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LSG Thüringen Urteil v. - L 8 SO 74/11

Die Beteiligten streiten über die Erstattung der Aufwendungen für das ambulant betreute Wohnen des Leistungsberechtigten J. G. ab 22. April 2008. Der 1970 geborene Leistungsberechtigte lebte bis zu seiner ersten Aufnahme in einer stationären sozial-therapeutischen Einrichtung im örtlichen Zuständigkeitsbereich der Beklagten, welche auch die Kosten dieser Behandlung bis einschließlich Februar 2007 beglich. Ab März 2007 mietete der Leistungsberechtigte eine Wohnung unter der Anschrift "Am S. 46" in G. von der G. Baugenossenschaft GWG e.G. an. Auf seinen Antrag wurde ihm zudem fortlaufend eine sozial-therapeutische Betreuung ambulant durch den Pflegedienst P. B. GbR mit Sitz in derselben Straße zuteil. Aufgrund der bei ihm diagnostizierten Alkoholabhängigkeit und sozialen Anpassungsstörungen erbrachte der Pflegedienst ambulante Hilfeleistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft mit dem Ziel, die Unabhängigkeit des Leistungsberechtigten von vollstationärer Hilfe, eine selbständige Lebensführung und die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder einer sonstigen geeigneten Beschäftigung zu erreichen. Auch die Aufwendungen für diese betreute Wohnmöglichkeit übernahm die Beklagte bis zur erneuten stationären Aufnahme des Leistungsberechtigten. Zur erneuten stationären Behandlung wurde der Leistungsberechtigte nunmehr auf Kosten der Deutschen Rentenversicherung vom 29. Januar 2008 bis zu seiner Entlassung am 22. April 2008 in der A.-Klinik im R. aufgenommen. Nach seiner Entlassung bezog er erneut die Wohnung "Am S. 46" in G. und erhielt dort auch entsprechend seines Antrags vom 21. April 2008 - nun zu Lasten der Klägerin - erneut Betreuungsleistungen des Pflegedienstes P. B. GbR mit dem Ziel, dadurch die Unabhängigkeit von vollstationärer Hilfe, die selbständige Lebensführung und die Ausübung einer Erwerbstätigkeit oder sonstigen geeigneten Beschäftigung zu erreichen. Zwischen den Beteiligten entwickelte sich in der Folge hinsichtlich der Kostenlast für die betreute Wohnmöglichkeit ein Zuständigkeitsstreit. Der zunächst beim Beklagten eingereichte Antrag des Leistungsberechtigten wurde unter dem 28. April 2008 an die Klägerin weitergeleitet. Nachdem diese unter dem 8. Mai 2008 den Antrag an die Beklagte zurückgeleitet hatte, sandte die Beklagte unter dem 23. Mai 2008 wiederum den Antrag an die Klägerin, welche schließlich die Leistungen bewilligte. Zunächst erging unter dem 15. Juli 2008 ein Bescheid für den Zeitraum vom 22. April 2008 bis 30. September 2008, sodann unter dem 13. Oktober 2008 ein Bescheid für den Zeitraum vom 1. Oktober 2008 bis 30. September 2009, ferner unter dem 23. September 2009 ein Bescheid für den Zeitraum ab 1. Oktober 2009 bis 30. September 2010 bzw. bis zu der Aufhebung ab Inhaftierung des Leistungsberechtigten am 26. März 2010; zuletzt wurden bis zum Maßnahmeabbruch am 4. August 2011 erneut Leistungen bewilligt. Die Bewilligung erfolgte vorläufig als zweitangegangener Sozialhilfeträger nach § 14 Abs. 2 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX) auf Grundlage der §§ 19 Abs. 3, 53 ff. Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) Sozialhilfe in Form der Eingliederungshilfe zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft. Im Rahmen der Durchführung des betreuten Einzelwohnens für behinderte Menschen durch P. B. GbR, Am S. 36, 07548 G., wurden Betreuungsleistungen im Umfang von monatlich bis zu 15 Fachleistungsstunden gewährt. Ein Eigenanteil des Leistungsberechtigten wurde aufgrund fehlenden Vermögens und unterhalb des Grenzbetrages nach § 85 Abs. 2 SGB XII liegenden Einkommens nicht festgelegt. In der Folgezeit wurde ein integrierte Behandlungs- und Rehabilitationsplan (IBRP) wie ein sozialpsychiatrisches Gutachten erstellt und die Leistungsgewährung auf deren Grundlage fortgesetzt. Die