(Betriebsübergang - Unterrichtung nach § 613a Abs. 5 BGB - Betriebserwerberin - Sozialplanpflichtigkeit nach § 112a BetrVG)
Gesetze: § 613a Abs 6 S 1 BGB, § 613a Abs 5 BGB, § 112a Abs 2 S 1 BetrVG
Instanzenzug: ArbG Stralsund Az: 1 Ca 237/10 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern Az: 2 Sa 265/11 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten darum, ob zwischen ihnen nach dem Widerspruch des Klägers gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses infolge eines Betriebsübergangs ein Arbeitsverhältnis besteht.
2Der 1971 geborene Kläger war seit 1987 im Betrieb S beschäftigt. Bei der Beklagten, die eine 100-prozentige Tochter der D AG ist, war er zuletzt „Callcenteragent“.
3Am wurde ein Gesellschaftsvertrag für die „a zweite GmbH“ mit Sitz in G geschlossen. Zweck der Gesellschaft sollte die Verwaltung von Beteiligungen an Gesellschaften jeder Art sein. Die Eintragung in das Handelsregister des Amtsgerichts G (HRB 7765) erfolgte am , einzelvertretungsberechtigte Geschäftsführer waren F und Dr. K.
4Mit Datum vom wandte sich die Beklagte an die Arbeitnehmer an den Standorten S sowie Gö, Fr, Sch und C. Das Schreiben lautete ua.:
„die D veräußert zum fünf weitere Standorte der V GmbH an die a AG. Konkret gehen die Standorte Gö, Fr, Sch, S und C inklusive der Außenstelle Dr an a services über. Die D übergibt damit zum zweiten Mal Standorte an a. Bereits zum haben die Standorte R, N, P, E und St den Eigentümer gewechselt und sind von a übernommen worden.
…
Mit a erwartet Sie ein erfolgreicher Arbeitgeber, mit dem die D seit langem Geschäftsbeziehungen unterhält. a zählt mit ihren mehr als 270 Tochterunternehmen zu den größten international vernetzten Medien- und Kommunikationsdienstleistern. Die Tochterfirmen der a beschäftigen weltweit aktuell mehr als 50 000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. In den vergangenen Jahren hat die a AG zahlreiche neue Service-Center-Standorte in Deutschland auf- und ausgebaut und dabei eine Vielzahl neuer Arbeitsplätze geschaffen.“
5An den Kläger persönlich gerichtet wurde sodann ein weiteres, auf den datiertes Schreiben. Als Absender wies der Briefkopf zum einen die Beklagte, zum anderen eine „a services S GmbH (z.Z. noch a Zweite GmbH)“ auf, für die als Adresse die C-Straße in G angegeben war. Dieses Informationsschreiben lautete auszugsweise:
„
Sehr geehrte Mitarbeiterin, sehr geehrter Mitarbeiter,
wie Ihnen bereits bekannt ist, ist entschieden worden, den Standort S von der V GmbH (im Folgenden: V) an die a services S GmbH (derzeit noch firmierend als a Zweite GmbH), vertreten durch den Geschäftsführer F, zu verkaufen und zu übertragen; die a services S GmbH ist eine Konzerngesellschaft des B-Konzerns.
Durch die Veräußerung kommt es zu einem so genannten Betriebsübergang gemäß § 613a BGB, über den wir Sie nachfolgend unter Berücksichtigung der gesetzlichen Vorschriften (§ 613a Abs. 5 BGB) unterrichten.
…
1. Durch den Betriebsübergang tritt für Sie ein Arbeitgeberwechsel von der V zur a services S GmbH ein. Mit dem Betriebsübergang, somit mit Wirkung zum , geht Ihr Arbeitsverhältnis kraft Gesetzes von der V auf die a services S GmbH über. Das heißt, die a services S GmbH wird Ihr neuer Arbeitgeber. Ihr bisheriges Arbeitsverhältnis zur V erlischt. Der Abschluss eines neuen Arbeitsvertrages wegen des Betriebsübergangs ist nicht notwendig.
…
2. Soweit sich aus dem Folgenden nichts anderes ergibt, geht Ihr Arbeitsverhältnis mit allen zum Zeitpunkt des Betriebsübergangs bestehenden Rechten und Pflichten auf die a services S GmbH über.
