BGH Urteil v. - XI ZR 42/13

Bankenhaftung aus Anlageberatung: Anrechnung steuerlicher Vorteile auf einen gegen die beratende Bank gerichteten Schadensersatzanspruch; Berechnung des Gegenstandswerts bei zu Unrecht angenommener Steuervorteilein der Vorinstanz

Gesetze: § 249 BGB, § 280 Abs 1 BGB, § 280 Abs 2 BGB, § 286 BGB, § 15 EStG, § 16 Abs 4 EStG

Instanzenzug: Az: 8 U 148/11 Urteilvorgehend Az: 37 O 138/10

Tatbestand

1Der Kläger nimmt die beklagte Bank auf Rückabwicklung seiner Beteiligung an der                  V.             2 GmbH & Co. KG (im Folgenden: V 2) in Anspruch. Zwischen den Parteien steht nur noch im Streit, ob sich der Kläger auf den ihm zustehenden Schadensersatzanspruch steuerliche Vorteile anrechnen lassen muss.

2Der Kläger zeichnete am nach vorheriger Beratung durch einen Mitarbeiter der Beklagten eine Beteiligung an V 2 im Nennwert von 120.000 € zuzüglich eines Agios in Höhe von 3.600 €. Hiervon zahlte er entsprechend dem Fondskonzept nur 55% der Nominaleinlage, d.h. 66.000 €, und das Agio ein, wobei ihm dieses später zurückerstattet wurde. Der Rest der Einlage sollte nach § 4 Ziff. 4 des Gesellschaftsvertrags "aus erwirtschafteten Gewinnen der Gesellschaft nach näherer Bestimmung durch die Komplementärin geleistet werden, wobei sich der auf die Kommanditeinlage zu leistende Betrag nach dem dem jeweiligen Kommanditisten gemäß § 15 Ziff. 1 zuzuweisenden Gewinn abzüglich der hierauf entfallenden persönlichen Einkommensteuer zzgl. Solidaritätszuschlag" bestimmen sollte; nach § 15 Ziff. 2 haben die Kommanditisten "Anspruch auf Ausschüttung eines Betrages, der erforderlich ist, um die auf ihre Beteiligung an der Gesellschaft entfallende persönliche Einkommensteuer zzgl. Solidaritätszuschlag zu bezahlen, sofern … liquide Mittel vorhanden sind". Abweichend hiervon kann die Komplementärin die noch ausstehende Kommanditeinlage auch sofort verlangen, wenn "dies nach ihrem Ermessen aufgrund von Liquiditätsengpässen oder Zahlungsschwierigkeiten der Gesellschaft erforderlich" gewesen wäre.

3In den folgenden Jahren wurden der Einkommensbesteuerung des Klägers in Bezug auf V 2 für die Jahre 2002 und 2003 anteilige Verluste in Höhe von 106.817 € und 1.447 € sowie für die Jahre 2004 bis 2008 anteilige Gewinne in Höhe von insgesamt 42.015,88 € zugrunde gelegt.

4Mit seiner Klage begehrt der Kläger von der Beklagten unter Berufung auf mehrere Aufklärungs- und Beratungsfehler, Zug um Zug gegen Abgabe eines Angebots auf Übertragung der Beteiligung an V 2, Rückzahlung des investierten Kapitals in Höhe von 66.000 € zuzüglich entgangenen Zinsgewinns und Verzugszinsen sowie die Feststellung, dass die Beklagte verpflichtet ist, ihn von allen weiteren steuerlichen und wirtschaftlichen Nachteilen aus der Beteiligung an V 2 freizustellen. Darüber hinaus begehrt er die Feststellung des Annahmeverzugs der Beklagten hinsichtlich der Übertragung der Beteiligung an V 2 sowie den Ersatz vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.429,58 € nebst Rechtshängigkeitszinsen. Das Landgericht hat der Klage bis auf einen Teil der Zinsforderung stattgegeben und die von der Beklagten erhobene Hilfswiderklage auf Feststellung, dass der Kläger verpflichtet ist, an sie alle von ihm im Zusammenhang mit der Fondsbeteiligung erzielten steuerlichen Vorteile herauszugeben, abgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels das landgerichtliche Urteil abgeändert und die Klage in Höhe anzurechnender Steuervorteile von 7.507,96 € und hinsichtlich der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe von 1.668,50 € abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

Gründe

5Die Revision ist im Wesentlichen begründet und führt bis auf einen Teil der geltend gemachten Rechtsanwaltskosten zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.

