächliche Umstellung in den frühen Morgenstunden des ) —wie der Kläger mutmaßt— lassen sie sich keinesfalls erklären. Der Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten ging am um 00:00:54 Uhr auf dem Faxgerät des FG ein; wäre das Faxgerät tatsächlich vorzeitig umgestellt worden, hätte es nach dem klägerischen Vorbringen im Schriftsatz an das zwischen 00:53 Uhr und 00:56 Uhr beim FG eingehen müssen. Interessant in diesem Zusammenhang ist auch die Tatsache, dass der Prozessbevollmächtigte des Klägers die Seite 2 seines Schriftsatzes vom (von insgesamt fünf Seiten) am unteren Seitenrand unterzeichnet hat. Offensichtlich war ihm bewusst, dass sich die gesetzte Ausschlussfrist ihrem Ende zuneigt.

14 c) Einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand hat der Kläger beim FG nicht gestellt.

15 3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2014 S. 888 Nr. 6
DAAAE-61331