…
(3) Die a services S GmbH behält sich vor, die bisherigen Entgeltbedingungen und damit die Gesamtvergütung ab dem abzusenken. Die Einzelheiten werden zu gegebener Zeit mit den Arbeitnehmern und ihren Interessenvertretern erörtert. …
3. Der Betrieb am Standort S bleibt erhalten. Aus Anlass des Betriebsübergangs kommt es zu keiner Betriebsänderung. Das zurzeit bestehende Übergangsmandat des für den Standort S vor dem Betriebsübergang von der DAG in die V zuständigen Betriebsrats bleibt vom Betriebsübergang zur a services S GmbH unberührt. Die gesetzliche sechsmonatige Laufzeit des Übergangsmandats endet jedoch mit Ablauf des . Das von diesem Betriebsrat in den Gesamtbetriebsrat V entsandte Mitglied scheidet aus dem Gesamtbetriebsrat aus.
Es ist beabsichtigt, den Betrieb S mit dem Betrieb der a direct S GmbH, Z, S zu einem gemeinsamen Betrieb zusammenzuführen und ggf. dorthin zu verlegen. Ihr neuer Arbeitgeber, die a services S GmbH wird dazu umgehend nach dem Betriebsübergang Gespräche aufnehmen.
…
Wahlweise können Sie Ihren Widerspruch auch an die a services S GmbH richten. Die Adresse lautet: C-Straße, G.
…
Der Verkauf Ihres Standortes an die a services S GmbH ist daher aus heutiger Sicht die einzige Möglichkeit, an Ihrem Standort Beschäftigung über den hinaus zuverlässig zu sichern. Im Übrigen ist es erklärte Absicht, weitere Standorte der V an Investoren zu veräußern.
Die Geschäftsführung der a services S GmbH begrüßt Sie als neue Mitarbeiter. Die Unternehmen der a, dem internationalen Medien- und Kommunikations-Dienstleister des B-Konzerns, sind seit langem erfolgreich in der Servicecenter-Branche tätig. a hat allein in den vergangenen zwei Jahren zahlreiche neue Servicecenter-Standorte insbesondere in Ostdeutschland auf- und ausgebaut und dabei eine Vielzahl neuer Arbeitsplätze geschaffen. Mit der Übernahme des V-Standorts S legen wir die Basis für weiteres Wachstum in diesem aussichtsreichen Geschäftssegment. Wir würden uns daher freuen, wenn Sie zukünftig gemeinsam mit uns an einem neuen Kapitel unserer Erfolgsgeschichte schreiben würden.“
6Nachdem am von der a zweite GmbH ein Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag mit der „a direct S GmbH“ (AG S HRB 7197) geschlossen worden war, wurde diese Gesellschaft durch Beschluss vom in „a services S GmbH“ umbenannt. Der Sitz wurde von G nach S verlegt und als Gesellschaftszweck der Betrieb von Callcentergeschäften bestimmt. Diese Gesellschaft wurde beim Amtsgericht S am in das Handelsregister (HRB 7399) eingetragen.
7Bei dem Betriebsübergang am trat die „a services S GmbH“ als Betriebsübernehmerin auf. Der Kläger arbeitete für sie weiter.
8Unter dem machte die „a direct S GmbH“ den Mitarbeitern der a services S GmbH ein Übertrittsangebot zum . Das Jahreseinkommen sollte 25.000,00 Euro brutto betragen. Der Kläger nahm dieses Angebot nicht an. Am wurde die zum geplante Schließung ihres Standortes S den Mitarbeitern der a services S GmbH bekannt gegeben. Der Betrieb könne trotz Subventionszahlungen nicht wirtschaftlich betrieben werden. Nach dem kündigte die a services S GmbH die Arbeitsverhältnisse sämtlicher Mitarbeiter aus betriebsbedingten Gründen. Der Kläger erhob dagegen Kündigungsschutzklage. Mit Schreiben vom erklärte er gegenüber der Beklagten den Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses auf die a services S GmbH am . Der Beschäftigungsbetrieb wurde schließlich zum geschlossen.
9Der Kläger hat die Auffassung vertreten, die Unterrichtung über den Betriebsübergang sei unvollständig, falsch und irreführend gewesen. Statt über die tatsächlich bestehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten zu informieren, sei der Eindruck erweckt worden, bei dem neuen Betriebsinhaber gebe es eine Sicherheit der Arbeitsplätze bis zu fünf Jahren. Dagegen habe man verschwiegen, dass die Betriebsübernehmerin eine Neugründung ohne Sozialplanpflicht sei. Auch die Zahlung erheblicher Subventionen und eines „negativen Kaufpreises“ habe die Beklagte verschwiegen.
