BVerwG Urteil v. - 8 C 20/12

Zu den Anforderungen an das Fortsetzungsfeststellungsinteresse

Leitsatz

Weder aus der Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG noch aus der Gewährleistung eines wirksamen Rechtsbehelfs nach Art. 47 GRC (juris: EUGrdRCh) folgt ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse bei jedem erledigten, tiefgreifenden Eingriff in (benannte) Grundrechte oder in unionsrechtliche Grundfreiheiten. Ein solches Interesse kann nur bestehen, wenn die begehrte Feststellung die Position des Klägers verbessern kann oder wenn Eingriffe dieser Art sich typischerweise so kurzfristig endgültig erledigen, dass sie sonst nicht gerichtlich in einem Hauptsacheverfahren zu überprüfen wären.

Gesetze: Art 49 Abs 1 AEUV, Art 56 Abs 1 AEUV, Art 57 Abs 1 AEUV, Art 57 Abs 3 AEUV, Art 267 Abs 3 AEUV, Art 47 EUGrdRCh, Art 12 Abs 1 GG, Art 19 Abs 4 GG, Art 20 Abs 3 GG, Art 34 GG, § 113 Abs 1 S 4 VwGO, § 839 BGB, § 284 Abs 1 StGB, § 1 GlüStVtr BY, § 4 Abs 1 GlüStVtr BY, § 5 GlüStVtr BY, § 9 Abs 1 S 3 GlüStVtr BY, § 10 Abs 1 GlüStVtr BY, § 10 Abs 2 GlüStVtr BY, § 10 Abs 5 GlüStVtr BY, § 19 GlüStVtr BY, § 21 GlüStVtr BY

Instanzenzug: Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Az: 10 BV 10.2257 Urteilvorgehend Az: M 16 K 08.5077 Urteil

Tatbestand

1Die Klägerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Untersagungsverfügung, mit der ihr die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung von Sportwetten verboten wurde.

2In der B. Straße ... in W. vermittelte die Klägerin Sportwetten an die I. in G., die über eine dort erteilte Lizenz zur Veranstaltung von Sportwetten verfügte. Nach vorheriger Anhörung untersagte das Landratsamt M. am Inn der Klägerin mit Bescheid vom die Veranstaltung, Durchführung und Vermittlung unerlaubter Glücksspiele in der genannten Betriebsstätte und forderte sie unter Androhung eines Zwangsgeldes von 10 000 € auf, ihre Tätigkeit mit Ablauf des auf die Zustellung des Bescheides folgenden Tages einzustellen. Es stützte die Untersagung auf § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV (a.F.) und die Erwägung, eine Erlaubnis könne wegen des staatlichen Sportwettenmonopols nach § 10 Abs. 2, Abs. 5 GlüStV ohnehin nicht erteilt werden. Zur Begründung der Vollzugsregelung wurde ausgeführt, ein Zuwarten komme nicht in Betracht, da der Betreiber des Wettlokals sich zumindest wegen Beihilfe zum Veranstalten unerlaubten öffentlichen Glücksspiels nach § 284 Abs. 1 i.V.m. § 27 StGB strafbar mache.

3Die am erhobene Anfechtungsklage hat das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Urteil vom abgewiesen. Im Berufungsverfahren hat die Klägerin ihr Begehren auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag für die Zeit vom bis zum umgestellt und vorgetragen, sie habe die Zugriffsmöglichkeit auf ihre frühere Betriebsstätte in der B. Straße ... in W. mit Ablauf des endgültig verloren. Ihr Feststellungsinteresse ergebe sich aus der Absicht, unionsrechtliche Staatshaftungsansprüche geltend zu machen, sowie aus einem schwerwiegenden Eingriff in ihre Berufsfreiheit. Außerdem bestehe eine Wiederholungsgefahr, da sie beabsichtige, Sportwetten an einen anderen im EU-Ausland zugelassenen Anbieter zu vermitteln. Schließlich könne sie sich wegen des Vorwurfs strafbarer Beihilfe zur unerlaubten Veranstaltung eines Glücksspiels auch auf ein Rehabilitierungsinteresse berufen. Zudem sei ihr Geschäftsführer einem Ordnungswidrigkeitenverfahren vor dem Amtsgericht M. am Inn ausgesetzt gewesen.

4Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom das erstinstanzliche Urteil geändert und festgestellt, der angegriffene Bescheid vom sei vom Zeitpunkt seines Erlasses bis zum rechtswidrig gewesen. Die Untersagungsverfügung habe sich mit dem Verlust der Zugriffsmöglichkeit auf die Betriebsstätte endgültig erledigt. Die deshalb auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellte Klage sei zulässig. Der Vorwurf objektiv strafbaren Verhaltens begründe ein Rehabilitierungsinteresse, das durch das Ordnungswidrigkeitenverfahren gegen den Geschäftsführer der Klägerin noch verstärkt werde. Darüber hinaus habe die Klägerin auch wegen des tiefgreifenden Eingriffs in die Berufsfreiheit und die unionsrechtliche Dienstleistungsfreiheit ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Untersagung. Die Fortsetzungsfeststellungsklage sei auch begründet. Sowohl die Untersagungsverfügung als auch die Zwangsgeldandrohung seien vom Erlass des Bescheides bis zum rechtswidrig gewesen. Die Untersagungsverfügung sei ermessensfehlerhaft, da sie sich auf das staatliche Sportwettenmonopol stütze, das seinerseits gegen unionsrechtliche Grundfreiheiten verstoße. Die Monopolregelung sei wegen konterkarierender Regelung des Sektors der gewerblichen Automatenspiele inkohärent und beschränke die Niederlassungs- und die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art. 49, 56 AEUV unverhältnismäßig; sie dürfe deshalb nicht angewendet werden.

