BGH Urteil v. - 5 StR 297/13

Sexueller Missbrauch von Kindern: Inhalt der Anklageschrift bei Serienstraftaten

Gesetze: § 200 Abs 1 S 1 StPO

Instanzenzug: LG Frankfurt (Oder) Az: 22 KLs 19/11

Gründe

1Die zugelassene Anklage legt dem Angeklagten u.a. sexuellen Missbrauch eines Kindes in fünf Fällen, in einem Fall in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch einer Schutzbefohlenen (Tatvorwürfe 1 bis 5 der Anklage), zur Last. Nachdem insoweit wiederholt nach § 206a StPO ergangene Einstellungsbeschlüsse des Landgerichts in der Beschwerdeinstanz aufgehoben worden waren, hat das Landgericht die Tatvorwürfe 1 bis 5 nunmehr durch das angefochtene Urteil eingestellt, weil die Anklageschrift – entgegen der letzten Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichts – insofern nicht den Anforderungen des § 200 Abs. 1 Satz 1 StPO genüge. Allein hierauf hat die Staatsanwaltschaft ihre Revision beschränkt. Eine weitergehende Verfahrenseinstellung und die Freisprechung des Angeklagten von weiteren Tatvorwürfen wird nicht mehr angefochten.

2Im Umfang der Durchführung hat das Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft Erfolg. Ein Verfahrenshindernis liegt nicht vor. Die Anklage konkretisiert die Tatvorwürfe 1 bis 5 noch hinreichend und ist insoweit wirksam.

3Bei einer Vielzahl sexueller Übergriffe gegenüber Kindern, die häufig – so auch im vorliegenden Fall – erst nach längerer Zeit angezeigt werden, ist eine Individualisierung nach Tatzeit und exaktem Geschehensablauf oftmals nicht möglich. Das darf einer Anklageerhebung nicht entgegenstehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs erfüllt die Anklageschrift in diesen Fällen bereits dann ihre Umgrenzungsfunktion, wenn sie den Verfahrensgegenstand durch den zeitlichen Rahmen der Tatserie, die Nennung der Höchstzahl der nach dem Anklagevorwurf innerhalb dieses Rahmens begangenen Taten, das Tatopfer und die wesentlichen Grundzüge des Tatgeschehens bezeichnet (vgl. , BGHSt 40, 44, 46 f.; vom – 1 StR 94/98, BGHSt 44, 153, 154 f. mwN).

4Diesen Anforderungen wird die Anklage noch gerecht. Sie geht davon aus, dass es in den Tatzeiträumen zu einer Vielzahl ähnlicher sexueller Übergriffe des Angeklagten auf seine Tochter C.      gekommen ist. Die Staatsanwaltschaft hat deshalb – unter Bezeichnung des Opfers, des Tatortes und der Tatzeiträume – nur Taten angeklagt, die sich in ihrer konkreten Ausführungsart unterscheiden. Die individualisierenden Merkmale lassen trotz der zum Teil langen Tatzeiträume konkrete Lebenssachverhalte erkennen und die Taten von anderen möglichen Übergriffen abgrenzen. Dass die Taten auch etwa detailreicher hätten dargestellt werden können (vgl. wesentliches Ergebnis der Ermittlungen, S. 20 der Anklageschrift) steht dem nicht entgegen. Eine Begrenzung der Anklage auf den Initialfall und jeweils einen Fall mit einer weitergehenden, je individuell unterschiedlichen Modalität hat – worauf das Oberlandesgericht in seiner Beschwerdeentscheidung zu Recht hingewiesen hat – zur Folge, dass nach einem Sachurteil auf der Grundlage dieser Anklage auch für weitere gleichartige oder ähnliche Taten in Anwendung des Zweifelsgrundsatzes von einem Strafklageverbrauch auszugehen sein wird.

5Eine Verurteilung wegen eines tateinheitlichen Vergehens nach § 174 StGB wird nach dem Zweifelsgrundsatz nur dann möglich sein, wenn sich sicher feststellen lässt, dass die entsprechende individualisierte Tat nach dem begangen worden ist (vgl. zur Verjährung S. 21 der Anklageschrift).

Basdorf                   Sander                     Schneider

                Dölp                     König

Fundstelle(n):
KAAAE-48876