BFH Beschluss v. - V B 51/12

Keine Bindung an die Auslegung des Unionsrechts durch ausländische Behörden

Gesetze: FGO § 115 Abs. 2 Nr. 2, FGO § 115 Abs. 2 Nr. 3, FGO § 76, FGO § 95, ZPO § 165, ZPO § 295

Instanzenzug:

Gründe

1 Die Beschwerde des Klägers und Beschwerdeführers (Kläger) hat keinen Erfolg.

2 1. Die Revision ist nicht zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 115 Abs. 2 Nr. 2 der FinanzgerichtsordnungFGO—) zuzulassen.

3 a) Der Kläger macht insoweit geltend, dass sich ein gravierender Rechtsanwendungsfehler von erheblichem Gewicht daraus ergebe, dass das Finanzgericht (FG) von im Inland steuerpflichtigen Lieferungen ausgegangen sei, während es sich nach von Steuerbehörden in Luxemburg akzeptierten Steuererklärungen um innergemeinschaftliche Lieferungen aus Luxemburg in das Inland gehandelt habe, die daher nicht im Inland steuerbar und steuerpflichtig sein könnten. Damit habe das FG gegen den Neutralitätsgrundsatz, den Territorialitätsgrundsatz und gegen das Verbot der Doppelbesteuerung verstoßen.

4 b) Der Kläger berücksichtigt insoweit nicht, dass Entscheidungen ausländischer Behörden nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) für die Besteuerung im Inland keine Tatbestandswirkung zukommt, so dass die inländischen Behörden und Gerichte nicht an die Auslegung des Unionsrechts durch ausländische Behörden gebunden sind (, BFHE 200, 204, BStBl II 2002, 869). Die Beurteilung in Luxemburg hindert daher nicht die Annahme einer inländischen Steuerpflicht. Dies gilt insbesondere dann, wenn die ausländische Behörde wie im Streitfall von einer steuerfreien Lieferung ausgeht, so dass es im Hinblick auf eine im Inland angenommene Steuerpflicht nicht zu einer Doppelbesteuerung und damit auch nicht zu einem Verstoß gegen den Neutralitätsgrundsatz kommen kann. Im Übrigen käme ein Verstoß gegen den Territorialitätsgrundsatz nur in Betracht, wenn das FG davon ausgegangen wäre, dass ein nach seiner Auffassung in Luxemburg steuerpflichtiger Vorgang zu einer Besteuerung im Inland führen könne.

5 2. Die Revision ist auch nicht wegen eines Verfahrensfehlers (§ 115 Abs. 2 Nr. 3 FGO) zuzulassen.

6 a) Wird ein Beweisantrag vom FG verfahrenswidrig übergangen, liegt darin ein Verstoß gegen die Sachaufklärungspflicht und gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (, BFH/NV 2005, 1843). Ein Verfahrensmangel kann jedoch nicht mehr mit Erfolg geltend gemacht werden, wenn er eine Verfahrensvorschrift betrifft, auf deren Beachtung die Prozessbeteiligten verzichten können und verzichtet haben (§ 155 FGO i.V.m. § 295 der ZivilprozessordnungZPO—). Zu diesen verzichtbaren Mängeln gehört nach der ständigen Rechtsprechung des BFH auch das Übergehen von Beweisanträgen. Liegt ein solcher verzichtbarer Verfahrensmangel vor, so geht das Rügerecht nicht nur durch eine ausdrückliche oder konkludente Verzichtserklärung gegenüber dem FG verloren, sondern auch dadurch, dass der in der mündlichen Verhandlung fachkundig vertretene Kläger dies in der mündlichen Verhandlung nicht rügt, und zwar unabhängig davon, ob ein Verzichtswille gegeben ist (BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2005, 1843, und vom III B 186/11, BFH/NV 2013, 236).

7 b) Im Streitfall fehlt es an Darlegungen dazu, aus welchen Gründen der Prozessvertreter des Klägers in der mündlichen Verhandlung am den behaupteten Verfahrensmangel nicht gerügt und selbst eine weiter gehende Beweisaufnahme beantragt hat (vgl. BFH-Beschlüsse vom VIII B 84/05, BFH/NV 2006, 803; vom VIII B 113/05, BFH/NV 2006, 803). Der in der mündlichen Verhandlung vor dem FG fachkundig vertretene Kläger hat nicht erklärt, warum er nicht von sich aus entsprechende Beweismittel ordnungsgemäß in der letzten mündlichen Verhandlung am angeboten hat. Zu berücksichtigen ist insoweit, dass das FG zwar nach § 76 Abs. 1 Satz 1 FGO den Sachverhalt von Amts wegen zu erforschen hat. Indes wird der Amtsermittlungsgrundsatz durch die Mitwirkungspflichten der Beteiligten nach § 76 Abs. 1 Satz 2 FGO begrenzt. Die Sachaufklärungsrüge dient daher nicht dazu, Beweisanträge oder Fragen zu ersetzen, welche eine fachkundig vertretene Partei selbst in zumutbarer Weise hätte stellen können, zu stellen aber unterlassen hat (, BFH/NV 2007, 751).

8 c) Dass das FG Steuerfahnder als Zeugen vernommen hat, begründet keinen Verfahrensmangel, da die Vernehmung auch in solchen Fällen im Ermessen des Gerichts im Rahmen seiner Sachaufklärung gemäß § 76 FGO liegt (, juris). Dass sich das FG für sein Urteil auf Zeugenaussagen eines Fahndungsprüfers bezieht, begründet keinen Verfahrensfehler, sondern allenfalls einen materiell-rechtlichen Mangel im Hinblick auf eine unzutreffende Beweiswürdigung, der nicht zur Zulassung der Revision führen kann (, BFH/NV 2012, 1634).

9 d) Soweit der Kläger Verletzung rechtlichen Gehörs (§ 96 FGO) geltend macht, ist zu beachten, dass es sich auch hierbei um einen (verzichtbaren) Verfahrensmangel handelt (BFH-Beschlüsse vom X B 164/04, BFH/NV 2005, 1126; vom II B 18/08, BFH/NV 2008, 1866; vom II B 79/08, Zeitschrift für Steuern & Recht 2009, R-480), so dass mangels Rüge in der mündlichen Verhandlung auch insoweit von einem Verzicht auszugehen ist.

10 e) Schließlich ergibt sich aus der Sitzungsniederschrift über die mündliche Verhandlung (zu dessen Beweiskraft vgl. § 94 FGO i.V.m. § 165 ZPO) nicht, dass der Kläger in der mündlichen Verhandlung einen Fragenkatalog übergeben hat.

11 3. Im Übrigen ergeht die Entscheidung nach § 116 Abs. 5 Satz 2 FGO ohne weitere Begründung.

Fundstelle(n):
BFH/NV 2013 S. 1436 Nr. 9
RAAAE-41237