Eingruppierung einer Leiterin einer Kindertagesstätte - Durchschnittsbelegung
Gesetze: § 56 TVöD BT-V, Anl C Entgeltgr S7 TVöD BT-V, Anl C Entgeltgr S10 TVöD BT-V, Anl C ProtErkl 8 TVöD BT-V, Anl C ProtErkl 9 S 3 TVöD BT-V
Instanzenzug: ArbG Oldenburg (Oldenburg) Az: 4 Ca 193/11 E Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 2 Sa 1327/11 E Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die zutreffende tarifliche Eingruppierung der Klägerin.
2Die Klägerin ist bei der beklagten Gemeinde als Leiterin eines aus zwei Kindergruppen bestehenden Kindergartens in S beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst im Bereich der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) Anwendung. Nach dem Änderungstarifvertrag Nr. 6 zum Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) - Besonderer Teil Verwaltung - (BT-V) vom gelten für die Eingruppierung der Beschäftigten des Sozial- und Erziehungsdienstes ab dem nach § 1 Abs. 1 Satz 1 der „Anlage zu Abschnitt VIII Sonderregelungen (VKA) § 56“ die Tätigkeitsmerkmale des Anhangs zur Anlage C und damit die Entgeltgruppen S. Von November 2009 bis einschließlich Dezember 2010 erhielt die Klägerin ein Entgelt nach der Entgeltgruppe S 10 TVöD-BT-V/VKA als Leiterin einer Kindertagesstätte mit einer Durchschnittsbelegung von mindestens 40 Plätzen.
3Mit Wirkung vom wurde der Beklagten eine neue Betriebserlaubnis für den Kindergarten S erteilt, in der es ua. heißt:
„Die Erlaubnis gilt für
1 Vormittagsgruppe mit höchstens 25 Kindern von der Vollendung des dritten Lebensjahres bis zur Einschulung (Kindergarten)
1 Vormittagsgruppe, altersübergreifend mit höchstens 25 Kindern von der Vollendung des zweiten Lebensjahres bis zur Einschulung (Kindergarten)
1. ...
2. Sobald in der altersübergreifenden Vormittagsgruppe mehr als 3 Kinder anderer Altersgruppen betreut werden, ist die in § 2 Absatz 1 Nr. 2 der 1. DVO-KiTaG zugelassene Höchstzahl (in Kindergärten höchstens 25 Kinder) je Kind im Alter bis zu drei Jahren um einen Platz zu verringern (§ 2 Abs. 2 Nr. 1 der 1. DVO-KiTaG).
…“
4Für die Monate Oktober bis Dezember 2010 ergab sich eine Durchschnittsbelegung des Kindergartens von 37,33 Plätzen. Von den betreuten Kindern waren im Oktober und Dezember 2010 drei Kinder und im November 2010 vier Kinder unter drei Jahre alt.
5Mit Schreiben vom teilte die Beklagte - nach Beteiligung des Personalrats und Beschluss des Verwaltungsausschusses - der Klägerin mit, dass sie mit Wirkung vom in die Entgeltgruppe S 7 TVöD-BT-V/VKA eingruppiert ist, da die für die Entgeltgruppe S 10 TVöD-BT-V/VKA tariflich vorgesehene Durchschnittsbelegung im Referenzzeitraum nicht erreicht worden ist.
6Mit ihrer Klage hat die Klägerin die Auffassung vertreten, ihr stehe über den hinaus ein Entgelt nach der Entgeltgruppe S 10 TVöD-BT-V/VKA zu. Bei der Ermittlung der Durchschnittsbelegung habe die Beklagte nicht berücksichtigt, dass einige der vergebenen Plätze mit Kindern im Alter von unter drei Jahren belegt worden seien, die erhöhten Platz- und Betreuungsbedarf hätten. Nach der niedersächsischen Verordnung über Mindestanforderungen an Kindertagesstätten vom würde jedes dieser Kinder doppelt zählen. Zudem sei die Entscheidung der Beklagten, Kinder unter drei Jahren aufzunehmen, eine von ihr zu verantwortende Maßnahme zur Qualitätsverbesserung im Sinne der Protokollerklärung Nr. 9 des Anhangs zur Anlage C TVöD-BT-V/VKA, weshalb die Unterschreitung der Belegungsgröße des Tätigkeitsmerkmals der Entgeltgruppe S 10 TVöD-BT-V/VKA nicht zur Abgruppierung führen dürfe.
7Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihr über den hinaus Vergütung nach der Entgeltgruppe S 10 des Tarifvertrags für Beschäftigte im Sozial- und Erziehungsdienst (Anhang zur Anlage C des TVöD/VKA) nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus den rückständigen Bruttobeträgen seit ihrer jeweiligen Fälligkeit zu zahlen.
8Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Ein Anspruch auf eine Vergütung nach der Entgeltgruppe S 10 TVöD-BT-V/VKA bestehe nicht, da der von der Klägerin geleitete Kindergarten nicht die maßgebliche Durchschnittsbelegung im Referenzzeitraum erreicht habe. Eine Mehrfachberücksichtigung von Kindern unter drei Jahren sei tariflich nicht vorgesehen. Auch liege keine vom Arbeitgeber zu verantwortende Maßnahme vor, die zu einer Unterschreitung der Durchschnittsbelegung geführt habe.
9Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klageziel weiter.
Gründe
10Die zulässige Revision der Klägerin ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen.
11I. Die als allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage zulässige Klage (st. Rspr., ua. - Rn. 16 mwN) ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf ein Entgelt nach der Entgeltgruppe S 10 TVöD-BT-V/VKA ab dem .
121. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden aufgrund einzelvertraglicher Bezugnahme die Tarifverträge für den öffentlichen Dienst im Bereich der VKA Anwendung. Dabei richtet sich die Eingruppierung von Beschäftigten im Sozial- und Erziehungsdienst einer Kindereinrichtung als unselbständiger Teil der Gemeindeverwaltung gemäß § 56 TVöD - Besonderer Teil Verwaltung - (TVöD-BT-V) iVm. der dazugehörigen Anlage (Anlage zu Abschnitt VIII Sonderregelungen (VKA) § 56) nach den Merkmalen des Anhangs zur Anlage C (VKA). Abweichend von § 15 Abs. 2 TVöD erhalten diese Beschäftigten ein Entgelt nach der Anlage C, in die am nach den Vorgaben des § 28a TVÜ-VKA übergeleitet worden ist. Dabei ist, solange der TVöD in den §§ 12 und 13 noch keine eigenen Eingruppierungsregelungen enthält, nach § 17 Abs. 1 Satz 1 TVÜ-VKA nach wie vor § 22 BAT anzuwenden (vgl. - Rn. 29 mwN).
132. In Anwendung der Eingruppierungsregelungen des TVöD-BT-V/VKA hat die Klägerin seit dem keinen Anspruch auf eine Vergütung nach der Entgeltgruppe S 10 TVöD-BT-V/VKA.
14a) Die sich aus der arbeitsvertraglichen Bezugnahme des TVöD-BT-V/VKA für das Arbeitsverhältnis der Parteien ergebenden einschlägigen Tarifnormen lauten:
15b) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, dass die Klägerin die Voraussetzungen für eine Eingruppierung in die Entgeltgruppe S 10 TVöD-BT-V/VKA ab dem nicht erfüllt, da der von ihr geleitete Kindergarten in S im maßgebenden Referenzzeitraum vom 1. Oktober bis zum auch unter Berücksichtigung des Abweichungsspielraums nach Nr. 9 Satz 2 der Protokollerklärung des Anhangs zur Anlage C TVöD-BT-V/VKA mit einer um 6,67 vH unterhalb der Durchschnittsbelegung von 40 Plätzen liegenden Auslastung von 37,33 Plätzen nicht mehr zu den Kindertagesstätten der Entgeltgruppe S 10 TVöD-BT-V/VKA zählte. Nach den tariflichen Vorgaben (zu den Maßstäben der Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags, bspw. - Rn. 26 mwN, BAGE 129, 238) ist allein die Anzahl der tatsächlich belegten Plätze maßgebend. Eine Mehrfachzählung von Kindern bestimmter Gruppen sieht die Tarifregelung nicht vor.
16aa) Nach dem Tarifwortlaut knüpft die Entgeltstaffelung bei der Leitung von Kindertagesstätten - wozu nach der Protokollerklärung Nr. 8 des Anhangs zur Anlage C TVöD-BT-V/VKA der Kindergarten S ohne weiteres gehört - ausschließlich an die Zahl der vergebenen Plätze an, nämlich an die Durchschnittsbelegung von mindestens 40 Plätzen. Zur Ermittlung dieser Durchschnittsbelegung zieht die Protokollerklärung Nr. 9 des Anhangs zur Anlage C TVöD-BT-V/VKA für das jeweilige Kalenderjahr die Zahl der gleichzeitig belegbaren Plätze im Referenzzeitraum vom 1. Oktober bis 31. Dezember des vorangegangenen Jahres, also des letzten Quartals des Vorjahres, heran. Dabei haben die Tarifvertragsparteien in der Protokollerklärung Nr. 9 des Anhangs zur Anlage C TVöD-BT-V/VKA die „je Tag gleichzeitig belegbaren Plätze“ für die Berechnung zugrunde gelegt. Mit ihrer pauschalierten Betrachtungsweise gehen die Tarifvertragsparteien davon aus, dass die Anforderungen an die Leitung einer Kindertagesstätte und damit die tarifliche Wertigkeit der maßgeblichen Tätigkeit steigen, je mehr Kinder in der Einrichtung gleichzeitig betreut werden ( - Rn. 25; - 4 AZR 232/00 - BAGE 97, 251). Die Tarifregelung schließt damit nicht nur eine Doppelzählung der Plätze aus, die vormittags und nachmittags an andere Kinder vergeben werden, sondern auch eine fiktive, nicht auf die tatsächlich vergebenen Plätze abstellende Berechnung (für die Anzahl betreuter behinderter Kinder: - zu I 4 a der Gründe, aaO).
