Rücknahme der Revision - Eingruppierung eines Kassenleiters - Umfang der Rüge in der Revisionsbegründung
Gesetze: § 516 Abs 1 ZPO, § 565 ZPO, § 551 Abs 3 S 1 Nr 2 Buchst b ZPO, § 551 Abs 3 S 1 Nr 2 Buchst a ZPO, Anl 1a VergGr Vb BAT, Anl 1 Entgeltgr 9 TVöD
Instanzenzug: ArbG Würzburg Az: 3 Ca 595/06 S Urteilvorgehend Landesarbeitsgericht Nürnberg Az: 5 Sa 673/09 Urteil
Tatbestand
1Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung des Klägers und sich daraus ergebende Gehaltsdifferenzen.
2Der Kläger ist bei der Beklagten seit 1979 mit einer durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit von zuletzt 25 Stunden als Leiter der Gemeindekasse beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand aufgrund einer dynamischen Verweisungsklausel im schriftlichen Arbeitsvertrag bis zum der BAT und findet seither der TVöD/VKA Anwendung. Nach der Überleitung aus der Vergütungsgruppe Vc BAT in den TVöD/VKA vergütet die Beklagte den Kläger nach Entgeltgruppe 8 Stufe 6 TVöD/VKA.
3Von März 1994 bis zum erhielt der Kläger zu der ihm gezahlten Vergütung nach Vergütungsgruppe Vc BAT eine „freiwillige, jederzeit widerrufbare“ Zulage in Höhe von 180,00 DM monatlich. Diese Zulage widerrief die Beklagte im Oktober 2000 mit der Begründung, dass
4Daraufhin beantragte der Kläger mit Schreiben vom seine Höhergruppierung nach Vergütungsgruppe Vb BAT als Kassenleiter und zugleich Leiter der Vollstreckungsstelle.
5Die Beklagte lehnte die Höhergruppierung des Klägers mit der Begründung ab, ein vom Bayerischen Kommunalen Prüfungsverband erstelltes Gutachten habe ergeben, dass die Stelle des Kassenverwalters bei der Beklagten lediglich mit Vergütungsgruppe VIb BAT zu bewerten sei. Auch sei der Kläger nicht Leiter der Vollstreckungsstelle.
6Nach weiterem erfolglosen Antrag auf Höhergruppierung im Februar 2005 hat der Kläger mit seiner der Beklagten am zugestellten Klage sein Begehren auf Höhergruppierung und Zahlung der Vergütungsdifferenz für den Zeitraum bis zum weiterverfolgt. Er hat die Auffassung vertreten, er sei zutreffend in der Vergütungsgruppe Vb BAT eingruppiert gewesen. Daraus folge eine Überleitung in die Entgeltgruppe 9 TVöD. Er leite nicht nur die Kasse, sondern sei auch Leiter der Vollstreckungsstelle. Dass der Verwaltungsgemeinschaftsvorsitzende nach der Dienstanweisung die Vollstreckungsklausel und die Anträge auf Erlass eines Mahnbescheids bzw. Vollstreckungsbescheids unterzeichne, stehe dem nicht entgegen. Die Unterzeichnung sei ein rein formaler Akt. Jedenfalls habe er einen Anspruch auf die hilfsweise geltend gemachte, widerrufene Zulage in Höhe von 92,03 Euro monatlich. Der Widerruf sei unwirksam. Diesen Anspruch habe er rechtzeitig geltend gemacht. Er sei auch nicht verwirkt. In Gesprächen der Jahre 2002 und 2005 habe er zum Ausdruck gebracht, dass er wenigstens an einem Ausgleich durch die Zulage festhalte.
7Der Kläger hat zuletzt beantragt:
8Die Beklagte hat zur Begründung ihres Klageabweisungsantrages angeführt, der Kläger sei nicht Leiter der Vollstreckungsstelle. Die sich aus der Dienstanweisung ergebende Zuständigkeit des Verwaltungsgemeinschaftsvorsitzenden für die Unterzeichnung von Vollstreckungsklauseln hindere eine solche Annahme. Die Geltendmachung der bereits im Jahre 2000 eingestellten Zulage sei verwirkt. Der Kläger habe eine Weiterzahlung der Zulage vor der Klageerhebung nicht verlangt, auch nicht gesprächsweise in den Jahren 2002 und 2005.
9Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Gründe
10Die Revision ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Zurückweisung der Hauptanträge durch das Landesarbeitsgericht wendet. Hinsichtlich des Hilfsantrages ist sie unzulässig. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des Arbeitsgerichts zu Recht zurückgewiesen. Der Kläger hat weder einen Anspruch auf ein Entgelt nach der Entgeltgruppe 9 TVöD/VKA und entsprechender Vergütungsdifferenzen noch auf Zahlung der freiwilligen Zulage.
11I. Der Senat war an einer Sachentscheidung durch die vom Kläger erklärte Rücknahme der Revision nicht gehindert. Die Rücknahme ist unwirksam. Eine Rücknahme der Revision ist nur bis zur Verkündung des Revisionsurteils zulässig (Germelmann/Matthes/Prütting/Müller-Glöge ArbGG 7. Aufl. § 74 Rn. 21; zu § 516 ZPO -). Der entsprechende Schriftsatz des Klägers ist per Telefax beim Bundesarbeitsgericht am erst um 14.34 Uhr eingegangen. Zu diesem Zeitpunkt war das Urteil bereits verkündet worden, nämlich gegen 14.00 Uhr.
12II. Die Revision des Klägers ist unbegründet, soweit sie sich gegen die Zurückweisung der Hauptanträge zu 1. und 2. durch das Landesarbeitsgericht richtet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf ein Entgelt nach der Entgeltgruppe 9 TVöD/VKA. Deshalb bestehen auch die geltend gemachten Entgeltdifferenzen für den Zeitraum vom bis nicht.
131. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft arbeitsvertraglicher Verweisung der TVöD/VKA Anwendung. Hinsichtlich der Eingruppierung verweist der TVöD/VKA iVm. dem TVÜ-VKA ua. auf die Tätigkeitsmerkmale der Anlage 1a zum BAT. Dabei entspricht nach der Überleitungstabelle die vom Kläger begehrte Entgeltgruppe 9 TVöD/VKA der Vergütungsgruppe Vb der Anlage 1a zum BAT.
142. Der Kläger erfüllt die tariflichen Tätigkeitsmerkmale der Vergütungsgruppe Vb BAT nicht. Es kann dahinstehen, ob er - wie die Parteien übereinstimmend meinen - Leiter einer Kasse im tariflichen Sinne ist. Er ist jedenfalls nicht zugleich Leiter der Vollstreckungsstelle.
15a) In der Vergütungsgruppe Vb BAT sind ua. eingruppiert:
16Die entsprechende Protokollerklärung Nr. 1 lautet:
17b) Leiter der Vollstreckungsstelle im tariflichen Sinne ist nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, wer verantwortlich zu prüfen hat, ob die rechtlichen Voraussetzungen für eine Zwangsvollstreckung gegeben sind, dem die Ausfertigung der Vollstreckungsklausel obliegt und der die Vollstreckungsmaßnahmen zu veranlassen hat, ohne dass er sie selbst im Einzelnen ausführen muss ( - mwN; Clemens/Scheuring/Steingen/Wiese Ergänzungsband zum TVöD VergO VKA Anm. 16a). Diese Voraussetzungen müssen kumulativ vorliegen. Fehlt es an einer dieser drei Voraussetzungen, kann eine Eingruppierung nach diesem Tätigkeitsmerkmal nicht erfolgen (Breier/Kiefer/Hoffmann/Dassau Eingruppierung und Tätigkeitsmerkmale Anl. 1a zum BAT(VKA) VergGr. Vb Erl. 7 Hinweis 3).
18c) Diese Anforderungen erfüllt der Kläger nicht. Er fertigt die Vollstreckungsklausel nicht aus.
19aa) Vorliegend gelten für die Vollstreckung gemeindlicher Forderungen die nachfolgend aufgeführten Regelungen.
20(1) In Art. 23 ff. des Bayerischen Verwaltungszustellungs- und Vollstreckungsgesetzes (BayVwZVG) ist die Vollstreckung von Verwaltungsakten, mit denen eine Geldforderung begründet wird, wie folgt geregelt:
21(2) Die Aufgaben der Gemeindekasse werden in der Verordnung über das Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen der Gemeinden, der Landkreise und der Bezirke nach den Grundsätzen der Kameralistik (KommHV-Kameralistik) in Kraft getreten am (BayRS II S. 443), zuletzt geändert am , wie folgt bestimmt:
22(3) Die Beklagte hat die Zuständigkeit für die Vornahme von Vollstreckungsaufgaben ihrer Kasse sowohl für die Einziehung öffentlich-rechtlicher Forderungen als auch für die Vollstreckung zivilrechtlicher Ansprüche in einer Dienstanweisung für das Finanz- und Kassenwesen, in Kraft seit dem (Dienstanweisung), geregelt. Dort heißt es in
23bb) Nach den vorstehenden Regelungen erteilt der Verwaltungsgemeinschaftsvorsitzende (1. Bürgermeister) die Vollstreckungsklausel und nicht der Kläger.