10Der Kläger hat beantragt
1. festzustellen, dass zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis über den hinaus besteht;
2. die Beklagte zu verurteilen, ihn zu unveränderten Bedingungen als Agent Kundenservice-Center zu beschäftigen.
11Die Beklagte hat ihre Unterrichtung über den Betriebsübergang vom für vollständig und korrekt gehalten. Auch sei der Widerspruch des Klägers verspätet. Jedenfalls habe er das Recht zum Widerspruch verwirkt.
12Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung der Beklagten hatte vor dem Landesarbeitsgericht Erfolg. Mit der vom Senat zugelassenen Revision verfolgt der Kläger die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Gründe
13Die Revision des Klägers ist begründet. Sein Widerspruch gegen den Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die a services S GmbH vom nach § 613a Abs. 6 BGB war weder verspätet noch verwirkt.
14A. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:
15Der Widerspruch sei nicht binnen der Frist des § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB erklärt worden, da die Unterrichtung über den Betriebsübergang ausreichend gewesen sei. Die Übernehmerin sei im Unterrichtungsschreiben mit vollständiger Firmenbezeichnung, Firmensitz und vollständiger Anschrift benannt worden. Der Name des Geschäftsführers sei zumindest der Unterschrift zu entnehmen gewesen. Damit konnten die Unterrichteten Erkundigungen über die Betriebserwerberin, insbesondere auch durch Einsichtnahme in das Handelsregister, einholen. Daraus sei auch ersichtlich, dass es sich bei der Betriebserwerberin um eine Neugründung handele, weswegen nicht im Unterrichtungsschreiben darauf hinzuweisen gewesen sei. Zudem verwirkliche sich das Risiko der Sozialplanprivilegierung lediglich im Falle einer Betriebsschließung in den ersten vier Jahren. Eine solche sei im Zeitpunkt des Unterrichtungsschreibens nicht geplant gewesen. Entgegenstehende Ansichten anderer Landesarbeitsgerichte seien durch die Senatsentscheidung vom (- 8 AZR 430/10 -) „überholt“ und nicht mehr divergenzfähig.
16B. Diese Begründung des Berufungsgerichts hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand.
17I. Der Kläger wurde mit Schreiben vom nicht ordnungsgemäß iSd. § 613a Abs. 5 BGB über die Person der Betriebserwerberin unterrichtet.
181. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats wird die einmonatige Widerspruchsfrist nach § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB nur durch eine ordnungsgemäße Unterrichtung in Lauf gesetzt (vgl. - Rn. 23, AP BGB § 613a Unterrichtung Nr. 4 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 105).
19Dies folgt bereits aus dem Wortlaut des § 613a Abs. 6 BGB, wonach der Arbeitnehmer dem Übergang seines Arbeitsverhältnisses innerhalb eines Monats „nach Zugang der Unterrichtung nach Absatz 5“ widersprechen kann. Damit setzt § 613a Abs. 6 Satz 1 BGB eine den Anforderungen des § 613a Abs. 5 BGB entsprechende Unterrichtung voraus. Im Übrigen ergibt sich dies auch zwingend aus Sinn und Zweck der in § 613a Abs. 5 BGB geregelten Unterrichtungspflicht. Danach haben Veräußerer und/oder Erwerber den Arbeitnehmer so zu informieren, dass dieser sich über die Person des Übernehmers und über die in § 613a Abs. 5 BGB genannten Umstände „ein Bild machen“ kann. Er soll durch die Unterrichtung eine ausreichende Wissensgrundlage für die Ausübung oder Nichtausübung seines Widerspruchsrechts erhalten (vgl. BT-Drucks. 14/7760 S. 19). Dem Arbeitnehmer soll auch die Möglichkeit eröffnet werden, sich weitergehend zu erkundigen und gegebenenfalls beraten zu lassen, um dann auf dieser Grundlage über einen Widerspruch gegen den Übergang seines Arbeitsverhältnisses zu entscheiden (vgl. - Rn. 23, AP BGB § 613a Unterrichtung Nr. 15; - 8 AZR 1116/06 - Rn. 28 mwN, AP BGB § 613a Unterrichtung Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 85).
