Auslegung einer arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel - Ergänzende Vertragsauslegung
Gesetze: § 613a Abs 1 BGB, TVöD BT-K, TVÜ-VKA, § 234 UmwG 1995, BAT, § 133 BGB, § 157 BGB, § 242 BGB
Instanzenzug: ArbG Duisburg Az: 2 Ca 2773/09 Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Düsseldorf Az: 7 Sa 1006/10 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die auf das Arbeitsverhältnis anzuwendenden Tarifverträge.
2Der Kläger wurde von einer Rechtsvorgängerin der Beklagten im Oktober 1995 als examinierter Krankenpfleger eingestellt. Der dem Arbeitsverhältnis der Parteien zugrunde liegende „Dienstvertrag“ zwischen dem Kläger und dem „Johanniter-Krankenhaus R, D“ vom lautet auszugsweise:
3Rechtsträger des „Johanniter-Krankenhauses R“ war zu dieser Zeit die Rheinische Genossenschaft des Johanniterordens, ein rechtsfähiger Verein altbürgerlichen Rechts, der dem Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche im Rheinland angeschlossen war (im Folgenden: Johanniterorden).
4Der Arbeitgeber setzte Änderungen des BAT, insbesondere Vergütungserhöhungen im Arbeitsverhältnis der Parteien - wenn auch zT etwas verzögert - jeweils um.
5Am traten der Tarifvertrag für den öffentlichen Dienst (TVöD) für den Bereich des Bundes und der Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) und der Tarifvertrag zur Überleitung der Beschäftigten der kommunalen Arbeitgeber in den TVöD und zur Regelung des Übergangsrechts (TVÜ-VKA) in Kraft. Die Vergütung des Klägers iHv. zuletzt 2.591,45 Euro zahlte ihm der Rechtsvorgänger der Beklagten weiter.
6Zum wurde ua. das Johanniter-Krankenhaus durch einen Einbringungsvertrag auf die Evangelische B-JOHANNITER-Klinikum D GmbH und später nach einer Umwandlung auf der Basis eines Spaltungs- und Übernahmevertrages auf die Beklagte übertragen.
7Der Kläger, der früher Vorsitzender der Mitarbeitervertretung war, ist nicht tarifgebunden. Die tarifungebundene Beklagte ist Mitglied im Diakonischen Werk der Evangelischen Kirche im Rheinland.
8Mit Schreiben von Juni 2009 hat der Kläger rückwirkend für die vergangenen sechs Monate die Entgeltdifferenz zwischen der ihm gezahlten Vergütung nach BAT/VKA und einem Entgelt nach dem TVöD geltend gemacht. Er hat die Auffassung vertreten, auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fänden aufgrund der Verweisungsklausel in dem mit dem Rechtsvorgänger der Beklagten abgeschlossenen „Dienstvertrag“ nach der Tarifreform im öffentlichen Dienst die Regelungen des TVöD/VKA nebst den Sonderregelungen für den Bereich der kommunalen Krankenhäuser Anwendung. Die Klausel verweise dynamisch auf die Tarifwerke des öffentlichen Dienstes. Zumindest sei der Arbeitsvertrag wegen der Ablösung des BAT durch den TVöD ergänzend auszulegen, um die nachträglich entstandene Vertragslücke zu schließen.
9Der Kläger hat, soweit für die Revision noch von Bedeutung, beantragt
10Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, die arbeitsvertragliche Verweisungsklausel beziehe sich lediglich statisch auf den BAT. Ein Austausch des Tarifwerks sei bei Abschluss des Arbeitsvertrages nicht gewollt gewesen. Der TVöD habe eine ganz andere Vergütungsstruktur. Er könne deshalb nicht als „Fortsetzung“ des BAT angesehen werden. Die Bezugnahmeklausel sei keine sog. Tarifwechselklausel. Da die Arbeitsvertragsparteien einzelne Regelungen des BAT von der Anwendung ausgeschlossen hätten, liege lediglich eine Teilverweisung vor, weshalb eine komplette Ersetzung des BAT durch den TVöD nicht in Betracht kommen könne. Auch habe ihr Rechtsvorgänger durch die Bezugnahme auf den BAT gegen die Mitgliederpflichten des Diakonischen Werks verstoßen. Sie sei aufgrund der Satzung des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche im Rheinland nach § 5 Abs. 1 b) verpflichtet, kirchliche Arbeitsrechtsregelungen (BAT-KF oder AVR.DW-EKD) anzuwenden und die bisherige rechtswidrige Praxis zu beenden. Durch die weitere Anwendung des TVöD im Arbeitsverhältnis der Parteien werde hingegen der satzungswidrige Zustand perpetuiert. Im Übrigen sei Verwirkung eingetreten. Dem Kläger sei die Diskussion über die Überleitung aufgrund seiner Position in der Mitarbeitervertretung seit Mai 2007 bestens bekannt gewesen.
11Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein ursprüngliches Klageziel im Umfang des noch gestellten Antrages weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Gründe
12Die Revision ist begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zu Unrecht zurückgewiesen. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts finden der TVöD/VKA und der TVöD-BT-K sowie der TVÜ-VKA auf das Arbeitsverhältnis der Parteien Anwendung.
13I. Die Klage ist als sog. Elementenfeststellungsklage zulässig. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats hat ein Arbeitnehmer ein berechtigtes Interesse an der Feststellung, dass ein bestimmter Tarifvertrag auf sein Arbeitsverhältnis anzuwenden ist (vgl. hierzu ausführlich - Rn. 11 mwN, BAGE 134, 283).
14II. Die Klage ist begründet. Die Auslegung der arbeitsvertraglichen Verweisungsklausel führt zu der Feststellung, dass auf das Arbeitsverhältnis der Parteien der TVöD/VKA sowie der TVöD-BT-K und der TVÜ-VKA Anwendung finden.
151. Für das Arbeitsverhältnis der Parteien, die beide nicht durch Mitgliedschaft an den TVöD/VKA gebunden sind, ist nach wie vor der „Dienstvertrag“ vom maßgebend. Die sich aus dem zwischen dem Kläger und dem Johanniterorden vereinbarten schriftlichen Dienstvertrag ergebenden Rechte und Pflichten sind mit dem Betriebsübergang nach § 613a Abs. 1 Satz 1 BGB so auf den jeweiligen Erwerber übergegangen, wie sie vorher mit dem jeweiligen Veräußerer bestanden haben.
16a) Das Arbeitsverhältnis zwischen dem Kläger und dem Johanniterorden ging nach § 613a Abs. 1 BGB mit Wirkung vom auf die Evangelische B-JOHANNITER-Klinikum D GmbH über. Der Übergang beruhte auf einem Einbringungsvertrag, mit dem das Johanniter-Krankenhaus auf die genannte GmbH übertragen wurde. Die Einbringung als partielle Gesamtrechtsnachfolge lässt nach § 324 UmwG die Anwendung des § 613a Abs. 1 BGB unberührt. Hiervon gehen auch die Parteien und die Vorinstanzen aus.
17b) Gleiches gilt für den weiteren Übergang des Arbeitsverhältnisses auf die Beklagte. Das Krankenhaus wurde in der Folge einer Umwandlung durch Aufspaltung und anschließende Übertragung auf die Beklagte dem Unternehmen der Beklagten zugeordnet. Das Arbeitsverhältnis des Klägers besteht daher nach Maßgabe des § 613a Abs. 1 BGB iVm. § 324 UmwG nunmehr unverändert mit der Beklagten.
182. Bei dem „Dienstvertrag“ vom handelt es sich um einen Formularvertrag, dessen Bestimmungen nach den Regeln über die Allgemeinen Geschäftsbedingungen, dh. nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen sind, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei die Verständnismöglichkeiten des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zugrunde zu legen sind. Ansatzpunkt für die Auslegung allgemeiner Geschäftsbedingungen ist in erster Linie der Vertragswortlaut. Von Bedeutung für das Auslegungsergebnis sind ferner der von den Vertragsparteien verfolgte Regelungszweck sowie die der jeweils anderen Seite erkennbare Interessenlage der Beteiligten ( - Rn. 12 mwN; zuletzt: - 4 AZR 749/10 - Rn. 14). Die Auslegung durch das Landesarbeitsgericht kann vom Revisionsgericht ohne Einschränkung überprüft werden (st. Rspr., vgl. nur - zu I 1 b der Gründe mwN, BAGE 95, 296). Dies gilt auch für arbeitsvertragliche Verweisungsklauseln ( - Rn. 24, BAGE 122, 74).