I.

6Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung (WM 2013, 1177), soweit für das Revisionsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen ausgeführt:

7Dem Kläger stehe gegen die Beklagte zwar ein Schadensersatzanspruch auf Rückabwicklung der Fondsbeteiligung zu, weil diese ihre vertragliche Pflicht zur Aufklärung über eine erhaltene Vertriebsprovision schuldhaft verletzt habe. Auf diesen Anspruch müsse er sich aber die von ihm erzielten Steuervorteile aus der Beteiligung an V 2 anrechnen lassen.

8Eine Anrechnung von Steuervorteilen im Wege der Vorteilsausgleichung komme zwar grundsätzlich nicht in Betracht, wenn die Rückabwicklung des Anlagegeschäfts zu einer Besteuerung führe, die dem Geschädigten die erzielten Steuervorteile wieder nehme. Etwas anderes gelte nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs aber dann, wenn der Schädiger Umstände darlege, auf deren Grundlage dem Geschädigten auch unter Berücksichtigung der Steuerbarkeit der Ersatzleistung außergewöhnlich hohe Steuervorteile verblieben oder er gar Verlustzuweisungen erhalten habe, die über seine Einlageleistung hinausgegangen seien. So liege der Fall hier. Die Schadensersatzleistung sei zwar als Betriebseinnahme zu versteuern. Aufgrund der Konstruktion des Fonds habe der Kläger aber für das Jahr 2002 eine Verlustzuweisung in Höhe von 92% der Nominaleinlage erhalten, während als Anlagebetrag nur 55% der Nominaleinlage zuzüglich 3% Agio zu leisten gewesen seien. Damit müsse nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs von außergewöhnlichen Steuervorteilen gesprochen werden. Dies sei auch konsequent, beruhe doch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auf der Grundannahme, dass sich die das zu versteuernde Einkommen senkenden Verlustzuweisungen und die das zu versteuernde Einkommen erhöhende Schadensersatzleistung in etwa die Waage hielten. Überschritten die Verlustzuweisungen bezogen auf den Anlagebetrag jedoch die 100%-Grenze, sei diese Annahme erschüttert. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Nachschusspflicht gemäß § 4 Ziff. 4 des Gesellschaftsvertrags, weil diese nur im Falle von Liquiditätsschwierigkeiten des Fonds eingreife.

9Seien - wie hier - Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass der Geschädigte außergewöhnliche Steuervorteile erlangt habe, sei eine konkrete Berechnung vorzunehmen. Diese beinhalte eine Gegenüberstellung der erzielten Steuervorteile und der zu erwartenden Steuernachteile. Die Darlegungs- und Beweislast für die vom Geschädigten erzielten Vorteile trage die Beklagte. Den Anleger treffe lediglich eine sekundäre Behauptungslast, der der Kläger durch Vorlage der Einkommensteuerbescheide für die Jahre 2002 bis 2008 nachgekommen sei. Demgegenüber habe er für seine von der Beklagten bestrittene Behauptung, im Jahr 2009 eine weitere Gewinnzuweisung von 1.128,53 € erhalten und aufgrund dessen eine Steuernachzahlung von 522,55 € geleistet zu haben, keine Unterlagen vorgelegt, so dass dieses Vorbringen nicht zu seinen Gunsten berücksichtigt werden könne. Unter Zugrundelegung der mitgeteilten Gewinn- und Verlustzuweisungen und der aus den vorgelegten Steuerbescheiden ersichtlichen Spitzensteuersätze ergebe sich für die Jahre 2002 bis 2008 ein saldierter Steuervorteil von 34.162,78 €. Ziehe man diesen Steuervorteil im Wege der Vorteilsausgleichung von der Klageforderung von 66.000 € ab, errechne sich ein Betrag von 31.837,22 €. Da der Kläger den ausgeurteilten Betrag zu versteuern habe, ihm aber nach Abzug der Steuern der Betrag von 31.837,22 € verbleiben müsse, belaufe sich der Schadensbetrag im Hinblick auf seine steuerliche Gesamtbelastung aus Einkommensteuersatz, Solidaritätszuschlag und Kirchensteuer von insgesamt 45,57% auf 58.492,04 €. Der weitergehende Anspruch sei daher unbegründet.

