BAG Urteil v. - 9 AZR 434/12

Entfernungsentschädigung für Arbeitnehmer in der Forstverwaltung nach § 23 Abs. 7 TV-Forst - Wechsel der Arbeitsstelle als Anspruchsvoraussetzung

Gesetze: § 1 TVG

Instanzenzug: ArbG Braunschweig Az: 3 Ca 76/10 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Niedersachsen Az: 2 Sa 1024/10 Urteil

Tatbestand

1Der Kläger begehrt von der Beklagten, an ihn eine tarifliche Entfernungsentschädigung zu zahlen.

2Der Kläger ist bei der Beklagten im Kassenbereich des Wisentgeheges in S beschäftigt. Der am in Kraft getretene Tarifvertrag zur Regelung der Arbeitsbedingungen von Beschäftigten in forstwirtschaftlichen Verwaltungen, Einrichtungen und Betrieben der Länder vom idF des Änderungstarifvertrags Nr. 1 vom (TV-Forst), der kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme auf das Arbeitsverhältnis Anwendung findet, enthält ua. folgende Regelung:

„§ 23

(7) Benutzt der/die Beschäftigte sein/ihr Kraftfahrzeug für die Fahrtstrecke von seiner Wohnung zur ersten Arbeitsstelle und von der letzten Arbeitsstelle zurück zur Wohnung, erhält er/sie eine Entfernungsentschädigung. Die Entfernungsentschädigung wird ab dem 31. Kilometer gewährt; Hinfahrt und Rückfahrt sind jeweils gesondert zu betrachten. …“

3Der Kläger verlangte von der Beklagten ohne Erfolg für die Monate Juli bis Dezember 2009 eine Entfernungsentschädigung iHv. 230,40 Euro netto und für die Monate Januar bis April 2010 iHv. 115,20 Euro netto.

4Der Kläger hat die Rechtsansicht vertreten, § 23 Abs. 7 Satz 1 TV-Forst gewähre eine Entfernungsentschädigung unabhängig von einem Einsatz des Arbeitnehmers an verschiedenen Arbeitsstellen.

5Der Kläger hat beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 230,40 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Klagezustellung zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn weitere 115,20 Euro netto nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem zu zahlen.

6Die Beklagte hat die Abweisung der Klage mit der Begründung beantragt, nach § 23 Abs. 7 Satz 1 TV-Forst hänge der Entschädigungsanspruch davon ab, dass das Ziel der Hinfahrt ein anderes sei, als der Ausgangspunkt der Rückfahrt.

7Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Der Kläger begehrt mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.

Gründe

8Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat das klagestattgebende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht abgeändert und die Klage abgewiesen.

9I. Die zulässige Klage ist nicht begründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf Zahlung der begehrten Entfernungsentschädigung. Die Voraussetzungen des § 23 Abs. 7 Satz 1 TV-Forst liegen nicht vor.

101. Gemäß § 23 Abs. 7 Satz 1 TV-Forst erhält ein Beschäftigter eine Entfernungsentschädigung, wenn er sein Kraftfahrzeug für die Fahrtstrecke von seiner Wohnung zur ersten Arbeitsstelle und von der letzten Arbeitsstelle zurück zur Wohnung benutzt. Das Landesarbeitsgericht ist zu Recht davon ausgegangen, dass die Tarifbestimmung einen Anspruch auf Entfernungsentschädigung nur gewährt, wenn die erste Arbeitsstelle, die er von seinem Wohnort aus anfährt, eine andere ist als die Arbeitsstelle, von der aus er die Heimfahrt antritt. Mangels abweichender Vereinbarungen hat der Arbeitnehmer Aufwendungen, die durch die Fahrt von seiner Wohnung zur regelmäßigen Arbeitsstätte und zurück zu seiner Wohnung entstehen, selbst zu tragen. Von diesem Grundsatz sind die Tarifvertragsparteien in § 23 Abs. 7 Satz 1 TV-Forst nicht für den Fall abgewichen, dass der Arbeitnehmer seinen Dienst täglich an ein und derselben Arbeitsstelle antritt und ihn dort auch beendet. Dies ergibt eine Auslegung der einschlägigen Tarifbestimmungen anhand ihres Wortlauts, ihres Sinn und Zwecks sowie ihrer Systematik. Das hat der Senat in seiner Entscheidung vom (- 9 AZR 518/10 - Rn. 13 ff.) ausführlich begründet. Die Revision nennt keine Gesichtspunkte, die der Senat zum damaligen Zeitpunkt nicht bereits berücksichtigt hätte. Entgegen der vom Kläger in der Revisionsverhandlung geäußerten Ansicht, gibt auch die Tarifhistorie keinen verlässlichen Hinweis darauf, welcher sachliche Gehalt der Bestimmung beizumessen ist ( - Rn. 23). Auch dem Schreiben der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt vom lässt sich kein übereinstimmender Wille der Tarifvertragsparteien, der in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hätte, entnehmen, dass die Entschädigung auch an Beschäftigte gezahlt werden sollte, die ihre Arbeitsleistung immer an derselben Arbeitsstelle erbringen. Nach der - in einem anderen Verfahren erteilten und nur in Kopie zur Akte gereichten - Tarifauskunft waren diese Fälle gerade nicht Gegenstand der Tarifverhandlungen (grundsätzlich kritisch zur Heranziehung von Tarifauskünften im Rahmen der Tarifauslegung: Creutzfeldt FS Düwell 2011 S. 286, 293 ff.).

112. Der Kläger übt seine Tätigkeit nicht an verschiedenen Arbeitsstellen aus. Er beginnt und beendet seine Tätigkeit stets im Kassenbereich des Wisentgeheges in S.

12II. Der Kläger hat die Kosten seiner erfolglosen Revision zu tragen, § 97 Abs. 1 ZPO.

Fundstelle(n):
BAAAE-56444