BGH Beschluss v. - NotZ(Brfg) 12/13

Instanzenzug:

Gründe

I.

1 Der am geborene Kläger beantragte beim Beklagten, ihm über den hinaus die Ausübung des Notaramts zu gestatten. Dies lehnte der Beklagte unter Hinweis auf die in § 48a BNotO zwingend bestimmte Altersgrenze ab. Mit seiner Klage verfolgt der Kläger sein Begehren weiter. Hilfsweise beantragt er, ihm die notarielle Tätigkeit bis zur Vollendung des 75. Lebensjahres zu erlauben, das Verfahren bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte über die Beschwerde eines anderen Notars, dessen Amt gemäß § 47 Nr. 1 BNotO wegen Erreichens der Altersgrenze des § 48a BNotO erloschen ist, auszusetzen und eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV einzuholen. Das Oberlandesgericht hat die Klage abgewiesen.

II.

2 Der Antrag des Klägers, die Berufung gegen das Urteil der Vorinstanz zuzulassen, ist zulässig, aber unbegründet. Ein Zulassungsgrund (§ 124 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO) besteht nicht. Insbesondere hat die Rechtssache weder grundsätzliche Bedeutung (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO) noch bestehen ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils des Oberlandesgerichts (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO i.V.m. § 111d Satz 2 BNotO).

3 Die entscheidungserheblichen Rechtsfragen sind durch den Senatsbeschluss vom (NotZ 16/09, BGHZ 185, 30) und den die Verfassungsbeschwerde gegen diese Entscheidung zurückweisenden , NJW 2011, 1131) zum Nachteil des Klägers geklärt. Danach verstoßen § 47 Nr. 1 und § 48a BNotO weder gegen das Grundgesetz noch gegen das aus der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EG L 303/16) - fortan: Richtlinie - folgende Verbot der Diskriminierung aufgrund des Alters. Hieran hält der Senat auch unter Berücksichtigung der vom Kläger angeführten Gesichtspunkte fest.

4 1. Darauf, dass die Richtlinie auf das selbständige Notariat nach Auffassung des Senats nicht anwendbar ist (aaO Rn. 14 ff; vgl. auch Senatsbeschluss vom - NotZ 23/07, BGHZ 174, 273 Rn. 27; offen gelassen: tersgrenze nicht gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters (Senatsbeschluss vom aaO Rn. 22 ff; BVerfG aaO Rn. 11 ff). Die abweichende, auf den Wortlaut und die Systematik gestützte Auslegung des Klägers, der sich mit der Argumentation des Senats nicht näher auseinandersetzt, überzeugt nicht. Entgegen der Ansicht des Klägers ist die Würdigung des Senats auch nicht zwischenzeitlich durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts überholt. Die von ihm angeführten Urteile stehen mit der Judikatur des Senats zur Zulässigkeit der Altersgrenze nach § 47 Nr. 1, § 48a BNotO nicht im Widerspruch.

5 In der eine tarifvertraglich vereinbarte Altersgrenze von 60 Jahren für Berufspiloten betreffenden Entscheidung vom (C-447/09 - Prigge u.a., NJW 2011, 3209) hat der Gerichtshof einen Verstoß gegen die Richtlinie nur deshalb angenommen, weil diese Altersgrenze, ab der Flugzeugführer als körperlich nicht mehr fähig zur Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit gelten sollten, im Widerspruch zu nationalen und internationalen Regelungen stand, in denen dieses Alter auf 65 Jahre festgelegt war (aaO Rn. 75). Eine vergleichbare Konstellation ist hier nicht gegeben.

6 In seinem Urteil vom (C-286/12, [...]) zur Herabsetzung der Altersgrenze für ungarische Richter, Staatsanwälte und Notare von 70 Jahren auf 62 Jahre hat der Gerichtshof hervorgehoben, dass die Gewährleistung einer ausgewogenen Altersstruktur, um die Einstellung und Beförderung jüngerer Bediensteter zu begünstigen, ein legitimes Ziel einer Beschäftigungsund Arbeitsmarktpolitik ist, das eine Altersgrenze rechtfertigt (aaO Rn. 60, 62 f mwN, siehe auch - Odar, NJW 2013, 587 Rn. 47). Dies entspricht den Ausführungen in dem Senatsbeschluss vom (aaO Rn. 29), wonach die für deutsche Notare geltende Altersgrenze nach den Maßstäben der Richtlinie beschäftigungspolitisch dadurch gerechtfertigt ist, dass anderenfalls für die Besetzung der nur in begrenzter Anzahl zur Verfügung stehenden Stellen (§ 4 Satz 1 BNotO) nicht, jedenfalls nicht mit der erforderlichen Vorhersehbarkeit und Planbarkeit gewährleistet wäre, dass lebensältere Notare die ihnen zugewiesenen Stellen für lebensjüngere freimachen und diesen eine Perspektive eröffnet wird, den angestrebten Beruf des Notars binnen angemessener Zeit ausüben zu können. Der Gerichtshof hat den Verstoß der betreffenden ungarischen Regelung gegen die Richtlinie dementsprechend damit begründet, dass das legitime Ziel nicht mit geeigneten und erforderlichen Mitteln erreicht werden sollte. Der Gerichtshof beanstandete, dass die in Rede stehende Regelung eine plötzliche und erhebliche Senkung der Altersgrenze für das zwingende Ausscheiden aus dem Dienst vornahm, ohne Übergangsmaßnahmen vorzusehen, die geeignet gewesen wären, das berechtigte Vertrauen der Betroffenen zu schützen, die eine Einbuße von mindestens 30 % ihres Gehalts hätten hinnehmen müssen (aaO Rn. 68, 70). Von einer derartigen Fallgestaltung ist der Kläger aufgrund der von ihm beanstandeten, bereits seit dem (Art. 1 Nr. 12 des Gesetzes zur Änderung des Berufsrechts der Notare und Rechtsanwälte vom , BGBl. I S. 150) in Kraft befindlichen Regelungen nicht betroffen.