10Daneben stehe dem Kläger ein Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten als Verzugsschaden zu. Hierfür sei jedoch nur ein Gegenstandswert von bis zu 65.000 € maßgebend, so dass er nur einen Betrag von 1.761,08 € verlangen könne.

11Die Hilfswiderklage sei nur für den Fall erhoben, dass keine Anrechnung von Steuervorteilen erfolge, so dass darüber nicht mehr zu entscheiden sei.

II.

12Diese Ausführungen halten revisionsrechtlicher Prüfung in entscheidenden Punkten nicht stand.

131. Das Berufungsgericht hat zu Unrecht Steuervorteile in Höhe von 7.507,96 € anspruchsmindernd berücksichtigt.

14a) Im Ansatzpunkt zutreffend ist das Berufungsgericht allerdings davon ausgegangen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ersparte Steuern grundsätzlich im Rahmen der Vorteilsausgleichung auf den Schadensersatzanspruch anzurechnen sind, eine solche Anrechnung aber nicht in Betracht kommt, wenn die Schadensersatzleistung ihrerseits zu einer Besteuerung führt, die dem Geschädigten die erzielten Steuervorteile wieder nimmt (vgl. nur , BGHZ 53, 132, 134; vom - VII ZR 259/77, BGHZ 74, 103, 114; vom - III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rn. 35 f. und vom - XI ZR 96/09, WM 2011, 740 Rn. 8; jeweils mwN). Da das Gericht über die Höhe des Schadens unter Würdigung aller Umstände des Einzelfalls nach freier Überzeugung zu entscheiden hat (§ 287 Abs. 1 ZPO) und eine exakte Errechnung von Steuervorteilen unter Gegenüberstellung der tatsächlichen mit der hypothetischen Vermögenslage angesichts der vielfältigen Besonderheiten der konkreten Besteuerung häufig einen unverhältnismäßigen Aufwand erfordert, müssen in der Regel keine Feststellungen dazu getroffen werden, in welcher genauen Höhe sich die Versteuerung der Schadensersatzleistung auswirkt (, BGHZ 186, 205 Rn. 36 f. und vom - XI ZR 96/09, WM 2011, 740 Rn. 8; jeweils mwN). Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Schädiger Umstände darlegt, auf deren Grundlage dem Geschädigten auch unter Berücksichtigung der Steuerbarkeit der Ersatzleistung derart außergewöhnlich hohe Steuervorteile verbleiben, dass es unbillig wäre, ihm diese zu belassen (st. Rspr., vgl. nur , BGHZ 186, 205 Rn. 36 f., 45 f.; vom - XI ZR 96/09, WM 2011, 740 Rn. 9 und vom - II ZR 75/10, WM 2012, 1293 Rn. 43). Die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen anrechenbarer außergewöhnlicher Steuervorteile trägt der Schädiger (, WM 2010, 1310 Rn. 26; vom - III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rn. 45 und vom - II ZR 75/10, WM 2012, 1293 Rn. 44).

