BVerwG Beschluss v. - 2 B 12/13

Kindergeldberechtigung; kinderbezogener Teil des Familienzuschlags

Leitsatz

Der kinderbezogene Teil des Familienzuschlags nach § 40 Abs. 2 Satz 1 BBesG wird nicht gewährt, wenn die Kindergeldberechtigung unanfechtbar abgelehnt worden ist. Dies gilt auch, wenn der ablehnende Bescheid auf die Verletzung der Mitwirkungspflicht gestützt ist und der Betroffene hiergegen keinen Einspruch eingelegt hat (im Anschluss an BVerwG 2 C 16.92 - BVerwGE 94, 98).

Gesetze: § 40 Abs 2 BBesG, § 70 Abs 1 EStG

Instanzenzug: Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Az: 1 A 739/11 Urteilvorgehend Az: 27 K 3130/09

Gründe

1Die Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers kann keinen Erfolg haben. Der Kläger hat nicht dargelegt, dass der geltend gemachte Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung nach § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gegeben ist.

2Der Kläger wendet sich gegen die Rückforderung des kinderbezogenen Familienzuschlags der Stufe 2 für das Jahr 2007. Die Rückforderung beruht darauf, dass die hierfür zuständige Familienkasse die Festsetzung des Kindergeldes für 2007 aufgehoben und das Kindergeld zurückgefordert hatte, weil der Kläger trotz entsprechender Aufforderungen die Unterlagen zu den Einkommensverhältnissen seines Sohnes nicht vorgelegt hatte. Der Kläger legte gegen diesen Bescheid keinen Einspruch ein, sodass er bestandskräftig wurde.

3Das Oberverwaltungsgericht hat die erstinstanzlich erfolgreiche Klage in der Berufungsinstanz abgewiesen. In dem Berufungsurteil heißt es, unanfechtbare Entscheidungen der Familienkasse über das Kindergeld seien für den Anspruch auf Zahlung des kinderbezogenen Teils des Familienzuschlags vorgreiflich. Der Besoldungsstelle sei es verwehrt, die Kindergeldberechtigung eigenverantwortlich zu prüfen. Dies gelte unabhängig davon, aus welchen Gründen die Familienkasse die Berechtigung bejaht oder verneint habe. Daher stehe aufgrund der Bestandskraft der ablehnenden Entscheidung über die Kindergeldberechtigung des Klägers für 2007 bindend fest, dass der Kläger auch den kinderbezogenen Teil des Familienzuschlags für dieses Jahr zu Unrecht erhalten habe.

4Mit der Nichtzulassungsbeschwerde wirft der Kläger die Frage als rechtsgrundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO auf, ob eine ablehnende Verwaltungsentscheidung über die Kindergeldberechtigung auch dann Bindungswirkung für die Gewährung des kindergeldbezogenen Teils des Familienzuschlags entfaltet, wenn sie ausschließlich auf die fehlende Mitwirkung des Beamten oder Soldaten bei der Feststellung des Sachverhalts gestützt ist. Der Kläger macht geltend, es verstoße gegen das rechtsstaatliche Gebot der materiellen Gerechtigkeit und den Alimentationsgrundsatz, dass auch einem materiell Kindergeldberechtigten wegen eines Verstoßes gegen die Mitwirkungspflicht nicht nur das Kindergeld, sondern auch ein Teil der ihm zustehenden Alimentation verloren gehe.

5Der Revisionszulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass der Beschwerdeführer aufzeigt, dass eine von ihm bezeichnete Rechtsfrage sowohl im konkreten Fall entscheidungserheblich als auch allgemein klärungsbedürftig ist. Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage durch die bundesgerichtliche Rechtsprechung bereits geklärt ist oder auf ihrer Grundlage beantwortet werden kann (stRspr; vgl. BVerwG 2 B 2.11 - NVwZ-RR 2011, 329 Rn. 4 <insoweit nicht veröffentlicht in Buchholz 237.7 § 15 NWLBG Nr. 9>) zu.

6Die vom Kläger aufgeworfene Frage ist nicht klärungsbedürftig, weil sich die Antwort ohne Weiteres aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Verhältnis von Kindergeldberechtigung und Gewährung des kinderbezogenen Teils des Familienzuschlags ergibt:

7Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 des Soldatenversorgungsgesetzes sind auf den Familienzuschlag der versorgungsberechtigten ehemaligen Soldaten die für Soldaten geltenden Vorschriften des Bundesbesoldungsgesetzes anzuwenden. Nach § 40 Abs. 2 Satz 1 BBesG erhalten auch Soldaten, die zur Stufe 1 des Familienzuschlags (§ 40 Abs. 1 BBesG) gehören, den kinderbezogenen Teil dieses Zuschlags nach Stufe 2 und den folgenden Stufen für jedes Kind, für das ihnen Kindergeld nach dem Einkommensteuergesetz oder dem Bundeskindergeldgesetz zusteht.