5Mit seiner vom Senat zugelassenen Revision macht der Beklagte geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe zu Unrecht ein berechtigtes Feststellungsinteresse der Klägerin bejaht. Ein Rehabilitierungsinteresse scheide aus, da die Klägerin sich als juristische Person nicht strafbar machen könne. Die Untersagungsverfügung bewirke auch keinen tiefgreifenden Grundrechtseingriff, sondern erschöpfe sich in einer Berufsausübungsregelung. Materiell-rechtlich wende das Berufungsgericht das unionsrechtliche Kohärenzerfordernis unzutreffend an.

6Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom zu ändern und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom zurückzuweisen.

7Die Klägerin beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

8Sie verteidigt das angegriffene Urteil.

Gründe

9Die Revision ist begründet. Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs verletzt revisibles Recht, weil es unzutreffend annimmt, die Klägerin habe gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit für den in Rede stehenden Zeitraum. Das Urteil beruht auch auf dieser Rechtsverletzung und erweist sich nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 137 Abs. 1, § 144 Abs. 4 VwGO). Bei zutreffender Rechtsanwendung hätte es die Fortsetzungsfeststellungsklage für unzulässig halten müssen. Dies führt zur Änderung des Berufungsurteils und zur Wiederherstellung des erstinstanzlichen - klagabweisenden - Urteils. Dem steht nicht entgegen, dass der Klagantrag im Berufungsverfahren umgestellt wurde.

10Mit Recht hat der Verwaltungsgerichtshof die Fortsetzungsfeststellungsklage für statthaft erachtet. Nachdem die Klägerin den Zugriff auf ihre Betriebsstätte zum endgültig verloren hatte, hat sich die Untersagungsverfügung des Beklagten, die sich allein auf diese Betriebsstätte bezog, endgültig erledigt. Maßnahmen zur Vollstreckung der Untersagung, die noch rückgängig gemacht werden könnten, sind nicht ersichtlich.

11Zulässig ist die statthafte Fortsetzungsfeststellungsklage allerdings nur, wenn die Klägerin ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts hat. Ein solches Interesse kann rechtlicher, wirtschaftlicher oder auch ideeller Natur sein. Entscheidend ist, dass die gerichtliche Entscheidung geeignet ist, die Position der Klägerin in den genannten Bereichen zu verbessern (stRspr, vgl. Beschlüsse vom - BVerwG 1 WB 54.74 - BVerwGE 53, 134 <137> und vom - BVerwG 6 B 61.06 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 24 Rn. 3). Als Sachentscheidungsvoraussetzung muss das Fortsetzungsfeststellungsinteresse im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung vorliegen. Danach kommt es hier auf den Schluss der mündlichen Verhandlung in der Revisionsinstanz an.

121. Für diesen Zeitpunkt lässt sich ein berechtigtes Feststellungsinteresse nicht mit einer Wiederholungsgefahr begründen. Dazu ist nicht nur die konkrete Gefahr erforderlich, dass künftig ein vergleichbarer Verwaltungsakt erlassen wird. Darüber hinaus müssen die für die Beurteilung maßgeblichen rechtlichen und tatsächlichen Umstände im Wesentlichen unverändert geblieben sein ( BVerwG 4 C 12.04 - Buchholz 310 § 113 Abs. 1 VwGO Nr. 23 Rn. 8 m.w.N.). Daran fehlt es hier. Die für die Beurteilung einer glücksspielrechtlichen Untersagung maßgeblichen rechtlichen Umstände haben sich mit dem Inkrafttreten des Ersten Staatsvertrages zur Änderung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland vom (BayGVBl 2012 S. 318) und dessen landesrechtlicher Umsetzung in Bayern zum gemäß §§ 1 und 4 des Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Staatsvertrages zum Glücksspielwesen in Deutschland und anderer Rechtsvorschriften vom (BayGVBl S. 270) grundlegend geändert. Dem steht nicht entgegen, dass der allgemeine Erlaubnisvorbehalt für die Veranstaltung und Vermittlung öffentlichen Glücksspiels nach § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV und die Ermächtigung zur Untersagung der unerlaubten Veranstaltung und Vermittlung nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV fortgelten. Für die rechtliche Beurteilung einer Untersagung kommt es auch auf die Verhältnismäßigkeit des mit ihr durchgesetzten Erlaubnisvorbehalts sowie des Verbots selbst und damit auf Fragen der materiellen Erlaubnisfähigkeit des untersagten Verhaltens an (vgl. BVerwG 8 C 2.10 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 276 Rn. 55). Insoweit ergeben sich aus den in Bayern zum in Kraft getretenen, § 4 GlüStV ergänzenden Spezialregelungen betreffend die Veranstaltung und Vermittlung von Sportwetten erhebliche Unterschiede zur früheren, bis zum geltenden Rechtslage. Nach § 10a Abs. 1 und 2 i.V.m. §§ 4a ff. GlüStV wird das staatliche Sportwettenmonopol - zunächst für eine Experimentierphase von sieben Jahren - durch ein Konzessionssystem ersetzt. Gemäß § 10a Abs. 3 GlüStV können bundesweit bis zu 20 Wettunternehmen eine Veranstalterkonzession erhalten. Für die Konzessionäre wird das Internetverbot des § 4 Abs. 4 GlüStV, von dem ohnehin nach Absatz 5 der Vorschrift dispensiert werden darf, nach Maßgabe des § 10a Abs. 4 Satz 1 und 2 GlüStV gelockert. Die Vermittlung konzessionierter Angebote bleibt nach § 10a Abs. 5 Satz 2 GlüStV i.V.m. § 4 Abs. 1 Satz 1 GlüStV erlaubnispflichtig. Die Anforderungen an die gewerbliche Spielvermittlung werden aber in § 19 i.V.m. §§ 5 bis 8 GlüStV in wesentlichen Punkten neu geregelt. So wurden die Werbebeschränkungen des § 5 GlüStV deutlich zurückgenommen (dazu im Einzelnen BVerwG 8 B 47.12 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 208 Rn. 6). Andererseits enthält § 7 Abs. 1 Satz 2 GlüStV eine weitgehende Konkretisierung der zuvor nur allgemein statuierten Aufklärungspflichten. Außerdem bindet § 8 Abs. 6 GlüStV erstmals auch die Vermittler in das übergreifende Sperrsystem nach § 23 GlüStV ein. Insgesamt schließen die erheblichen Änderungen der für die materiell-rechtliche Beurteilung der Untersagung erheblichen Vorschriften es aus, von einer im Wesentlichen gleichen Rechtslage auszugehen.