15b) Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gelten für die Anrechnung von Steuervorteilen auf einen Schadensersatzanspruch des Weiteren auch die übrigen allgemeinen Grundsätze der Vorteilsausgleichung. Danach sind nur solche Vorteile schadensmindernd zu berücksichtigen, die in einem adäquat-ursächlichen Zusammenhang mit dem Schadensereignis stehen und deren Anrechnung dem Zweck des Schadensersatzes entspricht sowie weder den Geschädigten unzumutbar belasten noch den Schädiger unbillig entlasten (vgl. nur , BGHZ 74, 103, 113 f.; vom - VII ZR 215/06, WM 2008, 1757 Rn. 6 f. und vom - III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rn. 35 mwN). Eine Vorteilsanrechnung ist daher nicht mit dem Zweck des Schadensersatzes vereinbar, soweit die unter Berücksichtigung der Steuerbarkeit der Ersatzleistung verbleibenden Steuervorteile ihre Ursache in einer Tarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 oder Abs. 3 EStG haben. Die Tarifermäßigung wird vielmehr dem Steuerpflichtigen aus besonderem Anlass gewährt und darf den Schädiger nicht entlasten (, BGHZ 74, 103, 114, 116; vom - IVa ZR 231/82, WM 1984, 1075, 1078 und vom - III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rn. 52 mwN). Soweit Steuervorteile aus einer Absenkung des allgemeinen (Spitzen-)Steuersatzes resultieren, sind ebenfalls keine Gründe ersichtlich, weshalb diese - nach dem Willen des Gesetzgebers allen Steuerpflichtigen gleichermaßen zugutekommende - Vergünstigung den Schädiger entlasten soll (, WM 2010, 1310 Rn. 28 ff.; vom - III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rn. 53 und vom - II ZR 259/11, WM 2013, 211 Rn. 10). Schließlich weisen Steuervorteile, die ihren Grund in einem gesunkenen persönlichen Steuertarif aufgrund einer veränderten Einkommenssituation des Geschädigten haben, keinen inneren Bezug zu der in Rede stehenden Schädigungshandlung auf und können den Schädiger daher ebenfalls nicht entlasten (, BGHZ 186, 205 Rn. 40, 54).

16Aufgrund dessen scheidet auch die Berücksichtigung der Vorteile einer Anwendung von § 16 Abs. 4 EStG aus, der bei einer Veräußerung des Betriebs ab Erreichen einer bestimmten Altersgrenze und im Falle der Berufsunfähigkeit eine Steuervergünstigung vorsieht. Der Freibetrag des § 16 Abs. 4 EStG bezweckt, Gewinne aus der Veräußerung kleinerer Betriebe aus sozialen Gründen steuerlich zu entlasten (BR-Drucks. 303/83, S. 25; BFH, BStBl II 1976, 360, 362; Gänger in Bordewin/Brandt, EStG, Stand Juli 2008, § 16 Rn. 244a; Schmidt/Wacker, EStG, 32. Aufl., § 16 Rn. 577). Diese Steuervergünstigung wird dem Steuerpflichtigen daher aus besonderen persönlichen Gründen gewährt, was dem Schädiger nicht zugutekommen kann. Zudem wird diese Steuervergünstigung dem Berechtigten nur einmalig eingeräumt. Dem Vorteil aus dem Freibetrag stünde daher der Nachteil aus dem Verlust dieser Steuervergünstigung für andere in Zukunft gegebenenfalls anfallende Veräußerungs- oder Aufgabegewinne gegenüber. Eine Obliegenheit des Geschädigten, diesen Vorteil zugunsten des Schädigers endgültig aufzugeben, besteht nicht (vgl. , BGHZ 186, 205 Rn. 52 zu § 34 Abs. 3 EStG). Dagegen spricht auch die Wertung des § 249 Abs. 1 BGB. Nach dem Grundsatz der Naturalrestitution hat der Geschädigte Anspruch auf Herstellung des Zustands, der ohne das schädigende Ereignis bestünde. Dem geschädigten Anleger muss daher die Möglichkeit, von § 16 Abs. 4 EStG Gebrauch zu machen, erhalten bleiben (so auch KG Berlin, WM 2013, 1601, 1605; OLG Frankfurt am Main, Urteil vom - 23 U 135/11, Umdruck S. 15, n.v.; , Umdruck S. 12 f., n.v. und Beschluss vom - 19 U 1048/12, Umdruck S. 5, n.v.; Steinle, DStR 1981, 366, 369).

