Notwendige Beiladung des veräußernden Mitunternehmers bei Streit um Veräußerungsgewinn; Klagebefugnis nach Vollbeendigung der Personengesellschaft
Leitsatz
1. Betrifft das Klageverfahren einer Personengesellschaft die Höhe des Gewinns aus der Veräußerung eines Mitunternehmeranteils, ist der veräußernde Mitunternehmer notwendig beizuladen.
2. Eine Personengesellschaft ist befugt, als Prozessstandschafterin für ihre Gesellschafter und ihrerseits vertreten durch ihre(n) Geschäftsführer Klage gegen den Gewinnfeststellungsbescheid zu erheben, der sich inhaltlich nicht an die Gesellschaft, sondern an die Gesellschafter als Subjekte der Einkommensteuer richtet. Daneben können einzelne Gesellschafter unter den Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Nrn. 3 bis 5 FGO klagebefugt sein.
3. Erlischt eine Personengesellschaft durch Vollbeendigung, kann ein Gewinnfeststellungsbescheid nur noch von den früheren Gesellschaftern angefochten werden, deren Mitgliedschaft die Zeit berührt, auf die sich der anzufechtende Gewinnfeststellungsbescheid bezieht. Die Befugnis der Personengesellschaft, in Prozessstandschaft für ihre Gesellschafter Rechtsbehelfe gegen die Gewinnfeststellungsbescheide einzulegen, ist mit deren Vollbeendigung daher erloschen. Insoweit lebt die bis zum Zeitpunkt der Vollbeendigung überlagerte Klagebefugnis der einzelnen Gesellschafter wieder auf.
Gesetze: FGO § 40 Abs. 2, FGO § 48 Abs. 1 Nr. 5, FGO § 60 Abs. 3, FGO § 126 Abs. 3, AO § 352, AO § 180 Abs. 1 Nr. 2 Buchstabe a, EStG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, EStG § 16
Instanzenzug: (Verfahrensverlauf),
Gründe
1 I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist Rechtsnachfolgerin der A-KG. An dieser Gesellschaft waren die B-GmbH mit 49 %, die C-OHG mit 20 %, die D-GmbH (später E-GmbH) mit 18 %, die F-GmbH mit 10 % und die G-GmbH mit 3 % beteiligt. Ausweislich der Einspruchsentscheidung ist die Klägerin mit Wirkung zum auf die H-GmbH & Co. KG angewachsen und diese ihrerseits auf die I-GmbH & Co. KG, wohl auch mit Wirkung zum , verschmolzen worden. Weitere Verschmelzungen sollen sich angeschlossen haben. Entsprechende Feststellungen des Finanzgerichts (FG) fehlen.
2 Mit notariellem Vertrag vom verkaufte und übertrug die C-OHG ihre Beteiligung an der A-KG mit sofortiger Wirkung an die B-GmbH zu einem Kaufpreis in Höhe von . DM. Der über das Kapitalkonto hinausgehende Betrag wurde in der steuerlichen Ergänzungsbilanz der B-GmbH ausgewiesen.
3 Mit Kauf- und Abtretungsverträgen vom mit „wirtschaftlicher” Wirkung zum verkaufte und übertrug die B-GmbH 13,4 % des Kommanditkapitals an der A-KG an die D-GmbH zu einem Kaufpreis von . DM und 2,6 % des Kommanditkapitals an der A-KG an die F-GmbH zu einem Kaufpreis von . DM.
4 Bei der Ermittlung der im Streitjahr (2000) entstandenen Veräußerungsgewinne der B-GmbH aus den vorgenannten Veräußerungen legte die Klägerin ausschließlich die Anschaffungskosten zu Grunde, die die B-GmbH im Jahre 1999 für den von der C-OHG erworbenen Kommanditanteil aufgewandt hatte. Dies führte im Ergebnis zu einem Veräußerungsverlust bei der B-GmbH.
5 Dem folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt —FA—) zunächst und erließ einen Bescheid für 2000 über die gesonderte und einheitliche Feststellung von Besteuerungsgrundlagen (im Weiteren: Gewinnfeststellungsbescheid), in dem er einen Veräußerungsverlust in Höhe von . DM feststellte und diesen der B-GmbH zurechnete.
6 Nach einer Betriebsprüfung (BP) änderte das FA seine Rechtsauffassung bezüglich der Berechnung des Veräußerungsgewinns. Es stellte nunmehr dem Veräußerungspreis den Buchwert der Kommanditanteile gegenüber, den es unter Heranziehung der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs —BFH— (Urteil vom IV R 15/96, BFHE 183, 39, BStBl II 1997, 535) im Wege der Durchschnittsbewertung ermittelte. Dies führte zu einem der B-GmbH zuzurechnenden Veräußerungsgewinn in Höhe von . DM. Gleichzeitig erhöhte sich das Abschreibungsvolumen in der Ergänzungsbilanz der B-GmbH, was zu einer entsprechenden Gewinnminderung führte.