13Aus der Befristung der experimentellen Konzessionsregelung lässt sich keine konkrete Wiederholungsgefahr herleiten. Ob der Gesetzgeber das Konzessionssystem und dessen materiell-rechtliche Ausgestaltung nach Ablauf der siebenjährigen Experimentierphase auf der Grundlage der inzwischen gewonnenen Erfahrungen fortschreiben, modifizieren oder aufgeben wird, ist ungewiss. Eine Rückkehr zur alten Rechtslage ist jedenfalls nicht abzusehen.

142. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ist auch nicht wegen eines Rehabilitierungsinteresses der Klägerin zu bejahen. Die gegenteilige Auffassung der Vorinstanz beruht auf der Annahme, ein solches Interesse bestehe schon wegen des Vorwurfs objektiver Strafbarkeit des untersagten Verhaltens. Dem vermag der Senat nicht zu folgen.

15Allerdings fehlt ein Rehabilitierungsinteresse nicht etwa deshalb, weil die Klägerin sich als juristische Person nicht strafbar machen kann. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob der Schutzbereich des Persönlichkeitsrechts aus Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG sich nach Art. 19 Abs. 3 GG insgesamt auf juristische Personen erstreckt. Sie können jedenfalls Ausprägungen dieses Rechts geltend machen, die nicht an die charakterliche Individualität und die Entfaltung der natürlichen Person anknüpfen, sondern wie das Recht am eigenen Wort oder das Recht auf Achtung des sozialen Geltungsanspruchs und auf Abwehr von Rufschädigungen auch Personengesamtheiten und juristischen Personen zustehen können (, 805/98 - BVerfGE 106, 28 <42 ff.>; - BGHZ 98, 94 <97>). Die bloße Einschätzung eines Verhaltens als objektiv strafbar hat aber keinen den Betroffenen diskriminierenden Charakter und kann deshalb noch kein Rehabilitierungsinteresse auslösen.

16Ein berechtigtes ideelles Interesse an einer Rehabilitierung besteht nur, wenn sich aus der angegriffenen Maßnahme eine Stigmatisierung des Betroffenen ergibt, die geeignet ist, sein Ansehen in der Öffentlichkeit oder im sozialen Umfeld herabzusetzen. Diese Stigmatisierung muss Außenwirkung erlangt haben und noch in der Gegenwart andauern (Beschlüsse vom a.a.O. S. 138 f. und vom - BVerwG 6 B 64.06 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 36 S. 4 f.). Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. In der Feststellung objektiver Strafbarkeit des untersagten Verhaltens liegt noch keine Stigmatisierung. Vielmehr erschöpft sie sich in der Aussage, die unerlaubte Veranstaltung und Vermittlung der Sportwetten erfülle den objektiven Tatbestand des § 284 Abs. 1 StGB und rechtfertige deshalb ein ordnungsbehördliches Einschreiten. Damit enthält sie kein ethisches Unwerturteil, das geeignet wäre, das soziale Ansehen des Betroffenen herabzusetzen. Diese Schwelle wird erst mit dem konkreten, personenbezogenen Vorwurf eines schuldhaft-kriminellen Verhaltens überschritten (vgl. - BVerfGE 9, 167 <171> und Urteil vom - 2 BvR 375, 53/60 und 18/65 - BVerfGE 22, 49 <79 f.>).

17Soweit die Begründung der Untersagungsverfügung davon ausgeht, die Klägerin habe strafbare Beihilfe zum unerlaubten Glücksspiel geleistet, kann offenbleiben, ob dies als stigmatisierender Vorwurf schuldhaft-kriminellen Verhaltens gegenüber ihrem Geschäftsführer zu verstehen war. Jedenfalls hat dieser Vorwurf keine Außenwirkung erlangt, deretwegen das geschäftliche Ansehen der Klägerin gegenwärtig noch beeinträchtigt wäre, oder die zu Nachteilen in aktuellen oder künftigen Verwaltungsverfahren führen könnte. Der Bescheid ist nur an die Klägerin gerichtet. Eine Weitergabe an Dritte ist weder substantiiert vorgetragen worden noch aus den Akten zu ersehen. Strafverfolgungsmaßnahmen gegen ihre Organe hat die Klägerin nicht vorgetragen.

18Die Durchführung des Ordnungswidrigkeitenverfahrens gegen ihren Geschäftsführer begründet kein Rehabilitierungsinteresse. Mit der Auferlegung einer Geldbuße ist kein ethischer Schuldvorwurf verbunden. Darin unterscheidet sich das Ordnungswidrigkeitenverfahren gerade vom Strafverfahren ( a.a.O.; Entscheidung vom - 2 BvL 10/62 - BVerfGE 22, 125 <132 f.>).

19Nachteilige Auswirkungen der Untersagung in künftigen Verwaltungsverfahren - etwa zur Erlaubniserteilung nach aktuellem Recht - sind nach der im Termin zur mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingeführten Erklärung des Vertreters des Freistaates Bayern vom ebenfalls nicht zu besorgen. Danach werden Monopolverstöße dort zukünftig nicht als Anhaltspunkt für eine Unzuverlässigkeit von Konzessionsbewerbern oder Bewerbern um eine Vermittlungserlaubnis gewertet.