17c) Hat der geschädigte Anleger Verlustzuweisungen steuermindernd geltend gemacht, sind nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, unabhängig von deren Höhe, außergewöhnliche Steuervorteile zu verneinen, wenn der Anleger in Folge der Rückabwicklung der Fondsbeteiligung dieselben Beträge zu versteuern hat, auf deren Grundlage er zuvor Steuervorteile erlangt hat (, BGHZ 186, 205 Rn. 55). Zu berücksichtigen sind insoweit nicht lediglich die erstmalige Verlustzuweisung einerseits und die Besteuerung der Rückabwicklung andererseits, sondern darüber hinaus auch sämtliche weiteren steuerwirksamen Gewinn- und Verlustanteile des Anlegers während der Dauer seiner Beteiligung (, BGHZ 186, 205 Rn. 50). Dazu gehören auch steuerliche Nachteile, die dem geschädigten Anleger im Zusammenhang mit der Zug um Zug gegen die Schadensersatzleistung vorgesehenen Übertragung der Kapitalanlage entstehen (vgl. , BGHZ 74, 103, 114; vom - II ZR 235/88, WM 1989, 1925 f.; vom - III ZR 350/04, WM 2006, 174, 175 und vom - III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rn. 36; jeweils mwN). Solche Nachteile können insbesondere durch die - mit der Übertragung der Fondsbeteiligung verbundene - "Übernahme" eines negativen Kapitalkontos durch den Schädiger entstehen, weil der Anleger hierdurch einen Gewinn erzielt, den er versteuern muss (vgl. , BGHZ 74, 103, 114; vom - IVa ZR 204/86, WM 1988, 220, 221 und vom - II ZR 235/88, WM 1989, 1925 f.; jeweils mwN; vgl. auch BFHE 132, 244, 255 f.; BFH, BStBl II 1981, 795, 798).

18Ein negatives Kapitalkonto entsteht bei Fondskonstruktionen der vorliegenden Art, bei denen die Anleger Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielen und damit der Einkommensbesteuerung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG unterliegen (vgl. , BGHZ 74, 103, 114 f.; vom - IVa ZR 204/86, WM 1988, 220, 221; vom - II ZR 235/88, WM 1989, 1925, 1926; vom - II ZR 40/00, WM 2002, 813, 815 und vom - III ZR 336/08, BGHZ 186, 205 Rn. 50; vgl. auch BFH, BStBl II 1993, 96, 97, BStBl II 1994, 564, 565 und BStBl II 2000, 424, 428), in erster Linie durch die anfänglichen Verlustzuweisungen. Es kann sich durch weitere im laufenden Geschäftsbetrieb anfallende Verluste weiter erhöhen, aber auch - wie nach der vorliegenden Fondskonzeption - durch nicht ausgeschüttete Gewinne wieder verringern und sogar positiv werden.

