BGH Beschluss v. - 5 StR 352/13

Verminderte Schuldfähigkeit bei einem besonders schweren Raub: Hohe Blutalkoholkonzentration als Indiz für verminderte Steuerungsfähigkeit

Gesetze: § 20 StGB, § 21 StGB, § 250 StGB, § 255 StGB, § 261 StPO, § 267 StPO

Instanzenzug: LG Lübeck Az: 7a KLs 1/13

Gründe

1Das Landgericht hat den Angeklagten wegen besonders schweren Raubes zu einer Freiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten verurteilt. Die hiergegen gerichtete Revision des Angeklagten erzielt mit der allgemeinen Sachrüge den aus der Beschlussformel ersichtlichen Teilerfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO.

2Der Rechtsfolgenausspruch hat keinen Bestand, weil das Landgericht eine erhebliche Beeinträchtigung der Schuldfähigkeit nach § 21 StGB nicht rechtsfehlerfrei ausgeschlossen hat.

31. a) Nach den Feststellungen beschlossen der Angeklagte und der nicht revidierende Mitangeklagte P.   in der Nacht zum , eine ihnen aus früheren Besuchen bekannte Spielhalle zu überfallen. Auch in der Tatnacht hatten der Angeklagte und der Mitangeklagte, die seit den Nachmittagsstunden des diverse alkoholische Getränke konsumiert hatten, zuvor bereits in der Spielhalle gespielt. Zur Tatvorbereitung versuchte der Angeklagte, in eine als Maske zu verwendende Mütze zwei Löcher zu schneiden. Dies gelang ihm jedoch nicht, da er sich „verschnitt“. Stattdessen nahm er zur Maskierung einen Schal, den er sich vor das Gesicht zog. Nach dem Betreten der Spielhalle blieben der Angeklagte und sein Mittäter dort zunächst einige Minuten im Foyer stehen und unterhielten sich, wobei sie auch einige Worte auf russisch sprachen, um später den Tatverdacht in eine falsche Richtung zu lenken. Als beide mit gezogenen Messern auf die Spielhallenaufseherin zugingen, erkannte diese sie als Kunden. Auf die Aufforderung des Angeklagten, Geld herauszugeben, antwortete sie: „Lasst doch den Scheiß! Ihr wisst doch, dass ich euch kenne.“ Hiervon unbeeindruckt schubste der Angeklagte die Spielhallenaufseherin zur Seite und versuchte vergeblich, eine hinter einem Tresen befindliche Geldkassette mittels des steckenden Schlüssels zu öffnen. Nachdem sodann die Spielhallenaufseherin auf Aufforderung des Angeklagten die Kassette geöffnet hatte, entnahm ihr der Angeklagte 370 € und verließ mit der Beute zusammen mit dem Mitangeklagten die Spielhalle.

4b) Das Landgericht hat im Anschluss an ein Gutachten der Sachverständigen eine erheblich verminderte Schuldfähigkeit verneint. Es hat sich der Beurteilung der Sachverständigen angeschlossen, wonach der Angeklagte zur Tatzeit eine sich aus Rückrechnung ergebende maximale Blutalkoholkonzentration von 2,7 ‰ aufgewiesen habe. Für eine Herabsetzung der Steuerungsfähigkeit spreche nur der Umstand, dass die Angeklagten ihr Vorhaben nicht aufgegeben hätten, nachdem sie erkannt worden seien. Andererseits hätten beide Angeklagten bei der Tat geordnet und überlegt agiert. Auch spreche die gute Erinnerung des Angeklagten an die Tat gegen eine erhebliche Verminderung seiner Steuerungsfähigkeit zur Tatzeit.

52. Diese Begründung hält revisionsgerichtlicher Überprüfung nicht stand. Eine Blutalkoholkonzentration von maximal 2,7 ‰ legt die Annahme einer erheblichen Herabsetzung der Hemmungsfähigkeit nahe, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs für eine Tat wie die vorliegende ab einer Blutalkoholkonzentration von 2,0 ‰ in Betracht zu ziehen ist (vgl. mwN , BGHSt 43, 66, 69, 72 ff.; Fischer, StGB, 60. Aufl., § 20 Rn. 21). Auch wenn es keinen gesicherten medizinisch-statistischen Erfahrungssatz darüber gibt, dass ohne Rücksicht auf psychodiagnostische Beurteilungskriterien allein wegen einer bestimmten Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit in aller Regel vom Vorliegen einer alkoholbedingt erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit ausgegangen werden muss, ist der festgestellte Wert ein gewichtiges Beweisanzeichen für die Stärke der alkoholischen Beeinflussung (BGH, Beschlüsse vom – 3 StR 144/97, NStZ 1997, 592, vom – 2 StR 553/97, NStZ-RR 1998, 107, und vom – 5 StR 517/11, StraFo 2012, 109). Hinzu kamen weitere gewichtige Indizien für das Vorliegen einer alkoholbedingt erheblich verminderten Steuerungsfähigkeit, nämlich die schon bei Tatvorbereitung fehlgeschlagene Herstellung einer Maske und die weitere Durchführung des Tatplans trotz des erheblich gesteigerten Verfolgungsrisikos, das mit dem Erkennen durch das Tatopfer verbunden war. Das Landgericht hat diese Beweisanzeichen als solche zwar nicht verkannt, ihren Beweiswert jedoch unzureichend gewürdigt.

63. Das Vorliegen einer Schuldunfähigkeit des Angeklagten schließt der Senat aus. Er hebt den gesamten Rechtsfolgenausspruch auf, um dem neu entscheidenden Tatgericht Gelegenheit zu geben, mit Hilfe des Sachverständigen auch die Frage einer Unterbringung des Angeklagten, der wegen unter Alkoholeinfluss begangener Straftaten bereits vorbestraft ist und nach Auffassung des Landgerichts nach dem Genuss von Alkohol zu strafbarem Verhalten neigt (UA S.18), in einer Entziehungsanstalt (§ 64 StGB) erneut zu prüfen.

74. Eine Erstreckung der Aufhebung gemäß § 357 StPO auf den Mitangeklagten P.  , bei dem eine ähnlich hohe Blutalkoholkonzentration festgestellt wurde, scheidet aus, da die Beurteilung der Schuldfähigkeit von individuellen Beweisanzeichen bei jedem einzelnen Beteiligten abhängt (vgl. , BGHSt 57, 247, 252), gegen den Mitangeklagten hier zudem in Anwendung des § 31 JGG eine Einheitsjugendstrafe verhängt worden ist.

Basdorf                       Dölp                      König

                 Berger                    Bellay

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Fundstelle(n):
MAAAE-44558