7 Entsprechend dieser Rechtsauffassung erließ das FA am einen an die Klägerin gerichteten geänderten Gewinnfeststellungsbescheid. In diesem stellte es nunmehr für die B-GmbH Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von . DM fest. Diese setzten sich zusammen (wörtlich zitiert) „aus Betriebseinnahmen/Gewinn aus Gesamthandsbilanz” in Höhe von ./. . DM und „Einkünfte(n) aus Ergänzungsbilanzen” in Höhe von . DM. Letztere setzen sich ausweislich des BP-Berichts wiederum zusammen aus einem Veräußerungsgewinn in Höhe von . DM abzüglich der Absetzung für Abnutzung (AfA) der in der Ergänzungsbilanz der B-GmbH aktivierten Wirtschaftsgüter in Höhe von . DM.
8 Den dagegen namens der Klägerin eingelegten Einspruch wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom , gerichtet an die Klägerin, als unbegründet zurück.
9 Die namens der Klägerin erhobene Klage, mit der sich diese weiterhin gegen die Höhe des von dem FA ermittelten Veräußerungsgewinns wendete, wies das FG als unbegründet ab. Zur Begründung wird auf die in den Entscheidungen der Finanzgerichte 2011, 622 veröffentlichen Urteilsgründe Bezug genommen.
10 Mit der vorliegenden Revision rügt die Klägerin die Verletzung des materiellen Rechts.
11 Die Klägerin beantragt (sinngemäß),
die Vorentscheidung und den Gewinnfeststellungsbescheid vom in der Gestalt der Einspruchsentscheidung aufzuheben.
12 Das FA beantragt (sinngemäß),
die Revision zurückzuweisen.
13 II. Die Revision ist begründet. Das vorinstanzliche Urteil ist bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat es verfahrensfehlerhaft unterlassen, die B-GmbH zum Klageverfahren notwendig beizuladen (§ 60 Abs. 3 i.V.m. § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO).
14 1. Nach § 60 Abs. 3 Satz 1 FGO sind Dritte beizuladen (notwendige Beiladung), wenn sie an dem streitigen Rechtsverhältnis derart beteiligt sind, dass die Entscheidung auch ihnen gegenüber nur einheitlich ergehen kann. Dies gilt nicht für Mitberechtigte, die nach § 48 FGO nicht klagebefugt sind (§ 60 Abs. 3 Satz 2 FGO).
15 a) Vorliegend ist die Höhe des Gewinns streitig, den die B-GmbH aus der Veräußerung von 13,4 % des Kommanditkapitals an der A-KG an die D-GmbH und 2,6 % des Kommanditkapitals an der A-KG an die F-GmbH erzielt hat. Die Ermittlung und die Feststellung der Höhe des Veräußerungsgewinns betrifft die B-GmbH in eigenen Rechten i.S. von § 40 Abs. 2 FGO und geht sie deshalb auch „persönlich” i.S. des § 48 Abs. 1 Nr. 5 FGO an. Der B-GmbH steht daher eine eigene Klagebefugnis zu. Da die B-GmbH nicht selbst Klage erhoben hat, war sie notwendig beizuladen (§ 60 Abs. 3 FGO).
16 b) Das Unterlassen der notwendigen Beiladung durch das FG begründet einen Verstoß gegen die Grundordnung des Verfahrens, der vom Revisionsgericht von Amts wegen zu prüfen ist und deren Einhaltung nicht der Disposition der Beteiligten unterliegt (, BFH/NV 2009, 1427, und vom IV R 37/08, BFH/NV 2011, 1120). Wenngleich dieser Verfahrensfehler nach § 123 Abs. 1 Satz 2 FGO im Revisionsverfahren geheilt werden kann, übt der Senat das ihm insoweit zustehende Ermessen (vgl. z.B. , BFHE 229, 42, BStBl II 2010, 929; vom IV R 74/07, BFHE 229, 71, BStBl II 2010, 1104) dahin aus, dass er die Sache an die Vorinstanz zurückverweist und dieser die Nachholung der unterbliebenen Beiladung überträgt. Dafür spricht, dass der Zweck einer Beiladung im Revisionsverfahren, eine Zurückverweisung der Sache an die Vorinstanz aus Gründen der Verfahrensökonomie und der Verfahrensbeschleunigung zu vermeiden (vgl. , BFH/NV 2003, 636, m.w.N.), im Streitfall nicht erreicht werden kann. Denn das angefochtene Urteil ist auch aus anderen Gründen aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen. Der Senat kann nämlich aufgrund der bisherigen Feststellungen des FG nicht zuverlässig beurteilen, ob die Klägerin im Zeitpunkt der Klageerhebung überhaupt noch klagebefugt war (dazu unter c). Sollte es an der Klagebefugnis der Klägerin fehlen, wäre die Klage bereits unzulässig und das FG hätte zu Unrecht ein Sachurteil statt eines Prozessurteils erlassen.