8Der Bedeutungsgehalt des § 40 Abs. 2 Satz 1 BBesG ist in der Senatsrechtsprechung geklärt ( BVerwG 2 C 16.92 - BVerwGE 94, 98 <99 f.> = Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 27 S. 41 f. und vom - BVerwG 2 C 39.99 - BVerwGE 112, 308 <311 f.> = Buchholz 237.95 § 95 SHLBG Nr. 3 S. 4 f.; BVerwG 2 B 65.06 - Buchholz 240 § 40 BBesG Nr. 40 Rn. 6 f.). Danach bringt der gesetzliche Begriff des "Zustehens" von Kindergeld zum Ausdruck, dass der Besoldungsgesetzgeber die Gewährung des kinderbezogenen Teils des Familienzuschlags von der Kindergeldberechtigung nach den Regelungen des Einkommensteuergesetzes oder des Kindergeldgesetzes abhängig gemacht hat. Der besoldungs- bzw. versorgungsrechtliche Anspruch setzt zwingend die förmliche Feststellung eines Anspruchs auf Kindergeld voraus. Diese Koppelung trägt dem Umstand Rechnung, dass beide Leistungen dem gleichen sozialpolitischen Zweck, nämlich dem Familienlastenausgleich für den durch Kinder verursachten Mehraufwand, zu dienen bestimmt sind. Daher sollen divergierende Auffassungen von Familienkasse und Besoldungsstelle über die Kindergeldberechtigung vermieden werden.

9Aus der in § 40 Abs. 2 Satz 1 BBesG angeordneten Akzessorietät der Besoldungs- bzw. Versorgungsleistung und aus dem Umstand, dass die Entscheidung über die Kindergeldberechtigung in einem förmlichen, durch Bescheid abzuschließenden Verfahren ergeht (vgl. § 70 Abs. 1 EStG), hat der Senat den Schluss gezogen, dass dieser Entscheidung nach Eintritt der Unanfechtbarkeit Bindungswirkung (Tatbestandswirkung) für die Gewährung des kinderbezogenen Teils des Familienzuschlags zukommt. Für die Kindergeldberechtigung ist ausschließlich die Familienkasse zuständig. Die Besoldungsstelle ist an deren unanfechtbare Entscheidung und, falls der Betroffene den Rechtsweg beschreitet, an die Entscheidung des Finanzgerichts gebunden; eine gesonderte Prüfung der Rechtmäßigkeit in einem besoldungs- bzw. versorgungsrechtlichen Verfahren findet nicht statt. Diese Bindungswirkung besteht, solange und soweit die Familienkasse den unanfechtbaren Verwaltungsakt über die Kindergeldberechtigung nicht aufgehoben oder sich dieser nicht auf andere Weise erledigt hat (vgl. zur Tatbestandswirkung von Verwaltungsakten: BVerwG 7 C 63.77 - BVerwGE 59, 310 <315> = Buchholz 442.151 § 45 StVG Nr. 7 S. 19 und vom - BVerwG 8 C 82.79 - BVerwGE 60, 111 <116 f.> = Buchholz 454.44 GebBefrG Nr. 1 S. 6).

10Demnach wirkt sich die Entscheidung über die Kindergeldberechtigung nach Eintritt der Unanfechtbarkeit unmittelbar kraft Gesetzes auf die Gewährung des kinderbezogenen Teils des Familienzuschlags aus. Im Falle der Anerkennung der Kindergeldberechtigung ist auch der entsprechende Familienzuschlag zu gewähren. Umgekehrt steht aufgrund einer ablehnenden Entscheidung fest, dass ein Anspruch auf den kinderbezogenen Teil des Familienzuschlags nicht besteht. Jede nachträgliche Änderung der Entscheidung der Familienkasse für einen bestimmten Zeitraum wirkt sich im Falle ihrer Bestandskraft nachträglich auf die Zuschlagsgewährung aus.

11Daraus folgt, dass unanfechtbare Entscheidungen über die Kindergeldberechtigung unabhängig von ihrer Richtigkeit Bindungswirkung entfalten. Der kinderbezogene Teil des Familienzuschlags kann auch bei rechtswidriger, aber bestandskräftiger Ablehnung der Kindergeldberechtigung nicht gewährt werden. Auf die Art des Rechtsfehlers kommt es hierbei nicht an. Die gesetzliche Regelung des § 40 Abs. 2 Satz 1 BBesG bietet keine Handhabe, um danach zu unterscheiden, ob es sich um einen Rechtsfehler bei der Ermittlung und Feststellung der entscheidungserheblichen Tatsachen handelt, wozu auch ein rechtsfehlerhafter Verzicht auf eine weitere Sachaufklärung wegen unterbliebener Mitwirkung gehört, oder ob der Familienkasse ein Fehler bei der Rechtsanwendung unterlaufen ist. Es kann nicht darauf ankommen, ob dies dem Betroffenen besoldungs- oder versorgungsrechtlich zum Vorteil oder zum Nachteil gereicht.

