BGH Beschluss v. - 1 StR 369/13

Sicherungsverfahren: Wirksamkeit einer Rechtsmittelrücknahme auf Veranlassung des Betreuers

Gesetze: § 302 Abs 1 StPO, § 302 Abs 2 StPO

Instanzenzug: LG Deggendorf Az: 1 KLs 2 Js 1945/12

Gründe

I.

1Das in ihrer Abwesenheit verkündete Urteil vom wurde der Beschuldigten am zugestellt. Ihre Revision ging fristgerecht am ein. Mit Schriftsatz vom nahm der Pflichtverteidiger die Revision zurück.

2Das Landgericht forderte den Verteidiger auf, die gemäß § 302 Abs. 2 StPO erforderliche ausdrückliche Ermächtigung zur Revisionsrücknahme vorzulegen. Dieser übersandte ein Schreiben des Betreuers der Beschuldigten, in dem um Rücknahme der Revision gebeten wird.

3Nach dem Betreuerausweis vom (Blatt 17 der Sachakten) vertritt der Betreuer die Betroffene im Rahmen seines Aufgabenkreises gerichtlich und außergerichtlich. Der Aufgabenbereich umfasst insbesondere die Aufenthaltsbestimmung, Gesundheitsfürsorge, Vermögensvorsorge, Vertretung gegenüber Behörden und Wohnungsangelegenheiten.

4Durch Beschluss vom hat das Landgericht gemäß § 346 Abs. 1 StPO die Revision als unzulässig verworfen, da eine wirksame Revisionsrücknahme nicht vorliege und die Revisionsanträge und ihre Begründung nicht in der Frist des § 345 Abs. 1 StPO angebracht worden seien.

5Dieser Beschluss wurde am dem Verteidiger zugestellt. Am legte der Verteidiger gegen diesen Beschluss "Beschwerde" ein. Mit weiterem Schriftsatz stellte er klar, dass damit eine Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 346 Abs. 2 Satz 1 StPO) begehrt wird.

II.

6Der als Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts (§ 346 Abs. 2 StPO) zu wertende Schriftsatz vom hat im Ergebnis keinen Erfolg. Zwar ist der aufzuheben; doch war die Revision vom Senat als unzulässig zu verwerfen (§ 349 Abs. 1 StPO).

71. Der zulässige Antrag auf Entscheidung des Revisionsgerichts führt zur Aufhebung des Beschlusses, mit dem das Landgericht die Revision als unzulässig verworfen hat. Für diese Entscheidung war das Landgericht nicht zuständig.

8Seine Befugnis zur Verwerfung der Revision ist auf diejenigen Fälle beschränkt, in denen der Beschwerdeführer die für die Einlegung und Begründung des Rechtsmittels vorgeschriebenen Formen und Fristen nicht gewahrt hat (§ 346 Abs. 1 StPO). Kann sich die Unzulässigkeit der Revision aus einem anderen Grund ergeben, so hat allein das Revisionsgericht zu entscheiden, das sich nach § 349 Abs. 1 StPO umfassend mit dem Gesamtkomplex der Zulässigkeit befassen muss. Dies gilt auch dann, wenn ein solcher Grund mit Mängeln der Form- und Fristeinhaltung zusammentrifft (vgl. u.a. BGH, Beschlüsse vom - 3 StR 23/08, vom - 1 StR 271/07, vom - 4 StR 375/06, vom - 2 StR 426/00 jeweils mwN).

9Da im vorliegenden Fall auch die vorgreifliche Frage der Wirksamkeit der Rechtsmittelrücknahme zu prüfen war, obliegt die Entscheidung über die Zulässigkeit des Rechtsmittels dem Revisionsgericht (vgl. auch Meyer-Goßner, StPO, 56. Aufl., Rn. 2 zu § 346 StPO).

102. Die Rechtsmittelrücknahme war nicht wirksam, da der (Pflicht-)Verteidiger nicht gemäß § 302 Abs. 2 StPO zur Zurücknahme ausdrücklich ermächtigt war. Die Zustimmung des Betreuers stellt hier keine ausdrückliche Ermächtigung dar; denn sein Aufgabenbereich umfasst nicht auch die Vertretung in Strafsachen (vgl. u.a. Radtke in Radtke/Hohmann, StPO, Rn. 4 zu § 298 StPO; Meyer-Goßner, aaO, Rn. 3 zu § 302 i.V.m. Rn. 1 zu § 298; vgl. auch OLG Hamm, NStZ 2008, 119).

11Die Beschuldigte selbst hat keine Ermächtigung zur Revisionsrücknahme erteilt.

123. Die Revision ist vom Senat als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht fristgerecht begründet worden ist (§ 349 Abs. 1 StPO). Die für den Fristbeginn maßgebliche Urteilszustellung (§ 345 Abs. 1 Satz 2 StPO) ist am erfolgt.

13Innerhalb der Monatsfrist des § 345 Abs. 1 Satz 1 StPO ist eine Revisionsbegründung nicht abgegeben worden.

Rothfuß                        Graf                              Jäger

                  Radtke                     Mosbacher

Fundstelle(n):
AAAAE-46490