19Die Übertragung des Fondsanteils ist für den geschädigten Anleger ein steuerbarer Vorgang, der im Fall eines negativen Kapitalkontos zu einem Gewinn führt, den er versteuern muss. Denn für den Anleger ergibt sich ein - zu versteuernder - Veräußerungsgewinn nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG in Höhe des Betrages, um den der Veräußerungspreis (nach Abzug der Veräußerungskosten) den Buchwert übersteigt. Im Ergebnis ist dies hier die vom Schädiger zu zahlende Schadensersatzleistung zuzüglich des von diesem übernommenen negativen Kapitalkontos (vgl. BFH, BStBl II 1989, 563, 564; BStBl II 2010, 631 Rn. 33; FG Berlin-Brandenburg, EFG 2012, 1837, 1838; Jooß, DStR 2014, 6, 9; Kobor in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG und KStG, Stand Februar 2013, § 16 EStG Rn. 412, 425; Reiß in Kirchhof, EStG, 12. Aufl., § 16 Rn. 154; Schmidt/Wacker, EStG, 32. Aufl., § 15a Rn. 215 f.; zum Buchwert des Kapitalkontos siehe auch BFH/NV 2007, 37, 38; BFH/NV 2010, 2056 Rn. 48; FG Berlin-Brandenburg, EFG 2012, 1837 f.; Hessisches FG, EFG 2011, 622, 623; zur Berücksichtigung des Agios als Anschaffungskosten siehe BFH, BStBl II 1980, 499, 500; BStBl II 2001, 24, 26; BStBl II 2006, 847, 850; , juris Rn. 24; Bundesminister der Finanzen, BStBl I 1976, 283). Die Besteuerung des negativen Kapitalkontos im Rahmen der Rückabwicklung der Fondsbeteiligung ist Folge der früheren Verlustzurechnung (vgl. BFH, BStBl II 1981, 795, 798; BFH/NV 2006, 11 f.; vgl. auch IVa ZR 204/86, WM 1988, 220, 221). Der dem Anleger ursprünglich zugeflossene Steuervorteil wird dadurch gleichsam wieder rückgängig gemacht (, BGHZ 74, 103, 114).

20Ist dagegen das Kapitalkonto des Anlegers trotz der anfänglichen Verlustzuweisungen bei Übertragung des Fondsanteils nicht mehr negativ, weil dort in der Zwischenzeit nicht ausgeschüttete Gewinne angefallen sind, haben diese Gewinne in den betreffenden Veranlagungszeiträumen bei dem Anleger einkommenserhöhend gewirkt und die zuvor steuerrechtlich einkommensmindernd angesetzten Verluste insoweit kompensiert (vgl. IVa ZR 204/86, WM 1988, 220, 221). Für eine Anrechnung der Steuervorteile aus den Verlustzuweisungen bleibt dann kein Raum. Im Fall eines positiven Kapitalkontos hat der Anleger nach § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG die Schadensersatzleistung zwar nur unter Abzug des (positiven) Buchwerts des übertragenen Fondsanteils zu versteuern (vgl. , WM 1989, 1925, 1926; Schmidt/Wacker, EStG, 32. Aufl., § 16 Rn. 310, 463 mwN); auch dadurch erlangt der Anleger aber in schadensrechtlicher Hinsicht aus der Rückabwicklung der Fondsbeteiligung keinen Vorteil, weil er zuvor die Gewinne versteuern musste.

21d) Nach diesen Maßgaben hat das Berufungsgericht hier zu Unrecht anrechenbare außergewöhnliche Steuervorteile angenommen.

22aa) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kann für die Frage des Vorliegens eines außergewöhnlichen Steuervorteils nicht isoliert auf einen Vergleich zwischen der Verlustzuweisung für 2002, die sich nach seinen Feststellungen auf 92% des Nominalwerts des Kommanditanteils belief, und der tatsächlichen Einlageleistung von 55% zuzüglich 3% Agio abgestellt werden, so dass die Verlustzuweisung unter Berücksichtigung des Agios rechnerisch mehr als 158% der Eigenleistung und ohne Berücksichtigung des hier zurückerstatteten Agios sogar 164% der Eigenleistung betragen würde. Vielmehr ist - wie oben dargelegt - eine Gesamtbetrachtung sämtlicher steuer- und schadensrechtlich relevanter Zahlungsströme vorzunehmen.