24(1) Für die Vollstreckung von privatrechtlichen Forderungen der Gemeinde sind der Gemeindekasse nach § 8 Abs. 5 Satz 5 Dienstanweisung lediglich Teile der Maßnahmen zur Erlangung eines vollstreckungsfähigen Titels zugewiesen, nämlich die Stellung eines Antrages auf Erlass eines Mahnbescheides beim zuständigen Amtsgericht (§ 8 Abs. 5 Satz 6 Dienstanweisung) und - bei Ausbleiben eines Widerspruchs - der Antrag auf Erlass eines Vollstreckungsbescheides (§ 8 Abs. 5 Satz 7 Dienstanweisung). Im Wesentlichen obliegt aber die Zwangsvollstreckung den Gerichten und den Gerichtsvollziehern. Dabei sind die Mahn- und Vollstreckungsbescheidsanträge nicht vom Kassenleiter, sondern vom 1. Bürgermeister zu unterzeichnen (§ 8 Abs. 5 Satz 8 Dienstanweisung).
25(2) Soweit die Vollstreckung öffentlich-rechtlicher Forderungen im Wege der zwangsweisen Einziehung nach den Maßgaben des BayVwZVG erfolgt, sieht § 8 Abs. 5 Satz 2 und Satz 3 Dienstanweisung vor, dass die Kasse zwar die Ausstandsverzeichnisse erstellt; die hierauf als Voraussetzung für die Durchführung der zwangsweisen Einziehung zu setzende Vollstreckungsklausel - „Diese Ausfertigung ist vollstreckbar“ - wird jedoch vom 1. Bürgermeister unterzeichnet.
26cc) Die gegen dieses Ergebnis vorgebrachten Einwände der Revision greifen nicht durch.
27(1) Ihr Hinweis, ein „Verwaltungsakt“ bzw. ein „Vollstreckungsbescheid“ entfalte auch dann volle Rechtswirkung gegenüber dem Betroffenen, wenn er allein vom Kläger als Kassenleiter unterzeichnet wäre, weshalb die Unterzeichnung durch den 1. Bürgermeister „reiner Formalismus“ sei, ist nicht folgerichtig. Eine Vollstreckung setzt einen Vollstreckungstitel voraus, der mit einer Vollstreckungsklausel versehen sein muss. Dass der Kläger als Kassenleiter die Vollstreckungsklausel nicht erteilen darf, bestreitet er nicht. Soweit er sich darauf berufen will, ein von ihm unrechtmäßigerweise unterzeichneter „Vollstreckungsbescheid“ über privatrechtliche Forderungen erzeuge ebenfalls rechtliche Wirkung, übersieht er, dass er einen solchen gar nicht unterzeichnen kann, da dieser allein von dem dafür zuständigen Amtsgericht erlassen wird. In Frage steht deshalb allein die - wirksame - Stellung eines Antrages auf Erlass eines Vollstreckungsbescheides, was aber zur Erfüllung des tariflichen Tätigkeitsmerkmales nicht ausreichend wäre.
28(2) Soweit der Kläger meint, ihm obliege die entscheidende Prüfung der Vollstreckungsvoraussetzungen, die ihn dadurch als Leiter der Vollstreckungsstelle qualifiziere, verkennt er die genannten tarifvertraglichen Anforderungen nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Die Prüfung der rechtlichen Voraussetzungen für eine Vollstreckung reicht hiernach nicht aus. Kumulativ hinzukommen muss die Befugnis zum Ausfertigen der Vollstreckungsklausel, die ihm vorliegend nicht übertragen wurde.