7 Das in der Begründung des Zulassungsantrags schließlich in Bezug genommene (BVerwGE 141, 385), mit dem es entschieden hat, eine Höchstaltersgrenze für öffentlich bestellte Sachverständige sei mit der Richtlinie unvereinbar, stützt die Rechtsauffassung des Klägers ebenfalls nicht. Im Gegenteil hebt das Bundesverwaltungsgericht in Übereinstimmung mit dem Senatsbeschluss vom (aaO) hervor, die Absicht des Normgebers, durch eine Höchstaltersgrenze jüngeren Bewerbern bessere Zugangschancen zu eröffnen, sei ein nach der Richtlinie legitimes sozialpolitisches Ziel (BVerwGE 141, 385 Rn. 17). Ausschlaggebend für die Entscheidung war, dass die in Rede stehende Altersbeschränkung gerade ein solches Ziel nicht verfolgte. Die öffentliche Bestellung als Sachverständiger ist - im Gegensatz zur Bestellung von Notaren (§ 4 BNotO) - unabhängig von einer konkreten Bedarfsprüfung. Das Ausscheiden älterer Sachverständiger ist damit - anders als bei den Notaren - nicht Voraussetzung für das Nachrücken Jüngerer (BVerwG aaO).

8 Ergänzend ist noch anzumerken, dass auch das den Staatsangehörigkeitsvorbehalt des § 5 BNotO a.F. betreffende Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union vom (C-54/08, NJW 2011, 2941) für die Rechtsposition des Klägers unbehelflich ist. Wie der Senat in seinem Beschluss vom (aaO) ausgeführt hat, findet die Altersgrenze des § 48a BNotO ihre Rechtfertigung in der Sicherung einer geordneten Altersstruktur und der Notwendigkeit, im Interesse der beruflichen Perspektive lebensjüngerer Anwärter für eine ausreichende Fluktuation zu sorgen. Diese Erfordernisse wiederum sind zwangsläufige Folge dessen, dass Notarstellen aufgrund von § 4 Satz 1 BNotO nur in begrenzter Anzahl zur Verfügung stehen (vgl. Senat aaO). Nach dem Urteil des Gerichtshofs vom (aaO Rn. 98) gehört die Begrenzung der Zahl und der örtlichen Zuständigkeit der Notare zu den Beschränkungen von Art. 43 EG (= Art. 49 AEUV), die durch einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses gerechtfertigt werden können, weil mit den notariellen Tätigkeiten in diesem Interesse liegende Ziele verfolgt werden, die insbesondere dazu dienen, die Rechtmäßigkeit und die Rechtssicherheit von Akten zwischen Privatpersonen zu gewährleisten.

9 2. Unbegründet ist auch die Rüge des Klägers, die in § 48a BNotO bestimmte Altersgrenze von 70 Jahren sei der Anzahl der Lebensjahre nach willkürlich gewählt (Art. 3 Abs. 1 GG). Nahezu jede mathematischnaturwissenschaftlich nicht ableitbare zahlenmäßige Grenzziehung in einer Rechtsnorm ist letztlich rational nicht begründbar, sondern beruht auf einer wertenden Entscheidung des Normgebers, dem hierbei ein Gestaltungsspielraum zusteht (Senatsbeschluss vom - NotZ 6/07, NJW-RR 2008, 569 Rn. 45). Es hält sich innerhalb dieses - von den Gerichten aus Gründen der Gewaltenteilung zu respektierenden - Spielraums, wenn der Gesetzgeber in § 48a BNotO die Altersgrenze für Notare auf 70 Jahre festgesetzt hat.

10 Unmaßgeblich ist weiter, ob die hierzu angestellte Erwägung des Klägers zutrifft, die 1991 eingeführte Altersgrenze sei mittlerweile durch die allgemein gestiegene Lebenserwartung und die gewandelte demografische Situation in Deutschland überholt. Ob, wann und in welcher Weise der Gesetzgeber die Rechtslage geänderten tatsächlichen Verhältnissen anpasst, liegt ebenfalls in seinem Gestaltungsspielraum. Dass sich die Lebenserwartung und die demografischen Verhältnisse, soweit sie sich für die Besetzung von Notarstellen überhaupt bemerkbar machen, derart massiv gewandelt hätten, dass mit der Beibehaltung der Altersgrenze des § 48a BNotO der dem Gesetzgeber zustehende weite Spielraum überschritten wäre, ist auch nicht ansatzweise ersichtlich.