Leistungen summierten sich bis zum Maßnahmeabbruch auf insgesamt 11.592,20 Euro. Unter dem 15. Juli 2008 zeigte die Klägerin bei der Beklagten einen Erstattungsanspruch für die gewährten Leistungen der Eingliederungshilfe ab 22. April 2008 an. Die Beklagte lehnte unter dem 26. September 2008 eine Erstattung ab. Daraufhin hat die Klägerin zunächst mit dem Ziel einer Erstattung der bis April 2009 aufgelaufenen Aufwendungen in Höhe von 4.376,90 Euro sowie der ab Mai 2009 monatlich gleichbleibenden Leistungen in Höhe von 379,50 Euro Klage zum Sozialgericht Altenburg (SG) erhoben. Darüber hinaus hat sie die Verurteilung der Beklagten begehrt, für künftige Leistungen aufkommen zu müssen. Beigefügt hat sie eine Vergütungsvereinbarung mit P. B. GbR. Nach Beiziehung des Reha-Entlassungsberichts der A.-Klinik R. vom 6. Mai 2008 und Vorlage eines Schwerbehindertenbescheides des Leistungsberechtigten vom 2. Dezember 2009 (GdB 50) hat das SG die Klage mit Urteil vom 30. November 2010 abgewiesen. Das betreute Wohnen des Leistungsberechtigten und damit die Zuständigkeit der Beklagten hätten mit der stationären Aufnahme in die Klinik R. geendet. Die über zwei Monate dauernde Unterbrechung des betreuten Wohnens durch den Klinikaufenthalt sei auch gemessen an dem Regelungsgehalt des § 106 SGB XII schädlich. Bei dem Eintritt in das betreute Wohnen im Anschluss an die stationäre Therapie handele es sich um den neuen Eintritt in diese Wohnform im Sinne von § 98 Abs. 5 Satz 1 SGB XII. Abzustellen sei daher auf den für die stationäre Einrichtung hypothetisch zuständigen Träger der Sozialhilfe im Sinne des § 98 Abs. 2 Satz 1 SGB XII. Einer Auslegung dieser Vorschrift im Lichte des Absatzes 5, wie von der Literatur teilweise vorgeschlagen (Josef/Wenzel, NDV, 2007,85), sei nicht zu folgen. Eine Analogie der Vorschrift des § 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII scheide mangels einer planwidrigen Gesetzeslücke aus. Es sei schon unklar, welchem Zweck die neue Fassung dieser Vorschrift diene. Das Gericht dürfe sich der Gesetzesbindung nicht entziehen und die Rolle eines Gesetzgebers übernehmen. Daher sei die Klägerin als für den letzten gewöhnlichen Aufenthalt des Leistungsberechtigten vor seiner stationären Aufnahme zuständiger Träger auch für die anschließende betreute Wohnform zuständig. Hiergegen hat die Klägerin Berufung eingelegt. Im Wesentlichen gestützt auf die Literaturansicht von Josef/Wenzel (NDV 2007,85) fordert sie für sog. "gemischte Ketten", wie hier, eine analoge Anwendung des § 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII. Die Beklagte sei für die Leistungen des betreuten Wohnens auch weiterhin zuständiger Träger. Von der Zuständigkeit des Trägers des letzten gewöhnlichen Aufenthalts vor Aufnahme in eine stationäre Einrichtung sei dann eine Ausnahme zu machen, wenn dies ein Ort des betreuten Wohnens sei, für den die Sonderzuständigkeit nach § 98 Abs. 5 SGB XII bestanden habe. Der Gesetzgeber habe mit dieser Vorschrift ebenso wie bei § 98 Abs. 2 Satz 2 SGB XII den für den Einrichtungsort zuständigen Träger vor überproportionaler finanzieller Belastung schützen wollen. Die Drohung derartiger Belastungen würde zudem davon abhalten, derartige Einrichtungen zu eröffnen und zu betreiben. Wie bei dem Wechsel von einer stationären Einrichtung in eine andere stationäre Einrichtung müsse daher die vor Eintritt in die Einrichtungskette bestehende Zuständigkeit bleiben. Sie beantragt daher, das Urteil des Sozialgerichts Altenburg vom 30. November 2010 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin die von ihr für Herrn J. G. für den Zeitraum 22. April 2008 bis 5. August 2011 geleisteten Sozialhilfeaufwendungen in Höhe von insgesamt 11.592,20 Euro zu erstatten.

Fundstelle(n):
MAAAE-45342

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LSG Thüringen, Urteil v. 17.10.2012 - L 8 SO 74/11

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