17bb) Diese typisierende tarifliche Regelung verzichtet im Interesse der Klarheit und Handhabbarkeit der Eingruppierungsregelung darauf, bei der Bestimmung der maßgeblichen durchschnittlichen Belegungszahlen noch weitere sonstige Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen (vgl. dazu - zu I 1 e aa der Gründe, BAGE 105, 291). Weitere Kriterien, die sich auf die Eingruppierung der Leitung einer Kindertagesstätte auswirken können, beispielsweise die Zahl der unterstellten Mitarbeiter/innen, die Qualifikation der Leiterin/des Leiters, die Schwierigkeit der Tätigkeit, der Umfang der Verantwortung oder besonderer Belastungen, etwa aufgrund der Betreuung von behinderten Kindern, nennt die Tarifnorm nicht (zum Gestaltungsspielraum der Tarifvertragsparteien: - zu I 8 b der Gründe, BAGE 97, 251; - 4 AZR 199/11 - Rn. 25).
18cc) Entgegen der Auffassung der Revision ändern auch abweichende Bemessungsmaßstäbe aus anderen - nicht tariflichen - Regelungen an dieser Berechnung nichts. Eine mögliche Doppelzählung nach der niedersächsischen Verordnung über Mindestanforderungen an Kindertagesstätten vom , die ggf. zu einer „Doppelzählung“ von Kindern unter drei Jahren bei der Personalbemessung führt, lässt sich nicht auf die tariflichen Bewertungs- und Berechnungsmaßstäbe übertragen. Der tariflichen Bestimmung ist hierfür nichts zu entnehmen.
19c) Es liegt auch keine unschädliche Unterschreitung der durchschnittlichen Belegungszahl iSd. Protokollerklärung Nr. 9 Satz 3 des Anhangs zur Anlage C TVöD-BT-V/VKA vor.
20aa) Nach der Protokollerklärung Nr. 9 Satz 3 des Anhangs zur Anlage C TVöD-BT-V/VKA führt eine Unterschreitung aufgrund vom Arbeitgeber verantworteter Maßnahmen nicht zur Herabgruppierung. Als Beispiel nennt die Tarifregelung Qualitätsverbesserungen. Allerdings bleiben nach Satz 4 der Protokollerklärung Nr. 9 des Anhangs zur Anlage C TVöD-BT-V/VKA hiervon organisatorische Maßnahmen infolge demografischer Handlungsnotwendigkeiten unberührt.
21bb) Die Klägerin hat nicht dargetan, dass die Unterschreitung der erforderlichen Durchschnittsbelegung Folge einer von der Beklagten zu verantwortenden Maßnahme, insbesondere einer solchen zur Qualitätsverbesserung, ist. Hierzu fehlt jeglicher substanziierter Vortrag. Dies gilt umso mehr, als die Betriebserlaubnis 50 belegbare Plätze ausweist. Die Klägerin hat nicht behauptet, dass aufgrund der Aufnahme von Kindern unter drei Jahren andere (weitere) Kinder abgelehnt worden sind und es deshalb im Referenzzeitraum lediglich zu einer Durchschnittsbelegung von 37,33 Plätzen gekommen ist. Die Aufnahme der Kinder unter drei Jahren sperrte nicht die weitere Aufnahme älterer Kinder. Dies gilt selbst unter Berücksichtigung des Hinweises Nr. 2 der Betriebserlaubnis vom . Die danach erforderliche Begrenzung der Höchstzahl von Kindern pro Gruppe bei Aufnahme von Kindern unter drei Jahren hat selbst im Monat November 2010 bei vier Kindern unter drei Jahren - für die dann jeweils die Gruppenstärke um einen Platz zu verringern gewesen wäre - nicht zu einer Belegung aller vorhandenen Plätze geführt. Vielmehr sind weiterhin mehr als acht Plätze unbelegt geblieben. Deshalb wären nach wie vor ausreichend Plätze zur Aufnahme weiterer Kinder - bis zum Erreichen des tariflichen Schwellenwerts von 40 Kindern - vorhanden gewesen.
223. Für Klagezeiträume ab dem sind die Anspruchsvoraussetzungen nicht dargetan. Die Klägerin hat schon nicht zur Belegung in dem jeweiligen (weiteren) Referenzzeitraum vorgetragen.
23II. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihrer erfolglosen Revision zu tragen.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
FAAAE-59253