29(3) Entgegen der Auffassung der Revision verstößt die alleinige Zeichnungsbefugnis des 1. Bürgermeisters in den genannten Vollstreckungsangelegenheiten nicht gegen das höherrangige Recht aus Art. 100 BayGO. Dieser lautet:
30Hienach ergibt sich die Funktion eines Leiters einer Vollstreckungsstelle gerade nicht aus dem Gesetz, sondern aus dem übertragenen Aufgabenkreis. Wird dem 1. Bürgermeister die Aufgabe übertragen, die Vollstreckungsklauseln zu erteilen, widerspricht dies entgegen der Auffassung des Klägers nicht der gesetzlich vorgesehenen Trennung von Anordnungsbefugnis und Kassenverwaltung, sondern vollzieht sie.
31(4) Im Übrigen wäre selbst bei einer Unwirksamkeit von § 8 Abs. 5 Dienstanweisung lediglich die Befugnis zur Klauselerteilung durch den 1. Bürgermeister unwirksam. Dass diese Befugnis dann dem Kläger als Kassenleiter zwingend zuwachsen würde, lässt sich den rechtlichen Regelungen nicht entnehmen. Dies behauptet auch der Kläger nicht.
32III. Der in der Revisionsinstanz angefallene Hilfsantrag ist unzulässig. Die Revisionsbegründung erfüllt nicht die gesetzlichen Voraussetzungen.
331. Soweit die Revision auf Verfahrensfehler des Landesarbeitsgerichts gestützt wird, muss sie die Tatsachen, aus denen sich der Rechtsfehler ergibt bezeichnen (§ 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b ZPO). Beruft sie sich - wie hier - auf die Unterlassung einer gebotenen Beweisaufnahme durch das Landesarbeitsgericht, so ist diese Rüge nur zulässig, wenn die Revisionsbegründung das Beweisthema wiedergibt, die Angabe der Schriftsatz- oder Protokollstellen enthält, mit der der Beweis in der Berufungsinstanz angetreten worden ist, und darlegt, welches Ergebnis die Beweisaufnahme voraussichtlich gehabt hätte und weshalb das angefochtene Urteil auf dem Verfahrensfehler beruhen kann ( -).
342. Soweit die Revision materiell-rechtliche Fehler des Landesarbeitsgerichts rügt, muss ihre Begründung gem. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a ZPO den behaupteten Rechtsfehler des Berufungsgerichts so aufzeigen, dass Gegenstand und Richtung des Revisionsangriffs erkennbar sind. Sie muss eine Auseinandersetzung mit den Urteilsgründen des angefochtenen Urteils enthalten. Das erfordert eine konkrete Darlegung der Gründe, aus denen das angefochtene Urteil rechtsfehlerhaft sein soll ( - Rn. 12, BAGE 134, 130).
353. Diesen Anforderungen wird die Revisionsbegründung des Klägers nicht gerecht.
36a) Soweit die Revision Verfahrensfehler rügt, fehlt es an einer ordnungsgemäßen Begründung. Die Revisionsbegründung enthält weder die Angabe eines konkreten Beweisthemas noch die Nennung eines Schriftsatzes oder des Protokolls, in dem der nach Auffassung der Revision zu Unrecht übergangene Beweisantritt erfolgt ist.
37b) Soweit die Revision die Abweisung des Hilfsantrages mit der Begründung angreift, es liege keine Verwirkung vor, fehlt es an einer hinreichenden Auseinandersetzung mit den tragenden Entscheidungsgründen des Berufungsurteils und damit an einer ordnungsgemäßen Revisionsbegründung.
38Das Landesarbeitsgericht hat - wie bereits das Arbeitsgericht - den Vortrag des Klägers zum Widerruf der Zulage als zu pauschal und unsubstanziiert angesehen. Die Revision hat sich mit dieser Argumentation des Landesarbeitsgerichts nicht auseinandergesetzt, sondern hat den als zu unbestimmt gerügten Vortrag nahezu wörtlich in derselben pauschalen Weise wiederholt, der im Übrigen bereits nicht zwischen dem Höhergruppierungsbegehren und einer Stellungnahme zum Widerruf der Zulage unterscheidet.
39Soweit sich der Kläger auf sein Schreiben vom beruft, mit dem er zum Ausdruck gebracht haben will, „dass er die Streichung der Zulage eben nicht auf sich beruhen und hinnehmen wollte“, ist dies bereits angesichts des Wortlauts des Schreibens erkennbar unrichtig. Auf die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts, der Vortrag sei insoweit zu unbestimmt und daher unschlüssig, geht die Revisionsbegründung mit keinem Wort ein.
40IV. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen, da sein Rechtsmittel erfolglos ist (§ 97 Abs. 1 ZPO).
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Fundstelle(n):
CAAAE-39801