12Der Kläger hat keine Gesichtspunkte aufgezeigt, die Anlass zu einem Überdenken der Senatsrechtsprechung zu § 40 Abs. 2 Satz 1 BBesG in einem Revisionsverfahren geben könnten. Die in der Beschwerdebegründung angesprochenen verfassungsrechtlichen Grundsätze sind nicht geeignet, die Senatsrechtsprechung in Frage zu stellen:

13Es verstößt nicht gegen den rechtsstaatlichen Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit, einer unanfechtbaren Ablehnung der Kindergeldberechtigung, die auf das Fehlen von Angaben des Betroffenen zu den Einkommensverhältnissen des Kindes gestützt ist, nach § 40 Abs. 2 Satz 1 BBesG Bindungswirkung zuzuerkennen. Dies folgt schon daraus, dass gegen die ablehnende Entscheidung Rechtsschutzmöglichkeiten eröffnet sind. Der Betroffene kann hiergegen Einspruch einlegen, um die fehlenden Angaben im Einspruchsverfahren nachzuholen. Gegebenenfalls muss er nach Zurückweisung seines Einspruchs das Finanzgericht anrufen. Entscheidet sich ein Betroffener bewusst gegen die Inanspruchnahme von Rechtsschutz oder versäumt er die Einspruchs- oder Klagefrist, so kann es nicht als unbillig angesehen werden, dass er die Entscheidung und die daran geknüpften gesetzlichen Rechtsfolgen aus Gründen der Rechtssicherheit gegen sich gelten lassen muss (BVerfG, Beschlüsse vom - 2 BvR 23/65 - BVerfGE 27, 297 <305 f.>, vom - 2 BvL 26/81 - BVerfGE 60, 253 <269 f.> und vom - 1 BvR 1982/01 - BVerfGE 117, 302 <315>).

14Der Grundsatz der materiellen Gerechtigkeit gebietet nicht, eine zusätzliche Möglichkeit des Rechtsschutzes in einem Verfahren zu eröffnen, das gesetzlich hierfür nicht vorgesehen ist. Vielmehr ist der Betroffene darauf verwiesen, auf eine Änderung der bestandskräftigen Ablehnung der Kindergeldberechtigung nach §§ 173 f. der Abgabenordnung hinzuwirken.

15Die Abhängigkeit des Anspruchs auf Gewährung des kinderbezogenen Teils des Familienzuschlags von der unanfechtbaren Entscheidung über die Kindergeldberechtigung verstößt auch nicht gegen Art. 14 Abs. 1 GG, der für die Besoldung und Altersversorgung der Soldaten an die Stelle des hergebrachten Grundsatzes der amtsangemessenen Alimentation nach Art. 33 Abs. 5 GG tritt. Der Anspruch auf Altersversorgung genießt verfassungsrechtlichen Schutz, weil ihn die Berechtigten während der aktiven Dienstzeit erdient haben. Seine Höhe ergibt sich aus den Regelungen der Versorgungsgesetze, durch die der Gesetzgeber seinen verfassungsrechtlichen Gestaltungsspielraum ausgefüllt hat ( BVerwG 2 C 25.09 - Buchholz 449.4 § 55b SVG Nr. 1 Rn. 22).

16Es ist von diesem Gestaltungsspielraum gedeckt, dass der Gesetzgeber die Gewährung eines Besoldungs- und Versorgungszuschlags zur Deckung des durch ein Kind verursachten Mehraufwands an die Entscheidung über die Gewährung des dem gleichen Zweck dienenden Kindergeldes koppelt. Er kann Vorkehrungen treffen, um eine Prüfung der Kindergeldberechtigung in zwei Verfahren und unterschiedliche Entscheidungen darüber zu vermeiden. Darin liegt schon deshalb kein Vorenthalten eines Teils der Bezüge, weil zwischen Besoldung und Dienstleistung kein Gegenseitigkeitsverhältnis wie zwischen Vergütung und Arbeitsleistung in Arbeitsverhältnissen besteht. Dies gilt gleichermaßen für die lebenslange Altersversorgung. Vielmehr sollen Besoldung und Altersversorgung Beamten und Soldaten eine amts- bzw. dienstgradgemäße Lebensführung als Gegenleistung dafür ermöglichen, dass sie sich dem Dienstherrn mit der ganzen Persönlichkeit zur Verfügung gestellt und die übertragenen Aufgaben nach besten Kräften erfüllt haben. Die Zahlung eines Zuschlags, der der persönlichen Lebenssituation des Berechtigten Rechnung tragen soll, kann von der Erfüllung einer Mitwirkungspflicht abhängig gemacht werden, wenn sie sachlich gerechtfertigt und verhältnismäßig ist ( BVerwG 2 C 33.09 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 18).

Fundstelle(n):
QAAAE-41126