193. Aus der Auslegung der Verweisungsklausel ergibt sich, dass sich die Bezugnahme auf den BAT/VKA in seiner jeweiligen Fassung bezieht und die beim Übergang des BAT auf den TVöD am entstandene nachträgliche Vertragslücke im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung dahin zu schließen ist, dass seither der TVöD/VKA in seiner jeweiligen Fassung die Arbeitsbedingungen der Parteien bestimmt.
20a) Die Parteien des ursprünglichen „Dienstvertrages“ haben nach dem Wortlaut der Verweisungsklausel den BAT „für Länder und Gemeinden einschließlich der hierzu ergangenen Zusatztarifverträge und Sonderregelungen“ in Bezug genommen. Diese Bezugnahme ist dahingehend auszulegen und zu verstehen, dass damit der BAT/VKA in seiner jeweiligen Fassung nebst den ergänzenden Tarifverträgen in das Arbeitsverhältnis einbezogen worden ist.
21aa) Der Wortlaut der vertraglichen Verweisungsklausel „Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) für Länder und Gemeinden“ ist nicht eindeutig, sondern auslegungsbedürftig. Beim „BAT“ handelt es sich um einen mehrgliedrigen Tarifvertrag, der auf beiden Seiten von verschiedenen Tarifvertragsparteien geschlossen worden ist. Soweit die Arbeitgeberseite betroffen ist, drückt sich dies in unterschiedlichen Tarifvereinbarungen aus. Neben einer großen Zahl gemeinsamer Tarifregelungen gibt es - insbesondere im Vergütungsbereich - zahlreiche, teilweise gravierende Unterschiede zwischen den für die Gemeinden geltenden Vorschriften einerseits und den für den Bund und die Länder geltenden andererseits.
22Aus den Umständen des Vertragsabschlusses und der Vertragsabwicklung lässt sich folgern, dass sich die Arbeitsvertragsparteien auf die Anwendung des BAT/VKA geeinigt haben. Zum einen hat der Arbeitgeber während des gesamten Arbeitsverhältnisses - jedenfalls bis zum Inkrafttreten des TVöD - die Regelungen des BAT/VKA angewandt. Zum anderen hat der Kläger die Anwendung des BAT/VKA offenbar auch als vertragsgemäß angesehen. So wurden bspw. die tariflichen Lohnerhöhungen stets umgesetzt und auch die Vergütung von Anfang an nach den Vergütungstabellen des BAT/VKA geleistet. Dies gilt umso mehr als die Vergütungstabellen des BAT/VKA einerseits und des BAT/Bund-Länder andererseits vom ersten Tag des Arbeitsverhältnisses an unterschiedliche Beträge für die - nominell - selbe Vergütungsgruppe aufwiesen. Aus der praktischen Durchführung des Arbeitsverhältnisses lässt sich schließen, dass die Arbeitsvertragsparteien zum Zeitpunkt des Arbeitsvertragsabschlusses offenbar von einer Anwendung des BAT/VKA ausgegangen sind (vgl. dazu - mwN).
23Weiterhin spricht für dieses Auslegungsergebnis der Umstand, dass es sich bei dem Betrieb des damaligen Arbeitgebers um eine Einrichtung gehandelt hat, die einem „allgemeinen“ Krankenhaus vergleichbar war (und nicht etwa zB einer Universitätsklinik), wie es innerhalb des öffentlichen Dienstes regelmäßig von Landkreisen oder Kommunen, jedoch selten unmittelbar von einem Bundesland (hier: Nordrhein-Westfalen) geführt wird. Deshalb ist im Zweifel davon auszugehen, dass die Arbeitsvertragsparteien in einem solchen Fall den Bereich des öffentlichen Tarifrechts in Bezug nehmen wollten, dem sie unterliegen würden, wenn die ausgeübten Tätigkeiten innerhalb des öffentlichen Dienstes organisiert worden wären (so bereits für die Bestimmung des Tarifvertrages im Wege einer ergänzenden Auslegung - Rn. 39, BAGE 134, 283).
24bb) Die Verweisung auf den BAT/VKA im Dienstvertrag des Klägers ist als dynamische vereinbart worden.
