BGH Urteil v. - VII ZR 82/12

Bauvertrag: Vertragsstrafenvereinbarung durch Ankreuzen eines Ankreuzfeldes in den Besonderen Vertragsbedingungen

Leitsatz

Sieht ein Klauselwerk eine durch Ankreuzen auszuübende Option vor, ob der Verwender einen Vertragsstrafenanspruch gegen seinen Vertragspartner vorsehen will, ist vorbehaltlich besonderer Umstände des Einzelfalls keine Vertragsstrafe vereinbart, wenn die Ankreuzoption nicht ausgeübt wird.

Gesetze: § 305 Abs 1 S 1 BGB, § 11 VOB B

Instanzenzug: Az: 22 U 184/10vorgehend Az: 83 O 23/10

Tatbestand

1Die Parteien streiten darum, ob ein Anspruch der Klägerin auf Restwerklohn durch Aufrechnung mit einer Vertragsstrafenforderung der Beklagten erloschen ist. Der Rechtsstreit betrifft in erster Linie die Frage, ob eine Vertragsstrafe vereinbart ist, obwohl ein in Besonderen Vertragsbedingungen dafür vorgesehenes Ankreuzfeld nicht ausgefüllt worden ist.

2Im Auftragsschreiben vom , welches die Klägerin am unterzeichnete, heißt es:

"… Fristen: sh. Punkt Nr. 1.1 - 1.2 der Besonderen Vertragsbedingungen und Vorgaben im Leistungsverzeichnis

Vertragsstrafen: sh. Punkt Nr. 2.1 - 2.3 der Besonderen Vertragsbedingungen …"

3Die von der Beklagten gestellten Besonderen Vertragsbedingungen enthalten Regelungen über Ausführungsfristen (Gliederungspunkt Nr. 1) und Vertragsstrafen (Gliederungspunkt Nr. 2):

4Das Leistungsverzeichnis sieht unter anderem vor: "Gesamtfertigstellung Restflächen: 03.2009." Bis zum hatte die Klägerin ihre Arbeiten nicht fertiggestellt. Die Beklagte nahm die Arbeiten am ab. In der Abnahmebescheinigung ist vorgedruckt: "Der Auftraggeber behält sich vor, die vereinbarte Vertragsstrafe geltend zu machen."

5Gegen die Restwerklohnforderung der Klägerin hat die Beklagte mit einer Vertragsstrafenforderung aufgerechnet. Die Werklohnklage hatte in erster Instanz Erfolg. Das Landgericht hat die Beklagte, soweit für das Revisionsverfahren von Interesse, zur Zahlung von 69.977,56 € nebst Zinsen und vorgerichtlichen Anwaltskosten verurteilt. Das Landgericht hat gemeint, dass eine Vertragsstrafe nicht vereinbart worden sei, weil das Ankreuzfeld unter Nr. 2.1 der Besonderen Vertragsbedingungen nicht ausgefüllt worden sei. Jedenfalls sei unklar, ob dieser Punkt der Besonderen Vertragsbedingungen gelten solle (§ 305c Abs. 2 BGB).

6Die dagegen gerichtete Berufung der Beklagten hatte Erfolg. Mit der vom Senat zugelassenen Revision möchte die Klägerin erreichen, dass das Urteil des Landgerichts wieder hergestellt wird. Die Beklagte und ihre Streithelfer beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Gründe

7Die Revision ist begründet.

I.

8Das Berufungsgericht hat ausführt: Die vom Landgericht zuerkannte Forderung von 69.977,56 € sei durch Aufrechnung mit einem Anspruch auf Vertragsstrafe untergegangen. Die Parteien hätten eine Vertragsstrafe vereinbart. Zwar sei im Abschnitt 2.1 der Besonderen Vertragsbedingungen kein Kästchen angekreuzt. Durch die Eintragung der Prozentzahlen "0,1" und "5" in den Abschnitten 2.1 und 2.3 habe die Beklagte aber hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass eine Vertragsstrafe vereinbart werden solle. Diese Ausfüllungen wären andernfalls unsinnig und widersprüchlich. Von einer Unklarheit im Sinne von § 305c Abs. 2 BGB könne deshalb nicht die Rede sein.