17 c) Gemäß § 48 Abs. 1 Nr. 1 Alternative 1 FGO ist eine Personengesellschaft befugt, als Prozessstandschafterin für ihre Gesellschafter und ihrerseits vertreten durch ihre(n) Geschäftsführer Klage gegen den Gewinnfeststellungsbescheid zu erheben, der sich inhaltlich nicht an die Gesellschaft, sondern an die Gesellschafter als Subjekte der Einkommensteuer richtet. Daneben können einzelne Gesellschafter unter den Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Nrn. 3 bis 5 FGO klagebefugt sein (, BFH/NV 2012, 1095, m.w.N.). Erlischt eine Personengesellschaft durch Vollbeendigung, kann nach ständiger Rechtsprechung des BFH ein Gewinnfeststellungsbescheid indes nur noch von den früheren Gesellschaftern angefochten werden, deren Mitgliedschaft die Zeit berührt, auf die sich der anzufechtende Gewinnfeststellungsbescheid bezieht. Die Befugnis der Personengesellschaft, in Prozessstandschaft für ihre Gesellschafter Rechtsbehelfe gegen die Gewinnfeststellungsbescheide einzulegen, ist mit deren Vollbeendigung daher erloschen (, BFH/NV 2009, 1650; vom II R 35/04, BFH/NV 2006, 18; vom IV R 42/09, BFH/NV 2012, 236, und vom IV R 44/10, BFH/NV 2013, 376, jeweils m.w.N.). Insoweit lebt die bis zum Zeitpunkt der Vollbeendigung überlagerte Klagebefugnis der einzelnen Gesellschafter wieder auf. Diese Rechtsprechung gilt gleichermaßen für die insoweit wortgleiche Regelung des § 352 der Abgabenordnung zur Einspruchsbefugnis bei der einheitlichen Feststellung.
18 aa) Ausweislich der Einspruchsentscheidung ist die Klägerin (so wörtlich) mit Wirkung zum auf die H-GmbH & Co. KG angewachsen und diese ihrerseits auf die I-GmbH & Co. KG (wohl auch mit Wirkung) zum verschmolzen worden. Weitere Verschmelzungen sollen sich angeschlossen haben.
19 bb) Ausgehend von diesem Sachverhalt dürfte die Klägerin bereits bei Erlass des hier streitigen geänderten Gewinnfeststellungsbescheids vom und damit auch im Zeitpunkt der Einspruchseinlegung sowie der Klageerhebung vollbeendet gewesen sein. Die Klägerin wäre, deren Vollbeendigung unterstellt, im Streitfall daher weder einspruchs- noch klagebefugt gewesen. Das FG wird diesem Sachverhaltsvorbringen des FA im zweiten Rechtsgang nachzugehen haben.
20 2. Nur ergänzend und ohne Bindungswirkung weist der Senat darauf hin, dass das FG im zweiten Rechtsgang, sofern es die Vollbeendigung der Klägerin bereits bei Erlass des hier streitigen geänderten Gewinnfeststellungsbescheids bejaht, zu prüfen haben wird, ob der Gewinnfeststellungsbescheid sowie die Einspruchsentscheidung dem richtigen Inhalts- und/oder Bekanntgabeadressaten bekanntgegeben worden sind (vgl. u.a. , BFH/NV 1990, 208; vom VIII R 6/99, BFH/NV 2000, 1074, und in BFH/NV 2009, 1650). Ebenfalls wird es dann der Frage nachzugehen haben, ob die namens der vollbeendeten Klägerin erhobene Klage in eine solche eines oder mehrerer (ehemaliger) Gesellschafter umgedeutet werden kann (vgl. u.a. BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 1650). Zudem wird das FG, sofern es die Zulässigkeit der Klage bejahen sollte, den angefochtenen Gewinnfeststellungsbescheid vom auch hinsichtlich seines tatsächlichen Regelungsgehalts rechtlich zu würdigen haben. Denn anders als der erste Gewinnfeststellungsbescheid enthält der angefochtene Gewinnfeststellungsbescheid keinen Ausspruch bezüglich der Feststellung eines Veräußerungsgewinns. Schließlich wird das FG im Hinblick auf seine sich aus § 76 Abs. 2 FGO ergebende Verpflichtung, auf die Stellung sachdienlicher Anträge hinzuwirken, das genaue Klagebegehren der Klägerin zu ermitteln haben. Da die von der Klägerin begehrte Feststellung eines niedrigeren Veräußerungsgewinns (bzw. eines Veräußerungsverlusts) zu einem niedrigeren Ansatz der in der Ergänzungsbilanz aufgestockten Wirtschaftsgüter und damit zu einer niedrigeren AfA führt, wäre zu prüfen, inwieweit von diesem Klagebegehren (zwangsläufig) eine entsprechende Erhöhung des laufenden Gewinns umfasst ist.
Auf diese Entscheidung wird Bezug genommen in folgenden Gerichtsentscheidungen:
Fundstelle(n):
AO-StB 2013 S. 347 Nr. 11
BFH/NV 2013 S. 1586 Nr. 10
EAAAE-43781