25(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist bei fehlender Angabe einer konkret nach Datum festgelegten Fassung des in Bezug genommenen Tarifvertrages regelmäßig anzunehmen, der Tarifvertrag solle in seiner jeweiligen Fassung Anwendung finden (zB - Rn. 30, BAGE 116, 366). Einer ausdrücklichen „Jeweiligkeits-Klausel“ bedarf es nicht ( - Rn. 26 mwN). Die Bezugnahme in einem Arbeitsvertrag auf einen Tarifvertrag oder einen Teil davon ist deshalb beim Fehlen anderer eindeutiger Hinweise, die für eine statische Bezugnahme sprechen, in der Regel dynamisch zu verstehen ( - BAGE 103, 338; - 5 AZR 888/08 - Rn. 14; - 5 AZR 633/09 - Rn. 13; - 10 AZR 831/09 - Rn. 16).
26(2) Der Wortlaut der arbeitsvertraglichen Vereinbarung bietet keine hinreichenden Anhaltspunkte für eine ausnahmsweise vereinbarte statische Verweisung. Aus der Formulierung, der BAT gelte einschließlich „hierzu ergangener Zusatztarifverträge und Sonderregelungen“ kann nicht gefolgert werden, lediglich die bereits zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses vereinbarten Zusatztarifverträge sollten Anwendung finden, nicht aber die nach Vertragsschluss vereinbarten. Mit dieser Formulierung wollten die Parteien nicht nur den BAT als Tarifvertrag auf ihr Arbeitsverhältnis anwenden, sondern das gesamte Tarifwerk des öffentlichen Dienstes - einschließlich Zusatztarifverträgen und Sonderregelungen, bspw. bei der Eingruppierung - in Bezug nehmen. Dieses gesamte Tarifwerk haben die Arbeitsvertragsparteien mit ihrer Formulierung „Bundesangestelltentarifvertrag (BAT) … einschließlich der hierzu ergangenen Zusatztarifverträge und Sonderregelungen“ dynamisch in Bezug genommen.
27(3) Da die vertraglichen Vereinbarungen in den folgenden Jahren von den Parteien des Dienstvertrages entsprechend dieser Dynamik vollzogen worden sind, verstärkt die praktische Durchführung des Arbeitsverhältnisses dieses Auslegungsergebnis. Neben der sich unmittelbar nach Vertragsschluss zeigenden Verbindlichkeit der Regelungen des BAT/VKA (vgl. dazu oben II 3 a aa) ist auch die jeweilige tarifliche Bemessungsgrundlage für die Jahreszuwendung nahezu jährlich durch jeweils gesondert vereinbarte Tarifverträge angepasst worden ist, zB vom , vom , vom und vom (vgl. Protokollnotiz Nr. 1 zu § 2 Abs. 3 des Tarifvertrages über eine Zuwendung für Angestellte vom idF des Änderungstarifvertrages vom iVm. der Tarifeinigung vom ).
28cc) Die Verweisungsklausel erfasst nach dieser Auslegung allerdings nicht den BAT im Bereich der VKA ab dem ersetzenden TVöD/VKA und die hierzu geschlossenen Zusatztarifverträge. Die Verweisung im Dienstvertrag des Klägers ist nach der vorstehenden Auslegung zwar zeitdynamisch ausgestaltet. Für die Annahme, die Parteien hätten mit dieser Verweisung jedwede Änderung im Tarifrecht des öffentlichen Dienstes unmittelbar vereinbart, mangelt es jedoch an hinreichenden Anhaltspunkten. Die Vereinbarung kann nicht weitergehend dahin ausgelegt werden, die Parteien hätten sich auch ausdrücklich auf die Anwendung des BAT/VKA „in der jeweils gültigen Fassung“ geeinigt. Der TVöD/VKA ist im Übrigen nicht einmal eine „gültige Fassung“ des BAT/VKA ( - Rn. 38).
29b) Die tariflichen Regelungen des TVöD/VKA und der „hierzu ergangenen“ Tarifverträge TVöD-BT-K und TVÜ-VKA finden aber auf das Arbeitsverhältnis der Parteien seit dem aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung Anwendung.