9Dafür spreche auch, dass das Auftragsschreiben vom , das kein Formularschreiben, sondern individuell auf den Auftrag zugeschnitten sei, Vertragsstrafen ausdrücklich - mit Bezugnahme auf die Punkte 2.1 bis 2.3 der Besonderen Vertragsbedingungen - erwähne. Außerdem habe sich die Beklagte die vereinbarte Vertragsstrafe im Abnahmeprotokoll vorbehalten, ohne dass die Klägerin dem zeitnah widersprochen habe.

10Wie das Berufungsgericht weiter ausgeführt hat, sei die formularmäßige Regelung über die Vertragsstrafe mit dem Transparenzgebot vereinbar; die Vertragsstrafe sei auch verwirkt.

II.

11Diese Beurteilung hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

121. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der formularmäßigen Vertragsstrafenvereinbarung unterliegt der uneingeschränkten revisionsrechtlichen Nachprüfung, da bei Allgemeinen Geschäftsbedingungen ungeachtet der Frage, ob sie über den räumlichen Bezirk des Berufungsgerichts hinaus Verwendung finden, ein Bedürfnis nach einheitlicher Handhabung besteht (, NJW 2013, 995 Rn. 15, für BGHZ bestimmt; vom - VIII ZR 295/09, NJW 2011, 1342 Rn. 29; vom - VIII ZR 294/09, NJW 2010, 2877 Rn. 11 m.w.N.). Allgemeine Geschäftsbedingungen sind - ausgehend von den Verständnismöglichkeiten eines rechtlich nicht vorgebildeten durchschnittlichen Vertragspartners - einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden werden (, BauR 2011, 1331 = NZBau 2011, 407 Rn. 19; vom - III ZR 35/10, BGHZ 188, 351 Rn. 10).

132. Hieran gemessen hält die Auslegung der Vertragsstrafenvereinbarung durch das Berufungsgericht, wie die Revision mit Recht rügt, der rechtlichen Nachprüfung nicht stand.

14a) Das Berufungsgericht hat zwar gesehen, dass unter Gliederungspunkt Nr. 2.1 der Besonderen Vertragsbedingungen kein Kästchen angekreuzt ist. Es hat aber gemeint, dass dies unschädlich sei, weil die Beklagte unter den Gliederungspunkten Nr. 2.1 und 2.3 die Prozentzahlen "0,1" und "5" eingetragen habe. Daraus ergebe sich hinreichend deutlich, dass eine Vertragsstrafe vereinbart werden sollte; andernfalls wären die Ausfüllungen unsinnig und widersprüchlich gewesen.

15Diese Auffassung teilt der Senat nicht. Das von der Beklagten verwendete Formular sieht eine Erklärung über die Vereinbarung einer Vertragsstrafe vor, die aus zwei wesentlichen Elementen besteht. Es soll nicht nur die Höhe der Vertragsstrafe bestimmt werden, vielmehr soll ein gesondertes Ankreuzfeld ausgefüllt und damit klargestellt werden, ob die Vertragsstrafe im konkreten Fall auch wirklich vom Parteiwillen getragen ist oder nicht. Dieser Formulargestaltung wird ein Verständnis nicht gerecht, wonach gleichwohl für eine Vertragsstrafe optiert wird, wenn nur deren Höhe bestimmt, aber nicht die vorgesehene Erklärung abgegeben wird, dass überhaupt eine Vertragsstrafe vorgesehen wird.

16Trägt der Verwender Prozentzahlen ein und füllt aber das Ankreuzfeld nicht aus, kann es sich um die bloße Vorbereitung einer etwaigen Vertragsstrafenvereinbarung handeln. Das liegt im Streitfall nicht fern, weil die Beklagte an zwei anderen Stellen Einfügungen vorgenommen hat, ohne diese durch Ankreuzen des vorgesehenen Feldes als gültig zu kennzeichnen (Gliederungspunkt Nr. 1.1: "spätestens am"; Gliederungspunkt Nr. 1.2: "sh. LV"). Darauf weist die Revision zutreffend hin.