202. Die Unterrichtung über die juristische Person der Betriebserwerberin im Informationsschreiben vom ist unvollständig und unzutreffend.
21a) Die maßgebliche Unterrichtung des Klägers erfolgte durch das an ihn gerichtete Schreiben der Beklagten und der „a services S GmbH“ vom . Soweit im Informationsschreiben der Beklagten vom Vortag zusätzliche, und insoweit ebenfalls unzutreffende Informationen gegeben wurden, sind diese grundsätzlich nicht maßgeblich.
22b) Die Bezeichnung der Betriebserwerberin im Unterrichtungsschreiben vom ist unklar.
23aa) Im Zeitpunkt des Unterrichtungsschreibens am gab es die „a services S GmbH“ nicht. Infolgedessen ist auch die Angabe eines Geschäftsführers „F“ unzutreffend und diese Gesellschaft hatte auch keinen Sitz in der C-Straße in G. Eine Gesellschaft mit dieser Firma war am weder im Handelsregister G noch in S eingetragen. Der fehlende Hinweis auf das zuständige Handelsregister und eine Handelsregisternummer im Unterrichtungsschreiben erklärt sich hieraus, steht aber der Annahme des Landesarbeitsgerichts entgegen, die Unterrichteten hätten sich erforderliche Klarheit über einen Einblick in das Handelsregister verschaffen können.
24bb) Der Unternehmenskaufvertrag vom , auf den im Unterrichtungsschreiben hingewiesen wird, wurde nicht zwischen der Beklagten und der a services S GmbH abgeschlossen, sondern diesen schloss die Beklagte mit der „a zweite GmbH“ ab. Diese war unter HRB 7765 beim Amtsgericht G eingetragen und hatte am mit der „a direct S GmbH“ einen Beherrschungs- und Gewinnabführungsvertrag abgeschlossen. Geschäftsführer waren Dr. K und F. Diese Betriebserwerberin wird im Unterrichtungsschreiben nicht als solche aufgeführt, sondern - falsch geschrieben - als „Noch-Firma“ der Betriebserwerberin und -übernehmerin. Das entsprach nicht der Rechtslage und stellt auch keinen korrekten Hinweis auf ein Handelsregister dar (vgl. - Rn. 32). Aus dem Unterrichtungsschreiben geht weder das zuständige Handelsregister hervor, noch wird - verständlicherweise - eine Handelsregisternummer genannt noch können aus den Angaben des Informationsschreibens Kenntnisse über die eintragungspflichtigen Tatsachen gewonnen werden (vgl. - Rn. 20, BAGE 131, 258).
25c) Für die a zweite GmbH wurde erst durch Beschluss der Gesellschafter zur Änderung des Gesellschaftsvertrags am bestimmt, dass die Gesellschaft umfirmiert, dass sie einen neuen Gesellschaftszweck erhält und dass der Firmensitz nach S verlegt wird. Zum Zeitpunkt dieses Gesellschafterbeschlusses war nahezu ein Monat seit dem Zugang des Unterrichtungsschreibens an die Beschäftigten vergangen. Die Eintragung ins Handelsregister S erfolgte erst am . Mit dem Hinweis im Unterrichtungsschreiben auf eine nicht so firmierende GmbH, der fehlenden Angabe zum Firmensitz, dem Schweigen zum zuständigen Handelsregister, der fehlenden Angabe einer Handelsregisternummer, konnten die unterrichteten Arbeitnehmer binnen der Frist zum Widerspruch die ihnen angegebene Erwerberin weder im Handelsregister von G noch in dem von S finden. Die Identität der Betriebserwerberin blieb unklar.
26II. Das Unterrichtungsschreiben ist auch deswegen fehlerhaft, weil die Beklagte nicht darauf hingewiesen hatte, dass es sich bei der Betriebserwerberin um eine Neugründung handelte, die nach § 112a Abs. 2 Satz 1 BetrVG nicht sozialplanpflichtig war.