203. Entgegen dem angegriffenen Urteil lässt sich ein berechtigtes Feststellungsinteresse nicht mit dem Vorliegen eines tiefgreifenden Eingriffs in die Berufsfreiheit nach Art. 12 GG begründen. Die Annahme des Berufungsgerichts, § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO müsse wegen der Garantie effektiven Rechtsschutzes gemäß Art. 19 Abs. 4 GG in diesem Sinne ausgelegt werden, trifft nicht zu. Eine Ausweitung des Tatbestandsmerkmals des berechtigten Feststellungsinteresses über die einfach-rechtlich konkretisierten Fallgruppen des berechtigten rechtlichen, ideellen oder wirtschaftlichen Interesses (a) hinaus verlangt Art. 19 Abs. 4 GG nur bei Eingriffsakten, die sonst wegen ihrer typischerweise kurzfristigen Erledigung regelmäßig keiner gerichtlichen Überprüfung in einem Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten (b). Eine weitere Ausdehnung des Anwendungsbereichs, die ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse allein wegen der Schwere des erledigten Eingriffs in Grundrechte oder Grundfreiheiten annimmt, ist auch aus Art. 47 GRC in Verbindung mit dem unionsrechtlichen Effektivitätsgebot nicht herzuleiten (c).

21a) Aus dem Wortlaut des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO und dem systematischen Zusammenhang mit § 42 VwGO ergibt sich, dass die Verwaltungsgerichte nur ausnahmsweise für die Überprüfung erledigter Verwaltungsakte in Anspruch genommen werden können. Nach dem Wegfall der mit dem Verwaltungsakt verbundenen Beschwer wird gerichtlicher Rechtsschutz grundsätzlich nur zur Verfügung gestellt, wenn der Kläger ein berechtigtes rechtliches, wirtschaftliches oder ideelles Interesse an einer nachträglichen Feststellung der Rechtswidrigkeit der erledigten Maßnahme hat (dazu oben Rn. 11). Das berechtigte Feststellungsinteresse geht in all diesen Fällen über das bloße Interesse an der Klärung der Rechtswidrigkeit der Verfügung hinaus. Dies gilt unabhängig von der Intensität des erledigten Eingriffs und vom Rang der Rechte, die von ihm betroffen waren.

22b) Die Garantie effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG differenziert ebenfalls nicht nach diesen beiden Kriterien. Sie gilt auch für einfach-rechtliche Rechtsverletzungen, die - von der allgemeinen Handlungsfreiheit nach Art. 2 Abs. 1 GG abgesehen - kein Grundrecht tangieren, und für weniger schwerwiegende Eingriffe in Grundrechte und Grundfreiheiten. Umgekehrt gebietet die Rechtsweggarantie des Art. 19 Abs. 4 GG selbst bei tiefgreifenden Eingriffen in solche Rechte nicht, ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse anzunehmen, wenn dies nicht erforderlich ist, die Effektivität des Rechtsschutzes zu sichern.

23Effektiver Rechtsschutz verlangt, dass der Betroffene ihn belastende Eingriffsmaßnahmen in einem gerichtlichen Hauptsacheverfahren überprüfen lassen kann. Solange er durch den Verwaltungsakt beschwert ist, stehen ihm die Anfechtungs- und die Verpflichtungsklage nach § 42 Abs. 1 VwGO zur Verfügung. Erledigt sich der Verwaltungsakt durch Wegfall der Beschwer, wird nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO Rechtsschutz gewährt, wenn der Betroffene daran ein berechtigtes rechtliches, ideelles oder wirtschaftliches Interesse hat. In den übrigen Fällen, in denen sein Anliegen sich in der bloßen Klärung der Rechtmäßigkeit des erledigten Verwaltungsakts erschöpft, ist ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse nach Art. 19 Abs. 4 GG zu bejahen, wenn andernfalls kein wirksamer Rechtsschutz gegen solche Eingriffe zu erlangen wäre. Davon ist nur bei Maßnahmen auszugehen, die sich typischerweise so kurzfristig erledigen, dass sie ohne die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses regelmäßig keiner Überprüfung im gerichtlichen Hauptsacheverfahren zugeführt werden könnten. Maßgebend ist dabei, ob die kurzfristige, eine Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage ausschließende Erledigung sich aus der Eigenart des Verwaltungsakts selbst ergibt (BVerfG, Beschlüsse vom - 2 BvR 527/99, 1337/00, 1777/00 - BVerfGE 104, 220 <232 f.> und vom - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77 <86> m.w.N).

24Glücksspielrechtliche Untersagungsverfügungen nach § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 GlüStV zählen nicht zu den Verwaltungsakten, die sich in diesem Sinne typischerweise kurzfristig erledigen. Vielmehr sind sie als Verwaltungsakte mit Dauerwirkung ( BVerwG 8 C 2.10 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 276 Rn. 19 m.w.N.) gerade auf langfristige Geltung angelegt. Dass sie sich regelmäßig fortlaufend für den bereits zurückliegenden Zeitraum erledigen, lässt ihre gegenwärtige, sich täglich neu aktualisierende Wirksamkeit und damit auch ihre Anfechtbarkeit und Überprüfbarkeit im Hauptsacheverfahren unberührt (vgl. Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand: Januar 2012, § 113 Rn. 85 a.E.). Änderungen der Rechtslage führen ebenfalls nicht zur Erledigung. Vielmehr ist die Untersagung anhand der jeweils aktuellen Rechtslage zu prüfen. Dass ihre Anfechtung sich regelmäßig nur auf eine Aufhebung des Verbots mit Wirkung ab dem Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung richten kann, stellt keine Rechtsschutzbeschränkung dar. Vielmehr trägt dies dem Umstand Rechnung, dass das Verbot in der Vergangenheit keine Regelungswirkung mehr entfaltet, die aufgehoben werden könnte. Im Ausnahmefall, etwa bei einer noch rückgängig zu machenden Vollziehung der Untersagung, bleibt diese wegen ihrer Titelfunktion als Rechtsgrund der Vollziehung rückwirkend anfechtbar ( BVerwG 7 C 5.08 - Buchholz 345 § 6 VwVG Nr. 1 Rn. 13; zur Vollzugsfolgenbeseitigung vgl. BVerwG 1 C 11.05 - BVerwGE 125, 110 <Rn. 17> = Buchholz 402.242 § 63 AufenthG Nr. 2 Rn. 17).