30aa) Im Dienstvertrag der Parteien ist aufgrund der Tarifsukzession im öffentlichen Dienst nachträglich eine Vertragslücke entstanden. Die von den Parteien des Dienstvertrages bei Vertragsschluss vorausgesetzte Dynamik der Anbindung an die Tarifbedingungen im öffentlichen Dienst der kommunalen Arbeitgeber durch den BAT ist mit dem Inkrafttreten des TVöD am unterbrochen worden. Diese Situation war von den Arbeitsvertragsparteien bei Abschluss des Dienstvertrages nicht bedacht worden. Aus der dynamischen Ausgestaltung der Bezugnahme auf das jeweils geltende tarifliche Regelungswerk ergibt sich aber ihr Wille, die Arbeitsbedingungen nicht in einer bestimmten Weise festzuschreiben, sondern sie - dynamisch - an der Tarifentwicklung des öffentlichen Dienstes auszurichten. Das Arbeitsverhältnis wird in seiner Entwicklung an diejenigen Arbeitsbedingungen gebunden, die für die Arbeitnehmer gelten, die von dem in Bezug genommenen Tarifvertrag erfasst werden.
31bb) Entgegen der Auffassung der Beklagten kann eine nachträgliche Regelungslücke nicht deshalb verneint werden, weil der BAT noch fortbesteht und mit seinem - statischen - Inhalt das Arbeitsverhältnis der Parteien noch regeln könnte. Ein solches Verständnis ist weder mit dem Wortlaut der Klausel noch mit dem Zweck einer zeitdynamischen Bezugnahme vereinbar. Es träte eine statische Fortgeltung der bereits heute überholten tariflichen Rechtslage des Jahres 2003 ein. Der ersichtliche Regelungswille der Parteien betraf die Einbeziehung der tariflichen Regelungen im öffentlichen Dienst für die Angestellten in ihrer jeweiligen Entwicklung. Für die von dem in Bezug genommenen BAT unmittelbar erfassten Arbeitsverhältnisse hat sich die typischerweise an die tatsächliche Entwicklung angepasste Tarifentwicklung fortgesetzt. Es sind die Nachfolgetarifverträge zum BAT an dessen Stelle getreten, die von der Verweisungsklausel aber nicht unmittelbar erfasst werden.
32cc) Die nachträglich entstandene Vertragslücke ist durch eine ergänzende Auslegung zu schließen. Diese ergibt, dass die Parteien den TVöD/VKA und die zu diesem geschlossenen Zusatztarifverträge in Bezug genommen hätten.
33(1) Im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung tritt an die Stelle der lückenhaften Klausel diejenige Gestaltung, die die Parteien bei einer angemessenen Abwägung der beiderseitigen Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Unwirksamkeit der Geschäftsbedingung bekannt gewesen wäre (etwa - Rn. 22; - 5 AZR 627/06 - Rn. 26, BAGE 122, 182; - zu B II 2 b aa der Gründe, BGHZ 151, 229; - IX ZR 289/96 - zu II 2 a der Gründe, BGHZ 137, 153). Die ergänzende Vertragsauslegung von Allgemeinen Geschäftsbedingungen orientiert sich an einem objektiv generalisierenden, am Willen und Interesse der typischerweise an Geschäften dieser Art beteiligten Verkehrskreise ausgerichteten Maßstab und nicht nur am Willen und Interesse der konkret beteiligten Personen ( - zu II 1 der Gründe mwN, BGHZ 107, 273). Die Vertragsergänzung muss deshalb für den betroffenen Vertragstyp als allgemeine Lösung eines stets wiederkehrenden Interessengegensatzes angemessen sein. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Feststellung und Bewertung des mutmaßlichen typisierten Parteiwillens und der Interessenlage ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses, da die ergänzende Vertragsauslegung eine anfängliche Regelungslücke rückwirkend schließt ( - zu B IV 1 b der Gründe, BGHZ 164, 297). Das gilt auch, wenn eine Lücke sich erst nachträglich als Folge des weiteren Verlaufs der Dinge ergeben hat ( - zu II 4 a, d der Gründe). Zunächst ist hierfür an den Vertrag selbst anzuknüpfen, denn die in ihm enthaltenen Regelungen und Wertungen, sein Sinn und Zweck sind Ausgangspunkt der Vertragsergänzung. Soweit irgend möglich, sind danach Lücken im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung in der Weise auszufüllen, dass die Grundzüge des konkreten Vertrages „zu Ende gedacht“ werden ( - zu 2 der Gründe, BGHZ 123, 281).