23Danach unterliegt die von der Beklagten geschuldete Schadensersatzleistung beim Kläger der Einkommensbesteuerung gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG, weil er aus der Beteiligung an V 2, einem Medienfonds, Einkünfte aus Gewerbebetrieb erzielt. Ob die Rückabwicklung der Fondsbeteiligung die Voraussetzungen einer Betriebsveräußerung oder Betriebsaufgabe im Sinne des § 16 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 bzw. Abs. 3 Satz 1 EStG erfüllt, kann dahinstehen. Die Steuerbarkeit der Ersatzleistung ergibt sich bereits aus den allgemeinen Gewinnermittlungsvorschriften; § 16 EStG hat insoweit lediglich klarstellende Funktion (BFH, BStBl II 1989, 543, 544; Schmidt/Wacker, EStG, 32. Aufl., § 16 Rn. 6).

24Daneben stellt auch die im Rahmen der Rückabwicklung der Fondsbeteiligung erfolgende "Übernahme" eines - etwaigen - negativen Kapitalkontos durch die Beklagte einen steuerpflichtigen Gewinn nach § 16 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 EStG dar, wodurch der dem Kläger insoweit ursprünglich zugeflossene Steuervorteil aus den Verlustzuweisungen wieder rückgängig gemacht wird. Ob und in welcher Höhe vorliegend (noch) ein negatives Kapitalkonto besteht, hat das Berufungsgericht zwar nicht festgestellt und lässt sich auch dem Vorbringen der Parteien nicht entnehmen. Darauf kommt es aber - wie oben dargelegt - nicht an. Umstände, aus denen sich vorliegend ausnahmsweise etwas anderes ergeben könnte, hat die darlegungs- und beweispflichtige Beklagte nicht vorgetragen. Insbesondere ergibt sich entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts und der Revisionserwiderung nichts anderes aus dem Umstand, dass die Verlustzuweisungen in den Jahren 2002 und 2003 von insgesamt 108.264 € die Einlageleistung des Klägers in Höhe von 66.000 € erheblich übersteigen. Ein dadurch entstandener und gegebenenfalls noch bestehender negativer Kapitalsaldo des Klägers unterläge, wie die Revision zu Recht geltend macht, als Teil des Veräußerungsgewinns der Besteuerung, wodurch der (noch bestehende) steuerliche Vorteil aus den Verlustzuweisungen kompensiert würde.

25bb) Soweit sich das Berufungsgericht auf Entscheidungen des Bundesgerichtshofs stützt, in denen ein außergewöhnlicher Steuervorteil jedenfalls dann in Betracht gezogen worden ist, wenn die Verlustzuweisung über die Einlageleistung hinausgeht, d.h. 100% der Einlageleistung übersteigt (vgl. , BGHZ 186, 205 Rn. 55 und vom - XI ZR 96/09, WM 2011, 740 Rn. 9; siehe ferner IVa ZR 231/82, WM 1984, 1075, 1078 und vom - IVa ZR 76/84, WM 1986, 517, 520), sind diese Entscheidungen vorliegend nicht einschlägig. Dort hat sich der Bundesgerichtshof nicht damit befasst, ob und inwieweit ein - aufgrund einer nicht vollständigen Einzahlung der Einlage und einer damit einhergehenden über der tatsächlichen Einzahlung liegenden Verlustzuweisung entstandenes - negatives Kapitalkonto zu berücksichtigen ist (vgl. etwa IVa ZR 231/82, WM 1984, 1075, 1078 und vom - IVa ZR 76/84, WM 1986, 517, 520). Dies ist indes - wie oben ausgeführt - hier zu bejahen.