25Dass eine untypisch frühzeitige Erledigung im Einzelfall einer streitigen Hauptsacheentscheidung zuvorkommen kann, berührt Art. 19 Abs. 4 GG nicht. Die Rechtsweggarantie verbietet zwar, gesetzliche Zulässigkeitsanforderungen so auszulegen, dass ein gesetzlich eröffneter Rechtsbehelf leerläuft, weil das weitere Beschreiten des Rechtswegs unzumutbar und ohne sachliche Rechtfertigung erschwert wird ( - NJW 2011, 137 <Rn. 31> m.w.N.). Einen solchen Leerlauf hat die dargestellte Konkretisierung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses aber nicht zur Folge. Ihre sachliche Rechtfertigung und die Zumutbarkeit ihrer prozessualen Konsequenzen ergeben sich daraus, dass eine großzügigere Handhabung dem Kläger mangels berechtigten rechtlichen, ideellen oder wirtschaftlichen Interesses keinen relevanten Vorteil bringen könnte und auch nicht dazu erforderlich ist, maßnahmenspezifische Rechtsschutzlücken zu vermeiden.

26c) Aus der Garantie eines wirksamen Rechtsbehelfs im Sinne des Art. 47 GRC ergibt sich keine Verpflichtung, das Merkmal des berechtigten Interesses nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO weiter auszulegen.

27Allerdings ist nach der unionsgerichtlichen Rechtsprechung davon auszugehen, dass der sachliche Anwendungsbereich der Grundrechtecharta nach Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC eröffnet ist, weil die Klägerin Rechtsschutz wegen einer Beschränkung ihrer Dienstleistungsfreiheit begehrt. Zur mitgliedstaatlichen Durchführung des Unionsrechts im Sinne der Vorschrift rechnet der Gerichtshof nicht nur Umsetzungsakte im Sinne eines unionsrechtlich - zumindest teilweise - determinierten Vollzugs, sondern auch mitgliedstaatliche Eingriffe in Grundfreiheiten nach Maßgabe der allgemeinen unionsrechtlichen Schrankenvorbehalte. An dieser Rechtsprechung, die vor Inkrafttreten der Charta zur Abgrenzung des Anwendungsbereichs unionsrechtlicher Grundrechte als allgemeiner Grundsätze des Unionsrechts entwickelt wurde (vgl. , ERT - Slg. 1991 I-2951 <Rn. 42>), hält der Gerichtshof weiterhin fest. Er geht von einer mitgliedstaatlichen Bindung an die Unionsgrundrechte im gesamten Anwendungsbereich des Unionsrechts aus und verweist dazu auf die Erläuterungen zu Art. 51 GRC, die nach Art. 6 Abs. 1 Unterabs. 3 EUV, Art. 52 Abs. 7 GRC bei der Auslegung der Charta zu berücksichtigen sind (, Akerberg Fransson - EuZW 2013, 302 <Rn. 17 ff.>). Wie diese Abgrenzungsformel im Einzelnen zu verstehen ist, inwieweit bei ihrer Konkretisierung grammatische und entstehungsgeschichtliche Anhaltspunkte für eine bewusste Begrenzung des Anwendungsbereichs durch Art. 51 Abs. 1 Satz 1 GRC maßgeblich und welche Folgerungen aus kompetenzrechtlichen Grenzen zu ziehen sind (vgl. dazu - NJW 2013, 1499 Rn. 88 und 90; zur Entstehungsgeschichte Borowsky, in: Meyer, Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Aufl. 2011, S. 643 ff.), bedarf hier keiner Klärung. Geht man von der Anwendbarkeit des Art. 47 GRC aus, ist dieser jedenfalls nicht verletzt.

28Mit der Verpflichtung, einen wirksamen Rechtsbehelf gegen Rechtsverletzungen zur Verfügung zu stellen, konkretisiert Art. 47 Abs. 1 GRC den allgemeinen unionsrechtlichen Grundsatz effektiven Rechtsschutzes (dazu vgl. , DEB - EuZW 2011, 137 <Rn. 29> und Beschluss vom - Rs. C-156/12, GREP - juris <Rn. 35>). Er hindert den mitgliedstaatlichen Gesetzgeber aber nicht, für die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs ein qualifiziertes Interesse des Klägers zu fordern und diese Anforderung im Sinne der soeben unter a) und b) (Rn. 21 und 22 ff.) dargelegten Kriterien zu konkretisieren.

29Wie sich aus den einschlägigen unionsgerichtlichen Entscheidungen ergibt, bleibt es grundsätzlich den Mitgliedstaaten überlassen, im Rahmen der Ausgestaltung ihres Prozessrechts die Klagebefugnis und das Rechtsschutzinteresse des Einzelnen zu normieren. Begrenzt wird das mitgliedstaatliche Ermessen bei der Regelung solcher Zulässigkeitsvoraussetzungen durch das unionsrechtliche Äquivalenzprinzip, den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz und das Effektivitätsgebot ( u.a., Verholen u.a. ./. Sociale Verzekeringsbank - Slg. 1991 I-3783 <Rn. 24> und vom - Rs. C-12/08, Mono Car Styling ./. Dervis Odemis u.a. - Slg. 2009 I-6653 <Rn. 49>; Beschluss vom a.a.O. <Rn. 39 f.>).

30Das Äquivalenzprinzip verlangt eine Gleichwertigkeit der prozessrechtlichen Bedingungen für die Durchsetzung von Unionsrecht und mitgliedstaatlichem Recht (, Unibet ./. Justitiekansler - Slg. 2005 I-2301 <Rn. 43>). Es ist hier nicht betroffen, weil die dargelegte verfassungskonforme Konkretisierung des Fortsetzungsfeststellungsinteresses gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nicht danach unterscheidet, ob eine Verletzung von Unions- oder mitgliedstaatlichem Recht geltend gemacht wird.

31Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz verbietet eine Zulässigkeitsregelung, die das Recht auf Zugang zum Gericht in seinem Wesensgehalt selbst beeinträchtigt, ohne einem unionsrechtlich legitimen Zweck zu dienen und im Verhältnis dazu angemessen zu sein ( a.a.O. <Rn. 60> und Beschluss vom a.a.O. <Rn. 39 f.>). Hier fehlt schon eine den Wesensgehalt des Rechts selbst beeinträchtigende Rechtswegbeschränkung. Sie liegt vor, wenn dem Betroffenen der Zugang zum Gericht trotz einer Belastung durch die beanstandete Maßnahme verwehrt wird, weil die fragliche Regelung für den Zugang zum Recht ein unüberwindliches Hindernis aufrichtet (vgl. a.a.O. <Rn. 61>; Beschluss vom a.a.O. <Rn. 41>). Danach kommt es - nicht anders als nach der bundesverfassungsgerichtlichen Rechtsprechung zu Art. 19 Abs. 4 GG - maßgeblich darauf an, dass der Betroffene eine ihn belastende Eingriffsmaßnahme gerichtlich überprüfen lassen kann. Das war hier gewährleistet, da die Untersagungsverfügung bis zu ihrer endgültigen Erledigung angefochten werden konnte und § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO eine Fortsetzungsfeststellung ermöglichte, soweit diese noch zur Abwendung fortwirkender Nachteile von Nutzen sein konnte. Dass die Vorschrift keinen darüber hinausgehenden Anspruch auf eine Fortsetzung des Prozesses nur zum Zweck nachträglicher Rechtsklärung vorsieht, widerspricht nicht dem Wesensgehalt der Garantie eines wirksamen Rechtsbehelfs. Unabhängig davon wäre selbst eine Beeinträchtigung des Rechts in seinem Wesensgehalt verhältnismäßig. Sie wäre geeignet, erforderlich und angemessen, die Prozessökonomie zur Verwirklichung des unionsrechtlich legitimen Ziels zügigen, effektiven Rechtsschutzes für alle Rechtssuchenden zu wahren.

32Das Effektivitätsgebot ist ebenfalls nicht verletzt. Es fordert eine Ausgestaltung des mitgliedstaatlichen Rechts, die die Ausübung unionsrechtlich gewährleisteter Rechte nicht praktisch unmöglich macht oder unzumutbar erschwert ( a.a.O. und vom a.a.O. <Rn. 43>). Bezogen auf die mitgliedstaatliche Regelung prozessualer Zulässigkeitsvoraussetzungen ergibt sich daraus, dass den Trägern unionsrechtlich begründeter Rechte gerichtlicher Rechtsschutz zur Verfügung stehen muss, der eine wirksame Kontrolle jeder Rechtsverletzung und damit die Durchsetzbarkeit des betroffenen Rechts gewährleistet. Diese Anforderungen gehen nicht über die aus Art. 19 Abs. 4 GG herzuleitende Gewährleistung einer gerichtlichen Überprüfbarkeit jedes Eingriffs in einem Hauptsacheverfahren hinaus. Insbesondere lässt sich aus dem Effektivitätsgebot keine Verpflichtung herleiten, eine Fortsetzung der gerichtlichen Kontrolle nach Erledigung des Eingriffs unabhängig von einem rechtlichen, ideellen oder wirtschaftlichen Nutzen für den Kläger allein unter dem Gesichtspunkt eines abstrakten Rechtsklärungsinteresses vorzusehen (vgl. die Schlussanträge des Generalanwalts Tesauro, in: - Rs. C-83/91, Meilicke/ADV/ORGA AG - vom , Slg. 1992 I-4897 <Rn. 5>). Das gilt erst recht, wenn die Maßnahme bereits Gegenstand einer gerichtlichen Hauptsacheentscheidung war und sich erst im Rechtsmittelverfahren erledigt hat.

33An der Richtigkeit dieser Auslegung des Art. 47 Abs. 1 GRC und des unionsrechtlichen Grundsatzes effektiven Rechtsschutzes bestehen unter Berücksichtigung der zitierten unionsgerichtlichen Rechtsprechung keine ernsthaften Zweifel im Sinne der acte-clair-Doktrin (, C.I.L.F.I.T. u.a. - Slg. 1982, S. 3415 <Rn. 16 ff.>). Die von der Klägerin angeregte Vorlage an den Gerichtshof ist deshalb nach Art. 267 Abs. 3 Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) nicht geboten.

344. Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ergibt sich schließlich nicht aus der Präjudizwirkung der beantragten Feststellung für den von der Klägerin angestrebten Staatshaftungsprozess. Auch das Berufungsgericht hat das nicht angenommen. Ein Präjudizinteresse kann nur bestehen, wenn die beabsichtigte Geltendmachung von Staatshaftungsansprüchen nicht offensichtlich aussichtslos ist. Bei der Prüfung dieses Ausschlusskriteriums ist ein strenger Maßstab anzulegen. Die Wahrscheinlichkeit eines Misserfolgs im zivilgerichtlichen Haftungsprozess genügt nicht. Offensichtlich aussichtslos ist eine Staatshaftungsklage jedoch, wenn der geltend gemachte Anspruch unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt besteht und dies sich ohne eine ins Einzelne gehende Würdigung aufdrängt ( BVerwG 7 C 92.79 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 95 S. 27, vom - BVerwG 4 C 29.90 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 247 S. 90 und vom - BVerwG 8 C 37.93 - BVerwGE 100, 83 <92> = Buchholz 454.11 WEG Nr. 7). Der Verwaltungsprozess muss nicht zur Klärung öffentlich-rechtlicher Vorfragen der Staatshaftung fortgeführt werden, wenn der Kläger daraus wegen offenkundigen Fehlens anderer Anspruchsvoraussetzungen keinen Nutzen ziehen könnte. Hier drängt sich schon ohne eine detaillierte Würdigung auf, dass der Klägerin selbst bei Rechtswidrigkeit der Untersagung keine staatshaftungsrechtlichen Ansprüche zustehen.