34(2) Ausgehend von diesen Maßstäben hätten die Parteien redlicherweise für den Fall der hier vorliegenden Tarifsukzession des im Dienstvertrag benannten tariflichen Regelungswerks das nachfolgende tarifliche Regelungswerk des öffentlichen Dienstes, also den TVöD/VKA und dessen begleitende Übergangsregelungen vereinbart.
35(a) Die Parteien haben die nähere Ausgestaltung ihres Arbeitsverhältnisses mit der dynamischen Bezugnahme auf das tarifliche Regelungswerk des BAT/VKA - mit Ausnahme der Regelungen zur tariflichen Unkündbarkeit (§ 2 des „Dienstvertrages“ vom ), zur Dienstzeitanrechnung und zur betrieblichen Altersversorgung - für die Zukunft allein der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes im kommunalen Bereich anvertraut. Die mit der Tarifsukzession verbundene Änderung der Tarifwerke wirkt nicht anders auf den Arbeitsvertrag ein als eine tiefgreifende inhaltliche Änderung des im Arbeitsvertrag benannten Tarifvertrages. Mit dem Nachvollziehen der Tarifsukzession auf arbeitsvertraglicher Ebene werden die Parteien nicht anders gestellt, als sie stünden, wenn die Tarifvertragsparteien des öffentlichen Dienstes den BAT reformiert und ihm einen neuen Inhalt gegeben hätten ( - Rn. 35, BAGE 134, 283; - 5 AZR 888/08 - Rn. 24). Die vertraglich vereinbarten Einschränkungen der Anwendung des BAT sind danach sinngemäß auch bei der Anwendung des TVöD zu beachten.
36(b) Entgegen der Auffassung der Beklagten steht die Mitgliedschaft ihres Rechtsvorgängers im Diakonischen Werk dieser ergänzenden Vertragsauslegung nicht entgegen.
37(aa) Die Beklagte hat geltend gemacht, die Bezugnahme auf den BAT im Dienstvertrag des Klägers habe gegen die Satzung des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche im Rheinland verstoßen. Als dessen Mitglied sei der Rechtsvorgänger der Beklagten wie die Beklagte selbst satzungsgemäß verpflichtet gewesen, kirchliche Arbeitsrechtsregelungen anzuwenden, zB den BAT-KF oder AVR.DW-EKD. Verlange der Kläger jetzt eine weitere Anwendung eines „weltlichen“ Tarifvertrages, verstoße er gegen die Verpflichtung aus der Präambel des Dienstvertrages, den sich aus dem konfessionellen Charakter des Krankenhauses ergebenden Erfordernissen Rechnung zu tragen. Der satzungswidrige Zustand würde durch die Einbeziehung des TVöD perpetuiert. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts müsse ein Arbeitnehmer, der einen Arbeitsvertrag mit einer Einrichtung eines Diakonischen Werks schließt, davon ausgehen, dass sein Arbeitgeber das spezifisch kirchliche Vertragsrecht in seiner jeweiligen Fassung zum Gegenstand des Arbeitsverhältnisses machen wolle und dazu auch kirchenrechtlich verpflichtet sei (unter Hinweis auf - BAGE 135, 163 und - 4 AZR 802/07 -).
38(bb) Zwar mögen die Hinweise der Beklagten auf die Rechtslage außerhalb der vertraglichen Vereinbarung zutreffend sein. Die Beklagte verkennt aber, dass die ergänzende Vertragsauslegung einen arbeitsvertraglichen Regelungsplan „vollenden“ und ihn nicht anhand außervertraglicher Kriterien korrigieren soll. Begleitumstände, die Rückschlüsse auf den erklärten Geschäftswillen zulassen, sind bei der Auslegung zu berücksichtigen, allerdings nur dann, wenn sie bei Abschluss des Vertrages erkennbar waren. Dies gilt auch bei einer ergänzenden Vertragsauslegung ( - Rn. 19). Bei Vertragsschluss nicht erkennbare Umstände haben außer Betracht zu bleiben. Vereinbart ein diakonischer Arbeitgeber zu einem Zeitpunkt, in dem er satzungsrechtlich verpflichtet ist, kirchlich-diakonische Arbeitsvertragsregelungen zu vereinbaren und anzuwenden und in dem ihm sogar noch ein abschließendes Vertragswerk wie die AVR.DW-EKD zur Verfügung steht, auf das er ohne Weiteres im Wege einer vertraglichen Verweisung zurückgreifen könnte, keine solche Verweisung, sondern wählt er eine differenzierte Anwendung der „weltlichen“ Tarifverträge des öffentlichen Dienstes des kommunalen Bereichs mit auf den Betrieb und seinen Träger zugeschnittenen, ausdrücklich formulierten Abweichungen von diesen Tarifverträgen, so erscheint der „Regelungsplan“ der Arbeitsvertragsparteien eindeutig und konstitutiv. Dieser verstößt nicht gegen höherrangiges Recht. Deshalb ist der Hinweis der Beklagten auf die Satzung des Diakonischen Werks der Evangelischen Kirche im Rheinland ohne Bedeutung.