17Ein solches Verständnis ist nicht unsinnig oder widersprüchlich, wie das Berufungsgericht gemeint hat. Wenn der Klauselverwender eine solche Formulargestaltung wählt, muss er sich grundsätzlich daran messen lassen und dafür sorgen, dass das vorgesehene Feld angekreuzt wird, wenn er dessen Inhalt als gültig behandelt wissen will. Das vorgesehene Kästchen hat die Beklagte aber nicht ausgefüllt. Dies legt den Schluss nahe, dass von der Option einer Vertragsstrafe kein Gebrauch gemacht werden sollte und diese Bedingung deshalb nicht in den Vertrag eingebracht worden ist (§ 305 Abs. 1 Satz 1 BGB).

18b) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Bezugnahme auf die Besonderen Vertragsbedingungen im Auftragsschreiben vom . Das Auftragsschreiben verweist zwar auf die Punkte Nr. 2.1 bis 2.3 der Besonderen Vertragsbedingungen. Aus diesen lässt sich aber, wie ausgeführt, keine Vereinbarung einer Vertragsstrafe herleiten. Daran ändert es nichts, dass das Schreiben vom nach den Feststellungen des Berufungsgerichts individuell auf den Auftrag zugeschnitten ist. Das Auftragsschreiben enthält keine eigenständige Vertragsstrafenvereinbarung, sondern nur einen deklaratorischen Hinweis auf das Klauselwerk.

19c) Zu Unrecht weist das Berufungsgericht auf den formularmäßigen Vorbehalt im Abnahmeprotokoll hin. Der Auftraggeber stellt damit klar, dass er sein Recht, eine Vertragsstrafe zu fordern, nicht aufgibt. Der Vorbehalt setzt eine Vertragsstrafenvereinbarung voraus, begründet diese aber nicht selbst. Die Vorbehaltsklausel geht zwar davon aus, dass eine Vertragsstrafe vereinbart worden ist, gestattet aber nicht den Schluss, dass die Parteien eine solche tatsächlich vereinbart haben. Zu Unrecht vermisst das Berufungsgericht einen zeitnahen Widerspruch der Klägerin; dafür bestand kein Anlass.

20d) Aus dem vorprozessualen Aufrechnungsschreiben der Streithelfer der Beklagten vom lässt sich ebenfalls nichts herleiten. Zwar sind die Streithelfer der Beklagten, die von ihr beauftragten Architekten, davon ausgegangen, dass eine Vertragsstrafe vereinbart ist. Das gestattet aber keinen tragfähigen Rückschluss auf den tatsächlichen Willen der Parteien des Werkvertrags bei Vertragsschluss. Die Gegenrüge der Revisionserwiderung der Streithelfer ist daher unbegründet.

213. Da keine Vertragsstrafe vereinbart worden ist, bedarf es keiner Entscheidung des Senats, ob die von der Beklagten verwendeten Vertragsstrafenklauseln mit dem Transparenzgebot (§ 307 Abs. 1 Satz 2 BGB) vereinbar sind, wie die Revision im Hinblick auf zwei Urteile geltend macht, die Klausel-werke aus diesem Grund beanstandet haben (LG Osnabrück, Urteil vom - 4 O 122/11, BeckRS 2011, 16306 = IBR 2011, 629 [Schliemann]; LG Kleve, Urteil vom - 2 O 272/11, BeckRS 2012, 10253 = IBR 2012, 323 [Franz]).

III.

22Auf die Revision der Klägerin ist das Berufungsurteil danach aufzuheben und das Urteil des Landgerichts ist wiederherzustellen (§ 562 Abs. 1, § 563 Abs. 3 ZPO).

23Die Kostenentscheidung beruht auf § 91, § 97 Abs. 1, § 101 Abs. 1 Halbsatz 2 ZPO.

Kniffka                        Safari Chabestari                        Eick

                Kosziol                                    Kartzke

Fundstelle(n):
DB 2013 S. 6 Nr. 29
NJW 2013 S. 2583 Nr. 35
ZAAAE-41055