BGH Beschluss v. - 5 StR 487/13

Jugendstrafverfahren: Anrechnung der Heimunterbringung auf die angedrohte Jugendstrafe

Gesetze: § 52a S 1 JGG, § 116 Abs 1 StPO

Instanzenzug: Az: 617 KLs 18/12

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten T.      wegen Hehlerei und Nötigung unter Einbeziehung eines Urteils zu einer Jugendstrafe von zehn Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Es hat die in beiden Verfahren erlittene Freiheitsentziehung auf die Jugendstrafe angerechnet, hierbei aber ausschließlich Untersuchungshaft berücksichtigt (UA S. 48). Eine Entschädigungsentscheidung hat das Landgericht nicht getroffen. Die auf Verfahrensrügen und die Sachrüge gestützte Revision hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie aus den in der Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom angeführten Gründen unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO).

21. Die Revision rügt zu Recht, dass bei der Entscheidung über die Anrechnung vom Angeklagten erlittener Freiheitsentziehung der durch den Haftverschonungsbeschluss vom seit diesem Tag bis angeordnete Aufenthalt in der „Jugendgerichtlichen Unterbringung“ (JGU) nicht mit in den Blick genommen worden ist. Denn einer Einstufung als „andere Freiheitsentziehung“ im Sinne des § 52a Satz 1 JGG steht nicht entgegen, dass dieser Unterbringung kein vollstreckbarer Unterbringungsbefehl nach § 72 Abs. 4 Satz 1, § 71 Abs. 2 JGG – wonach sie ohne Weiteres anrechenbar gewesen wäre (vgl. Eisenberg, JGG, 16. Aufl., § 71 Rn. 14c, § 52 Rn. 8; Richtlinien zum Jugendgerichtsgesetz Nr. 1 zu §§ 52, 52a JGG; Entwurf eines Ersten Gesetzes zur Änderung des Jugendgerichtsgesetzes, BT-Drucks. 11/5829, S. 30) – zugrunde lag, sondern sie „freiwillig“ aufgrund einer Weisung gemäß § 116 Abs. 1 StPO erfolgt ist, da dem Angeklagten bei deren Nichtbefolgung der Vollzug der Untersuchungshaft drohte (vgl. BVerfG, NStZ 1999, 570; Eisenberg, aaO, § 52 Rn. 8; Schatz in Diemer/Schatz/Sonnen, JGG, 6. Aufl., § 52 Rn. 8; Schady in Ostendorf, JGG, 9. Aufl., § 52 Rn. 5). Bei wertender Betrachtung steht sie mithin in ihren Wirkungen, auf die es maßgeblich ankommt, einer einstweiligen Unterbringung nach § 72 Abs. 4 Satz 1, § 71 Abs. 2 JGG gleich.

32. Es liegt zwar nahe, dass das Landgericht aus erzieherischen Gründen (vgl. UA S. 47) die Anrechnung des in Rede stehenden Aufenthalts auf die Jugendstrafe nach § 52a Satz 2 JGG versagt hätte. Dem Senat ist aber eine eigene Sachentscheidung aufgrund des dem Tatgericht insofern eingeräumten Ermessens nicht möglich. Sollte das Tatgericht den Aufenthalt in der „JGU“ vollständig auf die verhängte Jugendstrafe anrechnen, so könnte diese nicht mehr zur Bewährung ausgesetzt werden, da kein zu vollstreckender Rest verbliebe (vgl. , BGHR StGB § 56 Aussetzung 1 mwN). Der Senat hebt deshalb auch die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung auf, um dem neuen Tatgericht die Möglichkeit zu geben, hierüber – unter Berücksichtigung des Verschlechterungsverbots (§ 358 Abs. 2 Satz 1 StPO) – neu zu befinden.

43. Mit der Teilaufhebung des Urteils wird die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen die unterbliebene Entscheidung über einen Entschädigungsanspruch für die erlittenen, die Dauer der verhängten Jugendstrafe übertreffenden Freiheitsentziehungen gegenstandslos (vgl. – und vom – 4 StR 551/12; Meyer, StrEG, 8. Aufl., § 8 Rn. 60). Über eine – in der Sache freilich gänzlich fernliegende – Entschädigung nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 StrEG hat das neue Tatgericht zu befinden.

Basdorf                   Sander                       Schneider

                Dölp                      König

Fundstelle(n):
SAAAE-50258