262. Hinsichtlich der vorgerichtlichen Anwaltskosten hat die Revision nur teilweise Erfolg. Der dem Grunde nach außer Streit stehende Anspruch des Klägers aus § 280 Abs. 1 und 2, § 286 BGB besteht nur in Höhe von 1.880,20 €. Der für die Berechnung der Anwaltskosten maßgebliche Gegenstandswert ist um die vom Berufungsgericht zu Unrecht angerechneten Steuervorteile zu erhöhen und beträgt damit - auch unter Berücksichtigung der weiteren geltend gemachten Ansprüche, soweit sie für den Gegenstandswert von Bedeutung sind - bis zu 80.000 €. Soweit das Berufungsgericht eine 1,3-fache Gebühr angesetzt hat, ist dies nicht zu beanstanden und von der Revision auch nicht angegriffen worden.

273. Die Hilfswiderklage, über die das Berufungsgericht aus seiner Sicht folgerichtig nicht entschieden hat, ist vom Landgericht zu Recht abgewiesen worden.

28Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt zwar ein Anspruch des Schädigers auf Herausgabe der dem Geschädigten zukünftig zufließenden anrechenbaren Vorteile, die bei der Bemessung des Ersatzanspruchs noch nicht berücksichtigt werden konnten, in Betracht (, WM 2012, 1293 Rn. 41 f.). Ein solcher Anspruch steht der Beklagten hier jedoch nicht zu. Aufgrund der pauschalierenden Betrachtungsweise bei der Bemessung des Ersatzanspruchs scheidet eine "Herausgabe" steuerlicher Vorteile, die der Anleger aus seiner Beteiligung an einem Filmfonds erlangt hat, aus, wenn die entsprechende Ersatzleistung - wie hier - ihrerseits der Besteuerung unterworfen ist (vgl. , WM 2012, 1293 Rn. 43). Weitergehende Ansprüche der einen oder der anderen Partei des Abwicklungsschuldverhältnisses bestehen auch dann nicht, wenn und sobald eine endgültige Gegenüberstellung der steuerlichen Vor- und Nachteile möglich ist, weil es sich insoweit um einzelne Elemente des einheitlich zu behandelnden Rückabwicklungsanspruchs des Klägers handelt, über deren Bestehen oder Nichtbestehen bereits mit der Klage zu entscheiden ist (vgl. , WM 2012, 1293 Rn. 40). Die gegenteilige Auffassung würde dem Zweck der pauschalisierenden Betrachtungsweise, dem Zivilgericht unter Außerachtlassung der vielfältigen Besonderheiten der konkreten Besteuerung zu ermöglichen, einmalig und abschließend über den Ersatzanspruch zu entscheiden (vgl. , BGHZ 186, 205 Rn. 36 f., 39), zuwiderlaufen. Die Herausgabe dieser Vorteile durch den Anleger hätte insbesondere steuerrechtliche Auswirkungen, die wiederum zivilrechtlich nachvollzogen werden müssten (vgl. , BGHZ 53, 132, 138). Damit zwangsläufig einhergehende Unschärfen sind im Rahmen der Schätzung nach § 287 ZPO hinzunehmen (vgl. , NJW 1964, 589). Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Anleger in Zukunft noch derart außergewöhnliche Steuervorteile erzielen wird, dass es unbillig wäre, ihm diese zu belassen (vgl. , WM 2012, 1293 Rn. 43 f. mwN). Die hierfür darlegungs- und beweisbelastete Beklagte hat indes - wie oben dargelegt - keinen dahingehenden Vortrag gehalten.

III.

29Das Berufungsurteil ist demnach - unter Zurückweisung der weitergehenden Revision - in Höhe der vom Berufungsgericht angerechneten Steuervorteile und in Höhe weiterer 119,12 € ersatzfähiger vorgerichtlicher Anwaltskosten aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Da keine weiteren Feststellungen zu treffen sind, kann der Senat in der Sache selbst entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO). In Höhe der genannten Beträge ist die Berufung der Beklagten gegen das landgerichtliche Urteil zurückzuweisen und das landgerichtliche Urteil wiederherzustellen. Die Hilfswiderklage bleibt abgewiesen.

Wiechers                    Grüneberg                    Maihold

                Matthias                       Menges

Fundstelle(n):
AAAAE-56479