35Die Voraussetzungen der Amtshaftung gemäß Art. 34 Satz 1 GG, § 839 BGB oder des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs (zu dessen Herleitung vgl. und 9/90, Francovich u.a. - Slg. 1991 I-5357 <Rn. 35>) liegen ersichtlich nicht vor, ohne dass es insoweit einer ins Einzelne gehenden Prüfung bedürfte. Weitere Anspruchsgrundlagen kommen nicht in Betracht.

36Die Klägerin hat den Zugriff auf ihre Betriebsstätte Ende Oktober 2010 endgültig verloren. Denkbare Schadensersatzansprüche betreffen also im Wesentlichen den Zeitraum vor Ergehen der unionsgerichtlichen Urteile zu den deutschen Sportwettenmonopolen ( u.a., Markus Stoß u.a. - Slg. 2010 I-8069, - Rs. C-46/08, Carmen Media Group - Slg. 2010 I-8175 und - Rs. C-409/06, Winner Wetten - Slg. 2010 I-8041). Für diesen Zeitraum scheidet ein Amtshaftungsanspruch aus, weil den Amtswaltern selbst bei Rechtswidrigkeit der zur Begründung der Untersagung herangezogenen Monopolregelung keine schuldhaft fehlerhafte Rechtsanwendung zur Last zu legen ist. Die unionsrechtliche Staatshaftung greift für diesen Zeitraum nicht ein, da ein etwaiger Verstoß gegen das Unionsrecht nicht hinreichend qualifiziert war.

37a) Einem Amtswalter ist auch bei fehlerhafter Rechtsanwendung regelmäßig kein Verschulden im Sinne des § 839 BGB vorzuwerfen, wenn seine Amtstätigkeit durch ein mit mehreren rechtskundigen Berufsrichtern besetztes Kollegialgericht aufgrund einer nicht nur summarischen Prüfung als objektiv rechtmäßig angesehen wird ( BVerwG 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <105 ff.> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 32; - BGHZ 97, 97 <107>). Das Verwaltungsgericht hat die angegriffene Untersagungsverfügung im Hauptsacheverfahren für rechtmäßig gehalten. Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof bejahte seinerzeit in ständiger Rechtsprechung die Vereinbarkeit des Sportwettenmonopols mit höherrangigem Recht sowie die Rechtmäßigkeit darauf gestützter Untersagungen unerlaubter Wettvermittlung (vgl. 10 BV 07.558 - ZfWG 2009, 27 und - 10 BV 07.774/775 - juris). Er hat diese Auffassung erst im Hinblick auf die im Herbst 2010 veröffentlichten Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union zu den deutschen Sportwettenmonopolen vom (a.a.O.) sowie die daran anknüpfenden (BVerwG 8 C 14.09 - BVerwGE 138, 201 = Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 272, - BVerwG 8 C 15.09 - NWVBl 2011, 307 sowie - BVerwG 8 C 13.09 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 273) in einer Eilentscheidung im Frühjahr 2011 aufgegeben ( 10 AS 10.2499 - ZfWG 2011, 197 = juris Rn. 24 ff.). Die Orientierung an der berufungsgerichtlichen Rechtsprechung kann den Amtswaltern auch nicht etwa vorgeworfen werden, weil die kollegialgerichtlichen Entscheidungen bis Ende 2010 - für sie erkennbar - von einer schon im Ansatzpunkt völlig verfehlten rechtlichen Betrachtung ausgegangen wären (zu diesem Kriterium vgl. a.a.O. S. 106 f.). Hinreichend geklärt war ein etwaiger Verstoß gegen unionsrechtliche Vorgaben jedenfalls nicht vor Ergehen der zitierten unionsgerichtlichen Entscheidungen ( - EuZW 2013, 194 <Rn. 22 ff.>), die durch die nachfolgenden Urteile des Senats in Bezug auf das bayerische Monopol konkretisiert wurden. Der Gerichtshof stellte seinerzeit erstmals klar, dass die Verhältnismäßigkeit im unionsrechtlichen Sinn nicht nur eine kohärente Ausgestaltung des jeweiligen Monopolbereichs selbst, sondern darüber hinaus eine Kohärenz auch zwischen den Regelungen verschiedener Glücksspielsektoren fordert. Außerdem präzisierte er die Grenzen zulässiger, nicht auf Expansion gerichteter Werbung für die besonders umstrittene Imagewerbung.

38b) Im genannten Zeitraum fehlt es auch an einem hinreichend qualifizierten Rechtsverstoß, wie er für die unionsrechtliche Staatshaftung erforderlich ist. Diese setzt eine erhebliche und gleichzeitig offenkundige Verletzung des Unionsrechts voraus. Maßgeblich dafür sind unter anderem das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift, der Umfang des durch sie belassenen Ermessensspielraums und die Frage, ob Vorsatz bezüglich des Rechtsbruchs oder des Zufügens des Schadens vorlag, sowie schließlich, ob ein Rechtsirrtum entschuldbar war ( C-46 und 48/93, Brasserie du Pêcheur und Factortame - Slg. 1996 I-1029 <Rn. 51 und 55>). Nach diesen Kriterien kann zumindest bis zu den zitierten Entscheidungen des Gerichtshofs von einer offenkundigen erheblichen Verletzung der Niederlassungs- und Dienstleistungsfreiheit durch die Monopolregelung nicht die Rede sein. Mangels Harmonisierung des Glücksspielbereichs stand den Mitgliedstaaten ein weites Regelungsermessen zur Verfügung. Seine durch die Grundfreiheiten gezogenen Grenzen waren jedenfalls bis zur unionsgerichtlichen Konkretisierung der intersektoralen Kohärenz nicht so genau und klar bestimmt, dass ein etwaiger Rechtsirrtum unentschuldbar gewesen wäre.