271. Die Betriebserwerberin wurde mit Gesellschaftsvertrag vom , zunächst als Vorratsgesellschaft, gegründet. Die Aufnahme der Erwerbstätigkeit iSd. § 138 AO, § 112a Abs. 2 Satz 3 BetrVG, kann jedenfalls mit der Übernahme des Betriebes am angenommen werden. Daher dauerte die Sozialplanprivilegierung der Erwerberin längstens bis zum . Anhaltspunkte dafür, dass die Neugründung der Erwerberin im Zusammenhang mit der rechtlichen Umstrukturierung von Unternehmen oder Konzernen erfolgte, sind weder vorgetragen noch nach dem Akteninhalt ersichtlich. Damit wechselten die Arbeitsverhältnisse der vom Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmer am zu einem Unternehmen, für das (längstens) bis im Fall einer Betriebsschließung oder einer anderen sozialplanpflichtigen Maßnahme ein Sozialplan nicht erzwingbar war. Unerheblich im Rahmen des § 112a Abs. 2 BetrVG ist es, wie lange der Beschäftigungsbetrieb in S schon existierte. Es kommt allein auf den Bestand des Unternehmens an, das den - auch schon länger bestehenden - Betrieb übernimmt (vgl. - Rn. 18 ff., BAGE 118, 304 = AP BetrVG 1972 § 112a Nr. 14).
282. Auf die Tatsache, dass es sich bei der Betriebserwerberin um eine Neugründung handelt, wurde im Unterrichtungsschreiben nicht hingewiesen. Aus dem Klammerzusatz, die Erwerberin firmiere „derzeit“ oder „z.Z.“ noch als „a Zweite GmbH“, geht dies nicht hervor. Selbst wenn im Unterrichtungsschreiben die Firma der Betriebserwerberin korrekt angegeben worden wäre, hätte daraus allein noch nicht auf eine neu gegründete Gesellschaft geschlossen werden können, für die eine Sozialplanpflicht nicht bestand.
293. Auf die Freiheit von der Pflicht zum Sozialplan nach § 112a Abs. 2 BetrVG muss in einem Unterrichtungsschreiben hingewiesen werden.
30a) Der Arbeitgeber hat die Arbeitnehmer so zu informieren, dass sie sich über die Person des Übernehmers und über die in § 613a Abs. 5 BGB genannten Umstände ein Bild machen können (st. Rspr., - Rn. 22, AP BGB § 613a Nr. 318 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 63). Durch die Unterrichtung soll eine ausreichende Wissensgrundlage für die Ausübung oder Nichtausübung des Widerspruchsrechts nach § 613a Abs. 6 BGB geschaffen werden. Der Inhalt der Unterrichtung richtet sich nach dem Kenntnisstand des Veräußerers und des Erwerbers zum Zeitpunkt der Unterrichtung ( - Rn. 23, aaO). § 613a Abs. 5 BGB gebietet eine Information des Arbeitnehmers auch über die mittelbaren Folgen eines Betriebsübergangs, wenn zwar bei diesen nicht direkt Positionen der Arbeitnehmer betroffen werden, die ökonomischen Rahmenbedingungen des Betriebsübergangs jedoch zu einer so gravierenden Gefährdung der wirtschaftlichen Absicherung der Arbeitnehmer bei dem neuen Betriebsinhaber führen, dass dies als ein wesentliches Kriterium für einen möglichen Widerspruch der Arbeitnehmer gegen den Übergang ihrer Arbeitsverhältnisse anzusehen ist ( - Rn. 32, AP BGB § 613a Unterrichtung Nr. 2 = EzA BGB 2002 § 613a Nr. 85). Zu den wirtschaftlichen Folgen iSv. § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB gehören auch solche Veränderungen, die sich nicht als rechtliche Folge unmittelbar den Bestimmungen des § 613a Abs. 1 bis Abs. 4 BGB entnehmen lassen ( - Rn. 28, AP BGB § 613a Unterrichtung Nr. 15). „Maßnahmen“ iSv. § 613a Abs. 5 Nr. 4 BGB sind alle durch den bisherigen oder neuen Betriebsinhaber geplanten erheblichen Änderungen der rechtlichen, wirtschaftlichen oder sozialen Situation der vom Übergang betroffenen Arbeitnehmer. Solche Maßnahmen sind frühestens dann in Aussicht genommen, wenn ein Stadium konkreter Planungen erreicht ist ( - Rn. 30, aaO).