39Diesem eindeutigen Regelungsplan hat die ergänzende Vertragsauslegung zu entsprechen. Daher ist allein die Einbeziehung des TVöD/VKA - als den BAT ersetzender Tarifvertrag - und der mit ihm verbundenen Zusatzverträge geeignet, dem - vom kirchlichen Satzungsrecht bewusst und ausdrücklich abweichenden - mutmaßlichen Willen der Arbeitsvertragsparteien gerecht zu werden.
404. Entgegen der Ansicht der Beklagten ist das Recht des Klägers, die Anwendung des TVöD/VKA und der ergänzenden Tarifverträge auf das Arbeitsverhältnis geltend zu machen, nicht verwirkt.
41a) Mit der Verwirkung als Sonderfall der unzulässigen Rechtsausübung (§ 242 BGB) wird eine illoyal verspätete Geltendmachung von Rechten ausgeschlossen. Sie dient dem Vertrauensschutz und verfolgt nicht den Zweck, den Schuldner stets dann von seiner Verpflichtung zu befreien, wenn dessen Gläubiger längere Zeit seine Rechte nicht geltend gemacht hat (Zeitmoment). Der Berechtigte muss vielmehr unter Umständen untätig geblieben sein, die den Eindruck erweckten, dass er sein Recht nicht mehr geltend machen wolle, so dass der Verpflichtete sich darauf einstellen durfte, nicht mehr in Anspruch genommen zu werden (Umstandsmoment) (st. Rspr., s. nur - zu I 3 a der Gründe, BAGE 99, 295). Hierbei muss das Vertrauen des Verpflichteten, nicht in Anspruch genommen zu werden, das Interesse des Berechtigten an Anspruchserfüllung derart überwiegen, dass ihm die Erfüllung des Anspruchs nicht mehr zuzumuten ist.
42b) Ob und unter welchen Umständen die Geltendmachung eines bestimmten Inhalts eines Arbeitsverhältnisses als solche überhaupt der Verwirkung unterliegen kann - was wegen der Möglichkeit einer konkludenten Änderung des Vertragsinhalts fraglich erscheint -, kann hier dahingestellt bleiben. Die Beklagte hat lediglich auf den verstrichenen Zeitraum - knapp vier Jahre zwischen dem Inkrafttreten des TVöD und einer Geltendmachung des Klägers - verwiesen. Ob damit das erforderliche Zeitmoment für eine Verwirkung schon erfüllt ist, kann gleichfalls dahinstehen. Der bloße Zeitablauf allein führt nicht zu einer Verwirkung. Für das Vorliegen des notwendigen Umstandsmoments hat die Beklagte nichts vorgetragen. Entsprechende Umstände sind auch nicht ersichtlich.
43III. Die Kosten des Rechtsstreits sind anteilig nach dem Obsiegen und Unterliegen der Parteien zu verteilen (§ 92 Abs. 1 ZPO). Die Kosten der Revision hat die hier unterlegene Beklagte allein zu tragen. Hinsichtlich der Kosten der Vorinstanzen ist zu berücksichtigen, dass der Kläger dort mit weiteren Anträgen rechtskräftig unterlegen ist, was anteilig bei der jeweiligen Kostenquote zu berücksichtigen war.
Diese Entscheidung steht in Bezug zu
Fundstelle(n):
BB 2013 S. 1716 Nr. 29
DB 2013 S. 2392 Nr. 42
WAAAE-39803