Wehrdienstdisziplinarverfahren; Wiedereinsetzung; Fristversäumnis durch Verteidiger; Verschulden des Antragstellers
Gesetze: § 91 Abs 1 S 1 WDO 2002, § 44 Abs 1 S 1 StPO
Gründe
I.
1Die 3. Kammer des Truppendienstgerichts Süd setzte den früheren Soldaten mit Urteil vom in den Dienstgrad eines Stabsunteroffiziers der Reserve (BesGr A 6) herab. Das schriftliche Urteil, dem eine Rechtsmittelbelehrung auch über die Möglichkeit der Einlegung einer Berufung beigefügt war, wurde dem früheren Soldaten am zugestellt.
2Am hat der Pflichtverteidiger des früheren Soldaten Berufung eingelegt. Am selben Tag hat er Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und zur Begründung vorgetragen und anwaltlich versichert, der frühere Soldat habe ihn am per E-Mail informiert, dass ihm an diesem Tage das Urteil des Truppendienstgerichts zugegangen sei. Er habe ihm auch den Auftrag erteilt, gegen das Urteil Berufung einzulegen. Er habe dies zugesagt. Sein Büro habe die Berufungsfrist gleichwohl nach dem Eingang der nachrichtlichen Mitteilung, dem , eingetragen, was auch ihm nicht aufgefallen sei.
3Der Vorsitzende der 3. Kammer des Truppendienstgerichts Süd hat am vermerkt, dass die Berufung nicht in der gesetzlichen Frist eingelegt sei, der frühere Soldat durch seinen Verteidiger aber einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt habe, und die Akten dem Bundesverwaltungsgericht vorlegen lassen.
4Der Bundeswehrdisziplinaranwalt hat auf den Beschluss des Senats vom - BVerwG 2 WDB 2.05 - verwiesen. Die Berufung sei nicht fristgerecht eingegangen. Der Wiedereinsetzungsantrag scheine unbegründet. Den früheren Soldaten treffe ein persönliches Mitverschulden für die Fristversäumnis, weil er sich vor deren Ablauf, ohne dass hinreichende Gründe ersichtlich seien, nicht mehr bei seinem Verteidiger vergewissert habe, ob dieser rechtzeitig Berufung einlegen würde oder schon eingelegt habe.
II.
5Der Wiedereinsetzungsantrag ist zulässig, insbesondere fristgerecht gestellt (§ 91 Abs. 1 Satz 2 WDO i.V.m. § 45 Abs. 1 Satz 1 StPO) und begründet.
6Der Vorsitzende der 3. Kammer des Truppendienstgerichts Süd hätte zwar nach § 117 Satz 1 WDO die Berufung durch Beschluss zunächst als unzulässig verwerfen müssen, wenn sie - wie hier - innerhalb der gesetzlichen Frist nicht eingelegt wurde und erst dann den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zur Entscheidung an das Bundesverwaltungsgericht weiterleiten dürfen. Aus prozessökonomischen Gründen und entsprechend dem Grundsatz des Beschleunigungsgebots (§ 17 Abs. 1 WDO) ist jedoch das Fehlen dieses Vorverfahrens nach § 117 Satz 1 i.V.m. § 91 Abs. 1 WDO, § 46 Abs. 1 StPO unschädlich ( BVerwG 2 WDB 2.05 -).
7Nach § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 44 StPO ist Wiedereinsetzung in den vorigen Stand demjenigen zu gewähren, der ohne Verschulden verhindert war, eine Frist einzuhalten. Bei der Prüfung der Frage, ob den Angeschuldigten oder Beschuldigten an einer Fristversäumnis gemäß § 44 Abs. 1 Satz 1 StPO ein Verschulden trifft, ist es den Gerichten regelmäßig verwehrt, ihm die Versäumnisse seiner Verteidiger zuzurechnen (vgl. dazu - BVerfGE 60, 253 <257, 299, 300>; - NJW 1994, 1856 m.w.N.). Das gilt aber nur dann, wenn der Antragsteller nicht durch eigenes Verschulden zur Versäumung der Frist beigetragen hat ( - BGHSt 25, 89 <92 f.>).
8Sichert ein Verteidiger die Einlegung eines Rechtsmittels zu, darf ein Angeklagter auf die Erfüllung der Zusage vertrauen (vgl. - juris). Zu einer Überwachung seines Verteidigers ist der frühere Soldat grundsätzlich nicht verpflichtet, solange nicht konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Verteidiger nicht zuverlässig arbeiten werde. Ein Soldat, zumal ein Nichtjurist, ist als Berufungsführer nicht verpflichtet, die korrekte Fristberechnung und ihre Einhaltung durch einen Rechtsanwalt zu kontrollieren. Vielmehr darf er davon ausgehen, dass ein Organ der Rechtspflege eine Zusage fristgerecht einhält und ein Volljurist eine Fristberechnung auf der Grundlage vollständig und zutreffend übermittelter Daten zutreffend vornimmt sowie das zur Fristwahrung Gebotene veranlasst. Soweit der Senat in dem BVerwG 2 WDB 2.05 - etwas anderes vertreten hat, hält er hieran nicht fest, weil es die Anforderungen an Sorgfaltspflichten eines Nichtjuristen überspannt, von ihm die Kontrolle eines Volljuristen bei der korrekten Berechnung und Wahrung einer Rechtsmittelfrist zu erwarten.
9Hier hatte der frühere Soldat nach der anwaltlichen Versicherung seines Pflichtverteidigers rechtzeitig vor Fristablauf den Auftrag zur Einlegung der Berufung erteilt und dem Verteidiger auch das für die Fristberechnung maßgebliche Datum der Zustellung des schriftlichen Urteils an ihn zutreffend mitgeteilt. Der Verteidiger hatte die Einlegung der Berufung zugesagt. Vorliegend gibt es keinen Anhaltspunkt dafür, dass der frühere Soldat hätte erkennen können, der Verteidiger würde bei der Überwachung der Fristeneintragungen durch seine Kanzlei den von ihm eingeräumten Fehler begehen und übersehen, dass sein Büro die Frist nicht von der allein maßgeblichen Zustellung an den früheren Soldaten ausgehend berechnen würde. Damit konnte der frühere Soldat darauf vertrauen, das Rechtsmittel werde rechtzeitig eingelegt. Zu der durch ein Verschulden seines Verteidigers versäumten Frist hat er mithin nicht durch eigenes Verschulden beigetragen.
Fundstelle(n):
VAAAE-53037