11 3. Unbehelflich ist der Hinweis des Klägers auf den Senatsbeschluss vom (NotZ 12/00, NJW-RR 2001, 784). Danach ist es ermessensfehlerhaft, zum nicht ständigen Notarvertreter generell nicht Personen zu bestellen, die das 70. Lebensjahr vollendet haben. Bei der Bestellung von nicht ständigen Notarvertretern stellt sich die für die Altersgrenze des § 48a BNotO maßgebliche Frage der Sicherung einer geordneten Altersstruktur des Notariats nicht. Vielmehr übt der nicht ständige Notarvertreter eine Dauertätigkeit nicht aus, sondern wird von Fall zu Fall für einen bestimmten, regelmäßig kurzen Zeitraum bestellt (Senat aaO).

12 4. Die Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte über die Beschwerde eines anderen ehemaligen Notars, dessen Amt aufgrund des Erreichens der Altersgrenze des § 48a BNotO gemäß § 47 Nr. 1 BNotO erlosch, war und ist ebenso wenig geboten wie ein Vorabentscheidungsersuchen gemäß Art. 267 AEUV.

13 a) Die Voraussetzungen einer Aussetzung der Entscheidung des Rechtsstreits gemäß § 94 VwGO i.V.m. § 111b Abs. 1 BNotO sind nicht erfüllt. Das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte ist nicht präjudiziell im Sinne des § 94 VwGO, der wörtlich und inhaltlich mit § 148 ZPO übereinstimmt. Die Vorgreiflichkeit nach dieser Vorschrift besteht nicht schon dann, wenn die gleiche Rechtsfrage in beiden Verfahren entscheidungserheblich ist. § 148 ZPO stellt nicht auf sachliche oder tatsächliche Zusammenhänge zwischen verschiedenen Verfahren ab, sondern auf die Abhängigkeit vom Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses. Allein die tatsächliche Möglichkeit eines Einflusses genügt dieser gesetzlichen Voraussetzung nicht und wäre im Übrigen auch ein konturenloses Kriterium, das das aus dem Justizgewährleistungsanspruch folgende grundsätzliche Recht der Prozessparteien auf Entscheidung ihres Rechtsstreits in seinem Kern beeinträchtigen würde (, WM 2012, 2024 Rn. 13 mwN; zu § 94 VwGO auch Kopp/Schenke, VwGO, 19. Aufl., § 94 Rn. 4a).

14 b) Die Voraussetzungen für ein Vorabentscheidungsersuchen des Senats an den Gerichtshof der Europäischen Union gemäß Art. 267 AEUV sind gleichfalls nicht erfüllt. Der Senat nimmt insoweit zunächst auf die Ausführungen in seinem Beschluss vom (NotZ 16/09, BGHZ 185, 31 Rn. 32 ff; siehe hierzu auch BVerfG NJW 2011, 1131 Rn. 14) Bezug. Soweit er in Nummer II 1 des vorliegenden Beschlusses ergänzende Erwägungen zum Unionsrecht angestellt und sich hierbei insbesondere mit weiteren Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union auseinandergesetzt hat, liegen die Würdigungen ebenfalls derart auf der Hand, dass eine Vorlage gemäß Art. 267 AEUV nach den Maßstäben der sogenannten acte clair-Doktrin (siehe hierzu z.B. Senatsbeschlüsse vom aaO Rn. 33 f und vom - NotZ 23/07, BGHZ 174, 273 Rn. 34) ausscheidet.

15 c) In diesem Zusammenhang ist ergänzend anzumerken, dass die Rüge des Klägers, das Oberlandesgericht habe die unter anderem auf die Aussetzung des Verfahrens und die Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union gerichteten Hilfsanträge nicht beschieden, nicht nachvollziehbar ist (siehe Seite 4 Abs. 2 und 3 des Urteils des Oberlandesgerichts). Zu beanstanden wäre allenfalls gewesen, dass die Vorinstanz im Tatbestand ihres Urteils den Hauptantrag nicht wiedergegeben hat, der auf die Gestattung der weiteren Tätigkeit des Klägers als Notar ohne Altersbegrenzung gerichtet war. Der dort als Hauptbegehren angeführte Antrag, der darauf gerichtet war, dem Kläger die Amtsausübung als Notar bis zur Vollendung seines 75. Lebensjahrs zu gestatten, war lediglich hilfsweise gestellt (siehe Schriftsatz vom ). Dies ist jedoch im Ergebnis unschädlich, da der Kläger aus den Gründen des Urteils des Oberlandesgerichts, die, wie ausgeführt, nicht zu beanstanden sind, erst recht keinen Anspruch auf Gestattung seiner notariellen Tätigkeit über den hinaus ohne Altersbegrenzung hat.

Fundstelle(n):
BAAAE-52465