31b) Soweit in der Literatur darauf hingewiesen wird, dass die Unterrichtungsdichte über die Folgen eines möglichen Widerspruchs schon nach dem Gesetzeswortlaut, jedenfalls aber auch nach der Ausgestaltung der europäischen Richtlinie geringer sein müsse als über die Folgen des Betriebsübergangs selbst (vgl. Hohenstatt/Grau NZA 2007, 13; Sagan ZIP 2011, 1641) oder dass bei Schmälerung des Betriebsvermögens die gesetzliche Insolvenzsicherung nach den § 183 ff. SGB III aF (seit § 165 ff. SGB III) beachtet werden müsse (Reinhard NZA 2009, 63; Dzida NZA 2009, 641), sprechen diese Bedenken nicht dagegen, eine Sozialplanprivilegierung nach § 112a Abs. 2 BetrVG der Betriebserwerberin zum Gegenstand der Informationspflicht nach § 613a Abs. 5 Nr. 3 BGB zu machen. Die fehlende Sozialplanpflichtigkeit des Betriebserwerbers gewinnt sofort mit dem Betriebsübergang aufgrund des § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB rechtliche Relevanz, nicht erst im Fall eines Widerspruchs des Arbeitnehmers. Zum anderen ist insoweit nicht über „Ansprüche“ zu informieren, deren Entstehung noch nicht absehbar ist, sondern über eine mit dem Betriebsübergang entstehende, veränderte rechtliche Situation: Im Falle einer Betriebsschließung kann der Betriebserwerber nicht in einen Sozialplan gezwungen werden, und dies für einen bis zu vier Jahre dauernden Zeitraum. Diese rechtliche Veränderung tritt als unmittelbare wirtschaftliche Folge des Betriebsübergangs wegen der Rechtssituation der Betriebserwerberin ein und berührt unmittelbar die Rechtspositionen der übergehenden Arbeitsverhältnisse. Der Privilegierung des neuen Arbeitgebers entspricht reflexartig eine geminderte Rechtsposition der Arbeitnehmer, deren Arbeitsverhältnisse übergegangen sind. Diese Information ist wichtig für die Entscheidung der Arbeitnehmer, ob sie ihr Widerspruchsrecht ausüben wollen oder nicht. Dies ist unabhängig davon, ob bereits eine sozialplanpflichtige Maßnahme geplant oder zumindest absehbar ist. Nach Einführung des § 112a Abs. 2 BetrVG hat eine Rechtsentwicklung eingesetzt, die teilweise schon als „Flucht aus der Sozialplanpflichtigkeit“ durch das Instrument der Überführung des Betriebes auf eine neu gegründete Erwerberin bewertet wird (ua. Fitting BetrVG 26. Aufl. § 112a Rn. 106 bis 116). Da zudem von der Erwerberin unschwer über die Tatsache einer Sozialplanprivilegierung und ihre zeitliche Dauer informiert werden kann, ist es auch nicht unverhältnismäßig, diese, für die unterrichteten Arbeitnehmer wichtige Information von den Unterrichtenden zu erwarten. Zudem wurde vorliegend unter Ziffer II. 3. des Informationsschreibens auf eine beabsichtigte Betriebszusammenlegung oder Betriebsverlagerung mit/auf den Betrieb der „a direct S GmbH“ hingewiesen, was eine Betriebsänderung iSd. § 111 BetrVG hätte darstellen können.
32III. Das infolge der fehlerhaften Unterrichtung nicht verfristete Recht zum Widerspruch nach § 613a Abs. 6 BGB hatte der Kläger am auch nicht verwirkt. Zwar ist bei einem Zeitablauf von über zwei Jahren das für eine Verwirkung erforderliche Zeitmoment zu bejahen. Die Beklagte hat jedoch in den Tatsacheninstanzen kein Umstandsmoment vorgetragen, welches der Kläger verwirklicht hätte. Soweit er die Kündigung der Betriebserwerberin mit einer Kündigungsschutzklage beantwortet hat, ist dies nach der Rechtsprechung des Senats gerade kein Umstandsmoment, da er dadurch den Bestand des Arbeitsverhältnisses sichern, nicht aber über ihn disponieren wollte (st. Rspr., vgl. - Rn. 27, AP BGB § 613a Widerspruch Nr. 9).
33IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BB 2014 S. 1341 Nr. 22
BB 2014 S. 884 Nr. 15
DB 2014 S. 901 Nr. 16
DStR 2014 S. 12 Nr. 20
NJW 2014 S. 1755 Nr. 24
ZIP 2014 S. 839 Nr. 17
KAAAE-60695