39c) Auch für den nach Ergehen der unionsgerichtlichen Urteile vom verbleibenden, noch verfahrensgegenständlichen Zeitraum bis zum ist die Geltendmachung von Amtshaftungs- oder unionsrechtlichen Staatshaftungsansprüchen offensichtlich aussichtslos. Insbesondere war der Beklagte nicht verpflichtet, die Untersagungsverfügung unmittelbar nach Bekanntwerden dieser Urteile aufzuheben. Der Gerichtshof hat die deutschen Sportwettenmonopole nicht für unionsrechtswidrig erklärt, sondern nur festgestellt, dass ein mitgliedstaatliches Gericht bei Vorliegen der in den Vorlageentscheidungen festgestellten Tatsachen berechtigten Anlass haben kann (nicht: hat), von einem Verstoß gegen die Niederlassungs- oder Dienstleistungsfreiheit auszugehen. Die Entscheidung, ob im konkreten Fall eine danach mögliche, aber nicht zwangsläufige Schlussfolgerung zu ziehen ist, hat er ausdrücklich den mitgliedstaatlichen Gerichten überlassen (vgl. z.B. u.a., Markus Stoß u.a. - Slg. 2010 I-8069 <Rn. 106, 107  4. Spiegelstrich>). Vor Ergehen der kann deshalb keinesfalls von einer klar erkennbaren Unionsrechtswidrigkeit des § 10 Abs. 2 und 5 GlüStV ausgegangen werden.

40Unabhängig davon ergäbe sich selbst aus einem eindeutigen Unionsrechtsverstoß der Monopolregelung nur deren Unanwendbarkeit, aber noch keine Pflicht, auf die Durchsetzung des nicht monopolabhängigen, seinerseits verfassungs- und unionsrechtskonformen Erlaubnisvorbehalts (vgl. - NVwZ 2008, 1338 <Rn. 23. ff., insb. Rn. 32, 45 und 52>; BVerwG 8 C 13.09 - a.a.O. Rn. 73, 77 ff.) zu verzichten. Insbesondere verlangt das Unionsrecht in einer solchen Situation keine - und erst recht keine sofortige - Öffnung des Markts für alle Anbieter ohne jede präventive Kontrolle. Vielmehr steht es dem Mitgliedstaat frei, das Monopol zu reformieren oder sich für eine Liberalisierung des Marktzugangs zu entscheiden. In der Zwischenzeit ist er lediglich verpflichtet, Erlaubnisanträge privater Anbieter nach unionsrechtskonformen Maßstäben zu prüfen und zu bescheiden ( u.a., Stanleybet Int. Ltd. u.a. - juris <Rn. 39, 44, 46 ff.>). Einen Anspruch auf erlaubnisfreie Tätigkeit vermittelte das Unionsrecht also auch bei Unanwendbarkeit der Monopolregelung offenkundig nicht. Im Aufrechterhalten der Untersagungsverfügung bis zur Klärung der materiellen Erlaubnisvoraussetzungen lag auch deshalb weder eine schuldhafte Rechtsverletzung noch ein hinreichend qualifizierter Unionsrechtsverstoß. Eine unionsrechtskonforme Bescheidung von Erlaubnisanträgen privater Veranstalter und Vermittler ermöglichte das für diese in Bayern nach Bekanntwerden der unionsgerichtlichen Entscheidungen eröffnete Erlaubnisverfahren. Entgegen der Auffassung der Klägerin beruhte es auf ausreichenden gesetzlichen Grundlagen. Die Zuständigkeit für die Erlaubniserteilung und das Erlaubnisverfahren für private Vermittler waren ebenso wie die Erlaubnisvoraussetzungen in Art. 2 Abs. 1 bis 3, Abs. 4 Nr. 3 AG GlüStV i.V.m. § 4 ff. GlüStV hinreichend bestimmt und transparent geregelt. Bei Unanwendbarkeit der Monopolvorschriften ermöglichten diese Vorschriften eine diskriminierungsfreie Anwendung auf private Veranstalter und die Vermittlung von Sportwetten an diese. Gegen eine fehlerhafte, insbesondere willkürliche oder diskriminierende Rechtsanwendung im Erlaubnisverfahren stand den Betroffenen effektiver Rechtsschutz zur Verfügung.

41Außerdem fehlt jedenfalls die erforderliche haftungsbegründende Kausalität zwischen Rechtsverletzung und Schaden. Bei Ermessensentscheidungen ist sie zu verneinen, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass die zum Schaden führende Entscheidung auch bei fehlerfreier Rechtsanwendung getroffen worden wäre (BGH, Beschlüsse vom - III ZR 37/81 - VersR 1982, 275 und vom - III ZR 198/84 - VersR 1985, 887 f.; Vinke, in: Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. 12, Stand: Sommer 2005, § 839 Rn. 176, zur Unterscheidung von der Figur rechtmäßigen Alternativverhaltens vgl. ebd. Rn. 178). Wie bereits dargelegt, war eine Untersagung im Oktober 2010 ermessensfehlerfrei möglich. Nach der Verwaltungspraxis des Beklagten ist auch nicht festzustellen, dass dieser die unerlaubte Tätigkeit in Kenntnis der Untersagungsbefugnis geduldet hätte.

42d) Weitere Anspruchsgrundlagen für eine Staatshaftung kommen nicht in Betracht. Eine über die Amtshaftung und den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch hinausgehende Haftung für eine rechtswidrige Inanspruchnahme als Störer sieht das bayerische Landesrecht nicht vor (vgl. Art. 70 ff. des Polizeiaufgabengesetzes - BayPAG).

435. Andere Umstände, aus denen sich ein berechtigtes Feststellungsinteresse der Klägerin ergeben könnte, sind nicht erkennbar.

Fundstelle(n):
UAAAE-43702